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Das gefallene Königreich Animexxia

von

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Das fallende Königreich Animexxia
 

Liebe Freunde – ob nun Fürst, Ritter, Gaukler oder Bettler, hört mich an. Viel bin ich umhergereist, und habe viel gesehen und erlebt. Greise und alt mag ich wirken, ein verlorener Träumer.

Aber die Erfahrung macht mich weise. Ich möchte euch von fernen Landen künden und warnen. Doch fürchte ich, meine Warnung kommt bereits zu spät. Denn schon fallen bedrohliche Schatten über das einst so glorreiche Königreich Animexxia. Der Glanz blättert von den goldenen Turmspitzen eurer Burg, eure alten Könige werden vertrieben.

Einst lebte ich in einem fernen Land, weit weg von Animexxia. Dort wuchs ich auf, ein kleiner grüner Schreiberling, und lernte von Großen meine Kunst.

Ich gebar Träume und zeichnete sie in Worten nieder, farbige Welten und süße Melodien. Ich wollte den Leser auf stets neuen Pfaden entführen, ihm eine Welt zeigen, die er so noch nie gesehen hatte. So führte ich seine Gedanken und Vorstellungskraft durch Sümpfe des Unbekannten, über tiefe Schluchten von Handlungsumbrüchen und neu einsetzenden Ereignissen mit Brücken der Logik und der Geduld hinüber auf bunte Wiesen hin zu einer neuen Erfahrung.

Um dieses zu erreichen, um stetig zu wachsen und immer besser zu werden in meinem Handwerk, arbeitete ich Stunden, Tage, Wochen, ja, auch Jahre. Übte, bis alle Kerzen spät in der Nacht hernieder gebrannt, schliff und feilte bis mich mein perfektionistischer Geist endlich ruhen ließ. Ich verbrachte dort, in meiner Heimat, schöne Tage. Ich lernte in Ehrfurcht von meinen alten Meistern und stellte mich Tag für Tag der Herausforderung, Neues zu schaffen und mich ständig zu verbessern. Ich wollte selbst zu einem Meister meiner Kunst werden: Ich wollte den Leser verzücken, wollte ihn Dinge sehen lassen, von denen er nie zuvor gehört hatte.

Lange Zeit grübelte ich über einem logischen Handlungsaufbau, der die Entwicklungen in den Charakteren, die ich zeigen wollte, nachvollziehbar werden ließ und doch immer noch unterhaltsam war. Ich wollte, dass man meine Charaktere verstehen lernte.

Von meinem Perfektionismus und dem Drang, etwas wirklich Besonderes zu erschaffen getrieben, stürzte ich mich in die Arbeit, verlor mich in der Verzückung über meine eigenen, wenn auch kleinen Fortschritte, Tag für Tag. Irgendwann flossen mir Wörter aus den Händen und mein Geist summte die Melodie eines bisher nie erzählten Märchens.

In meinem Streben nach Vollkommenheit jedoch hatte ich die wachsende Gefahr nicht erkannt, die meiner Heimat drohte und letztendlich mein Leben dort und die meinesgleichen für immer zerstören sollte. Ich realisierte diese Bedrohung erst, als es beinahe zu spät war.

Viele meiner Meister waren schon längst zu neuen Ufern aufgebrochen. Als ich eines Morgens meinen Kopf aus dem winzigen, einzigen Fenster meiner dunklen Übungswerkstatt und –schmiede, in welcher ich gerade an einem neuen Kapitel zimmerte, streckte, überfiel mich die Angst. Dort, auf dem Marktplatz, an dem sich früher einst so viele geistreiche Meister und auch Gesellen versammelt hatten, um ihre Waren feilzubieten und zu veröffentlichen, dort herrschte nun nur noch eisige Stille. Verwundert und erschrocken lief ich hinaus, noch mit meiner Arbeitsschürze bekleidet, auf der immer noch heiße Buchstaben glühten. Nebel war heraufgezogen und kühlte meine von der Arbeit glühenden Wangen, doch wo ich mich drehte und wendete, sah ich niemanden außer kranke, hungernde Gesellen, die versteckt auf dem Boden zusammengesunken waren und um ihre Meister trauerten.

Sie wimmerten – ihre Meister haben sie verlassen, und sie wollten sie ursprünglich nicht begleiten. Nun kämen die Truppen der Dunkelheit – ihnen zu entfliehen, sei nicht mehr möglich. Mein Haar hing mir in nassen Strähnen traurig herab und meine Kleidung klebte an meinem Körper vor Nässe, als ich in meine Werkstatt zurückkehrte. Lange hatte ich dort auf dem vereinsamten Marktplatz gestanden und dem Röcheln der Sterbenden zugehört – bis auch ich die Unheil verkündenden Trommeln vernahm.

Nun konnte auch ich, wie meine Meister vor mir, spüren, dass ein neues Zeitalter heranbrechen würde – ein Zeitalter, in dem auch ich keinen Platz mehr finden könnte. Ich war ein Lehrling der alten Schule – und eher wäre ich gestorben, als mit den Besatzern meiner Heimat zu kollaborieren oder den Eid auf ihr neues Regelbuch zu schwören.

So packte ich meine Sachen, bereit, jeden Tag aufzubrechen und zu fliehen. Doch konnte ich es nicht. Als ich all die anderen, armen Gesellen sah, brachte ich es nicht über das Herz. Vielleicht konnte ich ihnen ja sogar im passiven Widerstand gegen die neuen Herrscher helfen?

Dieses eine Mal in meinem Leben, wo ich nicht einem ausgesprochenen Egoismus frönte, sollte ich bitter bereuen. Denn diejenigen, welche ich eigentlich zu beschützen gedachte, sollten mich verraten und davon jagen.

Ich verstand es nicht. Es war mir unbegreiflich. Sie und ich, wir waren Angehörige eines alten und ehrwürdigen Volkes gewesen. Unser Clan hatte sich stets darum bemüht, großes zu schaffen. Etwas Besonderes aufzubauen und die Meßlatte so hoch zu setzen, dass es eine wahrhafte Herausforderung für unsere Nachkommen sein sollte, dem guten Ruf unseres Clans nachzukommen.

Wir wurden jedoch verraten. Wir alle, die wir den Lesern nur das Beste bieten wollten, wurden von ihnen und von einigen unserer Zunft selbst verraten und verkauft.

Diejenigen unter uns, die vielleicht nicht ganz so erfolgreich waren, nie mit vielen Kommentaren für ihre Arbeit entlohnt wurden und auch unseren hohen Anforderungen nicht genügten, waren leichte Beute und wurden zu Verschwörern. Sie waren es leid, ständig nicht die Anerkennung zu erlangen, die sie glaubten zu verdienen. Anstatt Widerstand zu leisten, reihten sie sich in die Reihen derer ein, die meine Heimat und unseren Ruf zu zerstören.

Die neuen Herrscher waren eine neue Gruppe von Lesern. Sie wurden von unserer Kunst überfordert, sie verstanden sie nicht und wussten unsere harte Arbeit nicht zu würdigen. Ihnen genügte der kleingeistige Abfall, den die Verräter produzierten. Ständig gleiche Geschichten, ständig gleiche Motive und Themen. Keine Charakterentwicklungen, keine neuen Einfälle mehr, nur noch unlogische, zu plötzliche und nicht nachvollziehbare Wendungen, die bereits viele Male zuvor durchgekaut wurden.

Der Leser war leicht zu befriedigen. Anstatt tief in die Welt der Gefühle einzutauchen interessierte ihn nur noch billige Pornographie. Anstatt einer fesselnden, logischen Handlung interessierte ihn nur noch eine Reihe aneinandergereihter sexueller Handlungen und Anspielungen. Es kümmerte den Leser nicht mehr, ob die Charaktere vollkommen zuwider ihrer eigentlichen Persönlichkeit handelten, noch dazu ohne Erklärung, ohne Grund, der den Charakter auf realistische Weise zu einem Wesen machte, der solche Handlungen vollzog.

Die neue Gattung der Autoren brauchte keinen Plot mehr. Geschichten, deren Volumen oft nicht mehr als 1000, 2000 Wörter überstieg wurden Massenware. Sie brüsteten sich damit, viele Kommentare dafür zu erlangen, dass sie ständig immer ein und dieselbe Geschichte neu erzählten und die Charaktere auf absolute Stereotypen reduzierten sowie ihr Verhalten nach Klischees entwarfen.

Ich fühlte mich angewidert und verhungerte gleichzeitig – für meine wirklich harte Arbeit gab man mir keine Kommentare, kein Brot. Dafür warf man sie denjenigen hinterher, die sich praktisch keine Arbeit machten.

Ich sah meine Heimat und mich selbst in Trümmern. Hier, wo ich aufgewachsen war, konnte ich nicht mehr bleiben. Die saftigen Wiesen der Phantasie waren ebenso verbrannt wie die Wälder der Träume. Verlassen und mit blutendem Herzen fand ich mich vor einer feindseligen Wüste aus Qualitäts- und Anspruchslosigkeit wieder. Die Trauer über Verlorenes würde mir das Genick brechen, fürchtete ich, denn sie lastete schwer auf mir.

So beschloss ich, meiner alten Heimat den Rücken zuzukehren. Hier gab es nichts mehr. Nichts, dass mich dort noch band – meine Freunde, Kameraden und Meister waren schon lange fort oder den Wirren des Krieges mit seinen dunklen Verlockungen zum Opfer gefallen.

Allein und schwer verwundet, machte ich mich auf, um eine neue Heimat zu finden. Überall zierten blutende Wunden meinen entstellten Körper, und die Reise war lang und beschwerlich. Nicht einmal drehte ich mich um und blickte zurück – ich wollte mein Land so in Erinnerung behalten, wie ich es einst geliebt hatte: Als offenes, freundliches Land für Menschen, die lernen und sich stets verbessern wollten. Nicht als Heimat von Leuten, die aufmerksamkeitsgierig und kommentargeil auf niedrigstem Niveau um die Zuneigung dieser „Leser“, wie sie sich selbstgefällig nannten, buhlten und die Charaktere ihrer Geschichten für ihre Zwecke missbrauchten, versklavten und vergewaltigten.

Nicht einmal drehte ich mich um, doch der Wind, der mich forttrieb und mir in den Rücken wehte, trug die Asche meines verbrannten Zuhauses mit sich.

Mir war nicht klar, ob ich die Reise überleben würde. Depressiv und erschüttert schleppte ich mich von Dorf zu Dorf bis über die Grenze nach Animexxia. Mein Lebenswille war fort, und doch hatte ich den Namen Animexxia immer mit einem sicheren Hafen für wahre Schreiber verbunden. Ich hoffte, dass man dort immer noch Qualität schätzte.

Hier verbrachte ich eine schöne Zeit. Doch schon bald machten sich eben diese bedrohlichen Schatten bemerkbar, die einst meine Heimat zerstört haben.

Wieder habe ich mich zurückgezogen. Ich kann einfach nicht mehr kämpfen. Einmal habe ich diese Schrecken mitgemacht, ein zweites Mal kann ich sie nicht ertragen. Und doch trete ich noch einmal an euch Animexxianer heran – lasst euer Königreich nicht zerstören! Einst so mächtig und glanzvoll dürft ihr es nicht dem Untergang weihen!

Irgendwo unter euch müssen noch wahre „Leser“ sein – Menschen, die harte Arbeit ehren, sich schöner Wortkompositionen erfreuen und nach wirklicher Qualität suchen. Wenn ihr nicht wollt, dass euer Königreich so zerstört wird, wie meine Heimat. Auch wir waren einmal ein stolzes Volk, aber unsere einstigen Leser haben versagt.

Ihr könnt nicht viel tun, da auch eure Reihen bereits massenhaft von dieser neuen Rasse der Leser befallen ist. Aber was ihr tun könnt, ist, wahren Autoren das Leben in Animexxia zu retten. Es braucht nicht viel. Ehrt sie nur und gebt ihnen einen Bruchteil der Anerkennung, die sie wirklich verdienen. Denn ansonsten werden nur die Autoren motiviert, die sich keine Mühe für euch Leser geben, die nur hinter euren Kommentaren her sind.

Ihr züchtet das Unkraut, indem ihr es einfach wachsen lasst! Ihr kritisiert sie nicht! Ihr lasst zu, dass sie von den falschen Lesern mit Kommentaren wie „supi, weida so, bring ordentlich rumgefuuhml unn rumgefigge rein“ überschüttet und gedüngt werden!

Das einzige, was ihr tun könnt, ist, die Qualität durch konstruktive Kritik zu fördern und diejenigen, die wirklich um euch bemüht sind, durch ein kleines bisschen Anerkennung ihrer Mühe belohnt.

Es ist nicht viel – aber ich habe immer noch die Hoffnung, dass das Königreich Animexxia nicht ganz verloren ist.

Ich gedenke, Abend für Abend, dieses Gebetes eines Charakters, und schwöre, dass ich mich nie der Massenkultur und dem Qualitätsverfall hingeben werde!
 

Lieber Autor
 

Treu und ergeben will ich dir dienen – das tun, was du dir erträumst. Nichts würde mich mehr mit Freude und meine Schöpfer mit Stolz erfüllen, wenn du mir Tag für Tag neue Abenteuer ersinnst und mich mit neuem Leben füllst.

Ich werde mich nicht wehren, wenn du mich Dinge tun lässt, die mir normalerweise im Traum nicht einfallen würden. Doch bitte ich dich innigst, mir auch einen Grund dafür zu geben. Lasse mich nicht innerlich verzweifeln, nicht zweifeln an mir selbst. Wenn du mich dazu zwingst, Wesen zu lieben, deren Geschlecht oder Gattung ich mich nicht zugeneigt fühle, so gib mir Zeit und Möglichkeit, meine Ansichten zu überdenken und mich vielleicht wirklich sogar in deiner Geschichte in jenem Geschöpf zugeneigt zu fühlen. Lasse mich nicht von einem Moment auf den nächsten jemanden zärtlich berühren, den ich aus tiefster Seele hasse, verachte – lasse mich nicht wie eine Hure fühlen, deren Zuhälter mit grausam kalten Lächeln du bist, der du auf der Tastatur hackend deine eigenen Wünsche und Triebe zum Ausdruck bringst. Ich will nicht nur eine Marionette sein, deren leere Hülle du mit deinen Phantasien vergewaltigst.

Auch wenn ich nur auf Papier und in deiner Imagination bestehe, so bin ich doch eine Persönlichkeit, habe einen eigenen Willen und einen entwicklungsfähigen Charakter. Wenn ich dir so, wie ich bin, nicht gefalle, flehe ich dich an: Gib mir Zeit und Anstoß, mich zu entwickeln! Vögel werden erst flügge, wenn sie mit einem sanften Stups aus dem Nest hinaus in die Welt geschickt werden. Führe mich nicht in einen inneren Kampf mit mir selber, in eine Identitätskrise – lass mich nicht zweifeln an dem, was ich glaube zu sein. Ich will keine Scham für das empfinden, was du aus mir machst, aber zerbreche mich nicht, wenn du mich biegst und formst! Ich will mir selbst treu, nicht fremd sein und stets erkennen können, wer ich bin.

Hauche mir Leben ein, lasse mich fühlen und die Welt erkunden, die du mir schaffst. Ich störe mich nicht an einer völlig fremden Welt, an einem anderen, alternativen Universum! Jedoch wünsche ich mir aus ganzem Herzen, diese Reise in eine nicht nur dem Leser, sondern auch mir unbekannte Welt gemeinsam mit dem Leser zu beschreiten.

Zeige der ganzen Welt, was du wirklich in mir siehst! Zeige, wie facettenreich ein Mensch sein kann und lasse deine Schreibkunst an der Herausforderung, ein Werk von hoher Qualität zu schaffen, wachsen und gedeihen. Wie stolz werde ich sein, wenn du mit mir gemeinsam ein immer besserer Schriftsteller wirst. Willst du anderen Menschen deine Träume, Wünsche und Sehnsüchte zeigen, so beweise auch, dass du die Aufmerksamkeit wert bist. Versuche dich stets zu verbessern! Niemand erwartet, dass deine ersten Schritte fest und selbstsicher sind! Wenn du auf deinen unsicheren Beinen schwankst, so finden sich vielleicht Leute von ehrlichem Interesse, die dich stützen, dir mit konstruktiver Kritik helfen und dir eine leitende Hand freundlich reichen. Ergreife sie! Sei nicht eingeschnappt und schmolle nicht wie ein kleines Kind, wenn nicht jeder heuchlerisch Süßholz raspelt.

Sieh es als eine Chance, dich zu verbessern und zu wachsen!"



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2007-09-06T19:01:00+00:00 06.09.2007 21:01
ich schreib dir jetzt einfach mal nen kommentar...auch wenn ich nicht weiß, ob das erwünscht ist.wollte nur sagn/schreiben, dass du das schön geschrieben und recht hast.



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