Tränen hatten sich in seinen Augen gebildet und er versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken.
Als sich der Nebelschleier in seinem Geist wieder gelegt hatte, war es schon zu spät gewesen.
Wo war Uruha bloß hergekommen? Und warum hatte er Reita gegen die Wand gedrückt? Erst als er diesen kalten Blick sah, war ihm seine Situation plötzlich wieder bewusst. Was hatte er bloß mit Reita gemacht?
Er starrte immer noch zur Tür. Uruha war weg... Ob er je wieder kommen würde? Bei diesem Gedanken begann er am ganzen Körper zu zittern und Tränen rannen seine Wangen hinab.
Widerstandslos ließ er sich auf die Beine ziehen und in die Arme nehmen, doch er stand nur da und weinte.
Er war angewidert. Von sich selbst... von dem was er da eben mit sich hat machen lassen.. Er wurde plötzlich furchtbar wütend, stieß den Blond- Schwarzhaarigen von sich weg.
„Was hast du dir dabei gedacht?!“, schrie er ihn an und zog sich mit zitternden Händen die Hose wieder hoch. Auf Reitas Züge legte sich ein höhnisches Grinsen.
„Ich? ... Wer hat denn hier gerade seinen Freund betrogen?“, fragte er zynisch und verschränkte die Arme vor der Brust.
Es versetzte dem Schwarzhaarigen einen Stich, dass er so mit ihm sprach. Er wollte widersprechen, hielt sich dann aber zurück. Er hatte Recht... Er hatte Uruha betrogen... Und das, wo er ihn doch so sehr liebte... Und Uruha liebte ihn auch. Bisher hatte er es angezweifelt. Warum sonst hatte er es ihm nicht wieder gesagt? Aber jetzt war er sich sicher. Uruha empfand das Gleiche wie er. Sonst hätte er ihn eben nicht so angesehen. Mit diesen sonst so lieblichen Augen. Doch dieses Mal hatte sein Blick ihm das Blut in den Adern gefrieren lassen. Diese Augen... so kalt... und voll Abscheu...
Aoi trat ein paar Schritte zurück und lehnte sich gegen die Wand.
„Warum bist du wirklich hergekommen?
Er legte all seine Wut in den Blick, mit dem er den Bassisten gerade besah. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Reita wirklich nur hergekommen war um mit ihm zu trinken, und dass alles andere spontan gewesen war.
„Weißt du Aoi...“, begann er und seine Züge wurden wehmütig. „Du bist dir gar nicht bewusst, wie sehr ihr alle anderen mit eurem Geturtel auf die Nerven geht, oder?“
Aoi musste schlucken, wusste darauf nichts zu erwidern. Er wandte den Blick ab. Es genügte ihm schon, dass er ihm sagte, was er dachte... in dieser kalten Art, die er sonst nicht von ihm kannte. Er wollte nicht auch noch diesen Ausdruck in seinen Augen sehen. Es ließ alles so real wirken... Dass er Uruha betrogen hatte... Dass er den Menschen verloren hatte, den er so sehr liebte.
Reita musste lachen, als er sein betretenes Gesicht sah.
„Du willst also wirklich wissen, warum ich das getan habe?“ Er sah ihn mit funkelnden Augen an.
„Ich konnte einfach nicht glauben, dass ihr zusammen seid... Dass es Uruha ernst mit dir ist... Unser Uruha, der Poser der Band, der sonst niemanden an sich ranlässt, der nur One- Night- Stands hat, dieser Uruha sollte wirklich in festen Händen sein? Und dann auch noch in deinen?! Mich hat er nie gewollt, aber...“
Aoi riss die Augen auf. Ihn hatte er nie gewollt?! Er brauchte einige Zeit um das zu verarbeiten. Reita hatte also versucht sich an Uruha ranzumachen. Und das wohl nicht bloß einmal. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Den Blond- Schwarzhaarigen hatte er abgelehnt, aber ich nicht... ?
Er erinnerte sich an früher zurück. Doch... Reita und Uruha waren gute Freunde gewesen, sehr gute sogar. Und dann mit einem Mal nicht mehr. Von einen Tag auf den anderen. Er hatte sich zwar gefragt, was da wohl passiert war, aber nicht weiter nachgehakt. Schließlich hatte er sich damals schon so nach ihm verzehrt... Aber er hatte immer so unantastbar gewirkt, immer... Außer diesen einen Abend in der Disco... Der Alkohol hatte ihm Mut gemacht, also hatte er den sexy Blonden angetanzt und zu seinem Erstaunen war er tatsächlich darauf eingegangen. Zwischen ihnen hatte es richtig geknistert. Aoi hatte sich schon da wie im siebten Himmel gefühlt. Und dann hatte er ihn geküsst. Der heiße Blonde mit den delikatesten Lippen und verführerischsten Beinen der Welt hatte ihn geküsst... Am nächsten Morgen war er aufgewacht. In Uruhas Armen...
Von da an war alles anders gewesen. Doch er hatte sich gehütet ihn in irgendeiner Weise zu bedrängen... Und kaum öffnete sich Uruha ihm, da wurde er übermütig und ließ ihn gar nicht mehr in Ruhe...
„Ich wollte wissen, was dich so besonders macht...“, rissen ihn Reitas Worte aus seinen Gedanken. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass du etwas hast, das ich nicht habe.“ Der Blond- Schwarzhaarige ging nun langsam auf ihn zu und streckte seine Hand nach Aois Wange aus, doch dieser drehte den Kopf weg.
„Jetzt weiß ich, was er an dir findet...“, hauchte er und berührte nun die Wange des Schwarzhaarigen, der sich zwar auf die Unterlippe biss und geräuschvoll die Luft einsog, sich aber seiner Berührung nicht entzog. Der Bassist strich sanft über seine weiche Haut, dann schien ihm aber bewusst zu werden, was er da tat, löste sich also wieder von ihm.
„Und ich werde nicht aufgeben, bis es meins ist... bis du meins bist!“
Mit diesen Worten verschwand er. Aoi ließ sich an der Wand herunter gleiten, schloss dabei die Augen. Er hörte die Wohnungstür ins Schloss fallen. Jetzt war er wieder allein... Noch vor wenigen Augenblicken waren Uruha und Reita hier gewesen. Und beide hatten ihn so sehr verwirrt... Uruhas kalter und verletzter Blick hatte ausgereicht, um ihm alle Hoffnungen auf eine Versöhnung auszutreiben. Er war so verdammt verzweifelt. Die Tatsache, dass Reita ihn jetzt anscheinend für sich gewinnen wollte, kam auch noch hinzu. Er konnte immer noch nicht glauben, dass er bei dem Blonden abgeblitzt war und nun ihn wollte. Wollte er sich so an Uruha rächen?
Aoi seufzte schwer, bettete seine Stirn auf den Knien und umschloss diese mit den Armen.
Er wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Das einzige, was er wusste, war, dass er Uruha wollte. Uruha – keinen anderen. Reita würde keine Chance haben, denn sein Herz gehörte dem blonden Gitarristen. Doch ob dieser ihn jetzt noch wollte...
Er begann am ganzen Körper zu zittern, umschloss seine Beine fester und wiegte sich leicht vor und zurück. Er wollte Uruha... Warum war er jetzt nicht hier? Warum tröstete er ihn nicht? Warum ließ er ihn allein hier sitzen?
Er biss sich schmerzhaft auf die Unterlippe. Wie dumm und naiv er doch war... Uruha würde nicht zurück kommen, vielleicht nie mehr. Wahrscheinlich saß der Blonde jetzt bei sich zu Hause und sehnte sich selbst nach Wärme und Trost...
Und als ihm schmerzhaft bewusst wurde, dass er der Grund dafür war, begannen erneute Tränen seine Wangen zu benetzen...