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Rote Engel

Sie leben für den Tod und sterben für das Leben
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Rote Engel

Sie leben für den Tod und sterben für das Leben
 

Sirenen heulten durch den Lärm des üblichen Straßenverkehrs. Die Sirenen gehörten zu mehreren Polizeiwagen, zwei Krankenwagen und einem Notarztwagen. Mit atemberaubender Geschwindigkeit jagten sie durch die Straßen um noch rechtzeitig bei ihrem Ziel anzukommen, denn es standen Leben auf dem Spiel, zwei um genau zu sein. Der Notruf kam vor knapp acht Minuten in der Zentrale an, es hieß das zwei junge Männer schwerverletzt in einer Seitengasse des Stadtkerns lagen, mehr wurde nicht gesagt. Die Männer und Frauen, die den beiden Jungen zur Hilfe eilten rechneten mit dem schlimmsten und ihre Befürchtung sollte sich auch bestätigen.

Auf dem Dach eines leerstehenden Fachwerkhauses hockte ein Mädchen, sie hatte feuerrotes Haar das ihr als strenger Zopf zusammengebunden noch bis zur Hüfte ging und nachtschwarze Augen. Den Blick hatte sie nach unten gerichtet, dort lagen zwei Jungen in einer Blutlache, ihrer Blutlache. Gerade bogen mehrere Fahrzeuge um die Ecke und Menschen sprangen auf die Beiden zu. Sie schienen wohl zu glauben, dass sie die Beiden noch retten konnten. Aber sie lagen falsch. Das Mädchen beobachtete das Geschehen noch eine Weile, vor neugierigen Blicken anderer geschützt. Die Jungen waren wirklich schon tot, sie hatte sie ja schließlich auch umgebracht. Sie war es auch, die den Notruf abgesendet hatte, nur so, damit man die zwei Leichen schnellst möglichst finden würde und sie nicht vor sich hin verwesten. Mit einem Grinsen sah sie zu wie die zwei in einen Krankenwagen gepackt wurden und die ganze Kolone wieder abzog, fast die ganze. Einige Polizeiwagen waren geblieben und untersuchten den Tatort, immerhin hatten sie es hier mit einem Mord zu tun, einem Doppelmord. Das Mädchen stand auf und entfernte sich vom Rand des Daches.

„Warum durften die Beiden jetzt sterben?“ Erschrocken zuckte sie zusammen und fuhr herum. Ihr gegenüber stand ein junger Mann, schätzungsweiße neunzehn. Er trug eine Art Uniform, aber nicht etwa die eines Polizisten, eher die eines Krieges und das war er ja auch, ein Auftragskiller. „Scharon!“ Das Mädchen fuhr ihn sauer an. „Wie oft soll ich dir noch sagen, du sollst dich nicht so an mich ran schleichen!“ Sie war wirklich sauer, es war aber auch immer das Gleiche. „Jetzt beruhig dich mal.“ Scharon hob entschuldigend die Hände. „Ich dachte du bist im zweiten Ausbildungsjahr.“ Ein Lächeln huschte über seine Lippen, das sie ihre Wut vergessen ließ. „Du bist schlimm! Und außerdem bin ich im zweiten Ausbildungsjahr, aber du nun einmal im vierten, da wäre es doch schon merkwürdig, wenn du dich nicht an mich ran schleichen könntest.“ Sie seufzte. „Um zu deiner Frage zurückzukommen, sie haben es nicht besser verdient.“ Damit war das Thema für die Rothaarige gegessen. „Ach Iko, es ist doch immer das Gleiche mit dir. Hat man dir nicht beigebracht, dass man keine Menschen tötet?“ Mit einem spöttischen Lachen zog er das Mädchen in seine Arme. „Natürlich hat man das, aber gerade wird dir beigebracht, wie man Menschen tötet. Wer kann dir da so etwas schon verübeln?“ Iko versuchte sich aus der Umarmung zu befreien, aber Scharon war einfach stärker und so blieb ihr nichts anders über als zu warten, dass er sie losließ. Der Junge beendete die Umarmung in dem er ihr noch einen Kuss auf die Stirn gab. „Wir sollten zurück zur Akademie, eh man noch anfängt dich zu vermissen.“ Iko nickte und folgte Scharon. Da sie erst im zweiten Ausbildungsjahr war durfte sie die Akademie eigentlich nur mit Erlaubnis verlassen und die gab es nur, wenn man einen Auftrag hatte, es zum Lehrplan gehörte, oder ein älterer Schüler einem mitnahm und beaufsichtigte und dazu musste dieser auch noch eine Anfrage stellen. Mit neunzehn war Scharon zwar alt genug um sie außerhalb der Akademie zu begleiten, aber so wie sie den Blonden kannte, hatte er noch nicht einmal daran gedacht für sie so eine Anfrage zu stellen.
 

Iko stand im Büro des Direktors, ihr gegenüber eben dieser. Ihr kurzzeitiges Verschwinden war natürlich nicht unbemerkt geblieben und die Nachrichten, die gerade liefen, taten ihren Teil zum Ärger des Mannes bei. *Wie so eben berichtet wurden heute Nachmittag um 15.30 zwei Teenager im Alter von je siebzehn Jahren in der Bloomstraße aufgefunden. Laut Polizei wurden Beide mit einem Schwert erstochen, das wäre dann schon der fünfte Vorfall in drei Wochen. Für…* Das Fernsehgerät wurde ausgeschaltet. „Was soll ich nur mit dir machen, Iko?“ Der Direktor sah das Mädchen bedauernd an, wütend über ihr Verhalten war er schon lange nicht mehr. Iko zuckte die Schulter. „Mich frühzeitig ins dritte Jahr schicken?“ Ihr war die ganze Situation äußerst unangenehm, aber da ließ sich nun einmal nichts dran ändern, sie konnte ja nichts dafür das sie ständig aus der Akademie verschwand und Leute umbrachte, die es nicht besser verdient hatten. Der Grauhaarige Mann schüttelte den Kopf. „Auch wenn du die beste Schülerin deines Jahrgangs bist und vermutlich auch eine der besten die wir hier auf der Schule haben, kann dein Verhalten nicht ungestraft bleiben. Du kannst nicht einfach auf die Straße gehen und Menschen umbringen.“ „Aber genau dafür werde ich doch ausgebildet, um auf die Straße zu gehen und Menschen zu töten.“ Iko fiel ihm patzig ins Wort. Sie verstand einfach nicht, wo sein Problem lag. Wie er schon gesagt hatte, sie war eine der besten Schülerin an der ganzen Akademie und durfte man der Meinung anderer Lehrer trauen, auch eine der Szene, dabei war sie gerade einmal siebzehn Jahre. Aber egal wie gut sie war, Aufträge bekam sie noch keine, beziehungsweiße durfte sie noch keine ausführen. Des Öfteren hatte man schon bei ihr angefragt, ob sie nicht einen Auftrag übernehmen könnte, aber an dieser Akademie war es Vorschrift, dass man erst im dritten Jahr Aufträge annehmen durfte. Iko war nur leider nicht der Typ, der sich mit so etwas abfand und so handelte sie eben auf eigener Faust.

„Iko!“ Der Direktor stemmte die Hände auf den Tisch zwischen ihnen. „Wir reden her von zwei völlig unterschiedlichen Situationen. Du wirst ausgebildet um zu töten, gezielt zu töten, aber du tötest nach Lust und Laune. So ein Verhalten kann ich einfach nicht dulden, damit ruinierst du den guten Ruf unserer Schule. Ich habe lang genug die Augen davor geschlossen und dich mit ein paar Stunden Nachsitzen davonkommen lassen, aber damit ist jetzt Schluss. Deine Morde müssen Augenblicklich aufhören und dafür werde ich sorgen.“ Er machte eine Pause um Ikos Verhalten zu beobachten. Das Mädchen aber blieb ganz ruhig und gelassen, auch das war ein Punkt ihrer Ausbildung die Ruhe in jeder Situation zu bewahren. Die schwarzen Augen blickten durch den Mann hindurch. „Was wollen Sie tun? Mich von der Schule schmeißen?“ Nun war es Iko, die das Verhalten ihres Gegenübers musterte. „Sie wissen, dass Sie so den Ruf ihrer Anstalt schützen können. Und Sie auch, dass Sie mich so nicht vom töten abhalten können. Also was wollen Sie tun?“ Zu ihrer Verwunderung lachte der Direktor. Es dauerte einen Moment, bis er sich wieder gefangen hatte, dann aber sprach er mit einem strengen Ton weiter, der Iko ganz neu bei ihm war. „Nein, natürlich werde ich dich nicht von der Schule schmeißen. Aber ich werde dafür sorgen, dass du das Gebäude nicht mehr verlassen kannst, ohne danach schwerverletzt im Krankenhaus zu liegen. Und ich werde dich vorrübergehend vom Unterricht befreien, du wirst so lange vom Unterricht ausgeschlossen, bist du verstanden hast, warum du hier bist.“ Eh Iko sich versehen hatte würde sie von vier kräftigen Armen gepackt. Links und Rechts von ihr stand ein in schwarz gekleideter Mann und hielt sie fest. Ein dritter dieser Sorte befestigte einen Metallring an ihrem rechten Knöcheln und einen an ihrem linken Handgelenk.

„Was soll das?!“ Iko trat und schlug wütend um sich, aber die Männer ließen sie nicht los. „Was machen die da?!“ Der Mann, der ihr eben die Ringe angelegt hatte, schien diese jetzt zu programmieren. Der Direktor seufzte wehmütig. „Sie stellen die Bomben ein.“ Iko war Augenblicklich ruhig und mit einem Mal ganz bleich im Gesicht. „Bomben?“ Der grauhaarige Mann vor ihr nickte. „Ja genau, Bomben. Du brauchst dir keine Sorgen machen, die Bomben gehen erst hoch, wenn du für fünf Sekunden das Gelände der Akademie verlassen hast. Ich sagte doch, ich werde dafür sorgen, dass du nicht wieder abhaust. Und jetzt geh!“ Die Männer hatten Iko schon längst wieder losgelassen, aber sie war wie versteinert stehen geblieben. Das konnte doch nicht wahr sein, er konnte ihr doch nicht gerade wirklich Bomben umgelegt haben?! Aber es war leider wahr. Widerspenstig verließ sie das Büro und trat auf einen der vielen Flure. Nicht nur, das er ihr diese Bomben angelegt hatte, nein er hatte ihr auch noch verboten am Unterricht teilzunehmen. Das musste sie erst einmal verdauen und so entschloss sie sich für einen Spaziergang.
 

„Iko? Alles in Ordnung?“ Die Stimme war plötzlich aufgetaucht, aber Iko war darüber nicht sauer, es war eben Scharons Eigenart. Iko saß an einem großen See, der mit zur Akademie gehörte, würde er da nicht, wäre sie schon längst nicht mehr ganz. Als er keine Antwort bekam setzte Scharon sich besorgt neben das Mädchen, er sah auf das Wasser zu ihren Füßen. „Ich habe gehört, was passiert ist. Kaiser hat wirklich überregiert, ich glaube nicht, dass so etwas nötig gewesen wäre. Ich…“ Er verstummte. Eben war ein kleiner Tropfen in den See gefallen, es war eine Träne und nun fiel schon wieder eine. Scharon hob den Kopf und sah zu Iko. Das Mädchen zitterte und kämpfte gegen die Tränen, die sie zu überrennen drohten. „Iko.“ Traurig nahm er sie in die Arme, er konnte es nicht mit ansehen, wenn sie traurig war oder weinte.

„Du weißt doch sicher, warum ich hier bin?“ Iko sprach ganz leise und ihre Stimme klang irgendwie heißer. Wenn wunderte es, es war drei Stunden her, dass sie aus dem Büro des Direktors entlassen wurde und seit zwei Stunden war sie mit Unterbrechungen am weinen. Scharon nickte. Natürlich wusste er, warum sie hier war, sie hatte es ihm gleich bei ihrem zweiten Treffen erzählt. Iko war eine Waise, von Geburt an, keiner wollte sich je wirklich um das Mädchen kümmern. Sie hatte es wahrlich nicht leicht im Leben, obwohl sie immer ein braves und höffliches Kind war, Manieren besaß und in der Schule nur Einsen schrieb und bei allen Lehrer beliebt war, wollte sie nie jemand adoptieren. Und dann, eines Tages, tötete sie ohne jegliche Vorwarnung alle die sich an jenem schicksalhaften Tag im Waisenhaus befanden. Kurz zu vor hatte sich wieder ein Ehepaar dagegen entschieden, sie aufzunehmen. Das war nun nicht der ausschlaggebende Grund, warum Iko auf diese Akademie kam, der Grund war vielmehr, wie sie die Menschen getötet hatte. Ohne Zögern und als hätte sie nie etwas anders getan hatte sie ihren Opfern entweder eine Kugel gegeben oder sie erstochen, alle waren sie auf der Stelle tot. Kaiser, der Direktor der Schule, hatte aus den Nachrichten von dem Vorfall gehört und sich entschlossen, Iko aufzunehmen. Zu dem Zeitpunkt saß Iko auf der Polizeiwache und wurde von mehreren Beamten bewacht, am nächsten Tag wäre ihr Prozess gewesen, aber zu diesem erschien sie nie. Das ganze war nun schon fast zwei Jahre her.

Iko riss ihn wieder aus seinen Gedanken. „Dann weißt du sicher auch, dass es nichts anders für mich gibt, als zu töten.“ Sie vergrub ihr Gesicht in seinem T-Shirt und krallte sie an seinem Rücken fest, wieder verließen Tränen ihre Augen. Scharon erlaubte es ihr, er erlaubte es ihr sich bei ihm auszuweinen, besser hier bei ihm und allein, als bei irgendeinem anderen. Denn an dieser Schule, wo jeder darauf getrimmt wurde zu töten und gefühlskalt zu sein, war es ein Fehler Schwäche zu zeigen, war sie auch noch so winzig. Viel Zeit sich auszuweinen gab er ihr allerdings nicht. Behutsam löste er sich aus ihrer Umklammerung und sah sie ernst an. „Es gibt aber noch vieles mehr und auch schöneres. Egal wie deine Vergangenheit aussehen mag und warum du hier bist, auch für dich gibt es mehr als nur den Tod.“ Iko schluckte ein paarmal. Ihre Augen waren von dem ganzen heftigen weinen gerötet, auch wenn man das bei der schwarzen Farbe, die sie normaler Weiße trugen, nicht glauben konnte. „Was… was gibt es noch… für mich?“ Flehend und fragend sah sie ihn an. Scharon beugte sich lächelnd zu ihr vor, sanft umschloss er ihr Kinn und zog es ein Stück zu sich hoch. Ein paar Millimeter vor ihrem Gesicht hielt er inne. Kurz zögerte er, dann versiegelte er ihre mit seinen Lippen.

Iko schlug erschrocken die Augen auf. Was tat er da? Sie fühlte wie eine Hand über ihren Rücken strich und sie noch ein Stück mehr zu dem blonden Jungen zog. Sie wusste nicht, wie sie es beschreiben sollte, aber das Gefühl, dass Scharon mit diesen wenigen Berührungen in ihr weckte, gefiel ihr und ließ sie die Augen schließen. Sie erwiderte seinen Kuss, er schmeckte süß und bitter zugleich, genau die Mischung, die Iko liebte.

Scharon löste den Kuss wieder, auch wenn es ihm sichtlich schwerfiel. Mit einem undefinierbaren Ausdruck in den braunen Augen sah er sie an. „Und, was sagst du?“ Iko sah in irritiert an. „Was sag ich?“ Der junge Mann musste unwillkürlich lachen und steigerte damit nur ihre Verwunderung. „Na zu dem Kuss. Was sagst du dazu?“ Iko brauchte einen Moment, bis sie die Frage verarbeitet hatte. „Ich… ich weiß nicht.“ Beschämt sah sie zu Boden. Sie hatte wirklich keine Ahnung, was sie dazu sagen sollte. Scharon beobachtete sie ein paar Sekunden. Es kam selten vor, dass man Iko so sah, ahnungslos, sprachlos und so irritiert, wenn er genau war, sah er sie das erste Mal so. „Sollen wir gucken, ob wir deiner Sprachlosigkeit nicht Abhilfe beschaffen können?“ Iko sah fragend auf und eh sie sich versehen hatte lagen Scharons Lippen schon wieder auf ihren. Dieses Mal erwiderte sie den Kuss sofort, eh es sich der neunzehnjährige wieder anders überlegte. Aber dieser dachte gar nicht daran, sich wieder von der Rothaarigen zu lösen, er musste ja auch schon lang genug auf diesen Augenblick warten. Seit ihrem ersten Treffen war er in den roten Querkopf verknallt gewesen, damals war er siebzehn und sie fünfzehn. Mit der Zeit veränderte sich die Schwärmerei zu einer richtigen Liebe, aber er hielt sich zurück. Hier und da gab er ihr mal einen kleinen Kuss auf die Stirn oder auf die Wange ein paarmal erwischte er sich auch dabei, wie er sie flüchtig auf den Mund küsste, aber alles war mehr kumpelhaft oder väterlich. Iko hatte auf ihn nicht den Eindruck gemacht, als wäre sie auch verliebt, oder als wäre sie auch nur schon in der Lage so etwas zu verstehen, immerhin hatte sie vieles durchmachen müssen. Jetzt aber war ihm das egal, wenn seine kleine Freundin glaubte, nur fürs Töten zu leben, dann musste er ihr einfach beweisen, dass es noch etwas anders gab, für das es sich zu leben lohnte.

Ohne groß nachzudenken fuhr er mit seiner Zunge über ihre Lippen und forderte Einlas. Dieser wurde ihm auch Augenblicklich gewehrt. Iko konnte nicht sagen, warum sie das tat und was sie überhaupt tat, es passierte einfach alles instinktiv. Sie spürte Scharons Zunge in ihrem Mund und begrüßte sie mit einer kleinen Streicheleinheit. Aus der Streicheleinheit entwickelte sich eine Art Tanz der beiden Zungen. Unbewusst führte Iko ihre Hände unter das T-Shirt des zwei Jahre älteren. Erst tastete sie einfach seine Bauch- und Brustmuskeln ab und verwöhnte ihn auch ihr mit kleinen Streicheleien, dann machte sie sich daran, ihm das Oberteil auszuziehen. Der Kuss war vorbei. Traurig sah Iko ihren Gegenüber an, ihre Hände hielten noch immer sein T-Shirt. „Iko“, Scharon löste ihre Hände von seinem T-Shirt, „ich glaube nicht, dass das richtig ist. Noch nicht.“ Er traute sich nicht in ihre Augen zu sehen, denn was er dort sehen würde, würde ihm entweder beinahe das herzbrechen, oder ihm sagen, dass es doch richtig ist. „Was ist nicht richtig?“ Iko verstand den Jungen nicht, immerhin war es doch auch er, der damit angefangen hatte. Womit eigentlich? „Na das hier. Ich meine jetzt nicht die Küsse, ich meine das.“ Er glaubte nicht, dass sie verstehen würde, was er meinte, er verstand es ja selber nicht einmal. Aber Iko wusste, wovon der sprach. „Ich glaube aber schon. Wir sind beide alt genug. Und… und ich möchte auch… wenn du aber…“ Scharon fiel ins Wort. „Natürlich möchte ich auch! Aber kannst du in deiner derzeitigen Lage überhaupt sagen, was du willst und was nicht?“ Er sah sie ernst an. Er wollte nicht, dass sie etwas tat, was sie später bereuen würde und das nur, weil sie zum Zeitpunkt durcheinander war. Iko sagte nichts, sie nickte nur. Dann stand sie einfach auch und drehte sich zum gehen um. „Nur weil ich nicht mehr am Unterricht teilnehmen darf, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht mehr trainieren werde. Wir sehen uns.“ Damit war sie auch schon verschwunden. Scharon konnte ihr nur nachsehen, er wusste, dass er richtig gehandelt hatte, aber es fühlte sich verdammt falsch an. Eine Weile noch blieb er am See sitzen, dann entschloss auch er zu gehen, im Gegensatz zu Iko musste er am Unterricht teilnehmen.
 

Iko war allein in der großen Trainingshalle, was aber auch nicht weiter verwunderlich war, immerhin hatten alle anderen jetzt Unterricht. Das Mädchen stand schwer atmend vor einem der Trainingspfähle, das waren einfache Holzpflöcke von teilweiße einen Meter Durchmesser, in ihnen waren versetzt weitere Pfähle eingearbeitet worden, die waren jedoch nur knapp einen halben Meter lang und hatten einen Durchmesser von 30 Zentimeter. Der Block, den Iko sich ausgesucht hatte, gehörte zu den größeren mit acht Meter Durchmesser, von diesen 80 Zentimetern war nur nichtmehr viel zu sehen. Blut strömte ihr über die Hände und auch ihre Füße waren wund, aber sie dachte gar nicht daran aufzuhören. Nur in Bestform konnte sie die Prüfung für das dritte Jahr bestehen und das musste sie. Erneut holte sie zum Tritt aus. Es krachte. Ein Schmerzensschrei entrann ihr. Durch die Wucht des Aufpralls wurde Iko zurückgeworfen. Sie stolperte ein paar Schritte zurück, eh sie sich wieder fing. Ihre Kleidung war nass vom Schweiß und klebte an ihrer Haut, genau wie ihre Haare. Sie trainierte jetzt schon seit knapp einer Stunde an diesem verfluchten Holzstück und es weigerte sich einfach zu brechen. Auf Ikos Gesicht setzte sich ein hasserfülltes Grinsen. „Das ist für dich, Kaiser!“ Damit holte sie erneut aus, drehte eine Art Pirouette um noch mehr Schwung zu bekommen und trat zu. Ein Geräusch als würde Holz oder Knochen splittern war zu hören und ein Schrei, der einem das Trommelfell zerfetzen konnte. Die Rothaarige hielt sich das schmerzende Schienbein, vielleicht hatte sie doch etwas übertrieben. Zufrieden wanderte ihr Blick zu dem Holzpfahl, aber sie hatte es geschafft, das Ding war enthauptet. Mit einer Mischung aus Schmerz und Befriedigung stand sie auf, da sie zu Boden geworfen wurde, und humpelte in Richtung Krankenzimmer, sie wollte sicher gehen, dass ihr Bein nicht gebrochen war.

Auf dem Weg zur Krankenstation musste die Siebzehnjährige an Scharons Worte denken und an das was passiert war und fast passiert wäre. ‚Auch für dich gibt es mehr als nur den Tod‘, das sagte sich so leicht, aber im Gegensatz zu dem blonden Optimisten war Iko sich da nicht so sicher. Sie war ohne Eltern aufgewachsen und somit auch ohne die Liebe, die man als erstes auf der Welt erfuhr und mit fünfzehn Jahren hatte sie das erstemal getötet, nicht etwa irgendein streunendes Tier, nein Menschen und nicht gerade wenige, deswegen war sie hier. Wenn sie so zurückdachte kam es ihr schon seltsam vor, plötzlich hatte sie einen Revolver in der Hand, sie konnte noch nicht einmal sagen, wo sie den her hatte, und dann fiel auch schon der erste Schuss. Sie hatte damals ganz instinktiv gehandelt, ohne großartig nachzudenken, es war, als hätte sie nie etwas anders getan als zu schießen, zu schießen und zu töten. Für sie war der Tod das erste, was eine Art Genugtuung bei ihr weckte, eine Art elterliche Liebe. Und dann kam sie hier her, hier wurde ihr nur noch bestätigt, dass der Tod für sie Liebe heißt. Iko hatte das Gefühl, sie würde nur leben um zu töten, dass sie sich nur blutbefleckt wohlfühlen konnte. Das Mädchen schmunzelte, bei dem Kuss war es das Gleiche, sie hatte instinktiv gehandelt und auch er hatte dieses Gefühl von Liebe in ihr geweckt, aber nun einmal erst als Zweiter.

Iko erreichte das Krankenabteil, die Schwester am Empfang sah sie schockiert und entgeistert an. „Was hast du denn gemacht?“ Iko lächelte schwach. „Ich habe trainiert.“ Mit diesen drei Worten brach sie zusammen. Sie hatte nicht bemerkt, wie sehr sie sich überanstrengt hatte, erst jetzt, wo sie sich ausruhen durfte, kam die Erschöpfung auch mit einem Mal über sie.
 

Scharon saß im Unterricht, er hatte es gerade so noch rechtzeitig geschafft, aber viel verpasst hätte er nicht. Im Moment hatten sie Spanischunterricht, ein Auftragskiller musste eben so viele Sprachen wie möglich können und so standen auch noch Englisch, Französisch, Russisch, Italienisch und was es da sonst noch gab, ja sogar Japanisch mussten sie lernen. Unbewusst musste er seufzen, zu gerne wäre er jetzt bei Iko und wenn sie nur nebeneinander am Ufer des Sees sitzen würden. Von Iko wanderten seine Gedanken zu Kaiser und seine Miene verfinsterte sich Augenblickich. Mit seiner Strafe hatte er eindeutig übertrieben. Eine der beiden Strafen hätte vollkommen gereicht, aber mit Beiden war er zu weitgegangen. Iko würde sich das sicher nicht so einfach gefallen lassen und dann würde er ein Problem kriegen. Er selber hatte sie zu dem gemacht was sie war, eine Marionette die nur noch lebte um zu töten. Und das wollte er ihr jetzt nehmen? Da hätte er ihr auch gleich erlaubten können, ihn zu töten. Scharon wusste, dass der Gedanke ziemlich drastisch war, aber er wusste auch, dass Iko genau das tun würde, wenn man ihr die Möglichkeit ließ.

Der Minutenzeiger tickte unbeirrt weiter, noch eine halbe Stunde, dann wäre er hier fertig. Und dann noch zwei Stunden, dann wäre es 22.30 Uhr und er hätte für Heute endgültig Schluss, dann könnte er wieder nach Iko sehen. Nicht das der rote Querkopf noch etwas anstellte.
 

Eine große Standuhr schlug 22.00 Uhr. Langsam erwachte Iko wieder und noch langsamer kamen die Erinnerungen zurück. Sie war noch auf der Krankenstation und lag in einem doch recht bequemen Bett, man hatte ihr die Hände, Arme, Füße und Beine verbunden, sie sah aus wie eine halbe Mumie. Resigniert stellte sie fest, dass sie noch immer diese Ringbomben trug, es wäre ja auch so schön gewesen. Der Versuch, sich aufzusetzen, wurde von einem stechenden Schmerz nicht gerade unterstützt, aber liegen wollte sie nicht mehr und so nahm sie diesen Schmerz eben in Kauf. Als sie endlich saß musste sie erst einmal ein paarmal tief einatmen. Draußen war es bereits dunkel, es war ja auch schon spät genug, sie hatten eine sternenklare Vollmond Nacht. Eine Weile beobachtete Iko einfach nur die Sterne, bis etwas anders in ihr Blickfeld huschte. Es war ein Schatten. Von der Neugierde getrieben stand sie auf und ging zum Fenster. Mit einer geschickten Bewegung öffnete sie dieses und sah raus.

Draußen war es still, nichts war zu sehen, noch nicht einmal ein Vogel oder eine Katze, die den Schatten verursacht haben könnte. Hatte Iko sich das etwa nur eingebildet? Nein, ihre Augen haben sie noch nie enttäuscht. Ein Knacken von morschen Ästen. Und ihre Ohren auch noch nie. „Wer ist da? Komm raus, ich weiß dass da jemand ist!“ Mit fester Stimme richtete sich das Mädchen an die Nacht. Keine Antwort. Sie wollte schon einen neuen Versuch starten als plötzlich auf dem Ast vor ihrem Fenster ein Junge saß. Für eine Sekunde war Iko überrascht, dann aber fing sie sich wieder und musterte ihren Gegenüber. Der Junge war ganz in schwarz gekleidet. Wie sie hatte auch er feuerrotes Haar und nachschwarze Augen, diese Ähnlichkeit fiel Iko sofort auf. „Wer bist du und was machst du hier?“ Sie war wirklich neugierig, oft kam es nicht vor, dass sich ein Fremder in die Akademie verirrte. Der Junge sah sich um, um sich zu vergewissern, dass außer ihnen Beiden keiner in der Nähe war. „Mein Name ist Jaco und ich bin hier, um dich abzuholen.“ Damit sprang er auf die Fensterbank und stand kurz darauf in ihrem Krankenzimmer. Das Mädchen wich ein paar Schritte zurück, kam ins Stolpern und fiel unpassender Weiße wieder auf ihr Bett. Der Schmerz ließ sie kurz Keuchen. Jaco lächelte sie süß an. „Du brauchst keine Angst haben. Jetzt nicht mehr.“ Mit zwei drei Schritten stand er vor ihrem Bett und beugte sich zu ihr runter. Reflexartig schloss sie die Augen. Aber Jaco beugte sich nur zu ihrem Ohr und hauchte ihr etwas in dieses. „Ich bin hier, um dich aus dieser Hölle zu befreien. Mich brauchst du nicht zu fürchten, ich werde dir nichts tun, im Gegensatz zu den Menschen hier, wenn du noch länger bleibst.“ Damit entfernte er sich wieder von ihr und reichte ihr eine Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen.

Während Jaco gesprochen hatte, war Ikos Blick zu dem Ring um ihr Handgelenk gewanderte, jetzt sah sie zu dem Jungen hoch. „Du hast wohl Recht.“ Damit nahm sie seine Hand und ließ sich aufhelfen. „Da gibt es nur ein Problem, ich kann hier nicht weg, nicht mit diesen Bomben.“ Der rothaarige Junge lächelte fröhlich. „Das sollte dein kleinstes Problem sein.“ Er kniete sich kurz vor ihr ihn und schloss die Hände um den Metallring. Nach ein paar gemurmelten Worten, einem kurzen Lichtblitz und einem Klick, war der Ring offen, das Selbe vollzog er nun auch bei dem um ihr Handgelenk. Iko beobachtete ihn dabei, sie konnte nicht sagen, wie er das machte, aber sie war frei und das war der Punkt. Nachdem er fertig war Grinste Jaco seine Gegenüber wieder an. „Siehst du, das hätten wir. Bleibt nur noch die Frage, ob du überhaupt in der Verfassung bist mitzukommen.“ Skeptisch untersuchte er die Verbände. Iko zog empört die Luft ein. „Natürlich bin ich das.“ Um ihm das auch zu beweisen wollte sie an ihm vorbei gehen, auf das Fensterbrett steigen und dann auf den Baum springen. Es scheiterte schon beim Zweiten.

Jaco musste sich zusammenreißen, dass er nicht anfing zu lachen. Iko saß fluchend auf dem Boden und rieb sich die schmerzenden Knöchel. „Was halst du davon, wenn ich dich trage?“ Das Mädchen war Augenblicklich still und sah ihn ungläubig an. „Warum willst du mich eigentlich so schnell von hier wegholen?“ Zweifel schienen in ihr aufzukeimen. Unter ihrer Unterstellung wurde Jaco leicht rot um die Nasenspitze. „Ich hätte dich eigentlich schon vor ein paar Monate zurückbringen wollen. Für Fragen ist später Zeit. Jetzt komm, wir müssen los!“ Den letzten Teil fügte er schnell hinzu, weil Iko schon wieder etwas erwidern wollte. Eh sich das Mädchen versehen hatte, lag sie in Jacos Armen und wurde von ihm durch die Nacht getragen.
 

Endlich hatte er Schluss und jetzt suchte Scharon nach Iko. Er wollte sie noch einmal auf den Vorfall beim See ansprechen, da sie da ja so schnell verschwunden war, konnte er es noch nicht. Die Suche nach dem Rotschopf sollte sich nicht gerade leicht gestallten. Er hatte eigentlich schon überall gesucht, in ihrem Zimmer, in seinem Zimmer, wo sie sich auch gerne mal aufhielt, an ihren Lieblingsplätzen und im Wald, aber nirgendwo war auch nur die kleinste Spur von dem Mädchen. Gerade lief er durch einen Flur, der zur Bücherei führte, als er abrupt stehen blieb. Scharon war vor einem Fenster, durch das man in die Trainingshalle sehen konnte, stehen geblieben. Hier fand er nun endlich eine Spur von Iko, aber die wollte ihm nicht wirklich gefallen. In der Halle lag ein zweigeteilter Übungspfahl, das wäre nicht weiter schlimm, wäre da nicht überall Blut. Der Pfahl und auch der Boden in dessen Nähe waren rot. Der Blonde kannte nur eine Person, die so verrückt wäre, bei ihrem Training so weit zu gehen, Iko.

Wie von der Tarantel gestochen rannte er Richtung Krankenstation. Keuchend und nach Luft schnappend stieß er die Tür auf. „Iko… ist… ist Iko…-hier?“ Di Schwester sah ihn irritiert an. „Meinen Sie, die Rothaarige mit den schweren Verletzungen?“ Damit hatte sie einen blonden, neunzehnjährigen, keuchenden Jungen vor sich, der sich unsanft an die Schultern packte. „Ja, die mein ich! Wo ist sie? Wie geht es ihr?“ Die Schwester kam wieder zu sich und befreite sich erst einmal aus dem groben Griff. „Beruhigen Sie sich. Das Mädchen ist hier und es geht ihr gut, wir haben ihre Wunden verarztet und jetzt schläft sie. Sie hatte sich überanstrengt.“ Scharon brauchte noch einen Moment, bis er sich wirklich beruhigt hatte. „Entschuldigen Sie. Kann ich zu ihr?“ Die Schwester nickte. „Folgen Sie mir bitte.“ Sie führte ihn weiter nach hinten in die Station, dort hin, wo die Krankenzimmer lagen. Das Zimmer von Iko war fast ganz am Anfang des Flures. Die Schwester öffnete die Tür und trat dann zur Seite, damit Scharon eintreten konnte. Scharon musste gar nicht erst eintreten, um zu sehen, dass etwas nicht stimmte. „Sie ist nicht hier. Das Zimmer ist leer.“ Verwundert trat nun auch die Schwester in das Zimmer. Tatsächlich, es war leer, lediglich zwei Metallringe lagen auf dem Boden, die dort eigentlich nicht hingehörten. Das Fenster stand offen. „Sag bitte nicht, dass…“ Scharon stürmte zum Fenster, aber Fehlanzeige, auch hier war keine Spur von Iko. „Verflucht! Wo ist sie jetzt schon wieder?“ Wütend fuhr er die Krankenschwester an, diese hob beschwichtigend die Hände. „Ich habe keine Ahnung. Aber in ihrer momentanen Lage sollte sie nicht alleine irgendwo rumlaufen. Wir sollten dem Direktor Bescheid sagen.“ Der Junge nickte und schon rannte er wieder an ihr vorbei.
 

Schon wieder lag sie auf einer Krankenstation, aber dieses Mal war ihr Bett nicht so bequem. Rechts neben Iko stand Jaco und lächelte wieder so träumerisch an, Links von ihr stand eine ältere Frau, auch sie hatte feuerrotes Haar und nachtschwarze Augen. Die Frau war gerade dabei ihre Wunden zu heilen, dafür musste sie lediglich ihre Hände auflegen und ein paar unverständliche Worte vor sich hinmurmeln. Die ganze Zeit über beschäftigte Iko nur zwei Fragen, wo war sie hier und warum sahen hier alle so aus wie sie.

„So, das wäre es dann erstmal. Eure Wunden sind vollkommen verheilt, Sie können sich also wieder ohne Probleme bewegen. Ich bitte Sie nur, übertreiben Sie es nicht gleich mit dem Training, Euer Körper muss sich erst an die neuen Umstände gewöhnen.“ Die Frau verbeugte sich noch kurz vor Iko und verschwand dann. Iko wandte sich fragend an Jaco. „Krieg ich jetzt meine Antworten?“ Der Junge nickte und setzte sich neben sie aufs Bett. „Fangen wir am besten vorne an. Also, als erstes solltest du wissen, dass du kein Mensch bist.“ Damit war er auch schon gleich mit der Tür ins Haus gefallen und hatte Iko völlig aus dem Konzept gebracht. „Wie bitte, ich soll kein Mensch sein? Willst du mich verarschen?“ Der Junge schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, will ich nicht. Lass mich erst einmal erzählen, wenn du dann noch Fragen hast, kannst du sie gerne stellen. Okay?“ Das Mädchen nickte, was anderes blieb ihr ja auch nicht über. „Gut. Also, wie schon gesagt, du bist kein Mensch, sondern ein Dämon. Unsere Rasse nennt sich ‚Rote Engel‘ wegen den Haaren, die sind, wie die Augen bei allen gleich. Und Engel, man könnte sagen, wir leben um zu töten und sterben um zu leben. Etwas verwirrend, ich weiß, aber das kommt mit der Zeit. Jetzt fragst du dich sicher, warum du dann bei den Menschen abgegeben wurdest.“ Jaco kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Das war irgendwie meine Schuld. Jedenfalls war es ein Versehen, aber als du dann schon einmal da warst, hielten es die Ältesten für besser, dich auch da zu lassen. Sie glaubten, dass würde dir bei deiner Entwicklung irgendwie helfen. Natürlich war immer einer von uns in deiner Nähe um auf dich aufzupassen. Wo mach ich jetzt weiter? Bei deiner Frage, wie es kommt, dass das töten für dich so etwas Normales ist. Das liegt daran, dass es dir im Blut liegt. Wir alle hier sind Mörder, wir handeln instinktiv wenn wir glauben, dass jemand es nicht verdient hat zu leben. Und meistens liegen wir mit unserem Gefühl sogar richtig. Bei den Menschen heißen wir übrigens Todesengel, nur sind wir nicht so blutrünstig, wie sie uns beschreiben. Unsere Opfer wären entweder eh bald gestorben, oder sie hätten großes Unglück gebracht. Bei dir war es etwas anders, also die Sache im Waisenhaus. Das lag daran, dass du noch zu jung warst, deine Gefühle haben dich übermannt und deine Entscheidungsfähigkeit gestört. Zu einem vollwertigen Roten Engel wird man erst, wenn man neunzehn ist, eigentlich. Da bist du nämlich schon wieder eine Ausnahme, vor ein paar Monate haben die Anzeichen begonnen, dass du dich, sagen wir mal, verwandelst. Und deswegen sollte ich dich auch holen. Das hab ich natürlich ziemlich verschlafen. Aber jetzt bist du ja hier.“ Er legte eine Pause ein lächelte wieder und hole einmal kurz Luft. „‘Hier‘ ist unsere Welt, sie ähnelt der der Menschen stark, aber ist nun einmal eine andere, die nur ein Roter Engel betreten kann. Ach und noch etwas, du bist eine Wiedergeburt und damit wirst du unsere neue Königen sein, sobald der alte König sich verabschiedet hat.“ Damit endete er jetzt endgültig.

Iko hatte seinem Vortrag aufmerksam gelauscht, jetzt war sie sprachlos. Sie sollte nicht nur ein Dämon sein, nein auch noch die zukünftige Königen einer ganzen Rasse, der Roten Engel. „Du ist verrückt!“ Das war das erste und einzige, was sie sagen konnte. Jaco grinste breit. „Nein, das bin ich nicht….- Meine Königen.“ Es knallte, Iko hatte dem Jungen eine Backpfeife gegeben, die sich gewaschen hatte. „Hör auf mit diesem Theater! Ich bin weder ein Roter Engel, oder sonst ein Dämon und eure Königen bin ich erstrecht nicht!“ Damit stand sie auf und stürmte aus der Tür. Sie hatte keine Ahnung wohin, aber sie lief einfach und ließ sich von ihren Füßen führen.

Plötzlich blieb sie stehen. Das war doch verrückt! Sie wusste wo sie war, als wäre sie schon öfter hier, aber sie war doch noch nie hier. Bildete sie sich das jetzt ein oder wurde sie langsam wirklich verrückt? Iko hatte wirklich das Gefühl, als würde sie das alles schon kennen. Aber das war ja noch nicht alles, jeder, dem sie über den Weg lief, verbeugte sich vor ihr. Sie sah sich um, das hier war eine Art Tanzsaal. Ein Blitz durchzuckte sie. Plötzlich sah sich Iko in Gedanken hier tanzen, es war ihre Krönung zur Königin, Iko war da allerdings ein paar Jahre älter. Der Gedanke war wieder weg. Auf einmal wurde ihr schlecht und sie brach zusammen, schon das zweite Mal an einem Tag.
 

„Iko! Iko wach bitte wieder auf?“ Langsam öffnete das Mädchen die Augen. „Scharon?“ Aber der Junge, der sie da so unsanft geweckt hatte, war nicht Scharon. „Nein, ich bin Jaco.“ Iko setzte sich auf, sie war wieder in dem Krankenzimmer dieser anderen Welt. „Dann war das also doch kein Traum?“ Sie rieb sich den schmerzenden Kopf, dabei hatte sie so gehofft, dass das alles nur ein Traum war. Jaco grinste sie breit an. „Natürlich war das kein Traum. Aber jetzt sag mir, wie geht es dir?“ Iko seufzte, sie musste sich wohl geschlagen geben. „So weit ganz gut. Jaco? Könntest du mich zum König bringen? Ich möchte mit ihm reden.“ Sie lächelte leicht. Reden wollte sie zwar nicht mit ihm, aber das konnte der Rothaarige ja nicht wissen. Jaco nickte. „Natürlich. Aber vorher solltest du dich umziehen, mit diesen Klamotten kannst du hier nicht rumlaufen. Außerdem trägt eine zukünftige Königen etwas anderes. Ich habe dir schon etwas raus gelegt.“ Er deutete auf das Bett neben dem ihren auf dem die angesprochene Kleidung lag. „Wenn du fertig bist, komm einfach raus.“ Damit schloss er die Tür hinter sich. Iko sah zu den Klamotten und ein zynisches Grinsen setzte sich auf ihre Lippen. Aber nun gut, im Prinzip sprach ja nicht gegen diesen Aufzug.

Iko betrachtete sich im Spiegel, sie musste zugeben, ihr gefiel was sie dort sah. Jaco hatte ihr ein nachtschwarzes Kleid raus gelegt, auf dem ersten Blick mochte es vielleicht wirklich einer Königen angemessen sein, aber wenn man genau hinsah, zweifelte man daran. Das Kleid hatte keine Ärmel und nur einen auf der linken Seite, dann war es extrem weit ausgeschnitten. Unter ihrem Dekolleté fehlte dann schon wieder der Stoff, erst ein paar Zentimeter unterhalb ihres Bauchnabels kam er wieder zum Vorschein. Auf dem Rücken sah es ähnlich aus, lediglich zwei Schnallen hielten den Stoff zusammen, der Rücken war also eher frei als bedeckt. Im ganzen ging das Kleid bis knapp über den Boden, war sehr eng und figurbetont geschnitten und am linken Bein schon fast wieder zu hoch eingeschnitten. Iko steckte sich die Haare, zum Kleid passend, hoch und legte auch noch den Schmuck um, der bei dem Kleid lag. Ein Paar schwarzer tränenförmige Ohrringe, einen schwarzen Halsring, einen schwarzen Netzhandschuh für den rechten Arm, der bis über den Ellenbogen ging und ein schwarzes Diadem. Nachdem sie sich noch einmal von allen Seiten im Spiegel beschaut hatte, entschloss sie sich, dass sie so gehen konnte.

„Und das ist einer zukünftigen Königen angemessen? Das Kleid besteht mehr aus Luft als aus Stoff.“ Iko schloss die Tür und sah Jaco skeptisch an. Dieser schmunzelte nur geheimnisvoll. „Mir gefällt es.“ Damit gab er ihr auch einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. „Hey. Ein bisschen mehr Respekt wenn ich bitten darf. Immerhin bin ich hier bald Königen!“ Iko war ehrlich empört über das Verhalten des Schwarzäugigen. Unter ihrem strafenden Blick verbeugte sich der Junge gespielt. „Verzeiht mir, meine Königin. Erlauben Sie mir bitte, mein unangemessenes Verhalten wieder gutzumachen.“ Er gab Iko gar nicht die Möglichkeit zu Wiedersprechen, da lagen seine Lippen auch schon wieder auf den ihren. Der junge Dämon zog das Mädchen zu sich hoch und küsste sie leidenschaftlich. Die Rothaarige versuchte sie von ihm zu drücken, aber anstatt sie loszulassen forderte er mit seiner Zunge um Einlass. Sie wusste nicht warum, da war einfach wieder dieser Instinkt, sie versuchte zwar weiterhin sich von dem Jungen zu befreien, aber auch gewährte sie ihm den Einlass. Jaco nutzte seine Chance, die Mundhöhle seiner Gegenüber zu erkunden, dabei streichelte er ihr mit der einen Hand sanft über die nackte Haut ihres Rücken, die andere hielt das Mädchen weiter fest. Nun handelte Iko wirklich nur noch nach ihrem Instinkt. Sie versuchte nicht mehr, sich von Jaco zu lösen, im Gegenteil, sie erwiderte seinen Kuss und ging auf den kleinen Tanz ein. Nebenbei versuchte sie ihn von seinem Oberteil zu befreien.

Jaco grinste in den Kuss hinein und führte sie, ohne den Kuss zu lösen, zurück in das Krankenzimmer. Dort drückte er sie sanft auf ein Bett und setzte sich auf ihr Becken. Noch immer küsste er sie ungestüm, dabei schloss er mit einem kurzen Fingerwink das Türschloss, jetzt würde keiner sie mehr stören können. Die Tür war mit Magie verschlossen. Iko ließ das alles mit sich geschehen ohne sich zu wehren, auch jetzt ließ sie ihn gewähren. Erstmals löste Jaco den Kuss, zu seiner Befriedigung stellte er fest, dass Iko darüber sichtlich enttäuscht und verwundert war. Er beugte sich wieder zu ihr runter und hauchte ihr etwas ins Ohr. „Handel ich nun nach Eurem Wohlgefallen?“ Im Augenwinkel sah er, wie ihre Lippen stumm ein „Ja“ formten. Nun machte er sich daran, ihren Hals zu liebkosen. Jeder dieser leichten Küsse scheuchten Iko ein wolliges Schauer über den Rücken, sie musste sich wahrlich zusammenreisen, um nicht zu stöhnen. Mittleerweile hat sie es aufgegeben zu versuchen, Jaco sein Oberteil auf die herkömmliche Weiße auszuziehen und riss es kurzerhand einfach auf. Endlich hatte sie ihn von diesem lästigen Ding befreit und konnte ihre Hände auf Erkundungstour schicken. Vorsichtig und Anfangs auch noch etwas unsicher streichelte sie über seinen Oberkörper, er war wirklich gut gebaut. Langsam wurde das Mädchen sicherer in ihrem Tun, spielerisch fuhr sie um seine Brustwarzen und zwickte dann leicht in diese. Nun war es an Jaco ein Stöhnen zu unterdrücken, nur gelang es ihm nicht so ganz. Er konnte diesen Jungen, Scharon, gut verstehen, Iko war wirklich etwas besonders und einzigartig, immerhin ist sie die zukünftige Königin der Roten Engel. Vorsichtig löste er den Halsring und legte ihn beiseite, dann suchte er eine geeignete Stelle. Zufrieden betrachtete er das Liebesmal, unter ihrem Ring würde es nicht mehr zusehen sein. Für einen Augenblick erstarrten Ikos Bewegungen und dann hatten die Beiden die Positionen getauscht.

Iko beugte sich zu Jaco runter und verteilte Schmetterlingsküsse auf dessen Körper. Vom Hals, über das Schlüsselbein und die Brust arbeitete sie sich langsam in tiefere Regionen vor. Je weitere sie nach unten vordrang, umso mehr spannte sich der Körper unter ihr an. Schließlich hatte sie den Hosenbund erreicht. Mit einem geschickten Handgriff hatte sie diesen geöffnet und setzte zu einem weiteren Kuss an. Bevor sie den Kuss jedoch ausführte richtete sie die Augen noch einmal auf Jaco. Der Junge hatte die Augen geschlossen und den Kopf etwas in den Nacken gelegt, auf seinem Gesicht saß ein, für Iko, ganz neuer Ausdruck, für den sie noch keine Worte hatte, etwas an diesem Ausdruck rief sie allerdings wieder zu Besinnung.

„Jaco,“ Iko entfernte sich von dem Jungen, „du wolltest mich zum König bringen.“ Ihre Stimme klang abfallend, wenn man genau hinhörte, konnte man auch eine Spur Angst erkennen, Angst gegen sich selber. Erst der Vorfall mit Scharon und jetzt hier mit Jaco, Iko machte sich Sorgen, sie empfand dieses instinktive Handeln auf eine komische Art falsch.

Jaco wollte sie aber nicht jetzt zum König bringen, er wollte das jetzt zu Ende bringen. Am liebsten hätte er sie wieder aufs Bett gezehrt und da weitergemacht, wo sie aufgehört hatte. Er rief sich noch einmal ins Gedächtnis, dass dieses Rothaarige Mädchen da, seine zukünftige Königin sein würde und mit der sollte er es sich besser nicht verscherzen. Er würde seine Gelegenheit noch bekommen, jetzt galt es ein anderes Problem zu lösen. „Zehn Minuten.“ Eh Iko darauf reagieren konnte war Jaco auch schon aus dem Zimmer, die Magie hatte er kurz vorher entfernt. Der Weg des Jungen Dämons führte ihn in seine Zimmer, genauer sein Bad und noch genauer seine Dusche, dort konnte er nun endlich sein Problem lösen, das ihn beinahe den Verstand raubte.

Iko sah nur noch eine zufallende Tür, von dem Jungen war keine Spur mehr vorhanden. Schulterzuckend ging sie wieder zum Spiegel. Solange er in zehn Minuten wieder da ist, war alles in Ordnung. Vor dem Spiegel zupfte die zukünftige Königin der Roten Engel ihre Haare zu Recht und auch das Kleid. Zu guter letzt legte sie wieder den Halsring um, er verdeckte den Knutschfleck perfekt, Jaco hatte gute Arbeit geleistet.
 

Die Wege und Gänge kamen ihr alle auf eine merkwürdige Weiße bekannt vor, trotzdem war Iko froh, dass Jaco sie durch diese fremde Welt führte, man konnte ja nie wissen. Der Rothaarige ging etwas vor ihr, er hatte sich ein neues Oberteil angezogen, Silber bis Grau. „Du, Jaco?“ Die Frage beschäftigte das Mädchen schon länger, aber bisher gab es noch keine Möglichkeit sie auch zu stellen. „Bis du eigentlich schon ein vollwertiger Roter Engel?“ Der Junge sah sie über die Schulter hinweg grinsend an, drehte sich aber nicht um. „Seit einem halben Jahr. Ja.“ Jaco war sichtlich stolz drauf, denn als Roter Engel hatte man ein paar Vorteile hier, in dieser Welt. Iko verkniff sich ihr Grinsen, Jaco war also älter als Scharon.

„Wir sind da, der Thronsaal.“ Jaco deutete auf eine schmuckvoll gestaltete Tür, wobei es Tor schon eher treffen würde. „Könntest du vielleicht hier warten? Ich würde gern mit dem König allein sprechen.“ Sie war an ihm vorbeigetreten und hatte die Klinge schon in der Hand. Nachdem sie ein Nicken als Antwort erhalten hatte, öffnete sie auch die Tür, trat ein und schloss sie gleich darauf wieder.
 

Hundertprozentig, hier war Iko schon einmal, wahrscheinlich in ihrem früheren Leben. Der Thronsaal war riesig, mit sehr hohen Wänden, das war eindeutig der Still der Gotik. Neben Iko und dem König befanden sich noch einige Wachen im Raum, als der König das Mädchen bemerkt, schickte er diese jedoch weg. „Iko, nehm ich an?“ Er war nicht mehr der Jüngste, eindeutig, von seinem roten Haar war nicht mehr viel über und seine Augen waren eher grau als schwarz. Iko nickte. „Ich habe dich schon erwartet. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass du so früh kommst. Du bist doch erst siebzehn, wenn ich mich nicht irre.“ Wieder nickte sie. „Ja. Wenn Sie mich erwartet haben, dann wissen Sie sicher auch, warum ich hier bin.“ Dieses Mal war es der König, der nickte. „Du möchtest bestimmt, dass ich dir einige Fragen beantworte, nach deinen Eltern, warum du bei den Menschen warst, warum du jetzt hier bist, was du hier sollst und was, Beziehungsweiße wer, du bist. Habe ich Recht?“ Ein Lachen erfüllte den Raum. Die Rothaarige brauchte einen Moment, eh sie sich soweit gefangen hatte, dass sie eine Antwort zustande brachte. „Nein, um ehrlich zu sein liegen Sie mit ihrer Vermutung völlig falsch. Ich bin nicht hier, um irgendwelche Fragen beantwortet zu bekommen, dass kann ich auch noch später. Nein, ich bin hier, weil ich Sie ablösen möchte, Sie sitzen schon zu lange auf meinem Thron.“ Iko sprach ganz ruhig und gelassen und genauso saß auch der König auf seinem Thron, die einzige Äußerung dessen war ein schwaches Lächeln. Ohne weiter Zeit zu verschwenden ging sie auf den König zu, in ihrer Hand leuchtete ein Schwert auf, dieses rammte sie ihm mitten ins Herz. Ein kurzer Schrei und das war‘s.

Noch nicht mal ein paar Sekunden nach dem Schrei des Königs standen eine Handvoll Wachen wieder im Raum. Iko zeigte auf dem leblosen Körper zu ihren Füßen. „Schaft ihn hier raus und dann sagt allen, dass es eine neue Königin gibt. Und bevor ich es vergesse, den Roten Engel, der vor der Tür steht, schickt ihn rein.“ Die Wachen sahen Iko einen Moment irritiert an, dann nickten sie und führten die Befehle ihrer neuen Königin gehorsam aus. Die neue Königin machte es sich auf dem Thron gemütlich und wartete darauf, dass Jaco reinkommen würde.

Er hatte ja damit gerechnet, aber dass sie so schnell den Thron besteigen würde hätte er nicht gedacht, Iko war doch noch nicht einmal ein vollwertiger Roter Engel. Jaco verbeugte sich vor Iko und wartete darauf, dass sie das Wort ergreifen würde, so wie es eigentlich üblich war, aber sie blieb stumm. „Ihr habt nach mir gerufen?“ Noch immer sagte das Mädchen nichts und bei ihm machte sich ein unwohles Gefühl breit. War sie etwa wütend auf ihn? „Jetzt bin ich wirklich die Königin über die Roten Engel und entscheide somit, was hier passiert. Wie du bereits gesagt hast, bin ich auch eine Wiedergeburt und in meinem früheren Leben war ich bereits einmal Königin, daher weiß ich, was ich mir erlauben darf und was nicht und auch, welches Verhalten ich von meinen Untertanen zu erwarten habe.“ Er war ein Dämon, ein Serienmörder, wenn man so wollte, aber unter Ikos Blick fühlte auch er sich unwohl, am liebsten hätte er den Saal wieder verlassen. „Nun ist es aber so, dass zwischen meinen verschiedenen Leben einige Jahre vergangen sind und sich auch so einiges verändert hat. Deswegen ernenne ich dich zu meinem Berater.“ Jaco glaubte sich verhört zu haben, aber das plötzliche Grinsen im Gesicht seiner Gegenüber sagte ihm, dass er doch richtig gehört hatte. Erneut verbeugte er sich leicht. „Wie Ihr wünscht, Iko.“
 

Scharon lag in seinem Bett und starrte an die Decke. Es war Nacht und eigentlich sollte er schlafen und eigentlich wollte er das auch, aber eben nur eigentlich. In letzter Zeit hatte er sehr wenig und schlecht geschlafen, genau genommen seit den letzten zwei Wochen. Und dieser Schlafmangel machte sich langsam aber sicher bemerkbar, trotzdem konnte er nicht schlafen. Seit zwei Wochen hatte er immer wieder denselben Traum, der in schreiend und schweißgebadet aufwachen ließ, in diesem Traum ging es um Iko. Der Rotschopf war nun schon zwei Wochen lang verschwunden und es gab einfach kein Lebenszeichen von ihr, nicht die kleinste Spur auf ihren Verbleib. Scharon selbst hatte die ganze Stadt abgesucht, ja sogar die nähere Umgebung, aber er konnte sie nicht finden. Seine Sorgen und seine Angst ließen ihn nicht schlafen und auch auf den Unterricht konnte er sich nicht mehr konzentrieren, dabei waren in ein paar Tagen die Abschlussprüfungen. Ein Seufzer entfuhr ihm. Alle, die Iko kannten, machten sich ebenfalls Sorgen um die Siebzehnjährige, ja sogar Kaiser.

Scharon drehte sich auf die Seite. Es blitzte, kurz darauf folgte ein lauter Knall, ein Gewitter. Nein, das war kein Gewitter, ein Gewitter sah anders aus und hörte sich anders an. Die Neugierde des Jungen war geweckt, schnell verließ er sein Bett und schlüpfte in ein paar Klamotten. Gerade als er fertig war ertönte ein Aufschrei aus dem Flur vor seinem Zimmer, dann Stille. Scharon lauschte an der Tür. Was war hier los?

Mit einem Mal wurde die Tür geöffnet. Reflexartig wich er ein paar Schritte zurück und nahm Verteidigunspossition ein. Durch die Tür trat eine Gestallt in einem Kleid aus verschiedenen lila und violett Tönen ein. Von dem Kleid hoben sich feuerrote Haare ab und schwarze Augen. Scharon war sprachlos, aber auch seine Gegenüber sagte nichts. Es kam ihm vor wie eine halbe Ewigkeit bis er seine Stimme wiedergefunden hatte. „Iko?“ Das Mädchen nickte. Das war doch unglaublich, er musste träumen, er hatte doch alles nach ihr abgesucht und jetzt stand sie plötzlich vor ihm, seine geliebte Iko. „Scharon.“ Sie klang ernst und auch irgendwie befehlend. „Ich freue mich auch dich wiederzusehen. In den zwei Wochen die ich weg war ist viel passiert und ich habe dir einiges zu erzählen, aber dafür ist jetzt keine Zeit. Trotzdem will ich dir etwas erzählen, hör mir gut zu. Ich bin weder eine Waise noch ein Mensch, das ich hier bin war lediglich ein Versehen, in Wirklichkeit bin ich ein Dämon, noch dazu die Königen der Roten Engel.“ Sie stoppte kurz und musterte ihren Gegenüber. Diesem waren die Gesichtszüge um einiges entglitten, er musste wohl denken, sie wollte ihn verarschen. „Und als Roter Engel bin ich auch hier. Du musst wissen, unsere Rasse ist auf der Welt eher als Todesengel bekannt und den Tod werden wir auch Heute bringen. Ich möchte dir einen Vorschlag machen, weil du ein guter Freund bist. Komm bitte mit.“ Damit drehte sich das Mädchen um und tat wieder auf den Flur.

Sie wollte ihn verarschen! Eindeutig, das konnte einfach nicht wahr sein. Scharon schüttelte kaum merklich den Kopf. Aber der Ton in Ikos Stimme ermahnte ihn ihr zu glauben und nicht zu wiedersprechen. Und so folgte er ihr.

Auf dem Flur war es nicht etwa leer, wie man es vielleicht mitten in der Nacht erwarten würde, aber leben tat hier trotzdem keiner mehr. Einige Leichen zierten den Boden, es waren alles Schüler der Akademie. Was war denn hier nur passiert? Iko drehte sich um. In ihren Augen konnte Scharon sehen, dass sie seine Frage kannte, aber auch dass sie sie nicht beantworten wollte, noch nicht. Aber der Junge hatte auch noch eine andere Frage. „Wie bist du eigentlich entkommen?“ Die Miene des Mädchens blieb kalt. „Das hab ich Jaco zu verdanken. Er hat mich von den Bomben befreit, mich aus der Akademie geholt und mir schon einiges erklärt. Aber jetzt komm, wir müssen noch weiter.“ Scharon tat wie ihm befohlen wurde.

Immer wieder trafen sie auf Leichen. Iko hielt auf eine stake Lärmquelle zu, Scharon schätzte, dass dort noch gekämpft wurde. Aber gegen wen wurde hier eigentlich gekämpft, gegen Dämonen? Sie bogen um eine Ecke und seine Frage sollte sich zum Teil klären. Vor ihnen wurden gerade weitere Schüler abgeschlachtet. Einer der Angreifer drehte sich zu ihnen um. Er trug eine schwarze Rüstung, die ihn völlig verdeckte. Mit gezucktem Schwert rannte er auf sie zu. Scharon ging in Position, bereit sich zu verteidigen, Iko hingegen blieb ruhig stehen. Bevor der wandelnde Rüstung nah genug war um gefährlich zu werden hob Iko eine Hand. „Er nicht!“ Damit stoppte der Angreifer, er verbeugte sich und machte sich dann mit seinen Kameraden auf die Suche nach neuen Opfern.

Iko drehte sich zu einem völlig verwirrten Scharon um. „Das waren einige Rote Engel. Du musst wissen, wir sind eine Art Rächer, wir töten jeden, der es nicht anders verdient hat. Dafür haben wir einen siebten Sinn, wir sehen einer Person an, ob sie böse war oder böses tun wird und wenn dem so ist, töten wir sie. Und deswegen sind wir auch hier. Ihr habt und hattet nicht das Recht zu töten, zu entscheiden wer lebt und wer nicht, deswegen müsst ihr jetzt sterben.“ Erstmals stahl sich ein kleines Lächeln auf die Lippen der Dämonien, als sie sah, wie der Neunzehnjährige erschrocken zwei Schritte zurückwich. „Nun zu meinem Vorschlag: Entweder du kommst mit mir mit und dienst mir als Berater, oder ich werde dich hier auf der Stelle umbringen. Wenn du mitkommst, dann wird es für dich kein Zurück mehr geben, auch wirst du es nicht einfach haben, als Mensch in der Dämonenwelt. Entscheide dich also gut.“

Noch bevor Scharon die Worte auch nur richtig verarbeitet hatte löste sich aus dem Schatten eine neue Gestallt. Sie war nicht in eine Rüstung gehüllt und so konnte man die feuerroten Haare und die schwarzen Augen sehr gut erkennen. „Ich halte das für keine gute Idee.“ Der junge Mann schritt auf die Beiden zu. Er musste schätzungsweiße neunzehn sein. „Als dein Berater, rate ich dir von dieser Idee ab. Es gibt viele Gründe, die dagegen sprechen ihn mit in unsere Welt zu nehmen und noch mehr in als Berater einzustellen.“ Damit war er bei ihnen angekommen. Der Junge war ein paar Zentimeter größer als Scharon und nutzte diesen Vorteil auch aus indem er verächtlich auf den Kleineren hinunterblickte. Iko war von seinem Gehabe alles andere als beeindruckt. „Ich habe dich als königlichen Berater eingestellt, dies ist aber ein persönlicher Punkt. Du wirst dich also schön raushalten, Jaco.“ Jaco verbeugte sich leicht und heftete dann wieder seinen Feindseeligen Blick an Scharon.

Der Junge hatte die Zeit der Unterhaltung genutzt und ist zu einer Entscheidung gekommen. „Ich werde mitkommen.“ Mit diesen wenigen Worten zauberte er ein breites und erleichtertes Lächeln in Ikos Gesicht. Das Mädchen umarmte den Blonden stürmisch. „Du weißt gar nicht, wie erleichtert ich darüber bin. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass ich dich vielleicht hätte töten müssen.“ Sie war augenblicklich wieder ernst. „Gut, dann fehlt jetzt nur noch einer.“ Jaco nickte, schnipste und sofort stand eine Handvoll Soldaten vor ihnen, in ihrer Mitte Kaiser.

Scharon war nicht besonders überrascht, er hatte sich schon gedacht, dass Iko noch eine Rechnung mit dem Direktor offen hatte. Dieser hingegen war doch sehr verwundert, dass Mädchen wiederzusehen, allerdings war er auch nicht sonderlich erfreut darüber, oder zumindest über die Situation. Die fünf Soldaten hatten ihre Waffen auf den aufgeschreckten Mann gerichtet, jeder Zeit bereit zu zustechen. Auf Ikos Wink jedoch ließen sie die Klingen sinken. Die Rothaarige schritt auf den Mann zu, hielt jedoch noch so viel Abstand, das sie den Kopf nicht zu sehr in den Nacken legen musste um ihm in die Augen zu sehen. „Ich will Ihnen einen Vorschlag machen.“ Sie kam also direkt zum Punkt, na gut solche Spielchen waren eigentlich noch nie etwas für sie. „Entweder Sie kommen mit mir mit, oder ich bringe Sie gleich hier um.“ Kaiser, aber auch Scharon waren überrascht. Scharon hatte nicht mit so einem Vorschlag gerechnet. Sollte Iko ihm am Ende etwa doch am Leben lassen? Scheinbar wider der Erwartung aller nickte Kaiser. „Ich werde mitkommen.“ Iko nickte ebenfalls, sie ließ ihm keine Möglichkeit seine Meinung zu ändern.
 

Die Vier fanden sich in einem Thronsaal wieder, Iko saß auf einem Thron links von ihr stand Jaco und rechts von ihr Scharon, Kaiser stand vor ihnen in der Mitte des Saals, Wachen gab es dem Anschein nach keine. Im Raum war es still, keiner sagte etwas. Darauf gespannt was nun passieren würde blickte Scharon zu Iko, diese blickte nur ausdruckslos zu Kaiser. Auch Jaco sah zu dem Direktor, jedoch waren seine Augen voller Vorfreude. Unter den Blicken der zwei Dämonen fühlte sich die Grauhaarige sichtlich unwohl. Ein kleines Lächeln zierte ihre Lippen bevor Iko das Wort ergriff. „Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet, Kaiser. Immerhin wäre ich ohne Ihre Hilfe wahrscheinlich nicht zu so einer guten Killerin geworden. Oder sagen wir, nicht so früh. Aber trotzdem muss ich Ihnen auch mitteilen, dass sie es nicht länger verdient haben zu leben. Sie haben schon sehr viel Unrecht getan und werden in Zukunft noch mehr bringen. Mir bleibt also leider keine andere Möglichkeit, als sie umzubringen.“ Die Augen des Mannes weiteten sich. Er war doch extra mitgekommen, um nicht zu sterben und jetzt sollte er das doch? Scharon war nicht ganz so verwundert, eigentlich hätte er sich sowas auch schon denken können. Sein Blick galt weiterhin Iko, aber ihm entging auch nicht, dass auch Jaco das Mädchen musterte. Er hob den Blick kurz zu dem Jungen, ihre Blicke trafen sich. In den schwarzen Augen konnte man die reine Abscheu sehen und auch eine Warnung. Eine Warnung wo vor?

„Bitte, Iko, lass mich am Leben. Ich verspreche dir auch, ich werde die Akademie auflösen. Iko…“ Jaco fiel dem Direktor wütend ins Wort. „Was fällt Ihnen ein so mit Iko zu sprechen? Wissen Sie denn nicht, wen Sie hier vor sich haben? Diese rote Schönheit hier ist eine Königin, unsere Königin, die Königen der Dämonenrasse der Roten Engel. Also etwas mehr Respekt!“ Iko zog skeptisch eine Augenbraue hoch, Jaco könnte ihr auch ruhig etwas mehr Respekt entgegenbringen. Dann wandte sie sich wieder an Kaiser. „Auch wenn ich Ihnen glauben würde, weiterleben dürften Sie trotzdem nicht, egal was Sie mir versprechen.“ Das Mädchen schnipste kurz und eine Handvoll Wachen standen im Raum. Nach einem Nicken ihrer Königin legten sie dem Gefangenem vier Metallringe um. Scharons Augen weiteten sich, als er erkannte was das für Ringe waren. Es waren Bomben. Iko lächelte zufrieden. „Sagen sie ‚Lebewohl‘!“ Damit schnipste sie ein zweites Mal und die Bomben gingen hoch.

Scharon gaben die Knie nach und er sackte neben Iko zusammen. Jaco lachte kurz kalt auf. „Was Besseres hätte er nicht verdient. Wachen, schafft den Dreck hier weg!“ Die Männer nickten. Iko erhob sich von ihrem Thron. „Ich werde ein Bad nehmen. Jaco, zeigt Scharon bitte seine Zimmer und die wichtigsten Räume hier.“ Der Angesprochene verbeugte sich leicht und das Mädchen verließ den Saal.

Kurz nachdem die Tür zugefallen war richtete Jaco sich an Scharon, der noch immer auf dem Boden hockte. „Ich bin alles andere als erfreut dich hier zu sehen und das wirst du auch noch sein. Aber es war nun einmal Ikos Entscheidung. Lass dir aber eins gesagt sein, wenn du auch nur gegen eine Regel verstößt, dann werde ich dich höchstpersönlich umbringen. Und noch etwas, lass deine Finger von Iko, sie hat etwas Besseres verdient als so einen einfachen Menschen.“ Mit einemmal stand Scharon auf und sah seinen Gegenüber bissig an. „Was Iko verdient hat und was nicht, dass kann sie immer noch selber entscheiden. Und lass du dir auch etwas gesagt sein, wenn ich dich nur einmal dabei erwische, wie du Iko mit deinen dreckigen Händen berührst, dann werde ich derjenige sein, der hier wen umbringt.“ Jaco lachte auf. „Du willst mich umbringen? Das du dir da nicht zu viel vornimmst.“ Er drehte sich um und ging Richtung Tür. „Jetzt komm! Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“ Widerwillig folgte der Blonde der Aufforderung.

Dieser Dämon hatte ihn nun schon seit Stunden durch die verschiedenen Gänge und Straßen geführt und immer noch schien er keine Anstalten zu machen, seine Führung zu beenden. Scharon trotte brav hinter ihm her, nicht ohne Jaco mit giftigen Blicken aufzuspissen. Der Rothaarige grinste belustig vor sich hin, er glaubte wohl nicht, dass dieser Mensch ihm irgendetwas anhaben könnte. „Hier hätten wir dann die Königsgemächer.“ Jaco war vor einem kleinen goldverzierten Tor stehen geblieben und hatte sich zu seinem Verfolger umgedreht. Dieser staunte nicht schlecht. Erneut trafen sich die Blicke der Jungen. Jacos Ton war kälter als Eis. „Wenn ich dich in der Nähe dieser Tür erwische, ohne das du hierher gerufen wurdest, dann werde ich dir dein Leben zur Höllen machen.“ Scharon ließ sich von der Drohung nicht einschüchtern. „Das wollen wir doch mal sehen. Und jetzt wäre ich nicht abgeneigt auch noch zu erfahren, wo sich mein Zimmer befindet.“ Der Rothaarige drehte sich stumm um und ging erneut zahllose Gänge entlang, um Scharon nun zu seinen Zimmern zu bringen.
 

Sein Zimmer war nicht gerade klein, er hatte ein eigenes Bad mit einer Mischung aus Badewanne und Wirlpool, ein Schlafzimmer mit einem breiten und bequemen Bett, einen Wohnraum mit Bar und TV-Gerät und eine nette Küche, das alles wurde mit von einer kleinen Empfangshalle verbunden. Die Einrichtung war schlicht, aber edel und geschmackvoll. Scharon musste schmunzel, das war eindeutig Ikos Still. Er hatte auch schon in die Schränke geguckt, sie waren alle schon eingeräumt, im großen Kleiderschrank im Schlafzimmer hingen verschiedene Klamotten, alle hatten sie seine Größe und alle waren sie nach seinem Geschmack und trotzdem hatte Iko auch hier ihre Spur hinterlassen. Er musste erneut lächeln, das Mädchen hatte wohl schon fest damit gerechnet, dass er zusagen würde. Er ging zu einem der vielen Fenster und sah raus. Sein Blick lag auf einen Park, in dem ein paar Kinder spielten während ihre Eltern sich unterhielten. Wenn er nicht wüsste, dass er hier in einer anderen Welt war, würde Scharon glauben er wäre zu Hause. Das einzig andere war, dass hier alle aber auch wirklich alle feuerrote Haare hatten und nachtschwarze Augen. Mit einem Seufzer entfernte er sich vom Fenster und ging zur Tür. Jaco hatte ihm zwar verboten zu Iko z gehen, aber von diesem aufgeblasenen Dämon würde er sich nichts sagen lassen, erstrecht nichts was mit Iko zu tun hatte.

Die Tür war offen und so trat Scharon einfach ein, Iko würde schon nichts dagegen haben, immerhin hatte er sie früher auch öfter besucht. Hier war es noch größer, aber die Einrichtung war im selben Still. Suchend sah Scharon sich um, er hatte jetzt schon fast alle Räume durch, aber Iko hatte er noch nicht gefunden. Die letzte Tür würde ihm dann wohl zum Bad führen. Zögernd drückte er die Klinge nach unten, öffnete die Tür und trat ein, hinter sich schloss er die Tür wieder.

Iko hatte ihm den Rücken zu gedreht und scheinbar noch nicht bemerkt, jedenfalls lag sie seelenruhig in ihrer Badewanne. Scharon räusperte sich, damit Iko ihn wahrnahm. Das Mädchen reagierte aber immer noch nicht. Besorgt ging er auf sie zu. Er legte dem Mädchen eine Hand auf die Schulter, noch immer keine Reaktion. Mit einem Lächeln stellte Scharon fest, dass Iko nur eingeschlafen war. Trotzdem sollte sie ihren Schönheitsschlaf nicht unbedingt in der Badewanne halten. Er wollte gerade wecken, als seine Augen einen roten Fleck an ihrem Hals entdeckten, vorher musste er wohl von ihrer Kette verdeckt worden sein. Seine Augen verengten sich als er erkannte um was es sich bei diesem Fleck handelte. Er wollte gerade aus dem Zimmer und zu Jaco um ihm die Meinung zu geigen, als Iko doch noch aufwachte. „Scharon, was willst du hier?“ Sie drehte den Kopf zu dem Jungen. „Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken. Ich wollte nur kurz sehen, wie es dir geht. Ich gehe auch schon wieder.“ Damit war er auch schon bei der Tür und wollte sie öffnen, aber diese wollte nicht. „Blei doch noch etwas.“ Iko lächelte ihm zu und wank ihn wieder zur Badewanne. Der Junge gehorchte. Seinen Blick hatte er zum Boden vor der Wanne gesenkt. Zwar lag auf dem Wasser eine hohe Schaumschicht, aber naja. „Willst du nicht mit reinkommen?“ Scharon sah auf, er glaubte sich verhört zu haben. Aber Ikos Lächeln sagte ihm, dass er schon richtig verstanden hatte. „Ich weiß nicht. Immerhin bist du hier eine Königin und ich nur dein Berater. Außerdem hat Jaco….“ Er hätte sich selbst Ohrfeigen können. Wie kam er denn jetzt bitte auf diesen Typ? Iko lächelte nur weiter, erhob sich etwas aus dem Wasser und zog ihn zu sich runter. „Jaco ist nur mein Berater in königlichen Angelegenheiten, sonst hat er nichts zu sagen.“ Scharons Blick wanderte zu ihrem Hals. Iko schien diesen Blick bemerkt zu haben, denn sie legte eine Hand auf die besagte Stelle. „Ich… das… Scharon…“ Er legte ihr einen Finger auf die Lippen und brachte sie so zum schweigen. „Schon gut. Wenn du willst, komme ich gern mit rein.“ Er lächelte sie warm an und Iko nickte.

Die Beiden saßen nun zusammen in der Wanne, Iko an Scharons Brust gelehnt. Zärtlich fuhr er mit den Fingern über ihren Arm. „Iko, da gibt es etwas, was ich noch nicht ganz verstehe. Wenn du doch einen siebten Sinn dafür hast, wen du töten darfst und wen nicht und die ganze Akademie es nicht wert war zu existieren. Warum hast du sie denn nicht schon vorher zerstört?“ Iko antwortete nicht sofort. „Naja. Also eigentlich entwickelt sich dieser Sinn erst, wenn man ein vollwertiger Roter Engel ist und das ist man erst mit neunzehn. Ich hatte vorher also eigentlich noch gar keine Ahnung, wer leben darf und wer nicht. Vor ein paar Monaten hat sich der Sinn dann erstmals bemerkbar gemacht, da bin ich dann auch angefangen abzuhauen. Ich würde sagen, mein Dämonensinn ist jetzt bereits völlig ausgebildet.“ Sie sah zu ihm hoch. „Hast du sonst noch eine Frage?“ Nun war es an Scharon einen Moment zu überlegen. Er hatte noch viele Frage, aber die konnte er schlecht stellen. Eine jedoch fiel ihm ein. „Ich habe doch auch getötet und Unrecht getan, wie du selber gesagt hast, merken das die Anderen nicht? Werden die nicht versuchen, mich umzubringen?“ Iko schmunzelte. „Die sollen nur versuchen, dich umzubringen. Glaub mir, hier bist du sicher.“ Und damit gab sie ihm auch schon einen Kuss. Scharon erwiderte den Kuss auch wenn er sich nicht so sicher war, ob er wirklich sicher war, vor Jaco musste er sich auf jeden Fall in achtnehmen.

Iko drehte sich um und schloss die Arme um Scharons Nacken. Sie forderte den Jungen zu einem kleinen Tanz auf und seine Zunge folgte der Bitte. Der Kuss der beiden wurde immer inniger und wilder. Scharon tauschte mit Iko den Platz und drückte sie sanft aber bestimmt gegen die Wannenwand. Vorsichtig erkundete er mit seinen Händen auch noch ihren restlichen Körper, als er ihren Busen berührte, konnte Iko nicht anders als zu stöhnen. Der Blonde musste lächeln, hatte er beim letzten Mal noch versucht sie davon abzuhalten, war er jetzt ganz andere Meinung. Er beendete den Kuss und begann ihren Hals zu liebkosen. Iko legte den Kopf in den Nacken, um das ganze noch mehr genießen. Langsam wurde das alles zur Gewohnheit, aber sie fragte sich, ob sie wirklich schon bereit war. Scharon hatte derweil ihr Schlüsselbein entdeckt und hinterließ da sein Liebesmal, wohlbemerkt auf der anderen Seite als Jaco. Er holte Luft um auch auf ihren Bauch und Brust Schmetterlingsküsse verteilen zu können. Dem Mädchen entrang ein zweiter Laut der Erregung, der Scharon nur noch mehr antrieb und ihn bestätigte, in dem was er tat. Stätig drang er in tiefere Regionen vor.

Jeder Muskel ihres Körpers spannte sich an und ihr wurde abwechselnd heiß und kalt. Iko wusste, was Scharon wollte, sie wusste, passieren wird und sie wusste, dass sie das noch nicht wollte. Mit dieser Erkenntnis stand sie plötzlich auf, die Bewegung kam so plötzlich und unerwartet, dass Scharon nach hinten fiel. Iko wank kurz mit einem Finger und sie wurde von einem Handtuch eingehüllt. Es war noch ein genuscheltes ‚Entschuldigung‘ zu hören, danach noch zwei zuknallende Türen und dann war die Rothaarige weg. Die eine Tür gehörte zum Bad, bei der anderen war Scharon ratlos. Ratlos war er nicht nur was die Tür anging. Iko war in letzter Zeit sehr sprunghaft, man konnte nie sagen, was sie als nächstes vorhatte, ob dass vielleicht mit ihrer Wandlung zum Roten Engel zutun hatte? Es war auf jeden Fall anstrengend und nervenaufreibend. Scharon schnappte sich seine Klamotten, zog sich an und verließ die Zimmer der Königin.
 

Iko hatte sich in ihr Schlafzimmer gerettet. Völlig verwirrt schmiss sie sich in die Kissen ihres Bettes. Sie konnte sich einfach nicht erklären, was mit ihr los war, es war gruselig, sie hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Plötzlich spürte sie, wie ihr die Haare zur Seite gestrichen wurden und ihr jemand einen Kuss auf ihren Nacken gab. Erschrocken drehte sie sich um und blickte in das süße Grinsen von Jaco, das unter dieser Situation nicht gerade süß war. Automatisch zog sie das Handtuch fester um sich.

Behutsam strich Jaco Iko eine Haarsträhne zurück hinters Ohr. „Das ist ganz normal, deswegen brauchst du dir keine Sorgen machen. Man könnte sagen, dass es die Hormone sind.“ Er versuchte ihr einen Kuss zu geben, aber Iko lehnte sich zurück. Erst sah Jaco das Mädchen wegen dieser Aktion verwirrt um, dann aber lächelte er wieder. „Früher oder später wird es eh passieren müssen und für alle Beleidigten ist früher besser. Außerdem gehört es zu deinen Pflichten als Königin.“ Bei jedem Wort hatte er sich ein Stück mehr zu ihr vorgebeugt und Iko war bei jedem Wort ein Stück weiter zurückgewichen, so dass sie jetzt wieder lag und nicht mehr fliehen konnte. Jaco war direkt über ihr und beugte sich nun auch noch das letzte Stück zu ihr runter.

Iko versuchte ihn von sich wegzudrücken, aber er war einfach zu stark. Sichtlich genervt davon, dass er den Kuss schon wieder nicht ausführen konnte, griff Jaco nach ihren Handgelenken und drückte sie über ihren Kopf grob auf das Bett, mit einem Zauber hielt er sie dort fest. Als nächstes befreite er sie von dem Handtuch. Iko windete sich unter ihm wie eine Schlange und versuchte sich wieder von ihm zu befreien, aber es gelang ihr nicht. Jaco saß breit grinsend auf ihrem Becken, wobei das Grinsen alles andere als süß oder freundlich war. „Weißt du, ich habe mich bisher noch zurückgehalten, weil du ja meine Königin bist, aber jetzt ist damit Schluss. Eben weil du hier die Königin bist kann ich nicht zulassen, dass du deine Unschuld an irgendeinen widerlichen Menschen verlierst. Du musst wissen, als Königin musst du einen neuen Thronfolger gebehren und ich kann nicht zulassen, dass es ein Halbblut wird, davon laufen hier schon weiß Gott genug rum!“ Während er gesprochen hatte, hatte er sich seiner Hose entledigt und Iko hatte aufgehört zu versuchen sich zu befreien. Die Rothaarige Königin sah ihren baldigen Vergewaltiger nur hasserfüllt an. „Wenn das so ist, dann darfst du natürlich mit mir machen was du willst. Aber Gnade dir, wenn du auch nur noch einmal Scharon beleidigst!“ Jaco musste laut auflachen. „Was findest du überhaupt an diesen, diesen Scharon? Die Menschen sind eine niedrige Rasse und dieser Scharon ist besonders schlimm, weil er nicht seiner Bestimmung folgt und sich in Sachen einmischt, die ihn nichts angehen. Er ist ein richtiger Versager!“ Das war genug für Iko, sie hatte ihn gewarnt. Iko schloss die Augen, murmelte ein paar Worte vor sich hin, ihre Hände leuchteten auf, sie befreite sich von den unsichtbaren Fesseln, rief eine Art Lichtschwert in ihre Hände und stieß Jaco damit von sich runter. Jaco knallte hart gegen die Wand. Jetzt, wo Iko nicht mehr unter dem Rothaarigen lag und sich wieder frei bewegen konnte, schwang sie lässig das Schwert in ihrer Hand. Zielstrebig hielt sie auf den Jungen zu, kurz vor ihm blieb sie stehen um mit dem Schwert auszuholen. „Es tut mir ja irgendwie leid, aber ich hatte dich gewarnt.“ Damit stach sie zu. Von dem Jungen hörte man nur einen erstickten Schmerzensschrei.

Iko ließ das Schwert erlischen, schnappte sich irgendwelche Klamotten und verließ ihre Zimmer ohne der Leiche auch nur noch einen Blick zu schenken. Irgendwie hatte sich die Sache mit Jacos Tod schnell rumgesprochen, denn auf den Fluren waren schon die ersten hektischen Schritte zu hören. Und der Teil mit ihrer geplanten Flucht musste noch schneller die Runde gemacht haben, wenn man auch die Gedanken anderer lesen konnte. „Da vorne ist Sie!“ Iko wirbelte herum und schoss ein Fluch auf ihre Verfolger ab. Sie hatte keine Lust mehr darauf Königin zu sein, sollten sie sich doch eine andere suchen. Diese Dämonen war sie los, aber es war sicher, dass noch mehr kommen würden. Iko beschleunigte ihren Lauf noch einmal und hatte kurz darauf auch endlich Scharons Zimmer erreicht.

Ohne anzuklopfen oder sonstigen Vorreden stürmte sie in die Zimmer des Jungen. Sie fand Scharon im Wohnzimmer. Er hatte ihr den Rücken zugedreht, aber als die Tür zufiel drehte er sich sofort um. „Iko. Was ist los?“ „Keine Zeit für lange Erklärungen. Ich habe in meinem Leben einige Fehler gemacht, große und sehr große, hier her zu kommen war ein sehr, sehr großer. Wir müssen hier sofort verschwinden! Los, jetzt komm schon!“ Iko zerrte einen völlig verwirrten und überforderten Scharon hinter sich aus den Zimmern.

Auf dem Flur warteten schon eine Armee von Dämonen auf sie. Iko machte mit ihnen allen Kurzenprozess und verfrachtete sich und Scharon endlich wieder in die normale Welt, die Welt der Menschen.

„Was ist eigentlich los?“ Scharon lag neben Iko unter einer großen Trauerweide. Das Mädchen seufzte. „Muss ich das jetzt wirklich alles erklären?“ Die Blonde nickte. „Also gut.“ Sie holte noch einmal Luft und fing dann an. „Ich bin ja eine Wiedergeburt eines Roten Engel, normaler Weiße wird ein Roter Engel nach seinem Tod zu einem Menschen, dass kann ich übrigens mit einem kleinen Spruch überprüfen, also wer mal ein Dämon war, ich wurde aber noch einmal ein Dämon. Der Grund ist, dass ich damals keinen Thronfolger in die Welt gesetzt habe, davon geh ich jedenfalls aus. Jetzt sind alle männlichen Rote Engel hinter mir her, da ich dieses Mal gefälligst einen Folger dalassen soll. Normaler Weiße wehrte sich eine Königin oder König dagegen nicht, aber bei mir ist das nun einmal etwas anderes, weil ich als Mensch aufgewachsen bin. Bevor du jetzt fragst, woher ich das alles weiß, ich habe einige Erinnerungen aus meinem früherem Leben wider. Das war es eigentlich auch schon.“ Scharon hatte ihrem Vortrag geduldig und aufmerksam gelauscht. „Und was ist mit Jaco?“ Iko musste lachen. „Der war ein noch viel größerer Fehler, aber damit hab ich abgeschlossen. Er ist tot.“ „Wenn die Roten Engel jetzt aber einen Thronfolger von dir wollen, dann werden sie dich doch so lange suchen, bis sie einen haben, oder?“ „Ja, es gibt aber einen Weg das zu umgehen. Aber dafür brauch ich deine Hilfe.“ Iko sah ihn flehend an. „Der Mann, an dem eine Königin ihre Unschuld verliert, wird der Vater des Thronfolgers. Die Dämonen werden kein Halbblut als König akzeptieren und sich einfach einen anderen König suchen, wie sie es schon einmal getan haben.“ Scharon war im ersten Moment leicht überfordert mit ihrer Bitte, dann aber fand er seine Stimme wieder. „Halbblut? Auf meine Unterstützung kannst du zählen, ich werde dich nicht an diese Teufel ausliefern. Was halst du also davon, wenn wir eine neue Rasse gründen, mit den Vorteilen beider früheren?“ Das Mädchen fiel im glücklich um den Hals. „Darf ich vorher noch etwas prüfen?“ Scharon nickte. Iko sagte ein paar unverständliche Worte auf, legte ihre Hände auf Scharons Herz und lächelte auf einmal noch glücklicher. „Du warst in deinem früheren Leben ein Roter Engel. Und weißt du was, wir Beide haben damals beschlossen, dass wir den Dämonen keinen Thronfolger geben werden, “ „sondern eine neue Rasse gründen werden.“ Beendete Scharon ihren Satz und schenkte ihr einen zärtlichen Kuss.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2007-09-11T19:45:37+00:00 11.09.2007 21:45
Cool ich bin auch begeistert^^
Leider war das Ende sehr schnell rum gegangen,
aber die Geschichte ist einfach spitze^^
bb
Von:  somsisom
2007-08-30T14:48:08+00:00 30.08.2007 16:48
ich bin echt begeistert ^^
die stimmung ist echt super und boah wahnsinn oo'
toll gemacht x3


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