Herzensschöner
Für Kana. Weil wir beide nichts auf Worte geben.
~~*~~
"Ich liebe dich!"
Es klang so falsch, und doch nickte Zoro, sah dem Blonden nach, wie er aus der Kombüse ging.
Er lehnte sich an die Wand und schloss die Augen.
Wieso tat er sich so etwas überhaupt an? Es war keine Liebe, kein Gefühl. Nichts. Es war einfach nur kalte, triste Gewohnheit.
Sie berührten einander nicht einmal.
Wieso nicht mehr? Es war doch so schön gewesen, so gefühlvoll, leidenschaftlich. Oder hatte er sich da etwas vorgemacht?
Als ich eines Tages dachte, das ich verloren bin, begraben und verloschen, küsstest du mir Sinn in mein verstaubtes Leben...
Genau das war es.
Und es war mittlerweile nicht mal eineinhalb Jahre her. Sie segelten zusammen, und Zoro schmerzte es, den Blonden zu sehen und nicht berühren zu können. Und in einer Nacht hatte sich alles verändert, es war alles so real erschienen.
...in meiner Seele Eis und ich begann zu glauben ein Feuersturm wär’ heiß...
Mit einem Schlag war Sanji dagewesen, wie ein helles Licht das die Dunkelheit seiner Seele erhellte. Dass das Eis zum Schmelzen brachte, ihn selbst gesunden ließ.
Es war so vollkommen neu, so vollkommen anders gewesen, und er wusste noch immer nicht, wann oder warum sich das geändert hatte.
Sanji hatte ihn tiefer berührt, als er es je für möglich gehalten hätte. Tiefer als er geahnt hatte, das seine Gefühle reichen konnte. Und wenn er ehrlich war, fragte er sich jetzt grade, ob er diese Erkenntnis je hatte machen wollen.
Mach’s gut, mein Herzensschöner, nun lass ich dich zieh’n...
Es war besser.
Zoro erhob sich ruckartig und folgte Sanji nach unten, in ihre Kajüte, die Lysop für sie abgetrennt hatte. Es war eine Heidenarbeit gewesen, die der Hobbybastler nur zu gerne auf sich genommen hatte. Alle an Bord hatten sich gefreut, als publik geworden war, das Zoro und Sanji auf einer ganz anderen Ebene zu tiefen Freunden geworden waren. Zumindest hatte Zoro das geglaubt, genau wie alle anderen. Wie Sanji es wohl auch noch immer glaubte.
Begriff er nicht, dass es nicht Worte waren, die zählten? Verstand er nicht, dass es um Kleinigkeiten ging?
Sanji beschwerte sich so oft, das er die ’magischen drei Worte’ so selten sagte. Aber Sanji fragte nie, warum. Dabei war es so einfach: Er zeigte dem Blonden lieber, was er empfand. Legte seine Gefühle in einen Kuss, in körperliche Nähe, gleich ob mit einer Umarmung oder ihrem anregenden Liebesspiel, von dem es in der letzten Zeit kaum noch eines gab.
Zoro hatte das Gefühl, dass Sanji seine Nähe mied. Doch warum sagte er dann immer wieder, er würde ihn lieben?
Warum versuchte er ihnen beiden etwas vorzumachen?
Das Thema war durch. Sie waren durch. Miteinander.
vergiss was ich gewollt hab, auch Scherben können blüh’n
Er war sich sicher, dass auch Sanji das bemerkt hatte. Dass es so zwischen ihnen nicht weiter gehen konnte. Nicht durfte.
Es schmerzte viel zu sehr. Denn er empfand viel zu viel für den Blonden. Mehr als dieser es verdient hatte.
Die Tür öffnend trat Zoro nahezu lautlos in den Raum und erblickte den Blonden an der kleinen Kommode, aus der er grade ein frisches Hemd genommen hatte und dabei war, sich umzuziehen. Im schummrigen Licht der Kajüte lag ein feiner Schimmer auf der Haut des Blonden. Ein Schimmer, der diesen so unwiderstehlich machte, und Zoro für einen kurzen Augenblick die Kehle zuschnürte.
Sanji bemerkte, dass er nicht alleine war, und wandte sich um.
„Zoro? Was machst du hier?“
Er wusste ja selbst, dass es eher ungewöhnlich war, das er zu dieser Tageszeit hier unten war. Und doch…war das alles, was sie verband? Gewohnheit?
„Ich muss mit dir reden...“
Mach’s gut, mein kühles Feuer und lass mich weiter frier’n
Ein Schatten huschte durch das äußerlich makellose Antlitz des Blonden.
Er wusste es. Er wusste es nur zu gut.
Es war nicht mehr zu leugnen, nicht mehr zu ertragen.
„Wieso?“ Und doch leugnete der Blonde. Wollte es nicht sehen. Wollte nicht sehen, wie sehr Zoro unter der Lieblosigkeit des Anderen litt. Wie sehr es schmerzte, ihn nicht mehr halten, berühren zu können. Wollte nicht sehen, dass ihr Feuer füreinander längst erloschen war.
wer weiß, im nächsten Leben, werd ich dich nicht verlier’n...
„Das weißt du doch...das weißt du schon lange, Sanji...“
Es tat mehr weh als gedacht. Er wollte das nicht. Er wollte Sanji lieben, halten, ihm alles geben, was er hatte. Für ihn das sein, was er brauchte.
Wollte Lügen hören, wollte sie als Wahrheit spüren.
„Du willst...?“
Sanji konnte es nicht einmal aussprechen. Was hatte er getan, dass der Blonde ihn weder ansehen noch spüren konnte? Das er nicht mehr wusste, wie es ihm ging? Wann hatten sie die Fähigkeit verloren, einander zu verstehen?
Was mich das Lieben lehrte bis dann, vergaß ich bald...zu schön war das erleben, so schön und doch so alt...
„Ich will nicht...ich muss...“
Leise gemurmelte Worte.
„Ebenso wie du...“
Es tat weh. Verdammt weh. Er hatte nicht gedacht, dass sich Gefühle wie Stacheldraht um die Gedärme ziehen konnten, klaffende Wunden rissen, zwickten und bissen. Einen Strom aus heißem, pulsierendem Schmerz freisetzten.
Surreal, und doch alles andere als ein Traum.
Das Wort als Ultima starb.
so alt und so verdorben, zu oft zu früh gesagt...das Worte Herzen morden, doch Seelen bleiben kalt...
„Wieso grade jetzt?“
Wenn Zoro geglaubt hatte, das der Schmerz nicht mehr zu Toppen war, so hatte er sich geirrt.
Es brannte.
Wie eiskaltes Feuer. Eine Eisschicht die sein Herz umklammerte, von lodernden Flammen umgeben, die das Eis einen winzigen Augenblick lang tauten, verbrannten was sie erreichten, bevor das Eis schmerzhaft für eine Sekunde die Herrschaft zurückerlangte. Immer und immer wieder. Wie ein nie enden wollendes Spiel aus Schmerz und Ignoranz.
Er wusste, dass jetzt für Sanji nicht der richtige Zeitpunkt war. Sie waren auf dem Weg zum Baratié, und Zoro wusste, dass der Blonde Jeff davon erzählt hatte. Er wusste auch, dass Jeff begierig darauf war, den Lebensgefährten seines quasi Sohnes kennen zu lernen. Und er wusste, dass Sanji auf keinen Fall als Verlierer dastehen wollte.
Und wenn das bedeutete, dass sie beide Gefühle heuchelten, die schon lange nicht mehr vorhanden waren, dann war es eben so. Zumindest von Sanjis Sicht aus, der lieber schauspielerte als zuzugeben, dass es nicht funktionierte.
Das sie einander nicht mehr geben konnten, was sie brauchten, was sie wollten. Das ihre Beziehung nur noch aus enttäuschten Hoffnungen bestand, aus Worten, die sich zwischen ihnen türmten. Aus zu wenig Taten.
Mach’s gut, mein Herzensschöner, nun lasse ich dich zieh’n...
Doch Sanji konnte und wollte ihn nicht gehen lassen.
„Du bist ein Teil meines Lebens... ich brauche dich! Ich liebe dich, Zoro, das weißt du doch!“, kam es verzweifelt von ihm, entgegen seiner ruhigen Tätigkeit. Er knöpfte sein Hemd zu. Als wäre er sich sicher, das Zoro nicht einfach gehen konnte.
vergiss was ich gewollt hab, auch Scherben können blüh’n...
„Nein, das weiß ich nicht... du sagst es, aber du zeigst es nicht, Sanji... ich kann das nicht. Und ich will das nicht!“
Kam es nur ihm so vor oder klang seine Stimme wirklich schleppend? Er war sich nicht sicher. Vielleicht war es einfach die Stimmung, die auf seine Stimme drückte. Oder auf sein Gehör. Diese Trostlosigkeit, die im Raum stand, genau zwischen ihnen. Alles, worüber sie nie redeten, was sie einander nie zeigten.
Verlorene Liebe, die in der Form, wie Zoro sie empfand, vielleicht nie wirklich existiert hatte. Vielleicht nie hatte existieren können.
Mach’s gut, mein kühles Feuer, und lass mich weiter frier’n...
Zoro wandte sich um. Er konnte das hier nicht ertragen. Konnte nicht den Blick ertragen, den sein Liebster zur Schau trug.
Den stummen Vorwurf, dass er nicht hatte warten können. Dass er nicht noch zwei Wochen zeigte, dass alles in Ordnung war.
wer weiß, im nächsten Leben werd ich dich nicht verlier’n
Seine Füße trugen ihn an Deck, ohne sich umzudrehen. Und doch spürte er, wie Sanji ihm folgte. Ihm nachlief. Vielleicht war noch etwas da? Ein klein wenig?
„Lass mich nicht einfach stehen!“, hörte er ein Fauchen hinter sich und er spürte einen Griff an seinem Arm, Sanji, der ihn herumriss, ihm in die Augen sah. Ihn fest fixierte. Nur Wut war in seinem Blick. Wut auf Zoro, der nun alles versaute.
Mach’s gut, mein kühles Feuer, und lass mich weiter frier’n...
Kalte Wut in den klaren blauen Augen, die sich bis auf den Grund von Zoros Seele bohrten.
„Hör auf Sanji...“, kam es leise, und entgegen dem Chaos in seinem Inneren, ruhig von Zoro. Warum machte Sanji es schwerer als es sein musste.
„Wieso willst du nicht mehr...wieso liebst du mich nicht mehr...?“
„Du weißt, dass ich das tue...“
Sanft strichen Zoros Finger über die fein geschnittene Kinnlinie seines Freundes. Seines ehemaligen Freundes.
„Wer weiß, im nächsten Leben werd ich dich nicht verlier’n...“, murmelte er leise und wandte sich um. Ließ Sanji stehen, ließ ihn zurück. Und mit ihm all die Worte, die er nicht ertragen konnte.
Mit ihm all das, was seine Seele bedrückte.
Auf den Weg in die Freiheit.