Zum Inhalt der Seite

In der Hand der Götter

(Ehemals: Der Zorn Exavors)
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Das Dorf am Narle

Auf dem Weg zurück zu Pantaleon, welcher immer noch am Rande der Oase auf sie wartete, machten Kent und Minja einen Bogen um die Ansammlung der kleinen Strohhütten; keiner von ihnen war in der Stimmung jemandem zu begegnen.

Wieder waren sie fort geschickt worden, beide hatten sich Hilfe von der Göttin des Schicksals erhofft, spätestens nach dem Gespräch mit dem Dorfältesten. So hatten sie nur einen weiteren Hinweis erhalten und die Zeit lief unaufhörlich weiter fort.

„Sie hat nicht einmal gesagt, wie wir an diese Kristallglocke kommen können“, sagte Minja nach kurzer Zeit unvermittelt; eine Mischung aus Zorn und Traurigkeit schwang in ihrer Stimme mit.

Kent warf ihr nur einen Seitenblick zu, verschränkte die Arme vor der Brust und schwieg. Erst nach einer ganzen Weile erhob er die Stimme: „Vielleicht kann Magnus uns weiterhelfen, immerhin hat er früher, als wir noch Kinder waren, in deinem Heimatdorf lange Vorträge über Mythen und Legenden gehalten. Wenn jemand von diesem 'Stein des Tiger' gehört hat, dann er.“

Langsam nickte Minja. Natürlich, Magnus! Sicher gab es kaum eine Sage, die dem Ältesten ihres Dorfes nicht geläufig war.

Die Blicke der beiden Reisenden trafen sich, als Minja den Kopf zu Kent umwandte. Ein leichtes, schüchternes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus und ein Feuer loderte in ihren Augen: Hoffnung, die Hoffnung doch noch eine Chance zu haben, Evita und Belina zu befreien, bevor die Sonne am nächsten Tag wieder ihren höchsten Stand erreichen würde.

„Ich hoffe nur, dass Pantaleon noch nicht in seine Nachtstarre gefallen ist“, bremste Kents ernster Einschub Minjas neu geschöpfte Energie rasch.

„Was meinst du damit?“, wollte sie wissen und erschauderte. Halb war die immer grausamer werdende Kälte Schuld, halb eine böse Vorahnung.

Kent seufzte nur und wandte den Blick gen Boden: „Drachen sind Kaltblüter, sie können sich ab einer bestimmten Temperatur nicht mehr bewegen und ihr Stoffwechsel wird so langsam, dass ihr Körper in eine Starre fällt, bis es wieder wärmer wird. Wenn wir Glück haben, kann uns Pantaleon gerade noch in dein Heimatdorf oder bis zur Drachenfarm bringen. Auf der Farm könnte er sich aufwärmen, wir haben speziell dafür erbaute Gebäude.“

„Was tun wir, wenn dem nicht so ist?“, fragte Minja mit zusammengezogenen Augenbrauen und ergriff reflexartig Kents Hand, deren Wärme sie ein wenig beruhigte und ihren klammen Fingern gut tat.

In Gedanken versunken schüttelte Kent den Kopf, doch er antwortete nicht.
 

Die Flügelschläge des Drachens wurden immer seltener, es war eher ein träges Gleiten, denn ein Fliegen, mit dem er sich einige Meter über dem Sand der Wüste fortbewegte. Und das war es, was Kent Sorgen bereitete: Nicht nur, dass sie so viel länger bis zu Minjas Heimatdorf brauchten, er war auch im Zweifel, ob sie es überhaupt schaffen würden.

Sicher war er sich jedoch, dass Minja hinter ihm eingeschlafen war, denn er musste ihre Arme, die sie um seine Hüfte geschlungen hatte, festhalten, damit sie nicht vom Rücken des Drachens rutschte und einige Meter tief stürzte. Doch es war ihr gutes Recht und Kent konnte es verstehen, immerhin waren die beiden den ganzen Tag fast ohne Pause unterwegs gewesen und da sie kein Geld dabei gehabt hatten, hatten sie auch nichts gegessen.

Passend zu diesem Gedankengang knurrte Kents Magen vernehmlich, wobei Pantaleon den Kopf träge zu seinen Reitern umwandte und müde die Zähne zeigte, als wollte er Kent auslachen.

Langsam und erst kaum merklich verlor der Drache an Höhe, der unter ihm hinweg rauschende Sand kam langsam näher. Kent bemerkte es erst, als bereits Lichter in der Ferne zu erkennen waren, die wohl von Fackeln stammten, die abends am Ufer des Narles entzündet wurden, doch nun ging der Abstieg rasant. In nur wenigen Sekunden kam der schwere Wüstendrache dem Boden um gut einen Meter näher. Das Rumpeln, als seine Krallen den Boden streiften, schreckte Minja auf.

„Kent, was geht hier vor?“, schrie sie entsetzt auf; aus dem Schlaf gerissen war sie sich nicht einmal darüber im Klaren, wo sie sich gerade befand.

„Keine Angst, wir sind schon fast da“, versuchte Kent sie eher schlecht als recht zu beruhigen, als Pantaleon zur Landung ansetzte.

Eigentlich war es weniger eine Landung denn ein zielgerichteter Sturz, denn sie hatte nichts von Pantaleons üblicher Geschmeidigkeit und Eleganz und kaum am Boden blieb der Drache mit einem grunzenden Geräusch reglos liegen.

Rasch kletterten Kent und Minja von seinem Rücken und rannten um ihn herum zu seinem Kopf.

„Was ist los? Geht es ihm gut?“, wollte Minja ängstlich wissen und suchte in der Dunkelheit fast blind wieder einmal nach Kents Hand, um sich daran zu halten.

„Nein, nein, alles in Ordnung. Er ist nur erschöpft und jetzt endgültig in seine Nachtstarre gefallen“, antwortete Kent leise, beugte sich zum Kopf des Drachens hinunter und streichelte ihn, „Für ihn war das heute ein noch anstrengenderer Tag als für uns. Komm, wir hohlen ihm Decken, bis zur Farm hat er es ja nicht mehr geschafft.“

Überrascht blickte Minja auf, sie war die ganze Zeit damit beschäftigt gewesen, nach Kents Hand zu suchen, hatte sie jedoch nicht gefunden und bemerkte erst jetzt, dass sie direkt vor ihrem Heimatdorf Bruch gelandet waren.

„Oh, wir sind ja schon da! Was für ein Glück“, rief sie nun freudig aus und rannte voraus in Richtung der hell leuchtenden Fackeln in der Dunkelheit.
 

„Bist du sicher, dass es ihm da draußen gut geht?“

Minja stand vor der Hütte des Dorfältesten und spähte angestrengt in die absolute Dunkelheit, die um das Dorf herum herrschte.

„Ja, die meisten Drachen schlafen in unserer Farm auch draußen, es sei denn, sie sind krank“, antwortete Kent sachlich, blickte dann jedoch in Minjas Augen und bemerkte, dass sie ernstlich besorgt war, was ihn rührte. „Mach dir bitte keine Sorgen. Viel wichtiger ist es jetzt, mit Magnus zu sprechen. Es muss schon recht spät sein, können wir ihn noch stören?“

„Wir müssen!“, bekräftigte Minja. „Wie spät es wohl sein mag? Bei Magnus in der Hütte steht eine Wasseruhr, danach müssen wir ihn auch fragen. Aber gehen wir doch erst einmal rein!“

Und damit schob Minja das Fell, mit dem der Eingang der Strohhütte verhängt war, zur Seite und trat ein.

„Magnus?“, fragte sie vorsichtig und mit gesenkter Stimme. „Bist du noch wach?“

Es dauerte einige Sekunden, in denen nur das Knistern der Fackeln im Inneren der Hütte zu hören war, dann jedoch Schritte und schließlich erschien ein alter Mann in Minjas Blickfeld.

„Minja, du meine Güte, kommt rein, Liebes“, sagte er für sein Alter ungewöhnlich frisch und eilig und winkte sie zu sich heran.

Sie tat wie geheißen und ihr folgte Kent, der zur Begrüßung den Kopf neigte.

Magnus grinste und präsentierte dabei sein bereits etwas abgenutztes Gebiss, um dann auf einem Schemel Platz zu nehmen. Ihm schien das Ganze wie ein frecher Jugendstreich zu erscheinen, den man Kindern gönnen musste: „Zu so später Stunde, ihr zwei. Deine Mutter, Minja, hat sich große Sorgen gemacht! Du solltest unbedingt zu ihr hinüber gehen. Und was ist mit deinen Eltern, junger Kent?“

„Oh nein, daran habe ich gar nicht gedacht“, entfuhr es Minja erschrocken. „Und Belinas und Evitas Eltern sorgen sich sicher auch.“

„Meinem Vater habe ich gesagt, ich würde bei Minja übernachten“, antwortete Kent erklärend. „Aber darum geht es nicht, wir haben ein Problem, bei dem du uns hoffentlich behilflich sein kannst.“

Der Dorfälteste lachte laut auf: „Natürlich habt ihr ein Problem, Enne wird nicht begeistert sein.“

Enne war Minjas Mutter und tatsächlich legte sie viel Wert auf Gehorsam und war zugleich von dem selben zarten Gemüt wie Minja selbst, weshalb sie sich vermutlich den ganzen Abend gesorgt hatte.

„Das meinen wir nicht“, gaben Minja und Kent zur Selben Sekunde zurück, worauf hin Magnus hellhörig wurde und zwischen den beiden hin und her blickte: „Was ist passiert?“
 

„Hm mh, ich verstehe“, sagte Magnus langsam, nachdem Minja und Kent von der Karte, dem Tempel, Evitas und Belinas Schicksal und auch der Schicksalsgöttin Faraya berichtet hatten. „Die Tür ist also magisch versiegelt, daher hatte es keinen Sinn, Hilfe zu holen, um sie aufzubrechen. Es ist eine große Ehre einer leibhaftigen Göttin zu begegnen, ist euch das klar?“

Bei diesem Satz legte sich Minjas Stirn wie von selbst in Falten: „Eine edle Göttin ist sie nicht gerade, wenn sie uns benutzen will, um ihr Privatvergnügen zu organisieren.“

Es war deutlich zu erkennen, dass sie dieses Verhalten vom Grundzug an missbilligte.

„Von dem 'Stein des Tigers' habe ich gehört. Ein Gott soll ihn in einem Tempel unter der Wüste versiegelt haben, um die Menschen vor seiner bösen Kraft zu wahren“, überlegte Magnus laut, doch Kent unterbrach ihn ruhig und respektvoll: „Diesen Teil der Legende hat uns die Schicksalsgöttin bereits erzählt. Auch, dass der Stein nur mit einer Kristallglocke zu finden ist. Aber wo können wir diese Glocke finden?“

Einige Sekunden lang schien der Dorfälteste nachzudenken, bis er schließlich antwortete: „Die Legende besagt, dass die Kistallglocke nur ein Mensch reinen Herzens in sich selbst finden kann, um zu vermeiden, dass ein Mensch, der dem Charme des 'Stein des Tigers' verfallen würde, an sie gelangt.“

„Aber“, begann Minja verwirrt, doch Magnus zuckte nur die Achseln.

„Mehr besagt die Legende leider nicht, tut mir Leid. Aber ich habe sie bisher auch nicht führ wahr gehalten, muss ich gestehen.“

„Danke, immerhin ein Anhaltspunkt“, nickte Kent freundlich und schickte sich an, die Hütte zu verlassen, wandte sich dann jedoch noch einmal um: „Kannst du uns sagen, wie spät es ist?“

Der Alte erhob sich und trat an einen kleinen Tisch heran, auf dem zwei Krüge standen. Der eine weiter oben, in seiner Wand war ein Loch, durch das kontinuierlich Wasser floss. Da der zweite Krug mit Strichen für den Wasserstand markiert war, konnte Magnus die Uhrzeit ablesen: „Wir haben die fünfte Nachtstunde, ihr solltet nun wirklich zu Enne gehen und sie beruhigen.“

Ein freundliches Lächeln war seine Verabschiedung.
 

Das Aufeinandertreffen mit Minjas Mutter Enne war glimpflicher verlaufen, als es sich Minja und Kent ausgemalt hatte. Fast in Tränen war sie Minja um den Hals gefallen und sie beinahe angefleht ihr nie wieder solche Sorgen zu bereiten, doch nach einer ausführlichen Erklärung hatte sie Verständnis für die Situation der beiden gehabt und ihnen sogar noch einen Brotleib gegeben, bevor sie beide direkt zu Bett geschickt hatte.

Nun saßen sie auf ihren Liegen und aßen, während jeder seinen Gedanken nachhing.

Eigentlich wollte keiner von ihnen Zeit verschwenden, doch abgesehen davon, dass sie es nicht übers Herz gebracht hatten, Enne zu sagen, dass sie sofort wieder aufbrechen würden, hatten sie auch keine andere Wahl, denn Pantaleon würde vor dem Morgengrauen nicht aus seiner Nachtstarre erwachen und ohne ihn würde jeder Weg zu einer mühseligen Aktion werden, die mehrere Stunden dauern konnte, wenn sie sich nicht gar verliefen.

„Ob es Evita und Belina gut geht?“, überlegte Minja laut, während sie an einem Stück Brot kaute und seufzte anschließend hörbar: „Sie haben es nicht so gut wie wir.“

„Dafür müssen sie sich auch nicht so viele Sorgen machen, wie wir“, versuchte Kent sie aufzumuntern, doch es schien nicht zu funktionieren, denn Minja senkte nur den Blick und antwortete nicht.

„Du, Kent?“, fragte sie schließlich leise. „Ich habe Angst, dass wir es nicht rechtzeitig schaffen.“

Eine Zeit lang beobachtete der Angesprochene Minja von der Seite, dann stand er auf, um die Fackeln zu löschen und schon lag der Anbau der Hütte im Dunkel da. Insgeheim hegte er inzwischen die selbe Befürchtung, denn im Morgengrauen würden sie nur noch fünf Stunden Zeit haben, um die Kristallglocke zu finden, den 'Stein des Tigers' zu holen und ihn der Göttin zu bringen, doch konnte er es kaum ertragen, Minja so niedergeschlagen zu erleben.

„Hab keine Angst“, sagte er schließlich, während er sich auf seiner Liege nieder ließ, „gemeinsam schaffen wir es.“

Und trotz der Sorgen, die Minja und Kent belasteten, trieb sie ihre Erschöpfung bald in den Schlaf.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2007-08-01T09:51:46+00:00 01.08.2007 11:51
Hallöchen

So nun hab ich es auch mal geschafft es durchzulesen :). Muss ja sagen du machst es einem nicht unbedingt leichter wenn du einen so quälst :). Finde das Kapitel gut, konnte auch nichts finden, was ich diesmal zu beanstanden hätte, allerdings würde mich ja zusätzlich noch Interessieren, was oder wer dieser Exavor ist.
Mach weiter so. Ich bin gespannt und ich hoffe die Stolpern jetzt nicht rein zufällig über diese Glocke ;).

Duality
Von: abgemeldet
2007-07-30T19:20:47+00:00 30.07.2007 21:20
Ohhh, schade! So ein kurzes Kapitel =(
Ich hoffe du schreibst bald weiter.
Du sag ma, ist Minja eigentlich in Kent? Oder andersrum? Oder gehts nur um die Freundschaft und nicht auch ein bissl um Liebe? *gespannt*
Sagst du mir bescheid, wenns nächste Kapi da ist?

Mir gefallen die Gespräche sehr gut, wie schon gesagt. Ich bewundere es, dass du so lange Dialoge schreiben kannst... Mir persöhnlich fällt das immer schwer =(

Naja. Bis bald Nacht Hölli!

Minni


Zurück