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Wortgeflüster

von

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Lüge

„Du bist ein Monster!“ schrie die junge Frau hinter sich, ohne den Blick über die Schulter zu werfen. Nur weg, weg, dachte sie, weg von dem, der sie so erbarmungslos verfolgte. Doch schließlich achtete sie in ihrer kopflosen Flucht nicht auf den Weg und eine kleine Erhebung in dem unebenen Boden brachte sie zu Fall. Hektisch sah sie sich um, versuchte, sich aufzurappeln, doch ihre Finger scharrten sich umsonst auf dem rauen Kiesweg blutig und so blieb ihr nichts weiter übrig, als sich umzuwenden und rückwärts mit starrem Blick auf die Dunkelheit weiterzukriechen.

„Aber nein! Du irrst dich. Bitte, hör mir zu!“ erklang eine männliche Stimme, deren Klang von Besorgnis und einem Hauch Verzweiflung zeugte und wie aus dem Nichts tauchte plötzlich eine Gestalt vor ihr aus den Schatten aus, die der jungen Frau einen lauten, panischen Aufschrei entlockte.

„Du… du… geh weg… du…“ stotterte sie und ihre Augen waren vor Furcht weit aufgerissen. Traurig streckte er eine Hand aus.

“Bitte! Hör mir zu. Nur einen Augenblick. Ich kann alles erklären!“

Sie schlug mit einer Hand nach ihm, als könne sie ihn trotz der Entfernung treffen und er würde verschwinden wie ein böser Geist.

„Nein! Ich höre dir nicht zu! Du bist ein Dämon, ein Monster!“

Er ließ die Hand sinken und blickte zur Seite, dabei fuhr er sich über die Augen. Es wirkte müde.

„Du verstehst gar nichts.“ klagte er und sah sie wieder an, ging aber keinen Schritt weiter. Kurz betrachtete sie ihn mit den Augen, mit denen sie ihn zuvor gesehen hatte. Vor ihr stand ein wunderschöner Mann. Seine Augen waren dunkel, man konnte sich ewig in ihren verlieren, und seine Gestalt war schlank und selbst sein weiches Gemüt war der Traum einer jeden Frau. Ja, es war auch ihr eigener gewesen, bis sie es gesehen hatte. Gesehen hatte wie…

Bei dem Gedanken an das Geschehene schrie sie auf und hielt mit beiden Händen ihren Kopf, als schmerze er. Dann barg sie das Gesicht in den Händen.

“Geh weg!“ wimmerte sie und schüttelte den Kopf. „Du bist widerlich.“

Plötzlich schien er wütend zu werden. „Wieso glaubst du, das zu wissen? Denkst du, mir gefällt so etwas? Dachtest du nicht, du kanntest mich ein wenig besser um zu wissen, dass das eine Lüge ist?“

Sie starrte ihn einen Augenblick aus rot geränderten Augen an und schüttelte dann erneut langsam den Kopf.

„Aber… aber… du bist grausam! Dich kümmert das Leben nicht. Du bist widerlich, labst dich am Schmerz anderer. Du… Du bist ein herzloses Monster!“

Der Mann sah ihr in die Augen. „Was macht dich so sicher?“ fragte er leise und die Frau versuchte, den Blick abzuwenden, doch der Mann sah so unendlich traurig aus.

„Ich… ich… Ich habe es doch gesehen!“ beharrte sie und zwei Tränen rannen einsam über ihre Wangen. „Ich… ich… ich dachte…“

Der Mann kam vorsichtig auf sie zu, als sei sie ein Reh, das es nicht zu verschrecken galt.

“Es tut mir leid, dass du es mitansehen musstest. Aber glaube mir bitte, was du sagst, ist nicht richtig.“

Achtsam hielt er ihr die Hand entgegen, mit der Handfläche nach oben, und nach kurzem Zögern griff sie zu. Vorsichtig half er ihr auf und öffnete die Arme, in die sie sich schließlich mit einem leisen, erleichterten Seufzer sinken ließ, als er seinen Mund an ihr Ohr senkte. Sie lächelte, erwartete die so oft gesprochenen, süßen Worte, und lauschte aufmerksam, als er sagte:

“Du hast „verlogen“ vergessen.“

Und noch ehe sie diese Worte begreifen konnte hatte er sie bei den Schultern gefasst und als sie sein Gesicht sah, das zu einer gierigen Fratze verzogen war, wusste sie, dass sie Recht gehabt hatte. Und dass es zu spät für sie war.

Viel zu spät.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Djin
2011-01-07T04:58:00+00:00 07.01.2011 05:58
Ich hatte hier ja vor ein oder zwei Jahren schon mal angefangen zu lesen und habe erst jetzt gesehen, dass neue Kapitel dazu gekommen sind. -.-" Ich sollte öfter nach so was schauen.
Ich muss sagen ich hab die alten Kapitel auch noch mal gelesen und ich bin immer noch begeistert.
Aber dieses Kapitel hier gefällt mir ganz besonders gut. Du schaffst es einfach mit den letzten Worten bzw. den letzten Sätzen deiner Kapitel alles umzudrehen und einen total zu überraschen.
Man erwartet letztendlich ein total anderes Ergebnis, einen anderen Satz. In jedem Fall sind die Enden, meiner Meinung nach, immer sehr überraschend. Und das Witzige dabei ist, dass ich bei jedem Kapitel denke "Dieses mal achte ich darauf wie es ausgehen könnte, dieses mal achte ich auf alle anderen Möglichkeiten."! Und nie klappt es ;)
Einfach weil dein Schreibstil mich vom ersten Satz an gefangen nimmt und ich nur diesen einen Gedankengang verfolgen kann. Obwohl der letztendliche Ausgang ja nie unglaubwürdig ist. Im Gegenteil: Manchmal scheint es sogar noch besser zu passen, als die ursprünglichen Worte, die man sich vorgestellt hatte.

Hin und Wieder würde ich es - was ich aber in meinem letzten Kommentar auch schon geschrieben habe - schöner finden, wenn alles etwas länger und ausführlicher wäre. Wahrscheinlich ergibt sich dabei dann das Problem, dass man zu schnell hinter die Fassade blicken könnte und die letzten Sätze nicht mehr die gleiche Wirkung hätten.
Nur in diesem Kapitel hätte ich es schöner gefunden, wenn du die Gefühle und Gedanken der Frau etwas ausführlicher aufgezeigt hättest. Damit man die Angst und das Entsetzten, das sie spürt besser hätte fassen können.
Anfangs dachte ich die ganze Zeit warum denn nicht auch die Gefühle des Mannes beschrieben sind, aber das wird ja dann mit dem Ende klar ;)

Was gibt es noch zu sagen? Sprachlich kann ich leider keinerlei Kritik geben, ich bin irgendwie nie in der Lage zu sagen, was daran positiv und was negativ zu bewerten ist. Aber insgesamt lässt sich der Text schön flüssig lesen, ohne Mängel, die ich dir jetzt aufzeigen könnte.
Also wieder einmal sehr schön geschrieben. Ich frage mich, wie du immer auf solche Ideen von einem überraschenden Ende kommst. Mir würde da gar nicht genug einfallen :D

glg Djin

Von: abgemeldet
2009-01-11T15:36:29+00:00 11.01.2009 16:36
tolle story ; würde mich total freuen,mal mehr von dir zu hören ; love.


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