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Gefangen in der Dunkelheit

ohne Fluchtweg in einer fremden Welt
von

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Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück

Nach der Schule holt uns Reitas Mutter ab, um mit uns zu Uruha zu fahren. Reita kommt nicht mit, denn der hat strenge Bettruhe verordnet bekommen, damit er ja bis Montag wieder halbwegs fit ist. Und er möchte auch lieber daheim bleiben, da es ihm einfach nicht gut geht.

Schweigend gehen wir den Krankenhausflur zu seinem Zimmer entlang. Er hat ein Einzelzimmer, mit Glasscheibe. Die Ärzte überwachen seinen Zustand im Minutentakt. Und als ich Uruha sehe, weiß ich auch wieso. Dieser liegt leichenblass in seinem Bett, mit einer Magensonde in der Nase. Seine Arme sind bandagiert und an einem Arm hängt eine Infusion.

Das Lächeln auf seinem Gesicht wirkt erbärmlich und lässt ihn nur noch bemitleidenswerter aussehen. Aoi verhält sich unsicher und versucht sich ständig hinter uns beiden zu verstecken. Schulterzuckend trete ich an sein Bett und piekse Uruha in die Wange.

„Na, Gnom?“, meint Uruha gelassen.

„Was willst du Idiot?“, frage ich ihn.

Er soll uns nichts vormachen! Wir sehen doch, dass es ihm nicht gut geht! Ich werde Uruha nicht verstehen, warum er immer einen auf heile Welt macht.

„Ey, beleidige mich nicht!“, erwidert er schmollend.

„Ich beleidige dich wann und wo ich will“, kontere ich.

„Aoi, ist das wirklich Ruki?“, fragt Uruha ungläubig.

„Ich glaube schon“, antwortet Aoi unsicher.

„Oh nein!“, antwortet e r erschrocken.

„Oh doch, mein Lieber“, meine ich auf Uruhas Aussage kühl.

Wenn ich eins in der Psychiatrie gelernt habe, dann ist das streiten und diskutieren. Und vor allem mich zur Wehr zu setzen.

„Jungs hört auf euch zu streiten“, mischt sich nun auch Reitas Mutter ein.

„Streiten? Dass ich nicht lache“, selten so gelacht, ehrlich.

„Wo habt ihr ReiRei gelassen?“, erkundigt sich Uruha.

Hey ich war mit dir am streiten!

Lenke nicht einfach immer vom Thema ab!

„Er liegt wieder krank im Bett. Wundert es dich?“, antwortet Aoi.

„Nein. Ich hatte mich nur auf seinen Besuch gefreut“, erwidert Uruha traurig.

„Oh man 'Ruha, du bist echt komisch“, meint Aoi.

„Warum?“, fragt er ungläubig.

„Du bringst dich fast um, erinnerst dich an nichts und kannst trotzdem weiter machen wie bisher“, wundert mich auch, Aoi.

„Was dagegen?“, fragt Uruha trotzig.

„Das nicht, aber es ist komisch, mehr als komisch“, antwortet Aoi.

„Hey! Beleidige mich nicht“, du wiederholst dich Uruha.

„Und ihr sollt mich nicht ignorieren!“, rufe ich.

„Halt deine Klappe!“, schreien mich beide an.

Wutentbrannt verlasse ich den Raum und gehe den Flur entlang um auch die Station zu verlassen. Schnaubend mache ich mich auf den Weg zur Cafeteria, wo ich mir erst einmal eine Limonade genehmige. Pah! Sollen sie doch alleine glücklich werden, mich brauchen sie ja anscheinend nicht für ihr Glück.

Nach der 3. Limonade kommt auch endlich einer nach mit schauen. Dass ich schon 3 Tortenstücke gegessen habe und mir deshalb gewaltig schlecht ist, ist mir egal.

„Ah Ruki, hier bist du“, ist das ein lächeln auf den Lippen seiner Mum?

„Hier bin ich wie es scheint“, erwidere ich erbost.

„Kommst du wieder mit zu den anderen beiden?“, warum sollte ich?

„Nein“, gebe ich extra laut von mir.

„Schrei nicht so“, ermahnt sie mich.

„Ich schreie wann ich will“, sie sind nicht meine Mutter!

„Ach komm schon“, NICHT betteln.

„Ich fahre jetzt nach Hause, so!“, böse funkele ich sie an.

Ich weiß noch nicht einmal warum ich gerade so gereizt bin.

„Mach das“, meint sie seufzend.

„Werde ich auch tun!“, ich lasse mir von keinem auf der Nase herum tanzen!

Reitas Mum schenke ich noch einen bösen Blick, bevor ich das ganze weit hinter mir lasse.
 

Seufzend gehe ich zu Reita nach Hause und krame mein Schlüsselband aus der Jackentasche, schließe die Türe auf. Missmutig stapfe ich zu Reita aufs Zimmer und nehme seine Naturkundeaufzeichnungen und sein Buch. Heute hatte ich Mathematik geschrieben, das heißt morgen Naturkunde und Montag Englisch. Für Sport bin ich immer noch für zwei Monate befreit, da ich meine Schulter immer noch nicht voll belasten darf. Scheinbar will der Arzt auf Nummer sicher gehen, obwohl mir das alles kaum noch Probleme bereitet.

Im Flur schreibe ich auf einen Zettel, dass ich etwas draußen bin und erst gegen Abend zurückkomme. Und so mache ich mich auf den Weg in den Park, um etwas Naturkunde zu lernen und um mich von den Geschehnissen des heutigen Tages abzulenken.

Um dieses ungestört zu tun verlasse ich den üblichen Weg und verschwinde in der Baumgruppe, setze mich irgendwo unter einen Baum und fange an zu büffeln. Die immer noch eisigen Temperaturen stören mich nicht im Geringsten.
 

Als die Nacht einbricht, gehe ich zum Supermarkt und kaufe mir Süßigkeiten, als Belohnung. Beladen mit zwei großen Tüten, man muss es ja übertreiben, gehe ich zurück nach Hause. Ich weiß noch nicht einmal wann ich angefangen habe so viele Süßigkeiten zu essen. Früher hatte ich wirklich selten welche gegessen, aber jetzt?

Ich schließe die Türe auf, ziehe Schuhe und Jacke aus und gehe in die Küche und setze mich dort auf einen der Stühle. Freudestrahlend packe ich das Taiyaki aus und beginne es regelrecht zu verschlingen. Die Uhr an der Wand zeigt mittlerweile zwanzig Uhr an. Vielleicht sollte ich langsam einmal mit den Hausaufgaben anfangen, auch wenn es nicht viele sind.

Nachdem ich satt bin bringe ich Reita die Unterlagen zurück und muss feststellen, dass er sich nach wie vor nicht in seinem Zimmer befindet. Schulterzuckend nehme ich meine Schultasche und gehe damit in die Küche, beginne dann mit den Hausaufgaben. Soll er nicht im Bett liegen und sich ausruhen?

Als ich fertig bin sind es schon 21 Uhr, also stopfe ich noch einige Süßigkeiten in mich hinein und bringe die restlichen Süßigkeiten auf Reitas Zimmer. Man wo ist er bloß? Irgendwie vermisse ich ihn. Und irgendwie habe ich auch ein ganz ungutes Gefühl.

Ich ziehe mir meinen Schlafanzug an und gehe ins Wohnzimmer, aber dort ist auch keiner. Verunsichert gehe ich hoch und klopfe an ihr Zimmer, aber niemand antwortet. Ängstlich tapse ich wieder runter, gehe ins hintere Teil des Hauses und klopfe bei seiner Großmutter an. Diese öffnet auch nach einer Zeit die Tür.

„Ruki, was ist denn los?“, fragt sie direkt.

„Wo sind die anderen?“, nervös schare ich mit dem Fuß auf dem Boden herum.

„Krankenhaus“, antwortet sie knapp.

„Warum?“, unsicher schaue ich sie an.

„Reitas Zustand hat sich verschlechtert und deshalb hatte ich den Krankenwagen gerufen“, gibt sie traurig zu.

Ich nicke nur als Antwort und starre den Boden an. Ich mache mir Sorgen. Ich will ihn nicht verlieren. Ich will eigentlich beide nicht verlieren. Geht es Reita wirklich so schlecht?

„Willst du vielleicht etwas hier bleiben?“, fragt sie mit einem kleinen Lächeln.

„Wenn ich darf“, ich will mich schließlich keinen aufdrängen.

„Komm schon rein, dann mach ich dir auch etwas zu essen“, bietet sie mir an.

„Keinen Hunger“, schon lange nicht mehr.

„Hast du heute schon etwas gegessen?“, erkundigt sie sich besorgt.

„Frühstück, Mittagessen und ganz viel Süßkram“, wahrscheinlich hätte ich nicht so viel süßes essen dürfen.

„Dann ist das kein Wunder“, kopfschüttelnd guckt sie mich an.

Die Tränen am weg blinzeln schlurfe ich ins Wohnzimmer und lasse mich auf der Couch nieder. Ich möchte nicht schon wieder weinen.

Im Fernseher läuft irgendeine Seifenoper, die mich ganz schläfrig werden lässt.
 

Müde schlage ich die Augen auf, als mich seine Schwester hoch hebt und zu unserem Zimmer trägt.

„Sorry, wenn ich dich geweckt habe“, entschuldigt sie sich.

„Nicht schlimm“, murmele ich leise vor mir her.

„Geht es dir gut?“, fragt sie direkt besorgt.

„Nicht so“, murmele ich noch leiser vor mir her.

„Was hast du denn?“, was habe ich eigentlich?

„Müdigkeit“, gebe ich nach kurzem zögern von mir.

„Du kannst ja auch direkt weiter schlafen“, versichert sie mir lächelnd.

Sie legt mich auf dem Schlafsofa ab und deckt mich zu, streicht mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht.

„Und jetzt schlafe noch etwas“, meint sie mit einem Lächeln.

~

Zur Schule bringt mich Reitas Mutter, die auch direkt zur Klassenlehrerin stiefelt. In der ersten Stunde soll ich die Arbeit nach schreiben, also mache ich mich auf den Weg zu dem jeweiligen Raum.

Nachdem dieses erledigt ist, mache ich mich auf den Weg zur Turnhalle, um den anderen beim Sport zu zugucken. Der Lehrer lässt mich gnädigerweise lernen, sodass ich die Zeit nicht mit Protokoll schreiben verbringen muss.

In der Mathestunde bekomme ich nur Lob zu hören und auf meine Arbeit habe ich auch 100% bekommen, also kann ich doch noch gut sein. Und es freut mich einfach, dass ich trotz der langen Fehlzeit keine sichtlichen Probleme habe.
 

Nach der Schule beeile ich mich um ins Krankenhaus zu kommen. Ich möchte Aoi nicht begegnen, denn auf ihn habe ich heute absolut gar keine Lust. Und es dauert auch nicht lange, bis ich ankomme und mich zu Reitas Zimmer durchgefragt habe. Dort angekommen begrüße ich erst einmal seine Mutter und umarme Reita.

„Hast du Aoi gesagt, dass ich wieder im Krankenhaus liege?“, fragt er.

„Nein, hab ich nicht. Hab seit gestern Mittag nicht mehr mit ihm geredet“, gebe ich leise lachend zu.

„Dann hoffe ich mal, dass er es nicht raus bekommt“, seufzend guckt er mich an.

„Warum?“, frage ich überrascht.

„Er will seine Ruhe. Eigentlich will er niemanden sehen“, mischt Fumiko sich ein.

„Warum?“, hake ich nach.

„Ruki frag nicht nach. Bitte frag einfach nicht nach“, fügt sie hinzu.

Irgendwie bin ich jetzt alles nur nicht schlauer. Vielleicht sollte ich trotzdem einmal Reita fragen.

„Hast du etwas sehr schlimmes?“, frage ich ungläubig.

„Nein, glaub nicht. Aber ich möchte oder eher brauche viel Ruhe“, gesteht er mir.

„Wann kommst du wieder nach Hause?“, erkundige ich mich.

Er fehlt mir einfach so unglaublich, dabei liegt er noch gar nicht lange im Krankenhaus.

„Donnerstag, vielleicht“, warum weiß er das nicht?

„Ruki gehst du bitte zu Uruha?“, bittet sie.

„Aoi ist bestimmt da“, erwidere ich.

„Komm schon“, bettelt sie schon fast.

„Dann geh ich halt. Bis später Rei, wenn du willst“, hoffentlich darf ich später noch einmal zu ihm.

Er fehlt mir nach wie vor, da ich die Zeit mit ihm einfach nicht genießen kann. Immer wenn ich da bin, geht es ihm nicht gut. Und wie soll ich dann die Zeit genießen, wenn ich weiß, dass er es nicht tut?

„Aber sag Aoi nichts“, fleht Rei.

Nickend verlasse ich den Raum und mache ich mich auf den Weg zu Uruhas Zimmer. Beide liegen momentan auf der Intensivstation, deshalb muss ich auch nicht so weit gehen. Warum will er das alles vor Aoi geheim halten?

Bei Uruha werde ich direkt von Aoi belagert, ich habe es geahnt.

„Und wie ist Mathe ausgefallen bei dir?“, will er direkt wissen.

„100%“, erwidere ich ernst.

„Du lügst!“, warum sollte ich lügen?

„100%!“, und noch einmal für ganz Langsame.

„Herzlichen Glückwunsch. Du bist echt klasse, kleiner“, meint Uruha freudig.

„Geht es dir besser Uruha?“, erkundige ich mich.

„Klar. Bald kommt auch die Magensonde weg, hoffe ich einfach einmal. Denn langsam bekomme ich richtig Lust auf was zu essen“, teilt mir Uruha mit einem Lächeln mit.

Heute scheint er tatsächlich gut drauf zu sein. Oder diese gute Laune kommt einfach von den Medikamenten.

„Das wird schon wieder. Wann wirst du genau entlassen?“, frage ich nach.

Ich bin nicht neugierig, aber ich würde es schon gerne wissen.

„Sonntag“, antwortet er nachdenklich.

Warum liegt er dann noch hier? Und warum können die ihn nicht Zwangseinweisen? Oder stellt er aktuell keine Gefahr mehr für sich da und darf deshalb nachhause?

„Und warum bist du noch auf Intensiv?“, ohne Grund wird er ja nicht hier liegen.

„Sie haben Angst, dass ich abhauen könnte“, gibt er traurig zu.

„Aber der Psychologe gibt grünes Licht für die Entlassung?“, kann ich um ehrlich zu sein nicht glauben.

„Er kennt mich besser als ihr zwei. Er meint, ich würde es schon irgendwie schaffen. Also wieder wie früher zu werden. Ich hab jetzt jeden Tag eine Therapiestunde bei ihm, bekomme wieder irgendwelche Medikamente. Damit ich keine Gefahr mehr für mich darstelle“, antwortet er unsicher.

Er klingt nicht gerade zuversichtlich. Wie soll das nur alles besser werden, wenn er nicht selbst daran glaubt? Ich habe ehrlich Angst um ihn.

„Ich hab es ja auch geschafft, also schaffst du es auch“, muntere ich ihn auf.

„Sicher. Weißt du wann Rei noch einmal vorbeikommt?“, fragt er hoffnungsvoll.

„Die nächste Zeit gar nicht“, erwidere ich.

„Wieso das denn?“,hakt er nach.

Eine Notlüge muss her, sofort!

„Keine Zeit. Er muss lernen“, hoffentlich glauben mir das die beiden.

„Bestell ihm schöne Grüße“, meint Uruha.

„Von mir auch“, sagt Aoi klein laut.

Irgendwie scheint es Aoi schon ziemlich mitzunehmen, dass Reita ihn nicht um sich haben will. Dabei kann ich es ihm nicht verübeln, dass er zurzeit niemanden sehen will. Schließlich hat er ja genug mit sich selbst zu kämpfen.

„Ich geh dann mal. Muss noch Hausaufgaben machen und dann arbeiten“, murmelt Aoi plötzlich.

Wir winken beide zum Abschied und ich lege mir schon einmal die passenden Worte zu Recht.

Uruha hat das Recht darauf zu erfahren, warum Reita nicht kommt.
 

Als Aoi außer Hörweite ist, fange ich an zu reden.

„Du Uruha, sorry für die Lüge eben“, entschuldige ich mich.

„Ich weiß schon Bescheid. Seine Schwester war gestern noch einmal kurz bei mir und hat ein wenig mit mir geredet. Und dass ich Aoi nichts sagen soll.Und wir am Besten ihm etwas fern bleiben sollen, also Rei“, seine Augen scheinen wieder so matt.

Und man merkt wie fertig er ist.

„Warum eigentlich fernbleiben?“, frage ich unschuldig nach.

Vielleicht weiß Uruha mehr über Reitas Beweggründe wie ich. Einerseits kann ich es ja verstehen, aber trotzdem kann ich mir sein Verhalten nicht so wirklich erklären.

„Er kann durch die Schmerzen nicht so gut Luft holen und reden strengt ihn deshalb zu sehr an. Außerdem krampft er ständig zusammen beim Reden wegen den Schmerzen und ihm wird davon gewaltig schlecht und das erbrechen macht das Problem nicht gerade erträglicher“, erklärt mir Uruha mit ruhiger Stimme.

Das kam mir eben nicht so schlimm vor oder ich habe es einfach nicht bemerkt. Vielleicht habe ich es auch einfach nicht bemerken wollen. Ich will Reita einfach nicht so geschwächt sehen.

„Kannst du mir einen Gefallen tun, Uruha?“, frage ich ihn.

„Ja?“, antwortet er lächelnd.

„Kannst du mit mir am Montag ein Geschenk kaufen gehen, für Rei?“, frage ich und setze meinen Dackelblick auf.

„Warum denn das?“, soll ich es ihm sagen?

Ich weiß nicht ob er die Gründe versteht. Schließlich schenkt man Freunden nicht einfach so etwas, oder nicht? Ich weiß es gar nicht, da ich nie echte Freundschaften hatte. Und selbst wenn waren es immer eher erzwungene Freundschaften, wo ich auch an die Geschäftsbeziehungen von meinem Vater denken musste. In gewissen Kreisen schließt man keine Freundschaften ohne Hintergedanken.

„Ich möchte ihm einfach für die letzte Zeit danken, weil er immer bei mir war und mich nie alleine gelassen hat. Für Aoi und dich hab ich schon eine Idee, aber bei Reita bin ich völlig ratlos“, gestehe ich ihm.

„Was für eine Idee hast du denn?“, fragt er neugierig nach.

Er sieht zwar so als wäre er kurz vorm einschlafen, aber trotzdem schmeißt er mich nicht einfach raus.

„Reita ist sowieso momentan außer Gefecht. Deshalb wollte ich mit euch beiden nächste Woche oder so feiern gehen, auf meine Kosten“, meine ich.

Was besseres ist mir leider nicht eingefallen. Ob das überhaupt schon geht? Immerhin ist Uruha jetzt schon so lange im Krankenhaus und ich darf wahrscheinlich auch nicht ohne weiteres einfach weggehen.

„Lass mal, dass darf ich noch lange nicht. Lass uns lieber schick essen gehen oder so. Das würde Aoi sicherlich auch lieber sein“, entgegnet Uruha.

„Na gut. Und was ist mit Reita?“, schließlich will ich vorwiegend für ihn etwas haben.

„Vielleicht eine Kette oder so. Mal schauen. Wir finden sicherlich etwas“, meint Uruha zuversichtlich.

„Hoffentlich“, schließlich will ich Reita wieder glücklich sehen.

„Sehe es einfach positiv, in seinem Zustand freut er sich über nichts so wirklich“, toller Witz, echt toll.

Zögerlich gestehe ich ihm: „Ich hatte so Angst, weil ich nicht wusste, wieso ich nicht mehr zu ihm soll. Habe mir immer wieder Vorwürfe deshalb gemacht. Weil ich nicht wusste was am Tag der Einlieferung passiert ist.“

Tränen kommen hoch und ich kann sie einfach nicht aufhalten. Es tut mir alles so schrecklich Leid.

„Das ist auch unwichtig. Du hast uns nur einen riesigen Schrecken eingejagt“, versichert mir Uruha.

„Das wollte ich nicht“, erwidere ich mit brüchiger Stimme.

„Mach dir doch jetzt keine Vorwürfe, bitte. Wann gehst du noch einmal zum Psychologen?“, erkundigt er sich.

„Morgen früh“, auf alle Fälle laut meinem Terminplaner.

Seit der Klinik führe ich diesen, damit es Reitas Mutter ein wenig einfacher hat. Sie bringt mich ja auch zu den meisten Terminen.

Und es soll mir auch dabei helfen den Überblick zu behalten. Darin stehen auch die Hausaufgaben, die mir der Therapeut aufgibt und im Groben was alles während den Stunden besprochen wurde.

„Kommst du mich danach besuchen?“, schwingt da Hoffnung in seiner Stimme mit?

„Kann ich machen. Ich will gerade einfach nur zu Rei“, und in seinen Armen liegen und den Schmerz von meiner Seele weinen.

Es ist so beängstigend wie wichtig er mir geworden ist. Auch in der Klinik hat er mir unheimlich gefehlt und ich hatte mir so oft gewünscht, dass er einfach vorbei kommt und meine Tränen trocknet.

„Später, lass ihm noch etwas die Ruhe“, bittet er mich.
 

Schweigend hängen wir wieder unseren eigenen Gedanken nach. Ich frage mich nach wie vor wieso Uruha sich versucht hat umzubringen. Ich habe gedacht, er wäre von den Drogen los, aber dem scheint es ja nicht so. Ob er nach wie vor Sterben will?

Immerhin scheint es ja kein Hilferuf gewesen zu sein und er konnte ja nicht damit rechnen, dass beide Methoden komplett versagen.

Aber es sagt eigentlich auch viel aus, dass er nicht eingewiesen wurde. Müsste er nicht nach so einer Aktion zwangsläufig für längere Zeit in die Psychiatrie? Bei mir war es ja um Welten harmloser und trotzdem war ich eine ganze Zeit lang auf der Geschlossenen.

„Du“, spreche ich ihn vorsichtig an.

„Ja?“, antwortet er neugierig.

„Weißt du wirklich nichts mehr davon?“, frage ich.

„Nichts“, er schüttelt ein wenig den Kopf.

„Warum?“, er kann es doch nicht vergessen haben, oder?

„Schlechter Drogenmix“, ungläubig starre ich ihn an.

Drogenmix?! Warum will er seinen Körper nur noch mehr zerstören? Es gibt doch für alles eine Lösung. Und Drogen ist garantiert eine, die man definitiv nicht wählen sollte. Ich frage mich, ob er vor dem Selbstmordversuch wieder konsumiert hatte und warum das keinem aufgefallen ist. Oder war er nie wirklich davon weg?

„Wieso?“, frage ich nach.

„Irgendwann wirst du es herausfinden. Irgendwann“, entgegnet er mit leerem Blick.

„Das hat mit deiner ehemaligen Arbeitsstelle zu tun oder?“, frage ich vorsichtig nach.

Ohne Grund wird er ja nicht da weg sein und ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt gehabt, warum ihn immer wieder jemand abholen musste. Ob sie ihn dort misshandelt hatten?

„Ja“, bestätigt er meine Vermutung.

„Seit wann nimmst du wieder Drogen?“, frage ich zögerlich.

„Erst seit einem Monat wieder so richtig. Falscher Umgang halt. Mir wurde das ganze einfach zu viel und ich habe Spaß gesucht“, gesteht er mir.

So wie er spricht scheint es etwas zu sein, was er die letzten Tage immer wieder erzählen musste. Wahrscheinlich stimmt noch nicht einmal die Hälfte davon, oder?

„Aber“, versuche ich ihm zu widersprechen.

„Ruki bitte lass das Thema. Du würdest es nicht verstehen“, bittet er mich.

„Vielleicht ja doch“, er weiß ja nicht was ich bisher schon alles erlebt habe.

„Du hast keine Ahnung von der Welt in der ich lebe. Du bist einfach zu unschuldig dafür“, meint er nachdrücklich.

Obwohl ich schon schlimme Dinge erlebt habe, hatte ich bisher noch so gut wie gar nichts mit Drogen zu tun.

Natürlich habe ich schon das ein oder andere auf den großen Feiern der Firma erlebt. Aber bisher hatte ich noch nie Kontakt zu einem Junkie. Und wenn Uruha eins ist, dann ist es ein Junkie. Und das ist etwas, was ich von ihm nie erwartet hätte.

„Sorry nur ich rede nicht gern darüber. Aoi und Rei wissen auch nichts von all dem, auch nicht von den Drogen. Bitte erzähl es ihnen nicht“, bittet er mich.

„Okay“, aber ich denke einmal, dass sie es schon längst wissen.

„Ich wollte es ja auch nicht. Aber ich war so verdammt verzweifelt“, fügt er hinzu.

Er hätte mit uns reden können.

Warum kann er nicht einmal jemanden vertrauen? Fällt es ihm so schwer sich auf eine Beziehung einzulassen? Auch wenn es nur eine einfache Freundschaft ist? Warum muss er den Leuten, denen er wichtig ist immer wieder vor den Kopf stoßen?

Letztendlich sind es wahrscheinlich die Drogen, die ihn dazu bringen. Aber was um alles in der Welt hat ihn dazu gebracht? Ich bin mal gerade ein Jahr jünger und ich könnte nie so handeln wie Uruha. Warum um alles in der Welt schmeißt er sein Leben nur so weg?
 

Die Tür schwingt auf und Reitas Mum tritt herein.

„Na ihr zwei“, ein Lächeln ziert ihre Lippen.

„Ah, wie sieht's denn heute mit unserem Sturkopf aus?“, erkundigt sich Uruha.

Uruha wirkt schon wieder viel fröhlicher und wacher. Warum zeigt er Fumiko nicht wie es ihm wirklich geht?

„Besser wie letzte Nacht, langsam wirkt die Medizin“, versichert sie uns.

„Und seine Stimmung?“, hakt Uruha nach.

„Sie geben ihm etwas dafür. Und halt die Gespräche mit dem Psychologen“, erzählt sie.

„Das tut mir so was von Leid“, Uruha senkt schuldbewusst dein Kopf.

„Er hat ja auch nie gesagt, dass ihn das alles so mit nimmt. Besonders die Sache mit Ruki scheint ihn ja sehr mitzunehmen. Euch trifft keine Schuld“, versichert sie uns.

Warum ist das? Bin ich Reita wirklich so wichtig? Bin ich ihm etwa mittlerweile mehr wert wie Uruha?

„Dabei weiß er doch, dass Ruki tief im Innern ein Kämpfer ist“, murmelt Uruha leise.

Das bin ich nicht, ich kämpfe sehr selten bewusst um etwas. Ansonsten wäre ich nie so lange bei meinen leiblichen Eltern geblieben. Und vor allem hätte ich mich ansonsten viel früher gegen den Missbrauch gewehrt und das habe ich definitiv nicht getan.

„Es geht nicht um wissen, sondern um glauben“, erklärt Fumiko.

„Kann ich am Sonntag zu ihm?“, fragt Uruha.

„Übermorgen? Ich denke schon“, verwirrt schaut sie ihn an.

„Kann ich dann am Montag Ruki entführen?“, erkundigt sich Uruha.

Wie bitte, du willst mich Knirps entführen?!

„Du bist noch Montag krank geschrieben, das weißt du?“, fragt sie abwartend.

„Trotzdem kann ich weggehen“, verbessert Uruha Fumiko.

„Hast du wenigstens für die Arbeiten gelernt?“, erkundigt sie sich.

„Ja“, warum glaub ich das Uruha nicht?

„Kannst du es?“, hakt sie nach.

„Na klar“, versichert er uns.

„Ich frag dich am Sonntag ab. Wenn du es kannst, darfst du mit Ruki weg. Aber feiern oder ähnliches darfst du noch lange nicht! Und auch nur für maximal zwei Stunden und wehe du beschwerst dich danach darüber wie schlecht es dir geht“, harte Worte von Fumiko.

Aber sie hat ja Recht. Feiern darf Uruha noch lange nicht, da er ja erst bis vor kurzem im künstlichen Koma lag und sein Zustand ja auch nicht gerade viel versprechend war. Es ist ein Wunder, dass es ihm wieder so gut geht.

Und vor allem ist es ein Wunder, dass das künstliche Koma kaum Auswirkungen hat. Es gibt ja durchaus Fälle, bei denen die Betroffenen alles erst wieder erlernen müssen.

„Ich will ja auch nur kurz ins Einkaufszentrum mit ihm“, wirklich nur das, Uruha?

„Holt ihr Aoi mit?“, bittet uns Fumiko.

Eigentlich wollte ich Aoi nicht dabei haben, da er ja nach wie vor zwischendurch ziemlich nervig sein kann. Aber wahrscheinlich ist es besser ihn dabei zu haben, schließlich kennt er Uruha und seine Launen und kann dann auch dementsprechend reagieren.

„Warum?“, frage ich verwundert.

„Er würde sich sicherlich freuen“, antwortet sie.

„Und sich nur mit Ruki streiten“, genau Uruha!

„Das glaube ich kaum“, wirklich Suzuki-san?!

„Ist aber so“, gebe ich trotzig von mir.

„Seit Ruki wieder zu Hause ist, verstehen die beiden sich unheimlich gut“, erklärt sie uns.

„Stimmt das kleiner?“, fragt Uruha fassungslos.

„Ja“, gebe ich widerwillig und zerknirscht von mir.

Auch wenn wir zwischendurch immer noch aneinander geraten. Aber was soll man schon dagegen machen? Selbst unter den besten Freunden gibt es ab und an Streit.

„Das ist man einmal nicht da und schon steht alles Kopf“, murmelt er verwundert.

Müde strecke ich mich und gähne erst einmal herzhaft.

„Ich glaub der Gartenzwerg gehört ins Bett“, ich bin doch gar nicht so klein Uruha!

„Und du solltest dich auch lieber mehr ausruhen“, weist Fumiko den Kranken zu recht.

„In wiefern?“, fragt er.

„Du weißt was ich meine“, fügt sie hinzu.

Ich will auch wissen, worum es geht.

„Schon in Ordnung, werde ich tun. Sobald ihr weg seid lerne ich“, verspricht er uns.

Müde lehne ich mich an Rei seiner Mutter und schließe die Augen.

„Ich glaube wir gehen jetzt lieber. Bis morgen dann“, verspricht sie ihm.

„Geht ihr nicht noch einmal zu Reita?“, fragt er verwundert nach.

Also vorm Schlafen gehen will ich ihn wenigstens noch einmal sehen!

„Er schläft sicherlich. Bist du morgen schon auf einem normalen Zimmer?“, erkundigt sie sich.

„Denke schon“, antwortet er.

Es ist echt Wahnsinn wie schnell es für Uruha jetzt Richtung Entlassung geht.

Hoffentlich kann ich wenigstens Morgen noch einmal Reita sehen. Vielleicht geht es ihm dann auch wieder besser und wir können ein wenig reden? Warum kann nicht schon Morgen sein?

„Dann ärgere die Krankenschwestern nicht zu viel“, mahnt Fumiko.

„Werde ich tun. Aber ihr kommt morgen Nachmittag?“, fragt Uruha.

„Dich kann man doch keinen Tag alleine lassen, ohne dass du Mist baust“, meine ich lachend.

„Warum ärgert ihr mich neuerdings alle?“, tun wir das, Riese?

„Das kommt dir nur so vor“, ein fettes Grinsen ziert meine Lippen.

Achselzuckend verlasse ich den Raum und gehe schon einmal vor. Seine Mutter kommt auch bald und zusammen gehen wir stillschweigend zum Auto.
 

Warum bin ich nur so müde? Dabei habe ich die letzte Zeit doch oft genug geschlafen, oder etwa nicht?

Selbst die in der Klinik haben zum Schluss gemeint, dass ich einen gesunden Schlafrhythmus habe. Ich bin jeden Abend früh zu Bett, damit ich am nächsten Morgen ausgeschlafen bin. Selbst die Schlaftabletten brauchte ich nicht mehr zu holen. Dafür machen mich die anderen Tabletten einfach zu ruhig und da bin ich auch froh drum. Natürlich bin ich immer noch wie auf glühenden Kohlen, aber trotzdem klappt das mit dem Schlafen erstaunlich gut.

„Magst du vielleicht noch etwas essen, bevor du schlafen gehst?“, fragt sie mich.

„Später vielleicht, erst einmal schlafen“, antworte ich.

Ich bin viel zu müde und würde wahrscheinlich auch keinen Bissen runter bekommen.

„Soll ich dich denn wecken?“, bietet sie mir an.

„Nein“, ich werde schon irgendwann wieder aufstehen.

Pünktlich zur Tabletteneinnahme werde ich sicherlich wach.

„Aber du isst etwas, versprochen?“, bittet sie mich.

„Ja, werde ich“, verspreche ich ihr.

Warum wird nur so auf meine Ernährung geachtet? Ich habe wieder zugenommen, okay nicht genug, aber so dünn bin ich auch nicht mehr! Und die restlichen Kilos kommen laut den Therapeuten auch von alleine wieder auf meine Rippen. So lange ich wie ein normaler Mensch esse, werde ich auch wieder so viel wiegen wie ein normaler Mensch. Ich glaube so viel jetzt habe ich schon zu lange nicht mehr gewogen.
 

Erst am Sonntag begebe ich mich wieder aus dem Haus. Den Termin beim Psychologen habe ich nicht wahrgenommen und dieser war auf Grund der Tatsache, dass ich nicht kommen konnte, sehr besorgt. Reitas Mutter hat für mich den Termin verschoben.

Sogar Aoi ist einmal kurz nach mir gucken kommen und die ganze Zeit saß Großmütterchen neben mir. Heute geht es mir zwar auch nicht besser, aber ich habe lange genug gebettelt um wenigstens Reita besuchen zu dürfen.

Dabei hatte ich mir so viel vorgenommen und ich hatte ganz außer Acht gelassen, dass eine Traumafolgestörung ja sich durchaus auch körperlich bemerkbar machen kann. Und dieses Mal hatte es mich wirklich eiskalt erwischt.

„Ruki?“, ja so heiße ich, Reita.

„Hm?“, fragend schaue ich ihn an.

„Du bist blass“, ach wirklich Rei.

„Du auch Rei“, kontere ich.

„Ich weiß das. Mum hat gemeint dir ging es gestern nicht so gut“, murmelt er leise.

Man merkt einfach wie erschöpft er ist und das es ihm nach wie vor sehr dreckig geht.

„Es geht schon wieder etwas. Meine Schulter tat wieder ziemlich weh und mir war ein wenig schlecht. Deine Mutter meinte ich soll im Bett bleiben und deine Großmutter hat dann darauf aufgepasst, dass ich das auch ja tue“, und nebenbei habe ich mich wie ein Prinz von vorne bis hinten bedienen lassen.

Ich habe es jetzt nicht absichtlich ausgenutzt, aber da ich nicht aufstehen durfte außer für die Toilette ließ es sich halt nicht vermeiden.

„Also das hätte ich mir nicht gefallen lassen“, antwortet er verwundert.

„Zu Hause wurde ich nie so umsorgt“, da war es völlig egal wie schlecht es mir wirklich ging.

Selbst mit hohen Fieber und allem musste ich mir mein Essen selbst aus der Küche holen. Außer mein Vater und mein Großvater haben nicht aufgepasst. Dann hat mir meine Mutter immer etwas hoch gebracht. Manchmal hat dieses aber auch mein Bruder gemacht. Aber trotzdem wurde es nicht gern gesehen, wenn ich eine Krankheit als Ausrede für so etwas benutzt hatte. Ich hatte schließlich zu funktionieren und das egal wie.

„Kommt Uruha gleich?“, lenke nicht ab Rei!

„Ich denke schon. Deine Mum und Aoi auch“, auf jeden Fall wollten sie kommen.

„Dann habe ich ja wieder volles Haus“, erwidert er genervt.

Ich hätte mich damals im Krankenhaus gefreut, wärt ihr jeden Tag vorbei gekommen, Reita.

„Wenigstens bist du wieder auf einem normalen Zimmer. Und kannst wieder normal reden, ohne dass es dir schlecht geht“, seufzend spiele ich mit seinen Fingern.

„Hm...“, warum antwortest du mir nicht?

„Wehe du bist bis Donnerstag immer noch nicht auf freiem Fuß! Dann werde ich richtig sauer“, dann erlebst du mich in Aktion!

„Sehe du erst einmal zu, dass du zu deinem Psychologen kommst. Nachher holen sie dich noch mit einer Zwangsjacke ab“, weist er mich daraufhin.

„Im Gegensatz zu Uruha bin ich nicht mehr stark suizidgefährdet. Wäre ich irgendetwas in der Art, würde ich hier garantiert nicht stehen“, gebe ich genervt von mir.

„Sei doch nicht direkt so sauer“, bittet er mich.

„Ts“, wütend schaue ich ihn an.

„Lass dich mal umarmen“, ah einschleimen will er sich jetzt auch noch!

Seufzend kommt er auf mich zu und nimmt mich in den Arm. Murrend kuschle ich mich an ihn.

„In der Hinsicht hast du dich wenigstens überhaupt nicht verändert“, bist du jetzt glücklich, Rei?

„Ja“, warum sollte ich mich auch in der Hinsicht verändert haben?

Erst durch Reita habe ich gelernt wie schön Umarmungen sein können.

„Ich habe dich so vermisst gehabt“, wirklich, Reita?

„Ich dich doch auch“, meine ich leicht belustigt.

Er zieht mich mit sich zu seinem Bett und hebt mich hoch, um mich auf dieses zu setzen.

„Am liebsten würde ich dich nicht mehr gehen lassen“, teilt er mir mit.

Ich will dich auch nie mehr verlassen! Dafür ist er mir als Person einfach viel zu wichtig.

„Musst du aber“, antworte ich.
 

Die Tür wird aufgerissen und ein freudestrahlender Aoi tritt herein und zieht Uruha mit sich.

„Was macht ihr denn hier?“, fragt Aoi ungläubig.

„Nichts, notgeile Oma“, erwidert Rei kalt.

„Sei mal nicht so frech Reita“, weist ihn seine Mutter zu Recht.

„Wir bleiben auch nicht lange Rei, versprochen“, meint Uruha.

Auf einmal kribbelt mein Nacken und das Atmen fällt mir schwer.

Tränen sammeln sich in meinen Augen und ruckartig verstecke ich mein Gesicht in Reitas Schlafanzugoberteil. Bilder des vergangenen erfüllen die Luft.

„Was ist denn mit dem Zwerg?“, fragt Aoi.

Liebevoll streicht mir Reita über den Rücken und flüstert immer wieder irgendetwas vor sich her. So wirklich kann ich nicht verstehen was er meint.

„Sollen wir kurz raus?“, fragt Aoi direkt.

„Bleibt ruhig hier“, flüstere ich leise vor mir her.

Panik, pure Angst verbreitet sich wie ein Virus tief in mir. Kalter Schweiß sammelt sich auf meinem Gesicht und mir wird schrecklich heiß. Meine Atmung beschleunigt sich. Und ich habe das Gefühl den Boden unter meinen Füßen zu verlieren.

„Mum? Ich glaube er hat eine Panikattacke“, meint Reita auf einmal laut.

Zitternd schnappe ich nach Luft.

Mein Hals schmerzt, als hätte ihn jemand mit einem Reibeisen bearbeitet. Warum muss es ausgerechnet heute wieder passieren? Zuletzt hatte ich so eine Panikattacke vor mehr als einem Monat. Immer wieder tauchen schwarze Punkte in meinem Blickfeld auf.

„Ich geh mal kurz mit ihm raus an die frische Luft“, gibt sie seufzend von sich.
 

Reitas Mutter stützt mich auf dem Weg nach draußen.

Mir geht es mit jedem Schritt ein bisschen besser und das Atmen fällt mir auch leichter.

„Geht es wieder etwas?“, fragt sie besorgt.

„Ein wenig“, flüstere ich.

„Was war denn los?“, erkundigt sie sich.

Will sie das wirklich wissen?

„Flashbacks“, murmele ich vor mir her.

Liebevoll streicht sie mir die verschwitzten Haare aus der Stirn. Vorsichtig umarmt sie mich.

„Das wird schon wieder“, versucht sie mich etwa aufzumuntern?

„Hm“, meine ich daraufhin nur.

„Sollen wir wieder rein?“, fragt sie mich.

„Noch eine Minute“, bitte ich.

„Ich hab dir den Termin auf Dienstag legen lassen. Der Psychologe macht sich Sorgen“, warum Sorgen?

„Wieso?“`, frage ich direkt nach.

„Weil du wieder so viel emotionalem Stress ausgesetzt bist. Er hat Angst davor, dass du einen Rückfall erleidest“, warum Rückfall?!

Bin ich etwa wirklich so wenig belastbar?

„Was will er denn dagegen tun?“, frage ich verunsichert nach.

„Dich wieder in die Klinik schicken“, sprachlos schaue ich sie an.

„Empfehlung oder Befehl?“, frage ich klein laut nach.

Ich will nicht schon wieder zurück. Ich will endlich leben.

„Nur ein Gedanke, hoffe ich. Aber ich denke Mal, er überlässt dir die Entscheidung. Du wolltest ja auch unbedingt nach 2 Monaten raus“, erklärt sie mir ruhig.

Weil ich gedacht habe, ich schaffe das. Ich habe gedacht mir geht es gut, dabei war es nur eine Illusion. Vielleicht hätte ich die restliche Zeit da bleiben sollen, damit ich wirklich stark werde. Damit die Mauer die ich errichtet habe nicht bei einem kleinen Erdbeben zusammen fällt, sondern für immer steht. Aber ich war töricht und jetzt muss ich mit den Konsequenzen leben.

„Ich glaub ich fahre lieber nach Hause“, laut seufze ich.

„Geht es dir nicht gut?“, fragt sie direkt besorgt.

„Ich möchte etwas schlafen“, demonstrativ gähne ich.

„Wir sollen dich doch nicht alleine lassen“, warum eigentlich nicht?

„Ich will aber nicht mehr“, gebe ich weinerlich von mir.

„Ganz ruhig“, vorsichtig streicht sie mir über den Oberarm.

Ich schniefe einmal leise und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. Warum ist das alles nur so anstrengend?

„Ruki?“, spricht sie mich zögerlich an.

„Mir ist schlecht“, antworte ich nur darauf.

Sie packt mich an den Handgelenken und zieht mich zurück zu Reita, würdigt mich keines Blickes mehr.

„Lassen sie los, bitte“, flehe ich.

Aber nichts passiert.

„Bitte“, noch mehr Tränen finden ihren Weg.

Warum kann sie nicht einfach los lassen? Sie tut mir weh. Ich möchte nicht schwach sein, ich möchte stark sein vor den anderen. Ich will wieder lachen können, ohne Hintergedanken. Ich möchte nicht mehr weinen, ich möchte erwachsen werden.
 

Sie öffnet die Tür und schon stürzt sich Uruha auf mich.

„Uruha kümmere du dich etwas um ihn. Ihm ist ein wenig schlecht“, sie klingt genervt.

„Hm, okay“, antwortet Uruha nur.

Seufzend kuschele ich mich mehr an Uruha und schließe die Augen. Die Übelkeit hat auf dem Weg zurück noch zu genommen und ich kann nur mit Mühe und Not das Würgen unterdrücken. Ich möchte hier weg. Der Geruch nach Desinfektionsmitteln treibt mich in den Wahnsinn. Warum nur triggert mich das immer wieder? Dabei war doch während den letzten Besuchen alles in Ordnung?

„Vielleicht sollten Uruha, der kleine und ich nach Hause gehen. Reita wollte ja schon eben seine Ruhe“, schlägt Aoi vor.

„Macht das, passt aber gut auf Ruki auf“, meint seine Mum.
 

Sie nicken und Fumiko hilft mir dabei auf Aois Rücken zu klettern. Und so machen wir uns auf den Weg nach Hause.

„Wenn dir noch schlechter wird, sagst du Bescheid“, bittet Aoi.

„Mach ich“, murmele ich schwächlich.

Ich fange haltlos an zu zittern. Mir ist so wahnsinnig schlecht und kalt. Aber ich möchte nichts sagen, nachher wird die Übelkeit nur noch schlimmer beim Sprechen. Ich habe das Gefühl an meinem eigenen Speichel zu ertrinken.

„Ich glaub wir gehen lieber erst einmal zu dir Aoi“, meint Uruha.

„Sehe ich auch so“, entgegnet Aoi.

Irgendwann kommen wir endlich an. Endlich kann ich mich kurz hinlegen und hoffentlich zur Ruhe kommen.

„Ich mach ihm am Besten einen starken Tee“, schlägt Uruha vor.

„Mach das. Hast du eine Ahnung wo er seine Tabletten hat?“, ich will keine Tabletten Aoi!

„Daheim“, murmele ich.

„Ich ruf Reitas Mum an, sobald ich Ruki ins Bett verfrachtet habe“, seufzt Aoi.

„Klo“, meine Stimme klingt so brüchig.

„Leg dich erst einmal etwas hin, dann vergeht die Übelkeit schon“, das glaub ich nicht, Aoi.

Und was ich wenn ich mich doch übergeben muss?

Er lässt mich erst auf seinem Bett runter und holt mir dann einen Schlafanzug.

„Ist bequemer“, versichert er mir.

Er lässt mich kurz alleine, damit ich mich in Ruhe umziehen kann. Natürlich ist er einige Nummern zu groß, aber es stört mich nicht im Geringsten. Ich zittere immer noch ein wenig, aber nicht mehr so stark wie vorhin. Es fühlt sich so an als wäre das Schlimmste mittlerweile vorbei.

Uruha kommt rein und stellt mir eine Tasse Tee und einen Eimer neben das Bett. Er beugt sich zu mir runter und runzelt die Stirn.

„Wir lassen dich dann einmal alleine, damit du schlafen kannst“, aufmunternd tätschelt er meinen Kopf und geht wieder.

Ich nicke nur und nehme ein paar Schlucke von dem Tee und hoffe einfach einmal, dass ich den Eimer heute nicht brauchen werde.

Die Übelkeit lässt langsam aber sicher auch etwas nach. Ich ziehe die Bettdecke bis zu meinem Kinn und bin einfach nur froh darüber, im Bett liegen zu können. Es ist schön warm und langsam lässt das Zittern nach.

Und trotzdem läuft es mir plötzlich eiskalt den Rücken runter.

Erste Tränen rollen über meine Wange.

Wieso kann nicht einmal alles gut gehen? Warum bin ausgerechnet ich dazu verdammt ein notorischer Verlierer zu sein? Ich wische energisch über meine Wangen, aber immer wieder finden neue Tränen ihren Weg. Und das zittern wird auch wieder schlimmer.
 

Schwankend begebe ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer.

„Ruki?!“, Uruhas Augen weiten sich.

Uruha rast auf mich zu und schließt mich in seine Arme. Beruhigend streicht er über meinen Rücken, immer und immer wieder.

„Ganz ruhig Ruki. Was ist denn los?“, fragt Aoi unwissend.

Immer wieder schniefe ich und kann mich einfach nicht beruhigen.

„Aoi mach ihm mal eine Wärmflasche“, fordert Uruha Aoi auf.

Er trägt mich zum Sofa und setzt sich mit mir zusammen hin. Immer wieder streicht er mir die Haare aus der Stirn oder streicht vorsichtig über meinen Rücken.

„Ist dir wieder schlechter?“, fragt er besorgt.

Ein Kopfschütteln folgt.

„Was ist denn mit dir los Ruki?“, fragt er besorgt nach.

„Ich weiß es nicht“, und das stimmt auch.

Ich weiß nicht was mich gerade so aus der Bahn wirft. Es ist doch alles in Ordnung?

„Dann komm, beruhige dich wieder“, wie denn Uruha?

Ich schniefe noch einmal und kuschele mich an seine Halsbeuge. Ich möchte schlafen, mich ausruhen. Aber ich finde einfach keine Ruhe.

„Denkst du, du schaffst den Weg nach Hause?“, fragt er vorsichtig nach.

„Ja“, wenn mich einer trägt, schaffe ich ihn sicherlich.

„Wenn nicht, sag es ruhig. Ruhe dich am Besten noch ein wenig aus. Ich will nicht, dass du uns einfach aus den Latschen kippst“, teilt mir Uruha mit.

„Werde ich nicht“, schmollend schiebe ich die Unterlippe vor.

„Ruki-chan, du bist immer noch total blass“, leise gluckst er.

„Dann halt nicht“, wütend verenge ich die Auge zu Schlitzen.

„Ich hab doch nur Angst um dich“, lacht er.

Obwohl mich das Gespräch ein wenig ablenkt, nimmt die Angst stetig zu und auch die Übelkeit wird immer schlimmer.

„Toll jetzt ist mir wieder richtig schlecht“, meine ich.

„Toilette?“, fragt er direkt.

Ich schüttele den Kopf und frage mich, ob das die richtige Entscheidung ist.

Aoi kommt wieder und lehnt die Wärmflasche an mich, wirft uns beiden eine Decke über.

„Schlaf etwas Ruki. Fumiko hat gemeint, dass sie uns in ein paar Stunden abholt. Wenn Reita fertig untersucht wurde“, ein kleines Lächeln ziert Aois Lippen.

„Genau kleiner, ruhe dich etwas aus. Ich bleibe auch bei dir“, wehe wenn nicht!

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Disclaimer: nicht mir, nicht Geld~
 

wow, ich lebe noch XD

naja ich hoffe das Kapitel hat irgendwem gefallen~

klein Ruki lasse ich bald auch noch einmal richtig leiden. Die Flashbacks sind nur der Anfang.

Und eigentlich wollt ich Uruha sterben lassn =/ aber dann lieber doch nicht. Das hätte einfach nicht gepasst.
 

16.08.2009:

4330 -> 5767 Wörter

14.01.2019: → 7050 Wörter



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Kiu-
2008-07-15T12:55:02+00:00 15.07.2008 14:55
also mir gefällt das kapitel ^^
auch wenn ich mir immer noch kein reim drauf machen kann...was genau jez mit uruha passiert ist..(betonung liegt auf genau xD)
puuh...zum glück hast du ihn nicht sterben lassen! ._.

...na da bin ich ja mal gespannt...armer ruki..muss wieder leiden...*har har* xD ...oki...das war nicht ernst gemeint...näää?!
ich freu mich aufs nächste kapi!
cüü~ .^^°


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