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Hotel Hibiki

xx Es geht weiter!!! xx
von

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The Brave helps Luck

Nachdem Hibiki sich angezogen und im Bad ein wenig zurecht gemacht hatte, lief er ins Wohnzimmer, stellte sich vor die Couch und rüttelte unsanft an dem schlafenden Shio.
 

„Hey, wach auf.“, verlangte er in einem nicht gerade lieblichen Tonfall. Shio drehte seinen Kopf zu Hibiki und sah ihn völlig verschlafen an.

„Was soll das? Warum weckst du nich’ Tasc?“, nuschelte er und drehte Hibiki den Rücken zu.

„Wenn ich Tasc wecke, findest du den Rest des Tages keinen Schlaf mehr. Du solltest mir also eher dankbar sein, dass ich dich und nicht ihn geweckt habe. ...Hör zu, ich werde jetzt für ein paar Stunden weggehen. Wenn ihr irgendeine Scheiße hier anstellt, drehe ich euch den Hals um!“, warnte Hibiki und lief in den Hausflur, um sich seine schwarze Lederjacke anzuziehen.

„Jajaja...“, murmelte Shio leise, atmete tief ein und aus und driftete wieder in das Land der Träume.
 

Außerhalb des Gebäudes, in dem Hibiki wohnte, wehte ein eisiger Wind. Die Blätter waren schon längst von den Bäumen verschwunden, alles war kalt und düster. Hibikis warmer Atem schwebte mit jedem Zug vor seinem Gesicht herum und er steckte seine frierenden Hände in die Jackentaschen, während er sich auf den Weg zur U-Bahnstation machte. Er hatte den ganzen Tag verschlafen, sodass die Sonne nun schon untergegangen war und sich dafür der Mond am Himmel von seiner schönsten Seite versuchte zu zeigen.
 

Hibiki hatte nicht mal Lust zu rauchen, so kalt war es. Dafür musste er schließlich seine Hände aus den Jackentaschen holen und er hatte keine Handschuhe. Einen Schal hatte er auch nicht, weswegen er versuchte zumindest einen ganz kleinen Teil seines Gesichts durch angezogene Schultern in seiner Jacke zu verstecken.
 

Er starrte beim Laufen auf den Boden und blendete alles um sich herum aus. Den lauten Verkehr... Die wenigen Menschen, die an ihm vorbei liefen... Die großen, grauen Häuser, die seinen Weg kreuzten.
 

Er hing mal wieder in seinen Gedanken. Und mal wieder tauchten sie einfach so auf, fast ohne Zusammenhang und ließen Hibikis graue Zellen hart arbeiten.

Was würde er wohl dieses Weihnachten machen? Es war nicht mehr lange hin, fiel Hibiki bei der Kälte, die ihn umgab, ein. Wahrscheinlich würde er das Gleiche machen wie letztes Jahr und das Jahr davor... und das Jahr davor auch: Zu Hause sitzen, Bier trinken und einen Song schreiben.
 

Dieser ganze Kitschkram und Trubel um Weihnachten war einfach nichts für ihn. Diese aufgesetzte Fröhlichkeit... Diese ganzen glücklichen Pärchen, die aus allen Löchern krochen, jeden Zentimeter der Stadt bedeckten und sich ausbreiteten wie eine Virusinfektion... Diese dämliche, nervige Weihnachtsdudelei in den Kaufhäusern... und natürlich der Kitsch aus dem Westen: Der dicke Mann mit dem roten Anzug und Rauschebart, der den Kindern Geschenke brachte. Hibiki schüttelte beim Laufen langsam den Kopf verständnislos. So ein Unfug alles...
 

Und dennoch flüsterte ein ganz mutiger, kleiner Teil in seinem Körper leise: ‚Mach doch dieses Jahr mal was Anderes!’

Etwas Anderes... und was?
 

Bevor Hibikis Kopfschmerzen weiter anstiegen, wechselte er in seinem Kopf das Thema und schwenkte zu Neujahr. Vielleicht sollte er da auch mal etwas Anderes machen... Jedes Jahr bis zur halben Bewusstlosigkeit saufen und sich ins neue Jahr auf der Toilette zu übergeben war auch irgendwie nicht mehr das Wahre... Auch, wenn es lustig war mit seinen Freunden.
 

...Aber vielleicht sollte er mal wieder etwas mit seiner Familie machen... Seine Eltern hörten doch so selten von ihm und er wusste, dass sie sich immer Gedanken um ihn machten.
 

Hibiki blieb kurz stehen und drehte sich um, da ihm gerade noch rechtzeitig auffiel, dass er fast an der U-Bahnstation vorbei gelaufen wäre.

Er blickte skeptisch, als er die Treppen nach unten lief und fing an sich zu fragen, was denn mit ihm los war... Woher diese plötzliche Sensibilität?

Der Fahrplan sagte ihm, dass die nächste Bahn in zwei Minuten kommen würde. Mist, das lohnte sich nicht mehr für eine Zigarette... In der U-Bahnstation war wenigstens kein kalter Wind und er hätte prima rauchen können.
 

Nur wenige Menschen warteten am gleichen Bahnsteig wie Hibiki, nur ein Geschäftsmann und zwei Schulmädchen in ihren Uniformen. Hibiki fing an sie aus den Augenwinkeln zu beobachten. In dem ekelhaften Licht der Neonröhren sahen die Uniformen der kichernden Mädchen irgendwie schmutzig aus... Und der Gesichtsausdruck des Geschäftmannes wirkte noch finsterer als er eh schon war. Der Mann sah ja schon fast bedrohlich aus, mit seinem langen, grauen Mantel, dem schwarzen Aktenkoffer und dem fiesen, ernsten Gesichtsausdruck.

Vielleicht hatte er ja eine Bombe im Koffer?
 

Wieder schüttelte Hibiki den Kopf und somit seine komischen Gedanken von sich. Er hörte von weitem die U-Bahn, die sich immer weiter näherte und schließlich quietschend vor ihm hielt. Er hatte Glück, sie war nicht all zu voll, sodass man sie nicht mit einer Sardinenbüchse hätte verwechseln können wie sonst.

Er lief etwas durch die Bahn, setzte sich schließlich auf einen leeren Viererplatz. Es war ungewohnt still... Umso lauter waren das quietschende Geräusch beim Fahren, die ächzenden Bremsen und das Öffnen und Schließen der Türen.
 

Hibiki blickte aus dem zerkratzten Fenster. Schwarz. Nur ab und zu huschten ein paar Lichter vorbei. Hibiki war gebannt von diesem schwarzen Anblick und schlief etwas mit offenen Augen, dachte einen Moment einfach mal an nichts und blendete alles aus.

Er kam erst wieder zu sich, als sich eine etwas ältere Frau neben ihn setzte. Sie blickte starr geradeaus, beachtete Hibiki nicht. Zwischen ihren Füßen standen große Plastiktüten gefüllt mit irgendetwas.

Hibiki sah sie nur kurz aus den Augenwinkeln an, widmete seine Aufmerksamkeit dann aber wieder dem schwarzen Tunnel außerhalb des Fensters, durch den sie fuhren.
 

Eine Station weiter stieg ihm ein seltsamer Geruch in die Nase... Es roch unangenehm... Ein Mix aus Schweiß, Urin und einfach Schmutz... Etwas angewidert verzog Hibiki sein Gesicht leicht und versuchte zu orten, woher der Geruch denn kam. Die Frau neben ihm stand plötzlich auf und setzte sich woanders hin und als Hibiki seinen Kopf kurz nach ihr umdrehte, entdeckte er einen verwarlosten, alten Mann gegenüber von sich, der mit geschlossenen Augen seinen Kopf an die Fensterscheibe gelehnt hatte. Von ihm ging also dieser Geruch aus... Ein ausgestoßener der Stadt. Ein Obdachloser. Hibiki betrachtete ihn einen Moment.
 

Sein Gesicht durchzog tiefe Falten, es sah müde und geschwächt aus. Seine Lippen rau und teilweise aufgeplatzt. Sein weißes Haar auf dem Kopf war wild zerzaust, als hätte es jahrelang keine Bürste oder sonst etwas gesehen. Seine Kleidung hatte überall Löcher und war schmutzig. Er trug einen langen, grau-braunen Mantel, aus seinen kaputten Handschuhen guckten die von der Kälte leicht bläulich gefärbten Fingerspitzen heraus. An den Füßen trug er zwei verschiedene Schuhe, beide an einigen Stellen löchrig.

Der Mann umklammerte sich selbst mit seinen Armen und Händen. Scheinbar fror er sehr. Kein Wunder, bei dieser Kälte draußen... Er hustete immer mal wieder zwischendurch und dieses Husten klang unheimlich schmerzhaft und keuchend.

Hibiki fragte sich, wie man so tief sinken konnte. Was musste einem widerfahren, um SO zu enden? Und warum kümmerte sich kaum einer um diese Menschen... Warum warf man ihnen lieber angewiderte Blicke zu, betrachtete sie, wie wilde, verwarloste Tiere, anstatt etwas für sie zu tun?
 

Ganz einfach... Der Mensch stellte sein eigenes Glück über alles andere. ...Und tat es nicht auch mal gut zu sehen, dass es immer noch Menschen gab, denen es schlechter ging als einem selbst?

Hibiki schüttelte langsam den Kopf. Ihm tat dieser Mann einfach nur Leid. Besonders in so kalten Tagen hatte er besonderes Mitleid für diese Verstoßenen, die keinen Auftrieb nach oben fanden. Normalerweise dachte er nicht an sie, aber wenn sie so direkt in seiner Nähe waren und man ihr armseliges Antlitz sah, war das schon etwas anderes...
 

Scheinbar spürte der Mann Hibikis Blicke auf sich und öffnete langsam seine schweren Augen. Hibiki wendete seinen Blick nicht ab. Der alte Mann räusperte sich lautstark und hustete anschließend wieder auf. Dann brummte er mit seiner angeschlagenen Stimme:
 

„In jedem Glück ist ein Tropfen Bitterkeit, mein Junge... Am Leben zu sein, heißt Narben zu tragen. Den Tapferen hilft das Glück... Und wenn du liebst... halte das fest, was du liebst, bevor es dir vor deiner Nase verschwindet!“ Anschließend bekam er einen Hustenanfall, der durch die ganze Bahn hallte und schloss wieder die Augen.
 

Hibiki sah ihn fragend an. Im ersten Moment kamen ihm die Worte des Obdachlosen einfach nur wie wirres Gerede vor, aber als ein nachdenklicher Mensch, kam Hibiki nicht darum herum über die Worte des Alten zu grübeln.

In jedem Glück ist ein Tropfen Bitterkeit... Klar, da war schon etwas dran... Am Leben zu sein, heißt Narben zu tragen... Das konnte Hibiki am eigenen Leib bezeugen... Den Tapferen hilft das Glück... Wäre auch fies gewesen, wenn nicht, fand Hibiki... Und wenn du liebst... halte das fest, was du liebst, bevor es dir vor deiner Nase verschwindet... Klang an sich auch logisch, aber warum sollte das, was man liebte, einfach verschwinden, wenn man es nicht aufhielte?
 

Hibiki wurde brutal aus seinen Gedanken gerissen, als die nächste Haltestelle angesagt wurde und er bemerkte, dass er aussteigen musste. Zufälligerweise stieg der Obdachlose ebenfalls an dieser Station aus.

Sie sah an sich genauso aus, wie die bei Hibikis Wohnung in der Nähe: Die gleichen ekelhaften Neonröhren, beschmierte Wände, überall Müll und eine kalte, stinkende Luft in der Umgebung.
 

Bei der Treppe, die nach oben zur Straße führte, stand eine Gruppe von jungen Männern. Ihr dreckiges Lachen hallte durch die ganze Station, genauso wie ihre dummen Sprüche. Hibiki lief einfach an ihnen vorbei, den alten Mann hinter sich lassend. Auf der Hälfte der Steintreppe blieb er jedoch stehen und drehte sich um, da die Gruppe anfing den Obdachlosen anzupöbeln:
 

„Na, du stinkender Penner? Was lungerst du hier herum?! Such dir lieber Arbeit, du Dreckskerl!“, rief einer von ihnen laut und schubste den alten Mann zu Boden. Wieder schallte das Lachen der fünf Männer durch die Station bis hoch zum Ausgang. Niemand außer ihnen, dem alten Mann und Hibiki war da. Dessen Augen verengten sich langsam bedrohlich, während er die Situation noch einen Moment beobachtete.
 

Die Männer stellten sich um den Obdachlosen herum, lachten ihn aus und als er versuchte wieder aufzustehen, wurde er ungnädig auf den Boden zurück getreten.

„So Penner wie du haben hier nix verloren!!“, rief ein anderer der Gruppe in einem aggressiven Tonfall und trat einfach so erneut auf den alten Mann ein, lachte anschließend weiter mit den anderen. Hibiki ballte seine Hände zu Fäusten und stürmte die Treppe wieder nach unten, um die zwei Männer, die auf den Obdachlosen immer wieder eintraten, grob wegzuschubsen. Er HASSTE solche Menschen! Abgrundtief! Die sich allein schon nur deswegen stark und überlegen fühlten, weil sie in einer ‚tollen’ Gruppe waren und meinten, sich alles erlauben zu können... DIE hasste Hibiki ganz besonders. Eigentlich war er kein Schlägertyp, aber solche Menschen hatten es einfach nur verdient geschlagen zu werden und er konnte den Obdachlosen dort nicht ohne Hilfe geleistet zu haben, liegen lassen.
 

„Lasst ihn in Ruhe, verdammt!!“, rief Hibiki wütend und mit zornerfülltem Gesicht.

„Misch dich da nich’ ein, kapiert?!“, rief der, der den Obdachlosen als erstes geschubst hatte und schlug Hibiki hart mit der Faust ins Gesicht, sodass der Sänger ein paar Schritte nach hinten taumelte. Er schaffte es noch, seinem Angreifer einen Schlag zurück zu verpassen, doch dann stürzte sich die gesamte Gruppe auf ihn und warf auch ihn zu Boden, wo noch immer der zitternde, alte Mann auf dem Bauch lag. Hibiki keuchte schwer und spürte, wie ihm Blut aus Nase und Mund lief. Schmerzen verspürte er keine. Dafür war seine Aggression in diesem Moment zu groß, gleichzeitig aber auch seine Angst. Diese Männer wären fähig gewesen ihn zu töten, wenn sie es wollten. Sie beließen es aber dabei noch etwas auf Hibiki einzutreten, bis ihnen scheinbar die Lust verging, da Hibiki sich nicht mehr wehrte. Sie fluchten böse über ihn und den Obdachlosen, spuckten letzteren noch an und verließen die Station Richtung Stadt gehend.
 

Hibiki blieb einen Moment schwer atmend auf dem Boden liegen. Er musste sich selbst und seinen aufgewühlten Körper erst mal beruhigen, vorher konnte er sich keinen Zentimeter rühren. Als er aber aus den Augenwinkeln den alten Mann neben sich liegen sah, nahm er seine ganze Kraft zusammen, den Schmerz unterdrückend und setzte sich langsam auf.
 

„Scheiße...“, zischte er leise und wischte sich das Blut so gut es ging mit seiner Hand aus dem Gesicht. Er atmete ein letztes Mal tief ein und aus und wandte sich dann also an den Obdachlosen. Vorsichtig legte er eine Hand an seinen Rücken und fragte:

„Hey, können Sie aufstehen? Soll ich einen Arzt rufen?“

Der zitternde Mann setzte sich ebenfalls schwerfällig auf, hielt seinen Kopf gesenkt und starrte auf den dreckigen Boden unter sich. Er weinte mit einem leidenden Gesicht. Hibiki sah ihn bemitleidend an, war sich nicht ganz sicher, was er nun tun sollte.
 

„Den... Den... Tapferen... hilft das... Glück... Den Tapferen... hilft es... das Glück...“, murmelte der alte Mann immer wieder leise unter Schluchzen vor sich hin. Hibiki stand auf und versuchte den Mann zu stützen, um ihn ebenfalls wieder auf die Beine zu kriegen. Das klappte auch einigermaßen nach einem Moment.

„Hören Sie, ich kann Ihnen einen Arzt rufen. Sind Sie verletzt?“, fragte Hibiki und drehte seinen Kopf kurz zur Seite, um Blut, was sich in seinem Mund angesammelt hatte, auf den Boden zu spucken.
 

Der Obdachlose starrte weiter auf seine Füße und schüttelte langsam den Kopf.

„Den Tapferen... hilft das Glück...“, sagte er wieder und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Man hätte meinen können, dass es Tränen des Leidens waren, die ihre Bahnen über das Gesicht des alten Mannes zogen, aber es waren in Wirklichkeit Tränen der Freude. Freude darüber, dass es Menschen wie Hibiki gab, die nicht einfach wegsahen. Er drehte sich zu dem Sänger um und verbeugte sich tief. Anschließend lief er langsam die Treppe nach oben, jede Stufe ganz vorsichtig nehmend und verschwand im Dunkeln der Nacht.
 

Hibiki blieb einfach stehen und sah ihm nach. Er musste diesen Moment erst mal verarbeiten. Durch die Schläge und seinem von Anfang an angeschlagenen körperlichen Zustand, verlor er kurzzeitig das Bewusstsein und ließ sich an der kalten Wand hinter ihm zu Boden rutschen.
 

Körper und Geist verlangten plötzlich nach Schlaf...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Tattoo
2007-12-03T18:37:23+00:00 03.12.2007 19:37
gute güte, das war ja echt mal was anderes...
ein derartiges szenario hab ich, glaub ich jedenfalls, noch nie in einer ff gelesen...
also angriffe mehrerer gegen einen einzelnen schon (war thema eines meiner zuletzt hochgeladenen kapitel), aber nicht im zusammenhang mit zivilcourage. ich nehme mal an, hibikis gedanken (also abscheu gegen solche halbstarken, die sich nur in der gruppe sowas trauen) waren hier eher deine gedanken, hm?! auf jeden fall hat mir das kapitel wahnsinnig gut gefallen, und dein ff-hibiki ist mir noch ne ganze ecke sympatischer geworden! ^_~
zum schreibstil muss ich ja bestimmt nix mehr sagen, ne?! (^_____^)b


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