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Supernova

von

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21. Kapitel - (Der geheime Garten)

Seit dem Moment als er aus dem Mund des Manjuus hinaus in diese Welt geschleudert worden war, fühlte er sich in einem ständigen Wechsel zwischen Schlafen und Erwachen. Er hatte niemals besonders darauf geachtet, er war früher immer froh gewesen aufzuwachen und den Tag endlich beginnen zu können.
 

Träume waren Illusionen, Erinnerungen, Verrücktheiten, die in der wirklichen, wachen Welt, die mit der Person, die er jetzt war, nichts mehr zu tun hatten... Es sei denn man verfügte über die Gabe von Traumsehern.
 

Doch hier schien ihn das Unklare und die Bewusstlosigkeit auch noch einige Minuten nach dem Erwachen zu verfolgen, bis er endlich wieder klar denken konnte. Immer irgendwo dazwischen fühlte er eine Schwere auf seiner Brust, wie das Bedauern einen Traum vergessen zu haben.
 

Und dennoch, dennoch, manchmal, seit sie in dieser Welt waren, kam dieses Gefühl ganz plötzlich, auch wenn er hellwach war. Vor dieser ganzen Welt, wollte er dann wie vor einem Alptraum die Augen öffnen und ihn leugnen. Doch was würde er sehen? Wieder die nichts aussagende Holzdecke seiner Unterkunft? Die im Schatten liegenden Papierwände, durch den die Atemgeräusche seiner Prinzessin und Soumas klangen? Lange bevor das Tageslicht durch sie sickern konnte?
 

Und alles was er in dieser Welt sah, machte ihm bewusst, dass er bald wieder schlafen würde. Er sollte sich zusammen reißen, auch wenn er sich immer öfter zu fühlen drohte, wie dieses kleine Kind damals, musste er sich nicht so benehmen. Er musste sich überwinden und stärker werden, stärker, stärker, stärker. So stark, dass er alles zu verlieren hatte, aber nicht verlor. Einfach nicht verlor.... nie wieder... nie wieder. Jemand er ihm wichtig war... verdammt, er war stark, der stärkste Mann Japans, diese pathetischen Gedanken hatten keinen Platz in seinem Schädel!
 

Seine Stirn fühlte sich seltsam feucht an... - und Hände fummelten in seinem Gesicht herum.
 

Sofort war er hellwach, riss die Augen auf, sein Herz klopfte wie wild. Doch das von zerzausten, blonden Haaren eingerahmte Gesicht lächelte nur versunken auf ihn herunter und Fyes Zeigefinger fuhr weiterhin auf seiner Wange ziellosen Bahnen.
 

"Es ist noch früh. Das große Hündchen kann ruhig noch etwas dösen.“
 

Kurogane richtete sich dennoch auf und nahm den Lappen von seiner Stirn.  Es war schon wieder passiert, dass er in der Nähe seiner Reisekameraden einfach so tief schlief. Er fragte sich wirklich was für ein Ninja er bitte schön sein wollte. Und warum hatte er so ein Ding auf dem Kopf?
 

"Keine Sorge, du hast kein Fieber.“
 

"Warum hab ich dann so ein Ding auf dem Kopf?“
 

"Vorsorglich, ich will nicht, dass du krank wirst.“
 

"Ah.“
 

"Aber Kuro-chama ist ja ein starker und gesunder und widerstandsfähiger Mann, da wird so eine Nacht im Schnee nicht viel Schaden anrichten, hm?“
 

Erst wollte Kurogane genervt die Augen verdrehen, denn egal wie gern er den Magier mittlerweile hatte, dass sein Verhalten ihn meistens einfach nur nervte, hatte sich nicht geändert. Doch dann hatte er das Gefühl sein Herz würde ihm direkt in den Bauch rutschen und dort mit seinem Magen kollidieren.
 

Verdammt... es gab eine Sache, über die hatte er ja noch gar nicht nachgedacht...
 

Aber jetzt, wo sich der Sturm um ihn herum etwas gelegt hatte, wurde ihm bewusst, was für Konsequenzen sein Handeln im Hain hatte.
 

Er hatte gemordet.
 

Er hatte all seine Stärke verloren...
 

Seine Hände zu Fäusten ballend beobachtete er finster, wie das Wasser des Tuchs über seine Hände floss, genau so wie es das Blut der Kontrolleure getan hatte. Des Insekts, dessen Blut auf dem schwarzen, verbrannten Hainboden längst schwarz geworden war, dessen Gesicht nie wieder Genuss oder Freude äußern konnte, dessen Herz nie wieder schlagen und dessen Hände nie wieder drohen konnten, etwas zu rauben.
 

Egal, ob diese Kerle es verdient hatten, Tomoyos Fluch, dass er all seine Kraft verlor, wenn er jemanden tötete, war in Kraft getreten.
 

Verdammt, verdammt, verdammt.
 

Was nützte es irgendjemand beschützen zu wollen, wenn er es nicht fertig brachte?

Wie dumm hatte er nur wieder sein können?

Was passierte, wenn er noch einmal versagte....?
 

Seit dem Tod seiner Eltern hatte er niemanden beschützen wollen. Und nun, 11 Jahre danach... gab es nur zwei Personen, die er auf keinen Fall sterben lassen durfte.
 

Die eine hatte ihn weggeschickt und war Welten entfernt.
 

Der andere saß hier genau vor ihm und Kurogane hatte nicht mehr die Kraft dazu.
 

"Kuro-chan?“
 

Sein Kopf war ganz leer, jeder Gedanke wie weggewischt. Jetzt bloß nicht denken, sonst würde er sich nur wieder genau so hilflos fühlen wie damals. Ruckartig stand er auf, ignorierte den Magier und wand sich an einen der Alten, der gerade an ihm vorbei schlurfte.
 

"Hey, gibt's hier so was wie Duschen?“

 

"Nein... tut mir Leid, junger Mann. Aber neben dem Ofen steht ein Kanister mit Schneeschmelze.“ Der bereits kahle Mann trug eine Kiste, unter deren Gewicht er fast in zwei zu brechen schien. Mit einem genervten Zischen nahm Kurogane sie ihm ab und trug sie zum Flugschiff. Sollten die Leute hier ja nicht denken er wäre hilfsbereit, aber sie hatten sie aufgenommen, da war es vielleicht nicht ganz unangebracht mit anzupacken. Immerhin schien seine körperliche Stärke nicht wesentlich nachgelassen zu haben, denn es bereitete ihm keine Mühe die Kiste zu tragen.
 

Als alles verstaut war und nur noch ein paar Geräteeinstellungen durchzuführen waren, kam Kurogane zurück zum Ofen. Den Gedanken auf eine entspannende Dusche hatte er mittlerweile aufgegeben.
 

Shaolan hatte sich in seiner Abwesenheit zu dem Magier und ein paar Alten gesellt. Sie aßen wieder diesen seltsamen Brei und der Magier unterhielt sich angeregt mit einer älteren Dame. Kurogane verdrehte die Augen, sobald etwas weiblich war, ließ der Magier seinen Charme ohne Ende spielen. ,,Oi“; machte er auf sich aufmerksam, bevor es sein Magen tat. Er hatte schon wieder über einen Tag nichts gegessen, nicht dass er es nicht gut aushielt, aber sein Magen hatte vorhin schon verräterische Geräusche von sich geben.
 

"Kurogane, gute Morgen!“, begrüßte ihn der Junge.
 

"Musst du jetzt ganz alleine zurück?“, fragte ein noch nicht ganz so alter Mann gerade. Shoalan, aufgrund dieser Sorge um seine Person ganz verlegen, antwortete. "Das ist kein Problem, ich kenne den Weg sehr gut.“
 

“Aber Schneestürme kommen auf uns zu. Wenn du willst, können wir dich bei der Styrax-Lieferung in 4 Tagen mitnehmen.“
 

"Nicht nötig, wirklich nicht.“
 

"Du willst wohl Hime-chan nicht warten lassen, ne?“, neckte ihn der Magier. Shaolan nickte leicht verlegen, aber ernst.
 

"Ja, auch wenn sie bei Chi ist, sie macht sich sicher Sorgen, dass ich so lange weg bleibe.“
 

Kurogane hörte nur zu und stopfte sein Essen in sich hinein. Gerade als er fertig war, wollte er aufstehen, um sich noch ein wenig die Beine zu vertreten. Denn wenn er saß, tat er nichts, und wenn er nichts tat, kam er ins Grübeln. Und das wollte er gerade verhindern.

 

Doch gerade als er dazu ansetzte, spürte er ein leichtes Ziehen an seinem Ärmel und stellte fest, dass es der Magier gewesen war. Ein wenig besorgt sah das unverdeckte blaue Auge zu ihm herauf und Fye kam mit seinem Gesicht so nahe, dass er die Körperwärme des anderen Mannes spüren konnte.
 

Ein wenig verlegen war Kurogane schon als er ihm auch noch eine Hand auf die Wange legte und zärtlich darüber strich, aber nicht lange, es fühlte sich viel zu gut an und er wusste, dass ihm diese Leute nichts bedeuteten und der Magier... der Magier küsste ihn sogar in einem Café, er würde sich darauf einstellen müssen, wenn er wirklich sein Versprechen hielt und eine Weile bei der blonden Nervensäge blieb. Auch wenn es in seinem Land selbst unter Verheirateten nicht üblich war öffentlich solche Zärtlichkeiten auszutauschen... aber sie waren ja, bedauerlicherweise, nicht in Japan. Wären sie in Japan, könnte er Tomoyo dazu bringen diesen schwachsinnigen Fluch aufzuheben und alles wäre wieder in Ordnung!
 

„Kuro-wanko? Hast du schlecht geschlafen?“ Fye's Sorge ließ sich auch nicht von dem finsteren Blick des Ninjas einschüchtern. Kurogane war dennoch erleichtert zu sehen, dass der Schlaf Fye gut getan hatte, alle Wunden bis auf die am Auge schienen verheilt und die tiefen Schatten darunter endgültig verschwunden, auch wenn die Haut darum vom Weinen noch etwas gerötet war.
 

„Nein.“
 

Niedergeschlagen senkte Fye den Blick und Kurogane wurde bewusst, wie kalt sein Verhalten wirken musste. Er seufzte. Schwer. Und überdeckte Fyes Hand an seinem Ärmel mit seiner eigenen Hand. „Mach dir keine Gedanken....“
 

Fye schien wenig überzeugt. „Ist es wegen mir...?“
 

„Nein.“
 

„Ist es wegen jemand anderen?“
 

„Nein.“
 

„Ist es wegen etwas, was du selbst getan hast?“
 

„Ja.“
 

Schwer seufze jetzt auch der blonde Mann und rückte näher, so dass sich ihre Oberkörper bei jedem Atemzug fast berührten. Um sie herum ging das Gerede und Gewusel weiter, sie wurden gar nicht beachtet. Der Ninja entspannte sich etwas und lehnte seine Stirn gegen Fyes.
 

„Jedes Mal...“, flüsterte Fye nur für ihn hörbar und dabei fuhr sein Atem warm über Kuroganes Lippen. „Wenn wir so etwas tun, bist du wütend...“
 

„Ich hab doch gesagt, es liegt nicht an dir.“
 

Ganz vorsichtig bewegte der kleinere Mann sein Gesicht etwas. Kurogane hatte sich etwas heruntergebeugt und bemerkte, wie sich nun Fye ein wenig streckte, um seine Lippen vorsichtig auf seine zu legen. Und dies beruhigte ihn tatsächlich etwas.
 

„Ihr junges Gemüse! Kommt ihr endlich? Es geht los!“, rief einer der Alten und beide, etwas verlegen, lösten sich voneinander. Das war der erste Kuss, den sie ausgetauscht hatten, ohne dass er einseitig geschah oder als Vor- und Nachspiel, wenn sie miteinander schliefen.
 

Schwungvoll sprang Fye auf und wedelte übertrieben mit den Armen. „Wir kommen~!“
 

Der Junge saß immer noch vor dem Ofen, hatte aber anständig den Blick von ihnen genommen, während sie sich küssten. Nun stand er auf und hielt ihnen die Hand hin. „Ich hoffe ihr findet, was ihr sucht.“
 

„Schon gefunden!“, verkündete Fye fröhlich. Kurogane bemerkte, wie sein Herz etwas schneller schlug. Das wirkte nicht, als wäre es einfach so daher gesagt.
 

„Na dann, könnt ihr ja in Styrax bleiben“, schlug Shaolan schmunzelnd vor. Das Maschinenquietschen und Brummen hinter ihnen war lauter geworden und plötzlich von einem schrillen Quietschen übertönt. Das Dach der Lagerhalle bewegte sich! Fasziniert beobachteten die Reisenden, wie sich die Eisen- und Aluminiumkonstruktion von unsichtbarer Hand wie ein riesiges Stück Origamipapier zusammen faltete und den weißen Himmel freigab.
 

„Herrliches Wetter heute!“, rief eine Stimme von den Maschinen.
 

„Nicht, dass der Motor wieder zufriert!“
 

„Haben wir die gefälschten Lieferscheine?“
 

„Alles ganz sicher in meinem Bauchbeutel.“
 

Der Ninja hörte die Rufe nur wie aus weiter Ferne.
 

Schließlich antwortet er dem Jungen. „Wir müssen noch unsere Reisekameraden finden.“
 

„Na dann“, der Junge lächelte ein Lächeln, dass er so fröhlich und optimistisch gar nicht kannte. „Ich wünsch euch alles Gute!“
 

„Danke! Pass auf dich auf, wenn du zurückgehst!“ Enthusiastisch zerzauste Fye einmal komplett die Frisur des Jungen und dann machten sie sich schnell zum Luftschiff auf, wo man schon in der letzten Abflugphase war.
 

Gerade als das riesige Eisending vom Boden abhob – ein Wunder, dass so etwas Schweres fliegen konnte – wurden sie an den Händen gepackt und an Bord gezogen. Aus der offenen Luke heraus, umweht von eisigen Wind, blickte Kurogane auf die Lagerhalle, die in rasanter Geschwindigkeit immer kleiner wurde.
 

Und dann sah er dieses Land. Weiß und weit und hell. Je höher sie stiegen, um so mehr begriff er, wie unglaublich leer es war. Er sah nur die Stadt, aus der sie gekommen waren, und sonst nichts außer Weiß. Ohne einen einzigen Baum, ohne einen Fluss, ohne irgendeine Spur von warmen Leben. Ein Schauder lief ihm über den Rücken und er wandte sich von der Luke ab.
 

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Das bis oben hin beladene Flugschiff taumelte mehr durch die Lüfte, als dass es flog. Das Knattern des Motors war überlaut und ließ den Boden erzittern. Jedes Mal, wenn er harkte ging ein heftiger Ruck durch das Innere. Dann, und jedes Mal, wenn sie durch ein Luftloch flogen, mussten sie sich mit aller Kraft gegen die Kisten pressen, damit weder sie, noch die Ladung durch den ganzen Frachtraum flogen. Die Alten schienen das schon gewohnt zu sein und amüsierten sich wie kleine Kinder dabei.
 

Nach zwei Stunden jedoch wurde die Fahrt ruhiger. Im Umkreis der Städte wurden die Stürme mit technischen Mitteln abgelenkt, erklärten ihnen die Alten. Der Grund, warum man sehr schwer aus den Städten heraus kam, denn kurz bevor das Schutzschildareal begann, seien die Stürme immer besonders heftig. Es gäbe sogar Theorien, dass die Schutzschilder die Stürme nur auslösten und einfach nur ein Vorwand waren, dass die Menschen nicht die Stadt verlassen sollten, wo sie nicht mehr kontrolliert werden konnten. Doch wer dachte sich so einen Unsinn aus? Da draußen war doch eh nichts bebaubar, was sollten die Leute da? Selbst sie als Schmuggler wären auf Nahrung und Brennstoffen, wie auch Benzin, aus den Städten abhängig.
 

Diesmal war es Fye, der den Erläuterungen nur auf halben Ohr zuhörte. Wie hypnotisiert stand er vor dem kleinen Lukenfenster, lehnte sein Gesicht gegen die zerkratzte Scheibe und starrte nach draußen. Der Frachtraum war kaum beleuchtet und Fyes Gestalt wirkte gegen das weiße Licht wie ein bloßer Schatten.
 

Seinen Blick endlich von dem Mann nehmend, wand der Krieger sich wieder seinem Schwert zu. Vorsichtig strich er über Souhi, nur noch ganz schwach und matt schimmerte die Schwertklinge unter seinen Fingern. Am Griff klebte sogar noch etwas geronnenes Blut. Er hatte sehr lange keine Gelegenheit mehr gehabt, sie vernünftig zu pflegen. Dabei hatte er sie erst in der vorigen Welt, diesem Kirschblütenland gekauft... Man musste sein Schwert mit Respekt behandeln, wenn man ihm sein Leben anvertraute...
 

Waren wirklich nicht mehr als 6 Wochen vergangen, seit sie aus diesem Land in die nächste Dimension gereist waren, zersprengt wurden und er in dieser verrückten Stadt aufgewacht war?
 

Die Erinnerungen, wie sie dieses Café betrieben hatten, er mit dem Jungen Oni jagen gegangen war und er gegen diesen Seishirou gekämpft hatte, schien ihm plötzlich sehr blass... im Endeffekt war diese Welt ein einziger Schwindel gewesen... aber es wäre eine Lüge zu sagen, dass er es nicht ein ganz kleines bisschen genossen hatte. Die Jagt auf die Oni und die Möglichkeit sich mit neuen Gegnern zu messen, hatten ihm gut getan... und der Magier hatte ihm wieder einmal den letzten Nerv geraubt. Auch dort hatte er ihn schon beschütz, einfach nur weil er sein Reisekamerad war und so viel Blödheit einfach an seinen Nerven nagte. Und den Jungen hatte er auch begonnen auszubilden....
 

Doch wenn er jetzt den Magier betrachte, die andere Seite des Magiers, die er bisher nur vermutet hatte und niemals zu Gesicht bekam... frustriert hielt er seine Gedanken an. Das war ja zum verrückt werden. Normalerweise war in seinem Kopf alles ganz klar. Aber wenn sein Geist momentan wie ein Steingarten war, dann war dort gerade eine Meute spielender Kinder drüber getobt...
 

Da fiel ihm etwas ganz anders ein....  Auf sein Gleichgewicht bedacht näherte er sich dem Blonden. Er musste seine Stimme erheben, damit man ihn über das Knattern der Motoren überhaupt hören konnte. „Oi, Magier.“
 

Erst reagierte der Mann vor ihm überhaupt nicht, doch dann löste er sich endlich mit einem schweren Seufzen von dem Fenster. „Fühlt sich Kuro-wanwan vernachlässigt?“, sein Grinsen wurde breiter, „Wenn Kuro-sama ein lustiges Spiel kennt, dann mach ich gerne mit!“
 

Der Krieger versuchte den zweideutigen Blick zu übergehen, packte Fye am Arm und zog ihn hinter ein paar Kisten, wo sie von den Blicken der anderen geschützt waren. Ungeduldig kramte er in seiner Hosentasche nach diesen seltsamen Idee- Karten (1), oder wie sie hießen. Gerade als seine Finger eine Ecke der Plastikkarten zu fassen bekamen, beugte sich der verrückte Magier vor und küsste ihn spielerisch auf den Mund. Nun wurde Kurogane endgültig rot.
 

„Musst du das ständig machen, verdammt noch mal?“
 

„Magst du das nicht?“
 

„Darum geht es nicht! Es lenkt ab!“
 

„Von dem was du da in deiner Hosentasche treibst?“
 

„Ja!“
 

fyuu"
 

Genervt und nur noch verlegener - so musste sich der Junge fühlen, wenn er von dem Manjuu und dem Magier aufgezogen wurde -  zog er  mit einem Ruck die Karten heraus.
 

„Arm her.“
 

Fye's Blick wandelte sich augenblicklich von neckisch zu verwirrt. „Aber Kuro-pon, ich hab so einen Apparat doch gar nicht.“ Fast klang es etwas unsicher, doch das bemerkte Kurogane nicht.
 

„Nach Shaolan schon.“
 

Kurogane krempelte die Ärmel des weißen Mantels hoch und tastete ein wenig an den Verbänden rum. Ja, da war irgendetwas hartes, was an dieser Stelle kein Knochen sein sollte. Nachdem er die Verbände gelöst hatte, stand er allerdings vor einem weiteren Problem, wie sollte er die Karte in Fyes Arm bekommen? Plötzlich riss ihn ein leises Kichern aus seinen Gedanken und wütend sah er den Magier an. Für ihn war es überhaupt nicht offensichtlich wie das funktionieren sollte!
 

„Du musst es einfach nur drüber halten, Kuro-chan“, klärte ihn der Magier auf. Und tatsächlich, die Karte glühte einmal bläulich auf und verschwand. Bei seinem Arm tat er das Selbe, es fühlte sich nicht großartig anders an...
 

Vorsichtig fuhren Fyes Finger über die Verbände an seinem Arm. „Ist es immer noch nicht besser?“ Der Magier hatte vor ihrer Abfahrt die Verbände an den Fingern abgenommen und obwohl das Fleisch an den Fingerspitzen noch etwas weich war, so als wären er zu lange im Wasser gewesen, waren die Brandwunden schon völlig verheilt, nur die Wunden, die ihm die Phagen zugefügt hatten, waren noch wund. Auch die Wunde am Auge war gut verheilt, vermutlich trug er den Verband nur noch, weil er keine Augenklappe hatte.
 

„Wunden heilen eben nicht so schnell. Bei normalen Menschen jedenfalls.“
 

Fye lächelte schief. „Ich bin wohl kein normaler Mensch, hm?“
 

„In keiner Hinsicht.“ Aber es war nicht so grob gemeint wie es klang und Fye ging gar nicht weiter darauf ein.
 

„Tut es denn weh?“
 

„Nein.“
 

„Wo dann?“
 

Verwundert sah der Krieger auf den kleineren Mann.
 

„Seit heute früh beschäftigt dich irgendetwas....“
 

„Ich hab gesagt, es hat nichts mit dir zu tun.“
 

„Es tut mir Leid...“ Fye wickelte eilig die Verbände wieder um seinen Arm und wich Kuroganes fragenden Blick aus. „Jetzt weiß ich, wie du dich gefühlt hast als ich immer drum rum geredet habe...“ Schnell wand er sich zwischen den Kisten hervor und war aus Kuroganes Blickfeld verschwunden. Und in dem Moment setzte der Landeanflug ein.
 

Mit einem Sprung wich Kurogane einer herunterfallenden Kiste aus und stolperte etwas nach vorne. Verdammt, warum konnte er eigentlich stets nur eines mit dem Magier?
 

Streiten.
 

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„Wow! Kaum zu glauben, dass es hier so einen Ort gibt!“ Seine Stimme klang wie die eines kleinen, euphorischen Kindes. Einer der Alten schmunzelte und auch Kurogane freute der Anblick des Blonden, der einmal wirklich völlig vor Begeisterung ganz aus dem Häuschen war.
 

Nun ging wohl auf den Abend zu, alles war ganz still, man hörte nur ab und an Vogelgezwitscher, müde quakenden Frösche, Wasserplätschern und wenn man den Kopf in das leicht feuchte Gras legte, vernahm man sogar die Insekten darin herumkrabbeln. Das Flugschiff war längst weitergeflogen, hatte sie hier nur abgesetzt, und Kurogane kaute gemütlich an einem längeren Grashalm herum, während Fye mit nackten Füßen die Fische im See verscheuchte und Algen fischte.
 

Endlich waren sie hier, endlich war wieder etwas annähernd Lebendiges um den Krieger herum. Frische Luft, frisches Gras, sauberes Wasser, keine Menschen außer sie beide zu sehen und über dem Himmel die blasse Wintersonne, die nicht wirklich zu der restlichen, fast sommerhaften Natur passte.
 

Nicht zu warm und nicht zu kalt und die Luft konnte man endlich wieder einatmen, ohne dass die Lungen vor Dreck oder Kälte misshandelt wurden. Es war richtig angenehm, die Wiese leicht feucht, die Erde noch warm. Kurogane konnte regelrecht spüren, wie der Tag aktive Teil der Natur langsam zu Ruhe fand, leiser wurde, umsich dann einem natürlichen Schlummer hinzugeben.
 

Was den Krieger und scheinbar auch den Magier am meisten faszinierte, war die Menschenleere. Obwohl hier eigentlich Menschen sein sollten, bei den ganzen kleinen Häusern und Verkaufsständen, die auf der frischen grünen Wiese wie bei einem Dorffest herumstanden. So als wären, nur für kurze Zeit, alle Menschen hieraus verschwunden. Endlich genug vom Wasser spazierte Fye barfuß zwischen den Ständen hin und her und summte.
 

Warum gab es hier so einen Ort? Nach kilometerweiten Schneelandschaften, in denen nichts wuchs, kein Tier leben konnte, weil es dort einfach nichts gab. Das Rauschen der Schneestürme halle immerpräsent in der Ferne, doch es hätte auch Meeresrauschen sein können.
 

Es wurde kühler von Minute zu Minute, je mehr die Sonne weißgelb strahlend dem Horizont immer näher kam. Durchatmen, endlich frische Luft.... warum zwängten sich die Leute in dieser muffigen Stadt zusammen, wenn es hier so viel Platz und Leben und Natur gab?
 

Im letzten Tageslicht richtete sich Kurogane auf und sah zum Magier, der gerade ohne Eile auf ihn zu spaziert kam und sich neben ihn ins Gras fallen ließ.
 

„Was machen wir jetzt, Kurp-pon? Einfach warten, bis uns jemand abholt? Wir dürfen ja schließlich hier sein~“, doch an seinem Ton bemerkte Kurogane, dass es den anderen Mann gerade nicht all zu sehr interessierte, wie sie hier wegkamen. Noch bevor er antwortete, richtete sich Fye wieder auf und ließ seine Hand durch das noch warme Wasser des Flusses streifen. Die Wasseroberfläche kräuselte sich ganz leicht und auch Kurogane konnte den leichten Windhauch auf seiner Haut spüren, das letzte bisschen Wärme der untergehenden Sonne wurde direkt zu ihnen getragen.
 

„Schau mal, da ist eine bewachsene, kleine Sandbank! Ich habe das Gefühl, dass wir dort eine gute Unterkunft finden werden. Schau, die Vögel wohnen da auch!“
 

„Ah. Gute Idee.“
 

„Yuchu! Kuro-nyaka stimmt mir zu.“
 

Der Krieger verdrehte die Augen. Aber er war nicht wirklich genervt. „Was ist denn das schon wieder?“
 

„Der neue Spitzname? Hab ich mir grade ausgedacht! Auch keine Ahnung, was das heißt! Vielleicht so etwas wie „Sexy“?“
 

Die Augenbrauen kritisch zusammen ziehend, sah er auf den kleineren Mann herunter. „Auf welcher Sprache? Irrianisch?“
 

„Nein, hab ich mir grad ausgedacht!~ Gehört zu meinen 101 geheimen Fähigkeiten!“
 

„Du hast so was auch?“, fragte Kurogane nicht wirklich ernst und schmunzelte leicht als Fye sich stolz aufrichtete. „Jap~! Ganz besondere, spezielle Fähigkeiten! Die grandios, unglaublich tollen und einmaligen 101 Mokona – Fähigleiten~“
 

„108“
 

Leicht irritiert sah Fye ihn an.
 

„Es sind 108.“
 

„Kuro-pon?“
 

„Hm?“
 

„Du hast gelächelt!“
 

„Ah... ich werde wohl auch langsam verrückt, wenn mich der Unsinn tatsächlich amüsiert...“
 

„Hm.. aber wie sollen wir darüber kommen? Ich weiß es! Schwimmen! Wir ziehen uns ganz nackig aus, drehen uns drüben ganz schnell im Kreis und ziehen unsere Kleider wieder an!“
 

Im Endeffekt war es vielleicht doch so keine gute Idee, denn der Anblick eines nackten Fyes, von dem sich Tausende von Wassertropfen ihren Weg über jeden Winkel und Rundung des schlanken Körpers suchten, war auch bei den geringen Lichtverhältnissen ein Anblick, bei dem Kurogane schwer Fassung bewahren konnte. Nackt schlugen sie sich ihren Weg durch das dichte Buschwerk, an Entennestern vorbei und fanden tatsächlich einen geeigneten Ort zum Rasten. Sofort schmiss der Magier seinen Mantel auf den Boden und streckte sich darauf lang, während Kurogane ein kleines Feuer machte.
 

„Nicht, Kuro-sama! Man kann uns sonst sehen!“
 

„Ist mir klar“, brummte er zurück, „wir dürfen hier sein. Hier ist es nur windgeschützter, wir brauchen uns nicht mehr verstecken.“
 

Fye lachte verlegen. „Hahaha, ich werde zu paranoid. Legt sich Kuro-sama danach zu mir? Dann wird es schneller warm.“
 

„Zieh doch deinen Mantel an.“
 

„Mein Mantel soll Kuro-nyaka sein!“
 

Der Krieger hegte nicht sehr viel Hoffnung, dass das den Blonden wirklich zum Schweigen brachte und er sollte bestätigt werden. Eng an ihn geschmiegt brabbelte der Magier noch eine ganze Weile irgendwelchen irrsinnigen und anzüglichen Unsinn vor sich hin, doch es war wirklich angenehm einfach entspannt auf dem warmen Stoff zu liegen und die weiche Haut des Magiers gegen seine zu spüren.
 

„Es tut mir Leid...“, brummte er irgendwann undeutlich. Verdammt, er hatte sich noch nie für irgendetwas entschuldigt, jedenfalls bei niemand lebendigen, weil er nie etwas tat, was er bereute. „Ich bin nicht wütend auf dich...“
 

„Okay... sagst du mir den Grund?“
 

Das Feuer knisterte einlullend und wärmte seinen Rücken. Gedankenverloren betrachtete Kurogane Fyes nackten Körper, das erste Mal in aller Ruhe. Von dem Tattoo, das er der Hexe als Preis bezahlt hatte, war nichts mehr zu sehen und auch sonst zeichnete keine einzige Narbe den schönen Körper. Abgesehen von der Wunde im Gesicht, war der andere Körper nahezu unversehrt, ganz im Gegensatz zu seinem eigenen Körper, der schon mit 24 von Narben aus Training und Kampf gezeichnet war. Über Fyes Kopf hinweg sah er auf die Narbe an seiner rechten Hand. Tomoyo hatte sie ihm zugefügt. Das Zeichen für seine Schwäche und die Chance stärker zu werden. Dieser Gedanke brachte ihn wieder auf das Thema zurück, an das zu denken er die ganze Zeit vermieden hatte. Er ballte die Hand zur Faust und küsste Fye. Ein wenig wurde es dadurch besser. Und gleichzeitig schlimmer.
 

„Ich habe dir etwas versprochen“, sagte er zwischen zwei Küssen, „aber ich weiß nicht, ob ich es halten kann...“
 

Fye hielt in seinen Liebkosungen an seiner Schulter inne und schien einen Moment seine nächsten Worte zu bedenken.
 

„Das ist egal... solange du es versuchst.“
 

Und das reichte Kurogane. Es machte nichts besser, er konnte immer noch nicht dafür garantieren, dass er nicht wieder jemanden verlor, er konnte nicht dafür garantieren, dass irgendetwas von dem hier lange klappte, sein Wunsch war dadurch nur noch stärker und den Einsatz, den er zu verlieren hatte, nur noch höher. Doch es reichte ihm. Es reichte ihm, um entspannt die Augen zu schließen, das Streicheln in seinem Haar zu genießen und sich endlich, endlich, ruhig und vertrauensvoll der Bewusstlosigkeit übergeben, die ihn schon seit Tagen jagte.
 

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Er wurde durch Weinen wach. Und das erste, was er dachte, war, dass dieses Weinen nicht sein sollte. Augenblicklich war er wach und sah, dass Fye verschwunden war.
 

Die Geräusche kamen vom Ufer, das Feuer war längst niedergebrannt und die Nachtkälte fast etwas zu frisch auf seiner bloßen Haut. Sich den Mantel überziehend, bewegte er sich in die Richtung, aus der das leise Wimmern kam.
 

Der Magier kniete im seichten Wasser, einen Arm um sich geschlungen und presste die andere Hand gegen Mund, als wollte er verhindern sich zu übergeben. Mit wenigen, schnellen Schritten war Kurogane bei ihn, zerrte ihm zum Ufer zurück und beugte ihn vornüber. „Übergib dich! Danach wird es besser.“
 

Fyes Weinen wurde nur noch herzzerreißender und der süße Brei vom Morgen landete mit einem hässlichen Platschen halb verdaut im Uferschlamm. Seltsam, wenn das Essen schlecht war, hätte er selbst doch auch etwas bemerkt... Doch auch jetzt schien sich Fye überhaupt nicht zu beruhigen. Schwach versuchte er sich von Kurogane los zu machen, die Tränen tropften dick über das gerötete Gesicht seinen Hals hinunter und als das Mondlicht in das blaue Auge fiel, begriff Kurogane, dass der Magier noch halb träumte.
 

Schnell zog er den Mantel aus, legte ihn um die zitternden Schultern und zog Fye vorsichtig in eine Umarmung. „Hey, wach auf, du träumst.“ Das half doch auch bei kleinen Kindern, oder?
 

Doch Fye wurde nicht ruhiger. Sich losreißend befreite er sich von dem Kleidungsstück und machte immer wieder die selbe hektische Bewegung. Endlich begriff Kurogane, der Idiot kratze sich immer wieder über die Stelle an seinem Unterarm, dort wo das Implantat war, doch seine die Haut an seinen Fingern und die Nägel waren durch die Brandwunden noch viel zu weich, als dass sie großartig verletzten konnte. Wütend packte Kurogane Fyes beide Arme und hielt ihn fest, der Schrei der danach von den zitternden Lippen des Blonden kam, musste kilometerweit zu hören sein und glich mehr einem Tier.
 

Nun wirklich verzweifelt schüttelte Kurogane den Rasenden und verpasste ihn daraufhin eine Ohrfeige. Augenblicklich ruhig sackte der schlanke Körper einfach in sich zusammen und Fye weinte lautlos weiter. Doch endlich schien er wach.
 

„Was ist los?...“, fragte Kurogane leise und möglichst sanft.
 

„Ich will nicht zurück...“, war die gemurmelte Antwort. „Fass mich nicht an... sieh mich nicht an... ich will nicht schlafen... ich schlafe nie.... ich will... mich nur erinnern.... das ist alles... was willst du mehr, du Bastard... ich hasse dich... ich hasse dich... ich hasse dich... ich hasse dich... nimm dieses Ding aus meinem Körper... es ist fremd... kalt... es gehört nicht zu mir!... Es ist tot... ich will nicht tot sein... nicht wenn ich noch lebe... ich hasse dich, hasse dich, hasse dich... “ Fyes Puls an seinem Arm prasselte schnell und unregelmäßig wie Regentropfen.
 

Als Kurogane den linken Arm losließ, fiel er leblos an Fyes Seite wie das Glied einer Puppe. Fyes Kinn anhebend zwang der Krieger das blaue Auge direkt in seine zu sehen.
 

„Wen hasst du, mich?“
 

„...“
 

„Ich bin Kurogane. Hasst du mich?“
 

„Nein...“
 

„Hier ist aber niemand anderes...“
 

„Niemand... anderes?“
 

„Ja. Niemand anderes. Wir sind hier ganz allein. Du kannst dich beruhigen. Niemand fasst dich hier an, wenn du es nicht willst“, sagte der Krieger eindringlich.
 

„Aber du siehst mich an.“
 

„Soll ich die Augen zu machen?“
 

„Ja...“
 

Folgsam schloss Kurogane die Augen und endlich spürte er, wie sich der rasende Herzschlag beruhigte. Was war nur mit dem anderen Mann los?
 

„Was ist das in meinem Arm...?“
 

„Nur so n' Ding, Shaolan hat's dir eingesetzt, also wird es nichts Schlimmes sein.“
 

„Kurogane...“, begann Fye leise, hektisch. Was immer es war, es musste aus dem anderen Mann heraus, oder es würde wieder zu so einem Anfall führen. Das wusste Kurogane auf einmal genau. Doch er hatte immer hinter die Fassade des Magiers blicken wollen und ihm kam nicht einmal der Gedanke, jetzt zurück zu schrecken. Er hatte sich entschieden, also blieb er auch.

 

„Ich bin da.“
 

„Niemand... außer Kuro-pon.“
 

„Genau, wir sind nicht mehr im Hain. Hier ist niemand, der dich zu irgendetwas zwingt.“
 

Fyes Stimme war nur noch ein Flüstern, Kurogane war froh gerade nicht seinen Blick zu sehen, die Stimme klang schon hoffnungslos und traurig genug. „Darum geht es nicht...“
 

„Worum dann?“
 

„Ich... ich bin die Bambusprinzessin...“
 

Kurogane musste sich bemühen die Augen geschlossen zu halten, in jeder anderen Situation wären diese Wort albern gewesen, aber ihm war gerade nicht zum Lachen zu mute.
 

„Ich... ich kann mich an nichts erinnern... wer ich bin... was ich gemacht habe, bevor ich in den Hain kam..... Als wäre ich von den Himmelsleuten weggeholt worden....“
 

Ihm stockte der Atem, doch Kurogane hielt die Auge geschlossen.
 

„Ist das der Grund für dein seltsames Verhalten?“
 

„Ja....“
 

„Warum hast du mir das nicht von Anfang angesagt?“ Ärger flammte in ihm auf, wie sehr musste dieser verdammte Magier ihm eigentlich misstrauen?!
 

„Ich dachte... du könntest gefährlich sein.... die Hainbewohner erklärten mir, dass Menschen ohne Erinnerung meist aus den Laboren kommen... niemand von außen darf es wissen, sonst komme ich zurück... das muss ein schrecklicher Ort sein...“
 

„Quatsch, du kommst aus keinem Labor!“
 

Nun öffnete Kurogane seine Augen doch und sah einem Blick der ihn durch Mark und Bein ging. So viel Angst, so viel Panik, so viel aufgestaute, unterdrückte Gefühle, die jetzt ausbrechen schienen, heftig wie eine Naturkatastrophe. Was für Träume es auch waren, die Fye verfolgten, er musste jetzt nur so ausgeflippt sein, weil er sie nicht mehr verstand. Sonst wenn sie sich ein Zimmer geteilt hatten, hatte er nicht einen Mucks von sich gegeben. Wenn er überhaupt geschlafen hatte, wurde ihm brennend heiß bewusst. Wovor zur Hölle rannte der Magier nur weg?
 

„Du kommst aus einem scheiß kalten Land namens Ceres. Du bist auf der Flucht vor deinem König und reist mit zwei Blagen, einem Manjuu und mir durch die Dimensionen. Wir sind in dieser verrückten Welt versprengt worden und du hast dir wahrscheinlich nur den Kopf gestoßen.“
 

Ungläubig sah Fye ihn an. „Das... das ist alles?“
 

„Ja verdammt!“
 

„Aber... aber das kann nicht sein.... ich habe dich gesehen... auf einer alten Aufzeichnung“, seine Stimme klang immer noch nicht stabil. „Mit mir zusammen...“
 

„In jeder Dimension gibt es dich, mich und jeden Menschen. Verschiedene Umstände, selbes Herz. Ich war noch nie hier, du hast wahrscheinlich nur den Kurogane und dein Ebenbild dieser Welt gesehen.“
 

Das war also der Grund für dieses ganze Theater! Und auch warum Fye im Hain bleiben wollte. Wenn das alles war, was er kannte, verständlich. Schwer atmete Kurogane durch und versuchte es erst einmal zu verdauen. Viel Zeit blieb ihm nicht dafür, denn Fye brach schon wieder in Tränen aus. Diesmal jedoch ließ er sich in den Arm nehmen.
 

Warm floss das salzige Wasser Kuroganes Halskuhle herunter. Wie konnte ein einziger Mensch nur so viel Tränen vergießen ohne auszutrocknen? „Und du hast einfach nur schlecht geträumt.“
 

Fye schwieg, das leise Weinen dauerte an. Doch irgendwann, Kurogane erwartete schon fast das erste Licht am Horizont zu sehen, wurde der kleinere Mann ganz still. „Du hast geträumt“, wiederholte Kurogane noch einmal. Vorsichtig und ohne ihn aus seinen Armen zu entlassen, legte er dem Blonden wieder den Mantel um, hob ihn hoch und brachte ihn zurück zu ihrer Raststädte. Die Asche glühte noch leicht, so war es nicht schwer das Feuer mit wenigen Handgriffen neu zu entfachen.
 

Der Magier war ganz still und presste sein Gesicht gegen Kuroganes Schulterkuhle. Allmählich wurde dem Krieger all dieses seltsame Verhalten klar. Dieses untypische Benehmen, die Unsicherheit, dieses Herausreden und das Unwissen von einfachsten Dingen. Und er hatte es nicht bemerkt, er hatte bemerkt, dass irgendetwas nicht stimmte, aber er war davon ausgegangen, dass einfach nur etwas im Hain passiert war, was den Magier die Lust an solchen Spielchen verdorben hatte. Oder, dass er sich außerhalb der Nähe der Kinder anders verhielt. Oder, oder, oder. Aber verdammt noch mal, er war nie darauf gekommen, dass der verdammt Magier sich nicht erinnerte und wirklich keine Ahnung hatte, wovon er redete! Aber woher sollte man auch wissen, wenn ein notorischer Lügner mal die Wahrheit sagte?
 

„Warum zur Hölle hast du dann so darauf bestanden, dass ich in deiner Nähe bleibe? Ich war ein Fremder für dich. Das ging doch verdammt noch mal nicht von mir aus!“
 

Der Magier hatte sehr lange nichts mehr gesagt und er war fast schon davon ausgegangen, dass er eingeschlafen war und er jetzt mit sich selbst redete, aber der laute Ton, musste ihn doch irgendwie erreicht haben. Müde öffnete er das tränengerötete Augen und sah ihn seltsam resigniert an.
 

„Ich.... ich hab dich auf dem Video gesehen.... und dachte, dass du der einzige Mensch bist, der mich kennt... und... hab dich einfach mitgenommen....“
 

„Was für ein verdammtes Video?“ Kuroganes Geduldsfaden drohte schon wieder zu zerreißen, aber nicht wegen dem Magier, sondern weil alles auf einmal wieder umgeworfen wurde, von dem er sich eigentlich sicher war.
 

„Eines... mit dir und mir... ich zeig es dir.... später.“
 

Es war wirklich besser noch etwas Ruhe zu finden. Den Mantel noch mehr über den leicht feuchten Körper – oder war es Schweiß? - ziehend, küsste er ihn noch einmal auf die Stirn. Er hatte festgestellt, dass das den Magier beruhigte.
 

Ein leises Weinen war die einzige Reaktion. „Oi, was denn?“
 

„Aber... es ist nicht nur deswegen.... ich mag dich wirklich. Ich... ich will nicht dass du gehst, auch wenn du nichts über mich weißt. Ich will dass du bleibst...  aber ich kann dir keine einzige deiner Fragen beantworten.“
 

„Ist okay.“
 

„Ich.... mag dich wirklich.“
 

„Ich ma-“
 

„Nein!“
 

„Was denn nun?“, Kuroganes Ton klang ungeduldig und fast ein wenig verzweifelt. Der Magier würde nicht mehr all zu bald zu hören bekommen, dass er ihn mochte ... mehr als das, es fiel ihm doch schon schwer genug!
 

„Sag es nicht.... sonst wird es zu einer Erinnerung... und die kann ich verlieren... das Gefühl bleibt.... sag es nicht, Gefühle im Herzen kann man nicht nehmen...“
 

„Idiot. Auch wenn man es ausspricht bleibt es ein Gefühl. Du denkst zu kompliziert. Wenn du jemanden magst, sag es, wenn du jemanden verachtest, sag es. Nur wenn dir jemand egal ist, dann ist es einerlei, ob du es sagst. Aber wenn du niemanden in dich blicken lässt, wirst du immer allein bleiben.“
 

Ein ganz leichtes Lächeln. Kurogane hatte das Gefühl, dass dieses seltsame Hochgefühl in seine Brust zurückgekehrt war. Genau so wie bei ihrer Nacht im Schnee.
 

„Ich bleibe bei dir“, wiederholte er es noch einmal, damit es endlich in den Schädel des anderen Mannes ging. „Weil ich etwas Wertvolles in dir sehe, das ich beschützen möchte. Und dem nahe sein.“
 

Das Lächeln wurde breiter, wie die aufgehende Sonne. „Das ist das schönste, dass ich je gehört habe...“
 

Die Sonne ging auch gerade in dem versteckten Garten auf, das Dämmerlicht sickerte durch die Blätter und die ersten Enten wurden wach. Leises Plätschern und Quaken und Schneesturmrauschen und Atem an seiner Brust.
 

Mit einem Gefühl, das er sich selbst nicht erklären konnte, sah der Krieger auf den schlafenden Mann. Zaghaft nahm er einer der blonden Strähnen zwischen dein Finger. Vielleicht... konnte er den anderen Mann auf andere Weise schützen, bis er seine Stärke fand. Kurogane dachte an die Ereignisse im Hain, aber diesmal stellte sich nicht diese Eifersucht und Wut ein. Der Magier war eigentlich stark.... es gab nur verdammt viel Verletzliches an dem anderen Mann... einen Teil davon hatte er diese Nacht gesehen, er war sich sicher, dass es da noch sehr viel mehr gab. Langsam beugte er sich herunter und führte seine Lippen an die blonden Strähne.
 

Vielleicht konnte er mehr beschützen als nur den Körper.

Er wollte es wirklich, auch wenn er so etwas noch nie gemacht hatte...
 

Kapitel 21 Ende
 

~~~~~~~~~~~~~~~
 

(1. XD ID-Karten, Kuro! IdentificationCard!)
 

Anmerkung: So, nun sind alle bisher gelöschten Kapitel wieder hochgeladen! Plus das 21te und hiermit auch das 22te ^^. 23te folgt sobald dies hier hochgeladen ist! Hoffe es macht noch Spaß die Geschichte zu lesen! Danke btw für die Kommentare, die ich auch nach der Löschung wieder bekomme ^^!



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Lady_Ocean
2008-01-15T18:00:55+00:00 15.01.2008 19:00
Jetzt bekommst du auch mal einen richtigen Kommi von mir :).

Was mir am meisten aufgefallen ist an dieser FF ist dein Schreibstil. Ich finde, der hat sich ziemlich entwickelt im Laufe der Kapitel. Das ist wirklich eine tolle Sache, denn so festigt sich der einzigartige Charakter dieser Erzählung.
Was die ganzen losen Enden angeht: Gott, ich bin wirklich neugierig! Du stellst das echt geschickt an mit deinen Andeutungen! Die Vermutung liegt inzwischen ja verdammt nah, dass der Fye, in den Kuro sich nun verliebt hat, eventuell wirklich der aus dieser Welt ist, dass er aus einem dieser Labore geflüchtet ist. Aber es ist eben nicht 100%ig sicher. Er kann die Landessprache und es heißt, man hat "ihn" vor zwei Monaten schon mal im Hain gesehen, aber danach war er wieder weg. Also kann man ja nicht sicher sein, welcher von beiden Fyes es war. Und generell ist ja noch gänzlich ungeklärt, was da diesmal schief gelaufen ist bei der Landung in der neuen Welt und FALLS das der Fye aus dieser Welt ist - was macht dann der richtige? Wirklich eine spannende Sache! Genauso wie diese beiden Ausschnitte von diesen anderen Situationen, die man im Moment noch überhaupt nicht zuordnen kann: Fye, der in dieser Glassäule von Ashura gefangen gehalten wird (wobei ich vermute, dass es dazu kommen könnte, wenn Kuro und Fye versuchen, näher an Sakura und Shaolan heranzukommen) und der Handel in diesem seltsamen Nebel im Prolog.
Ich bin echt froh, dass in diesem Kapitel wenigstens ein paar Hinweise gegeben wurden (mit Fyes Gedächtnisverlust). Sie haben mich zwar nicht wirklich an ein Ziel geführt, aber ich habe zumindest das Gefühl, ein Stück voranzukommen.

Die ganze Art, wie du die Entwicklung zwischen Kuro und Fye beschrieben hast, fand ich auch sehr schön. Die Szenen, in denen sie sich näher gekommen sind, waren beide wirklich toll ausgearbeitet (warst du, als du die zweite Lemon geschrieben hast, wirklich grad betrunken XD? Irre, was manche Menschen in dem Zustand alles produzieren können!). Und ich kann Kuros Gefühls- und Denkweise nur zu gut verstehen. Es war auch mal ganz interessant, dass Kuro diese Sache mit der Geheimnistuerei in diesem Kapitel - wenn auch unbewusst - einmal umgedreht hat. Fye selbst hat ihn ja auch lange genug zappeln lassen, bevor er ihm zum ersten Mal wirklich reinen Wein eingeschenkt hat.
Ich hoffe, dieses Video, das Fye Kuro noch zeigen möchte, lässt nicht mehr so lange auf sich warten? Ich kann mir gut vorstellen, was da eventuell zu sehen sein könnte, deshalb bin ich schon unheimlich gespannt darauf XD. Fye hat anfangs, als er sich in der ersten Nacht im Hain so an Kuro gekuschelt hat, ja sicher nicht für umsonst gefragt: "Machen wir das nicht immer so?"
Wo ich auch immer am Grübeln bin: Wie wollen sie das eigentlich anstellen, wenn der, in den Kuro sich verliebt hat, wirklich der Fye aus Styrax ist? Irgendwann müssen sie schließlich auch weiterreisen. Und den anderen Fye können sie ja nicht einfach austauschen. Und diesen Fye zurücklassen? Das ginge natürlich auch nicht. Vertrackte Situation. Bin echt gespannt, ob es irgendwann dazu kommen wird.

Und was dieser gottverdammte Handel zwischen Fye (ich geh mal stark davon aus, dass er der Verhandlungspartner war) und Yuuko nun beinhaltet! Und warum sie den abgeschlossen haben (erinnere ich mich richtig, dass da irgendwas von einer "zweiten Chance2" erwähnt wurde?).

Ich freu mich aufs nächste Kapitel!
Ocean
Von:  CptJH
2008-01-15T15:49:40+00:00 15.01.2008 16:49
Aaaaaaaaaaaaaawww~
Endlich wieder neu Kapitel.^^
Seeeeehr schön geschrieben, total gefühlvoll~^^
Freu mich aufs nächste Kapitel.^^
Von:  Engelchen_Fynn
2008-01-15T10:55:08+00:00 15.01.2008 11:55
Ich mag deine Geschichte und die letzten Kapitel waren auch wieder gut. ^^
Bin schon gespannt wie es weitergeht. ^^
So langsam frag ich mich, ob die beiden ihren Trup auch wiederfinden. Wäre doch schade wenn nicht. Zuamhl sie ohne Mokona eh in der Welt belieben müssten. *g*
Na ja, du weißt schon wie du das machst.
Freu mich auf das nächste Kapitel. Bis denne. ^-^ *wink*


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