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Lost Things

von

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Der Teufel an der Wand

Das Telefon läutete. Es wurde nicht gleich erhört, was den Anrufenden fast wahnsinnig machte vor Spannung. Es dauerte noch einige Zeit, dann endlich wurde der Hörer abgenommen und Connors etwas herrische Stimme meldete sich:

"Hallo?"

"Ist Leif bei dir?", fragte es gleich aufgeregt zurück und der Befragte musste sich erst einmal fassen ehe er überhaupt wusste, wer am anderen Ende der Leitung war.

"Vicky? Bist du das?"

"Ja, natürlich bin ich es! Wo ist Leif?", Victoria war nicht in der Stimmung lange mit ihm herum zu diskutieren.

"Ist schon um halb fünf von hier verschwunden. Ich dachte, er wollte zu dir?"

"Da war er auch. Aber er wollte noch dieses scheiß verdammte Regal aufbauen und ist noch mal zurück gefahren."

"Also hier ist er nicht wieder gewesen.", gab der schwarzhaarige Vampir verwundert zurück.

"Wo kann er denn nur sein?", wollte Vic verzweifelt wissen.

"K-keine Ahnung", stotterte Connor ratlos, "Vielleicht hat er irgendwo angehalten und wartet, dass der Regen nachlässt."

Er sah kurz aus dem Fenster.

"Ist echt ein Leichtsinn bei solchem Wetter überhaupt außer Haus zu gehen.", meinte er noch hinterher.

Victoria schwieg eine Weile und sagte dann beklommen:

"Du wirst hoffentlich Recht haben. Danke für deine Hilfe. Ich melde mich, wenn er wieder hier ist. Bis bald."

"Bye."

Es tutete an der anderen Leitung und auch Connor legte den Hörer auf. Seufzeng kratzte er sich am kopf und schritt wieder in den Raum, aus dem er gekommen war. Es war sehr finster in ihm gewesen, aber es störte Connor nicht. Er konnte sogar von sich sagen, dass seine Sicht um einiges besser war, wenn das Licht seine Augen verschonte. Eine Gestalt befand sich dort drinnen. Sie saß zusammengesunken auf einem Sessel und hatte den kopf nach einer Seite gelehnt.

Es war eine Frau. Ihr Haar war braungelockt und verwahrte wie ein Vorhang ihr Gesicht. Sie trug ein braunes Kleid mit einem schwarzen wilden Muster.

"Wer war dran?", fragte sie mit dünner Stimme. Connor drückte ihr einen Kuss auf die Wange und entgegnete:

"Victoria."

"Die Frau von Leif."

"Genau die.", er kniete sich vor sie und meinte während er ihr das Haar auf dem Gesicht strich, "Ich hasse es, wenn dein schönes Gesicht versteckt ist."

"Du dummer Lügner!", gab sie ernst zurück, ließ ihn jedoch gewähren.

"Wie kannst du so etwas sagen, mein Engel? Ich würde nie deine Schönheit verleugnen."

"Du kannst mir den Buckel runterrutschen mit deinen Sprüchen!"

Hinter ihrem Schleicher aus Locken kamen ihr von Blut verschmiertes Gesicht zu Vorschein, welches ohne Zweifel ein ebenmäßiges, bildschönes Antlitz war. Ihre Augen boten hierbei eine ganz besondere Faszination; da sie keine besaß. Ihre Augenhöhlen waren ausgefüllt mit Flächen immerzu blutenden Fleisches, die nichts erblicken konnten und nichts betrachteten. Für Connor war sie, das Schönste, was er auf dem Erdengrund kannte und er hätte sie nicht für alle schönen Frauen der Welt eingetauscht. Diese hier war ganz die seine und würde es auch für immer bleiben.

"Du gehörst einfach zu mir.", meinte er träumerisch und lehnte seinen Kopf an ihre Brüste.

"Connor?"

"Ja, mein Schatz?"

"Warum hängst du so an mir?"

"Wie ist das denn gemeint?", fragte er verwundert.

"Was hält dich dazu an, mich zu lieben?"

Er kicherte und erhob sich. Dann küsste er sie zärtlich auf die Wange und streifte seinen Mund zu ihrem Ohr, woraufhin er flüsterte:

"Weil zum Winter nunmal der Schnee gehört."

Sie lächelte, da es sie freute, wenn er einen so treffenden Vergleich zwischen ihnen zog.

"Was hat Victoria gewollt?", brachte sie nach einer Weile hervor, "Sie ruft doch nicht ohne Beweggrund an."

Er zögerte kurz.

"Sag es mir!", forderte sie und ihre Stimme klang so süß wie Honig, auf dass er ihr keine Bitte hätte abschlagen können.

"Nun weißt du, Leif hatte eigentlich vorgehabt noch einmal hierher zu kommen, um in seiner Wohnung noch etwas zu machen, aber er ist hier bis jetzt noch nicht erschienen."

Sie wurde ganz still und gab plötzlich summende Geräusche von sich, welche tief aus ihrer Kehle zu kommen schienen. Es war beinahe ein Grollen. Connor schaute ihr gespannt zu und zischte ihr vorsichtig zu:

"Was siehst du?"

Noch eine Weile summte sie und gab dann fast säuselnd zur Antwort:

"Ein unglückseliges Tun wird hart bestraft werden. Der Leichtsinnige wird nicht er selbst sein."

Sie pausierte kurz und atmete schnell dabei.

"Eine Blutgeburt wird sich aus ihrem Grab erheben und ihren vorbestimmten Platz einfordern."

Sie atmete einmal noch tief ein, als wenn sie ertrinken würde und tastete dann erschöpft nach Connors Hand, welche sich ihr unverweilt nährte.

"Mehr war nicht zu erblicken.", meinte sie außer Atem.

"Ist gut so, Roxane.", beschwichtigte er sie.

Connor strich beidhändig über ihr Gesicht und befreite es erneut vor dem Schleier der wilden Locken, die es verbergen wollten. Ihren blutenden Augenhöhlen waren zwei Linien entflohen, die sich gleich Tränen daran machten ihre Wangen entlangzufahren. Doch wurde sie von einer behänden Zungenspitze daran gehindert. Er leckte genüsslich das zarte Blut von der weißen Haut und genoss ihre Nähe, die mehr war als Freiheit.

"Der Winter und der Schnee.", sprach Roxane als er sie liebkoste.

"Oh ja. Du bist der Winter und ich der Schnee.", stimmte Connor ihr zu und küsste sie leidenschaftlich auf die Lippen. Süßer als Nektar und Ambrosia, waren diese wundervollen Lippen von Roxane DeWinter.
 

Die Stunden zogen sich hin und Victoria wusste nicht mehr aus nicht ein mit sich. Sie war vollkommen ratlos über den bloßen Verbleib ihres Mannes und malte sich die schlimmsten Dinge aus, die ihm widerfahren sein konnten. Angespannt lief sie durch die Wohnung, welche voll mit Kartons stand. Sie hatte ihrer Arme vor der Brust verschränkte und redete Unverständliches vor sich hin.

Wenn er sich doch nur melden würde, dachte sie und sah aus dem Fenster. Der Regen hatte aufgehört. Es roch angenehm und doch stimmte es die Vampirin unruhig. Ihr Herz schlug wild und sie konnte keine Ruhe finden.

"Ihm wird doch wohl nicht geschehen sein," mutmaßte sie zu sich selbst und rang die Hände ineinander. Noch nie war sie so besorgt um Leif gewesen. Ihr war fast schon schlecht vor Nervosität.

Draußen war alles schwarz. Nur der Schein der Laternen brachte einen Strahl Ordnung in das nächtliche Chaos. Vic spähte auf den Gehweg und hoffte, dass er gleich dort entlanggehen würde, um wenige Augenblicke später vor der Wohnungstür zu stehen und sich wieder einmal über das Türschloss zu beklagen. Aber er kam nicht. Ein oder zwei Passanten gingen unten vorbei. Vic war jedes mal von einem falschen Erleichtern erfüllt gewesen und war der Annahme, dass es ihr Mann sein würde. Doch es war nicht so; beide waren ihr fremd.

Erneut machte sie sich auf in der Wohnung umherzugehen. Sie hatte nichts weiter zu tun. Der Fernseher und das Radio waren bereits in der neuen Wohnung, sodass sie nicht einmal den billig produzierten Schrott im Abendprogramm ansehen und sich müde langweilen. Es blieb ihr also nur noch das sinnlose Wandern.

Sie ging in die Küche. Den Grund kannte sie nicht, weshalb es gerade dieser Raum sein musste, aber es war ihr im Augenblick vollkommen gleich, wo sie war, wenn sie nur wüsste, was mit Leif war. Auf dem Küchenschrank thronte noch immer das Baby, dessen Gesicht genau in ihre Richtung gedreht war. Vic entrann ein flüchtiges Lächeln, als sie es erblickte.

"Hey Baby", begrüßte sie es und ging darauf zu. Sie hockte sich etwas runter und freudevoll betrachtete sie die Scheußlichkeit, zu welcher sie sich vernarrt hingezogen fühlte.

"Du willst sicherlich auch wissen, wo dein vermaledeiter Daddy steckt, nicht wahr, mein Liebling?"

Sie redete mit ihm, wie eine Mutter mit ihrem Kind eben redete. Das Baby machte zwar keine Anstalten, dass es sie verstand, aber der Wille das Baby noch als ein lebendiges Baby anzusehen war zweifellos ein unzweifelbar liebevoller Akt der Zuneigung.

Eine zeitlang hatte nur das Präparat im Blick, aber dann schweiften ihre Augen unbeabsichtigt genau daneben. Es lag eine Schachtel Zigaretten auf dem Küchenschrank. Leif musste sie dort liegen gelassen haben, dachte sich Vic und nahm sie in die Hand. Interessiert schaute sie hinein; es waren noch fünf Zigaretten darinnen. Lange überlegte sie nicht. Ohne ein rechtes Bewusstsein dafür zu haben, nahm sie eine heraus und klemmte sie sich zwischen die Lippen. Es schmeckte schon jetzt widerlich, obwohl das Ding noch nicht einmal angezündet war. Dann schlich sie hinaus auf den Flur zur Garderobe und wühlte gezielt in einer von Leifs Jacken. Sie wusste genau, dass er in jeder seiner Jacken mindestens ein Feuerzeug hatte und sie wurde auch sehr schnell fündig. Als hätte sie es schon Hunderte von malen gemacht steckte sie sich die Zigarette an und zog einmal tief daran. Sofort musste sie entsetzlich husten, aber das hinderte sie kaum daran fortzufahren.

Victoria war entschiedene Nichtraucherin; das dachte sie zumindest. Außer dem erstmaligen Probieren auf der High-School hatte sie keine Kippe mehr angerührt. Und wenn man das Passivrauchen durch Leif nicht mitzählt, hatte sie auch keinen Kontakt mit Rauchern gehabt. Selbst Connor, der sonst immer einen auf coolen Boss machte, rauchte nicht in Anwesenheit von Nichtrauchern. Es überraschte sie also selbst, dass sie nun in ihrem Flur stand, sich die Religion vom Leib hustete und rauchte! Es schmeckte ihr nicht, es war ihr unangenehm, aber dennoch konnte sie es nicht lassen.

"Was mache ich hier eigentlich?", fragte sie sich selbst und starret auf das brennende Teil in ihrer Hand. Kopfschüttelnd schritt sie dann wieder bestimmt zurück in die Küche, wo sie das Fenster aufriss und die Zigarette einfach hinaus in eine darunter befindliche Pfütze warf.

"Ich rauche doch gar nicht!", erinnerte sie sich und setzte sich auf einen der Barhocker.

Nun wurden ihre Gedanken klarer. Sie dachte an Leif und wie sie sich sorgte. Es machte sie wahnsinnig so zu warten, aber eine andere Beschäftigung hatte sie nicht, sodass Vic bis zum nächsten Morgen so wie sie jetzt war ausharrte und die Sekunden zu zählen begann.



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