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Himmel und Erde

Schatten und Licht, Interlude 1
von

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Vertrauen im Kampf

Allens fester Schritt halte im ganzen, schneeweißen Gang wieder, als er mit einer Mappe in der Hand Tür um Tür passierte, bis er schließlich zum Fitnessraum des größten Krankenhauses in Palas kam. Die Geräte, welche den Patienten normalerweise ermöglichen sollten, nach besonders langem Bettaufenthalt zur ihrer alten Form zu finden, standen dicht gedrängt an den Wänden und gaben so eine große Fläche in der Raummitte frei. Dort führte Merle in ihrem Trainingsanzug unter den wachsamen Augen von Milerna eine Übung mit ihrem Dolch vor, in der sie einen Kampf gegen mehrere imaginäre Gegner austrug. Leise trat Allen näher an die Prinzessin heran, die er von hinten in ihrem Arztkittel nur an ihrem goldenen Haar erkannte. Er kniete hinter ihr nieder und wartete darauf, dass sie ihm erlauben würde zu sprechen.

„Wann ist sie dir das erste Mal aufgefallen?“, erkundigte sie sich leise.

„Nach meinem ersten Kampf gegen Van. Sie war damals als Gefangene auf meinem Stützpunkt gebracht worden.“, antwortete er.

„Und danach?“

„Ich nahm eher wenig Notiz von ihr. Sie hielt sich die meiste Zeit im Hintergrund auf.“

„Mir ging es genauso.“, gab Milerna zu. „Dieses Mädchen war damals nichts weiter als Vans Schatten, der ohne seinen Gefährten vollkommen hilflos und verloren schien. Obwohl sie immer mit uns zusammen reiste, kannte ich sie kaum. Aber wenn man sie sich jetzt ansieht…“ Allen schaute zu, wie Merle über einen Angriff auf ihre Beine hinweg sprang und noch in der Luft mit einem halbkreisförmigen Tritt konterte. Bei der Landung jedoch verlor sie die Kontrolle über ihren Schwung und wäre beinahe über ihre eigenen Beide gestolpert. Dennoch führte sie die Folge ihrer Bewegungen fort, als wäre nichts gewesen. Von ihren kurzen Treffen in der Herberge wusste Allen, dass Merle die Übung besser können müsste. „…dann ist sie viel mehr als das kleine, anhängliche Mädchen von damals. Sie ist eine junge Frau, die stur ihren Pflichten nachgeht, ohne dabei auch nur einen Augenblick an sich zu denken. Wie soll ich dieser Frau erklären, dass sie sich ausruhen muss und es Zeit braucht, bis sie wieder völlig einsatzbereit ist?“, fragte sich Milerna, wobei in ihrer Stimme sehr viel Respekt mitschwang.

„Was versucht sie mit dieser Aufführung zu erreichen?“, erkundigte sich Allen.

„Sie möchte mir beweisen, dass sie keine Therapie mehr braucht.“, gab sie amüsiert zurück. „Die Übungen ihrer Therapeutin waren anscheinend so langweilig, dass sie lautstark gefordert hatte ihre Fitness unter Beweis stellen zu können.“

„Ich bin fit!“, platzte Merle dazwischen. Urplötzlich hatte sie mit ihrer Übung aufgehört. „Ich bin stärker als jeder Mensch und darüber hinaus höre ich auch besser.“

„Ja, aber du bist nicht so stark, schnell und beweglich, wie es für einen Katzenmensch üblich ist.“, widersprach Milerna. „Deine Feinmotorik ist noch immer gestört. Es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber ich kann dich nicht entlassen. Nicht solange ich befürchten muss, dass du dich, sobald du das Krankenhaus verlässt, wieder extremen Gefahren aussetzt.“

„Ich kann kämpfen!“, behauptete Merle unbeirrbar.

„Nein, kannst du nicht.“, sagte Allen, legte die Mappe beiseite und stand auf. „Mit eurer Erlaubnis, Prinzessin Milerna, würde ich es gerne beweisen.“

„Sei aber nicht zu hart!“, warnte sie ihn, woraufhin er sich vor ihr verbeugte und in die Raummitte trat. Merle lächelte selbstsicher.

„Du weißt hoffentlich, dass ich dich schon einmal besiegt habe.“, stachelte sie ihn an.

„Noch einmal gelingt dir das nicht.“, versicherte er. Daraufhin griff Merle an. Allen merkte sofort, dass ein Sieg nicht so leicht zu erringen sein würde wie bei Siri. Obwohl beide Mädchen fast gleich alt waren, verfügte Merle über viel mehr Erfahrung. Mit ihrem Dolch stach sie erst zwei Mal probeweise auf ihn ein, ehe sie ernst machte. Sie testet meine Reaktionsfähigkeit, begriff Allen, während er die beiden harmlosen Angriffe durch ebenso sparsame Bewegungen seines Schwertes abblockte. Dann drückte sie mit ihrem Dolch seine Klinge zur Seite und preschte mit ihrem Ellbogen voran in ihn hinein. Er wich zur Seite aus, wodurch ihr Schwung sie ins Nichts trug und sie nur schlitternd zum Stehen kam. Sofort setzte er ihr nach und schlug von oben auf ihren Kopf ein, doch Merle lenkte die Wucht seines Angriffes seitlich an ihrem Körper vorbei, sichelte mit ihrem rechten Fuß seine Beine weg und trat mit dem linken sein Schwert aus der Hand. Allen nahm sich gar nicht die Zeit sich über seine Unachtsamkeit zu ärgern, sondern brachte ihr verbliebenes Standbein mit einer Scherbewegung seiner eigenen zu Fall. Mit dem Gesicht voran fiel sie auf die harten Matten, welche im ganzen Zimmer den Boden bedeckten. Sofort war er über ihr und drehte ihr rechtes Handgelenk in einen unnatürlichen Winkel, wodurch sich ihr ganzer Körper versteifte. Merle blieb nichts anderes übrig als abzuklopfen.

„Du bist noch nicht bereit zum Kämpfen.“, sagte er, als er sie losließ und von ihr runter ging. „Aber du kannst mir anders helfen.“

„Ach, der große Allen Shezar braucht tatsächlich Hilfe?“, höhnte sie.

„Hör auf!“, giftete Milerna sie an. „Du weißt nichts über ihn.“

Scheinbar unberührt von dem Wortwechsel holte er die Mappe und hielt sie Merle hin. Diese richtete ihren Oberkörper auf und nahm den Umschlag entgegen.

„Du kennst unseren Schüler am besten. Kannst du mir sagen, ob sie es war?“, fragte er. Während Merle die Mappe öffnete und den Bericht darin überflog, sagte sie zu Allen: „Schämst du dich eigentlich dafür, dass Siri kein Junge ist?“

„Natürlich nicht!“, antwortete er entrüstet.

„Dann kannst du sie auch deine Schülerin nennen!“, verlangte Merle mürrisch. Zu Milerna gewandt, bat Allen: „Könnten wir uns draußen etwas unterhalten, Prinzessin?“

„Natürlich.“, meinte Milerna und ging vor ihm aus dem Zimmer. Im Gang angekommen schloss Allen die Tür hinter sich.

„Was hat sie gegen mich?“, fragte er ohne irgendwelche Höflichkeitsfloskeln. Da sie von Allens forscher Art mehr als nur überrascht war, dauerte es einen Moment, ehe Milerna antwortete.

„Sie ist in Farnelia eine wichtige Persönlichkeit und trägt viel Verantwortung. Van hat ihr seine Sicherheit anvertraut. Nicht, weil sie schon immer so gut war, sondern weil er ihr völlig vertrauen konnte.“, erklärte Milerna. „Nun ist sie hier und wir beide wollen für sie bestimmen, was das Beste für sie ist. Das kann für jemanden, der es gewohnt ist auf eigenen Füßen zu stehen, sehr schwer sein.“

„Woher weißt du so viel über Merle?“, wunderte er sich.

„Ich hab mich mit Dr. Riston ein bisschen über sie unterhalten. Sie hat ein paar Jahre unter Merle gedient, bis ihre Tochter in ihre Fußstapfen trat.“, antwortete Milerna. „Ihr solltest du den Bericht übrigens nicht zeigen. So sehr wie sich in die Arbeit mit den mitgebrachten Proben kniet, hat sie die Umstände, in denen sich dass Mädchen befindet, bestimmt noch nicht verdaut.“

„Ich bin mir übrigens ziemlich sicher, dass es Siri war.“, sprach Merle die beiden vom Türrahmen aus an. Verwundert drehten sie sich um.

„Wir haben dich gar kommen hören.“, staunte Milerna.

„Ich konnte euch die ganze Zeit hören.“, erwiderte Merle trocken.

„Und wie kommst du darauf?“, erkundigte sich Allen respektvoll.

„Nun, zu einem ist da dieser Tipp. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Siri auf ihrer Reise nach Palas gesehen wurde. Dafür haben ich und Gesgan sie zu gut ausgebildet. Also konnte nur ein einziger…Mensch…wissen, dass sie in dieser Nacht versuchen würde durchzubrechen.“

„Trias!“, schlussfolgerte Allen.

„Außerdem…Wer außer einem Gezeichneten könnte einen Guymelef mit einem Schwert aus der Luft holen können.“, führte Merle weiter aus.

„Soweit wir wissen, gibt es mehrere von der Sorte.“, gab Milerna zu bedenken.

„Von denen wurde aber nur einer gesucht. Nur Siri musste die Tore meiden.“

„Aber wozu das Ganze?“, fragte sich Milerna. „Wieso sollte Trias diese Falle für sie aufstellen, wenn sie doch zu ihm gehört.“

„Vielleicht eine Art Test.“, mutmaßte Allen.

„Du bist wohl noch nicht lange im Geschäft.“, warf Merle ihm vor. „Ansonsten würdest du wissen, dass Spione Tests immer ohne Publikum durchführen.“

„Was war dann der Sinn?“, fragte er geduldig.

„Überlegt doch mal! Erst schädigt Trias ihren Ruf, indem er ihr zwei Anschläge auf dein Leben anhängt und dann zwingt er sie zu der Zerstörungsorgie von letzter Nacht.“, forderte Merle, doch als beide nur verwirrt mit dem Kopf schüttelten, fuhr sie fort. „Er untergräbt ihren Ruf. Solange, bis jeder Soldat sie töten wird, sobald er sie sieht. Mit der letzten Nacht sollte er dies auch geschafft haben. Niemand in ganz Astoria wird Siri zuhören oder ihr helfen, sollte sie sich gegen Trias wenden.“

„Aber das heißt ja…“, sagte Allen, woraufhin Merle nickte.

„Es gibt noch Hoffnung für sie.“, erklärte sie entschlossen. „Allen, du solltest dorthin gehen, wo ihr Schwert aufbewahrt wird.“

„Das liegt im Schloss. Sie wird doch nicht…“

„Allein schon die Herkunft des Diamanten in der Schwertspitze könnte eine erste Spur sein. Ich glaube kaum, dass Trias das auf sich sitzen lassen wird. Und da weder er selbst oder sonst jemand seiner Gefolgsleute die Bühne betreten kann,…“

„…wird er wohl Siri schicken, die sowieso schon gesucht wird. Ich mache mich sofort auf dem Weg.“, sicherte Allen ihr zu.

„Ich würde ja gerne mitkommen,…“, bat sie vorsichtig.

„Keine Chance!“, lehnte Milerna ihr Gesuch ab.

„Na gut, dann geh ich eben wieder auf mein Zimmer!“, sagte Merle frustriert und schob sich zwischen den beiden durch. Als sie nicht mehr in Sicht war, sagte Milerna anerkennend:

„Sie ist gut! Wird sie dich auf dem nächsten Ball begleiten?“

„Nein.“, antwortete Allen entschieden. „Hitomi bestand darauf, dass wir zusammen arbeiten, weil Merle sich in inoffizieller Umgebung gut bewegen kann und ich zu offiziellen Kreisen Zugang habe. Würde ich sie zu einem Festakt mitnehmen, würde Merle ihren Vorteil einbüßen.“

„Hitomi hat euch also zusammen gebracht. Hätte ich mir denken können.“, sagte Milerna schmunzelnd.

„Was meinst du damit?“, fragte er verwundert.

„Ich rede über ihre gute Menschenkenntnis. Ihr beide vertraut euch, sonst hättet ihr nicht mit scharfen Klingen gegeneinander gekämpft. Ich glaube, ihr könntet ein genauso gutes Team abgeben, wie du und Van damals im Krieg. Vielleicht sogar ein noch besseres. Hitomi war dies klar gewesen, obwohl sie euch nie zusammen gesehen hat.“

Allen schaute nachdenklich den Gang hinunter, durch den das Katzenmädchen verschwunden war und verabschiedete sich dann von Milerna. Diese sah ihm mit einem breiten Lächeln nach.



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