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Der Rhythmus Deiner Seele

von

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Prolog

Es war ein heißer Tag. Die Sonne brannte unbarmherzig von einem wolkenlosen Himmel auf die ruhige See. Kein Lüftchen war zu spüren und das Meer war so glatt, daß man nicht erkennen konnte, wo das Wasser aufhörte und der Himmel begann.

An Tagen wie diesem schien es unwahrscheinlich, daß es irgendwo in dieser majestätischen, unbarmherzigen Welt Leben geben sollte – und doch: Am Horizont tauchte ein kleiner Punkt auf, ein winziger schwarzer Fleck am endlosen Himmel, der sich langsam und schwerfällig dem kleinen Schiff näherte, das regungslos inmitten der blauen Weite lag.
 

Auch auf dem Schiff rührte sich nichts. Der weiße Schafskopf am Bug strahlte grell im Sonnenlicht, das große Segel mit dem Strohut-Schädel und die schwarze Piratenflagge hingen schlaff am Mast herunter. Selbst die an Hitze gewöhnten Mandarinenbäume ließen ihre Blätter hängen. Das Deck war wie leergefegt, nur im Krähennest war ein gelber Strohhut mit einem leuchtend roten Band zu sehen, der den Kopf eines Mannes bedeckte, der offensichtlich im Lotussitz meditierte, neben sich drei Schwerter an der Wand des Aussichtskorbes lehnend. Den sich langsam nähernden schwarzen Punkt schien er nicht zu bemerken und auch als der Zeitungsvogel ihm seine Fracht in den Schoß fallen ließ, rührte sich der Mann nicht. Erst als der große Vogel mit schwachem Flattern und leise keuchend ebenfalls auf seinem Schoß landete, schob sich eine braungebrannte Hand unter den Rand des Strohhutes und kratzte den grünhaarigen Kopf. Ein unbestimmtes Brummen folgte, dann stand Zoro auf, griff mit der rechten Hand nach seinen Schwertern, klemmte sich den Vogel unter den linken Arm und sprang mit einem Satz aus dem Krähennest auf’s Hauptdeck, wo er sicher landete.
 

Zoro hatte den Vogel schon von weitem bemerkt, schließlich war er gerade mitten im Training gewesen.

Selbst er hatte einsehen müssen, daß es bei dieser brüllenden Hitze eher schädlich als nützlich war, sein übliches hartes Körpertraining durchzuziehen und so hatte er Chopper zähneknirschend versprochen, daß er damit bis zum Nachmittag warten würde. Der junge Schiffsarzt hatte zwar geseufzt, aber dann genickt, denn er wußte wohl, daß er dem Schwertkämpfer kein größeres Zugeständnis mehr hätte abringen können. Außerdem hatte er zu weiteren Diskussionen wahrscheinlich keine Energie mehr gehabt, denn die Hitze machte dem kleinen Elch mehr zu schaffen, als jedem anderen an Bord. So sehr, daß Sanji sich sogar bereit erklärt hatte, ihm eine Hängematte in den Vorratsraum zu hängen, damit er die heiße Mittagszeit im kühlsten Raum des Schiffes verbringen konnte. Aber dennoch hatte der Winterinselbewohner schwer mit der Hitze zu kämpfen und Zoro beneidete ihn wahrlich nicht um sein flauschiges Fell.

Nachdem er Chopper also versprochen hatte, die Schwerter für ein paar Stunden ruhen zu lassen, hatte Zoro sich überlegt, daß er die Gelegenheit genauso gut nutzen konnte, um sein anderweitiges Training fortzuführen. Also hatte er, als Luffy zum Schichtwechsel ins Schiffsinnere mehr geflossen als gelaufen kam, grummelnd den von diesem angebotenen Strohhut angenommen und war ins Krähennest hinaufgeklettert. Oben angekommen hatte er sich in Gedanken kurz auf die Schulter geklopft, daß er die große Geste Luffys seinen Stolz hatte überwinden lassen, und sich den Strohhut gegen das grelle Sonnenlicht ein wenig tiefer in die Stirn gezogen. Seine Schwerter hatte er an die Wand gelehnt und es sich in der Lotusstellung mehr oder weniger bequem gemacht, um sich dann voll auf seine Atmung zu konzentrieren.
 

Seit er in Alabasta gegen Mr. 1 gekämpt hatte, hatte er kaum Gelegenheit dazu gehabt, seine neu gefundene Technik zu verbessern. Sie verlangte ihm noch eine enorme Konzentration ab und die dafür nötige Ruhe war auf einem Schiff, das Luffy zum Captain hatte, schwer zu finden. Aber heute würde ihn bestimmt niemand stören. Selbst der löffelschwingende Unruhestifter Sanji war von der Hitze zu träge, ihm auf die Nerven zu gehen. Erst gestern hatte dieser ihn noch aus seinem wohlverdienten Nachmittagsschläfchen gerissen und in die Küche gezerrt, weil er sich angeblich vor dem Abwasch gedrückt hatte und das jetzt nachholen sollte. Pah! Ein Blick auf den von Nami fein säuberlich erstellten Wochenplan hatte gezeigt, daß Chopper an der Reihe gewesen wäre. Aber Sanji war unerbittlich geblieben und der kleine Elch hatte so elend ausgesehen, wie er da den Kopf durch den Türspalt zur Vorratskammer steckte, daß er, Zoro, der große Pirat, schlußendlich nachgegeben und mit finsterer Miene Teller gewaschen hatte, anstatt dem Schiffskoch eigenhändig das dreckige Grinsen aus dem Gesicht zu wischen.
 

Zoro hatte gemerkt, wie seine Gedanken ihn in Rage brachten und sich mit eisernem Willen gezwungen, sich abermals seinem Atem und seinem Training zuzuwenden. Als er wieder ruhig geworden war, hatte er langsam seine Sinne ausgeschickt – anders konnte er nicht in Worte fassen, was mit ihm passierte, wenn er versuchte, den Atem der Dinge zu hören. Zuerst war nichts passiert, aber Zoro wußte, daß wirklich große Dinge ihre Zeit brauchen und so hatte er seine Ungeduld gezügelt und weiter gelauscht. Er hatte nicht gewußt, wie lange er schon so gesessen hatte, bis er plötzlich, zuerst leise, dann immer lauter werdend verschiedene Rhythmen wahrnahm. Erst spürte er sie nur auf seiner Haut, wie einen leichten Wind, der die Häärchen auf seinen Armen streifte, dann fühlte er mehr als daß er hörte wie sie die feine Membran in seinen Ohren zum schwingen brachten. Schließlich waren sie laut genug geworden, dass er einzelne Rhythmen wie einzelne Stränge, die ein Seil ausmachen, unterscheiden konnte. Langsam, als berühre er spinnwebenfeine Seidenfäden, hatte er sich einen Takt herausgesucht, und diesem vorsichtig seinen eigenen Atem angepasst. Sein Atem wurde etwas schneller und leichter, blieb aber ruhig und bestimmt und vor seinem inneren Auge zeichnete sich langsam ein Bild: Er hatte Robins Atem erwischt. Kurz hielt er ihn fest, um sich an seine Beschaffenheit zu gewöhnen, dann ließ er den Faden langsam zurückgleiten und suchte sich ebenso vorsichtig den nächsten heraus. Diesmal wurde sein Atem hektischer und unruhiger und noch bevor sich das Bild in seinem Kopf gefestigt hatte, wußte er, daß es sich um Usopp handeln mußte. Auch diesen Rhythmus hielt er so lange fest, bis er ihn mühelos würde wiederfinden können. Langsam arbeitete er sich durch die verschiedenen Rhythmen seiner Freunde, bis er jeden einzelnen wie seinen eigenen kannte. Er war so konzentriert, daß er gar nicht merkte, daß sein Körper von dieser geistigen Anstrenung inzwischen schweißgebadet war. Er war gerade dabei, den seidigen Faden, der Sanji ausmachte, zurückzulegen, als er spürte, wie ein neuer Takt sich ihm näherte, den zu identifizieren viel schwieriger war. Schließlich kannte er seine Freunde inzwischen sehr gut, aber diese neue Präsenz war ihm unbekannt und ihr Rhythmus viel flatterhafter und somit schwerer zu greifen. Zweimal verlor er das feine Band, bis es ihm schließlich gelang, das sich nähernde Lebewesen als einen der Zeitungsvögel auszumachen, die hier auf der Grand Line ihre Arbeit verrichteten und es irgendwie schafften, trotz aller widrigen Bedingungen, die auf diesem unberechenbaren Meer kreuzenden Schiffe ausfindig zu machen und regelmäßig mit Informationen zu versorgen.
 

Nun doch ein wenig erschöpft, aber sehr zufrieden mit sich selbst, hatte Zoro es sich gerade etwas gemütlicher im Aussichtskorb machen wollen, als ihm erst die Zeitung und dann der große Lieferantenvogel in den Schoß fielen. Das Tier hatte gar nicht gut ausgesehen und er wollte sowieso gerade eine Trainingspause einlegen, also hatte er beschlossen, den Vogel in Choppers Obhut zu geben und sich bei der Gelegenheit ein kühles Bier aus der Vorratskammer zu holen, das er sich, wie er fand, nun redlich verdient hatte.

Sanji

Danke an Kirico für Deinen freundlichen Kommentar!

Ich hoffe, ab jetzt wird es etwas spannender :)
 

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Die Flaute dauerte nun schon seit drei vollen Tagen an und Sanji hatte das Gefühl, langsam wahnsinnig zu werden. Seit er den verhängnisvollen Artikel in der Zeitung gelesen hatte, die der völlig erschöpfte Bote abgeliefert hatte, kreisten seine Gedanken nur noch um eine Sache: Jeff war wieder auf der Grand Line unterwegs!
 

Den Zeitungsvogel hatte Chopper schnell wieder aufgepäppelt und er war schon wenige Stunden nachdem Zoro ihn dem überraschten Schiffsarzt in die Arme gedrückt hatte, weitergeflogen. Fast wünschte Sanji sich, der Vogel hätte es nie bis zur Going Merry geschafft. Denn dann bräuchte er sich jetzt nicht pausenlos den Kopf zu zermartern, was den alten Sack wieder in dieses berühmteste, aber auch gefährlichste aller Gewässer geführt hatte. Er hatte doch geschworen, weder Fuß noch Holzbein jemals wieder auf die Grand Line zu setzen! Der blonde Smutje zog an seiner Zigarette und begann in Gedanken versunken an der Reling entlang zu tigern. Erst als der Glimmstängel in seinem Mund soweit heruntergebrannt war, daß er sich fast die Lippen verbrannte, blieb er abrupt stehen und spuckte den kläglichen Rest seiner Zigarette über die Reling ins Meer.

Es konnte nur einen plausiblen Grund für Jeff’s plötzlichen Sinneswandel geben: Er mußte etwas neues über die Position von All Blue herausgefunden haben! Denn auch wenn der alte Knochen ihn niemals in seinem Traum von diesem phantastischen Gewässer bestärkt hatte, wußte er doch genau, daß der großartige alte Koch sich die Gelegenheit, das All Blue mit eigenen Augen zu sehen, nicht entgehen lassen würde. Frustriert krallte Sanji seine langen eleganten Finger in die Reling der Going Merry während er in die Richtung der in einem blutroten Inferno untergehenden Sonne starrte.

Irgendwo da draußen mußte es sein – All Blue, das Ziel seiner Träume. 'Nun ja, nicht aller Träume', schoß es ihm durch den Kopf und er grinste schief. Aber an deren Erfüllung war noch viel weniger zu denken. Im Vergleich erschien das Meer der Meere zu finden schon fast wie ein Kinderspiel.
 

Unwillig schüttelte Sanji den Kopf und griff in seine rechte Hosentasche.

„Scheiße!“ fluchte er, als er seine Hand unverrichteter Dinge wieder herauszog. „Selbst die Zigaretten sind alle!“

„Sind eh schlecht für Dich, Suppentopf“ brummte hinter ihm plötzlich die Stimme, die sich schon viel zu lange in die geheimsten seiner Träume schlich.

Sanji fühlte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg und war für einen Moment froh, dem anderen den Rücken zugewandt zu haben. Wie üblich wandelte sich seine Verlegenheit aber schnell in Wut und die angesammelte Frustration der letzten Tage entlud sich in einem Tritt, der den ahnunglosen Schwertkämpfer niederstreckte. Das war jedenfalls der Plan. Doch als er auf seinem linken Bein herumwirbelte, das rechte auf Augenhöhe des anderen gestreckt, stand Zoro viel dichter hinter ihm als er vermutet hatte. Sanji wich nach hinten zurück um seinen Fuß wieder in Reichweite seines Gegners zu bringen, doch die Reling in seinem Rücken machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Die Wucht seiner Drehung ließ ihn das Gleichgewicht verlieren und er stürzte rücklings über den Rand des Schiffes auf die spiegelglatte Wasseroberfläche zu. Dann fuhr ein kurzer aber heftiger Ruck durch seinen Körper und plötzlich spürte er den Wind in seinem Gesicht, als er von einer starken Hand vorne am Kragen gepackt und zurück an Board gehievt wurde, wo er sich unvermittelt Nasenspitze an Nasenspitze dem mürrischen Gesicht des Schwertkämpfers gegenüberstehen sah, dessen schnelle Reflexe ihn gerade vor einem unfreiwilligen Bad in der Grand Line bewahrt hatten. Aber Sanji war alles andere als glücklich über diesen Umstand, denn von dem blöden Marimo gerettet zu werden kratzte doch allzu sehr an seinem Stolz. Noch weniger gefiel ihm allerdings, daß seine übliche Coolness ihn im Stich ließ und sein Herz wie wild zu klopfen anfing. Bestimmt konnte es der Grünhaarige spüren, dessen braungebrannte Hand ihn immer noch am Schlaffittchen hielt. Ein schneller Blick in die sturmumwölkten Augen verrieten ihm jedoch nichts. Der Koch bemühte sich um eine eine finstere Miene und fegte pampig die lästige Hand von seinem Revers. Scheiße aber auch, noch nicht mal eine Zigarette konnte er sich anzünden.
 

Dem anderen sicherheitshalber nicht in die Augen sehend verschränkte Sanji seine Arme um seine zitternden Hände zu verstecken und schnauzte den größeren an:

„Was soll das, Broccoli-Birne?!“

„Das sollte ich Dich fragen, Love Cook“ grollte es zurück. Erschrocken schnellten Sanji’s blaue Augen kurz zu den schwarzen seines Gegenübers hoch, nur um sofort wieder den Boden anzustarren, als Zoro weitersprach.

„Nicht nur, daß Du nicht in der Küche stehst und das Abendessen machst – was Luffy zu einer unerträglichen Pest für uns anderen macht - nein,“ Sanji spürte förmlich, wie sich die grünen Augenbrauen weiter zusammenzogen und die schwarzen Augen ihn schier durchbohrten, „Du springst auch bei jeder Kleinigkeit direkt aus dem Hemd! Und jetzt auch noch ins Wasser!“ Die harten Gesichtszüge wurden etwas weicher und ein Grinsen stahl sich auf das leidgeprüfte Gesicht des Schwertkämpfers. Doch als Sanji gerade den Mund aufmachen wollte, wurde Zoro augenblicklich wieder ernst und die schwarzen Augen verwandelten sich in Stahl.

„Ruhe! Jetzt bin ich dran!“

Der Blonde wollte aufbegehren, machte aber den Fehler, seinen Blick zu heben. Augenblicklich spürte er, wie der Wille sich zu widersetzen unter Zoros hypnotischen Blick dahinschmolz wie Butter in der Sonne. Er schien ihn an Ort und Stelle festzunageln und nicht nur das: Sanji war überzeugt, daß er tief in seine Seele blicken konnte – zu einem Ort, der so tief veborgen war, daß der Blonde selbst sich nicht getraute ihn zu betreten. Er spürte, wie er wieder errötete und sein Atmen etwas schneller ging.
 

Zoro schien allerdings von all dem nichts mitzubekommen, denn er sprach weiter:

„Mir ist scheißegal, welche Erbse Dir Deinen Schlaf raubt, Prinzessin! Aber Luffy geht auf dem Zahnfleisch, wenn er nicht ordentlich gefüttert wird und raubt mit seinem Gezeter wiederum mir meinen kostbaren Schlaf! Also beweg gefälligst Deinen Hintern in die Küche und mach verdammt nochmal Deinen Job statt hier Löcher in die Luft zu starren, kapiert? Kapiert?!“ fragte er nochmal, als keine Antwort kam.
 

Der Schiffskoch hatte schon eine Erwiderung parat, daß dem Grünhaarigen die Ohren würden fliegen gehen! Doch er beobachtete halb wütend, halb staunend, wie sein Mund sich nicht öffnete und er nur ein benommen nickte. Dämlicher Marimo, wieso ließ er zu, daß der ihn so aus der Fassung brachte?! Immerhin schaffte Sanji es, eine trotzige Miene aufzusetzen. Aber selbst diese war wenig überzeugend, da seine Augen, sehr zu seinem Verdruß, noch immer von Zoros intensiven Blick gefangen gehalten wurden.
 

Noch einen Moment starrten sich die beiden Männer an und Sanji schoß es durch den Kopf ‚Eine Erbse...hmm?’, da senkte der Grünhaarige plötzlich seinen Blick, trat einen Schritt nach vorn, so daß dem nun gänzlich verwirrten Koch nichts übrig blieb, als sich an die Reling zu drücken. Zoro beugte sich vor und Sanji fühlte einen Schauer durch seinen Körper fahren als der warme Atem des Schwertkämpfers über sein rechtes Ohr strich und die tiefe Stimme gefährlich leise brummte „Und jetzt verrat mir, was in der verdammten Zeitung stand...“

Zoro

Vielen Dank wieder für Eure lieben Kommentare - das motiviert tatsächlich sehr und ich hoffe, es gefällt Euch weiterhin!
 

Bitte verzeiht, daß die Einführung so lange dauert, ab dem 4. Kapitel gibt's dann hoffentlich ein bisschen mehr Action ;)
 

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Hatte er eben nicht noch gesagt, es sei ihm scheißegal, was den Kochlöffel so aus dem Gleichgewicht brachte? So war es auch. Unter anderen Umständen hätte er den dämlichen Suppentopf einfach ins Wasser fallen lassen und sich wieder seinem Vor-dem-Abendessen-Schläfchen gewidmet. Aber Luffy war ihm so auf die Nerven gegangen, daß er nun nichts weiter wollte, als den Koch in die Küche zu schaffen und sich dann noch ein Nickerchen zu gönnen. Also hatte er sich auf die Suche nach dem Smutje gemacht. Den zu finden war nicht schwer gewesen, denn er zog schon seit drei Tagen in jeder freien Minute wie ein unruhiger Geist von einem Ende der Going Merry zum anderen und schien dabei abwechselnd das Meer, den Himmel und sich selbst zu verfluchen. Dabei rauchte er unablässig – Zoro war sich sicher, daß er inzwischen eine ganze Tabakplantage verqualmt haben mußte.
 

Der Schwertkämpfer verzog das Gesicht. Der ewige Qualm ging ihm auch auf die Nerven! Und so beobachtete er mit einer gewissen Genugtuung, wie der Blonde vergebens in seine Hosentasche griff. Er mußte grinsen, als er Sanji fluchen hörte und in einem seltenen Anflug von Gutmütigkeit brummte er dem Kochlöffel nur zu, anstatt ihn wie üblich, anzublaffen. Umso mehr erstaunte ihn die heftige Reaktion des Kochs. War denn das zu fassen?! Da wollte er mal freundlich sein und wurde dafür mit einem Tritt belohnt? Und mit einem so miserablen noch dazu?! Sein Blick verfinsterte sich noch mehr, weil der Blonde sich so dämlich anstellte. Wollte der ihn etwa mit diesem stümperhaften Angriff beleidigen?
 

Mißbilligend schüttelte Zoro den Kopf. Wenn es etwas gab, was er nicht entschuldigen konnte, dann war das Schwäche! Aber merkwürdig war das schon. Man mochte ja über den Löffelschwinger sagen was man wollte – und Zoro fiel auf Anhieb ohne große Anstrengung eine Menge wenig Schmeichelhaftes ein - aber schwächlich war er nicht. Und auch, wenn er ihn nicht sonderlich leiden konnte, das respektierte der Schwertkämpfer. Gut, ging es ihm durch den Kopf, es sei denn, sein blondes Hirn übergibt die Kontrolle beim Anblick eines x-beliebigen Rocks einfach an einen anderen Körperteil...
 

Wieder schüttelte Zoro verständnislos den Kopf, da bemerkte er, daß der bescheuerte Koch sich selbst über Bord manövriert hatte. Er hatte noch Zeit irritiert zu seufzen bevor er blitzschnell zupackte und den Blonden gerade noch rechtzeitig erwischte um ihn wieder an Bord zu hieven. Verdammt nochmal, mit dem Suppentopf hatte man immer nur Ärger! Warum konnte er nicht einfach seinen Job machen, damit hart arbeitende Leute ihre wohlverdiente Ruhe finden konnten, anstatt hier Kindermädchen für einen verkappten Clown spielen zu müssen! Gereizt registrierte er, daß sein Gegenüber ihm noch nichtmal richtig die Augen sehen konnte. Was war denn auf einmal los?! Und ehe Zoro sich’s versah war er schon dabei, dem Smutje ordentlich die Leviten zu lesen. Er hatte sich so in Rage geredet, daß er leicht aus dem Konzept gebracht wurde, als jetzt auch noch das erwartete Gezeter ausblieb und Sanji nur zahm nickte. Zugegeben, sein Blick war irgendwie komisch, aber diese ungewöhnliche Sanftmut ließ Zoro innehalten. Hier stimmte doch was nicht, und zwar ganz gewaltig!
 

Einen Moment lang sah er den Kochlöffel prüfend an. Was ging nur in dessen Matschbirne vor? Pah! Warum interessierte ihn das überhaupt? Noch bevor er diesen Gedanken zuende gedacht hatte überraschte er sich selbst, als er sich dem Blonden näherte und ihn nach der verdammten Zeitung fragte. Und dann überraschte er sich ein zweites Mal: Es wollte es wirklich wissen! Fing er jetzt auch schon an zu spinnen? Zoro spürte, wie es langsam in seinem Kopf zu pochen begann. Was für ein verkorkster Mist! Spielte er, der große Schwertkämpfer, jetzt auch noch den Schiffspsychologen? Von diesen Dingen verstanden Nami, Luffy und sogar Usopp viel mehr als er. Nicht, daß ihn sowas wirklich je interessiert hätte. Seine Welt war so schön einfach: Sie bestand aus Leuten, die man besiegen mußte und solchen, die entweder uninteressant oder Nakama waren. Nakama... Luffy hatte diesem Wort eine ganz neue Bedeutung gegeben, es mit Leben gefüllt, das Zoro niemals vermutet – oder erhofft – hätte...
 

Er war nicht gut mit Worten und würde dem Captain nie sagen können, wie dankbar er war, Teil seiner Crew geworden zu sein. Aber es war selbstverständlich für ihn, dies durch unverbrüchliche Loyalität zu beweisen. Und wenn das bedeutete, daß der blonde Koch zur Kategorie der Nakama gehörten sollte, dann sei’s drum.

„...nicht, was Du meinst...Grünspan.“

Sanji’s Murmeln riß Zoro aus seiner Reverie.

„Was war das?“

Zoro begriff schlagartig, daß er immer dicht an den Koch gedrängt stand. Ihre Oberkörper berührten sich und ihre Wangen waren nur eine Haaresbreite voneinander entfernt. Widerwillig bemerkte er den Geruch des anderen in seiner Nase. Riecht gar nicht mal so schlecht...irgendwie... Nach Meer und frisch gebackenem Brot...und Tabak. Zoro kräuselte mißbilligend die Nase.

„.. weiß nicht, ... ... meinst, Marimo!“

Diesmal war die Stimme etwas lauter, aber immer noch seltsam schwer zu verstehen.
 

Zoro trat einen Schritt zurück und rüttelte die schmalen Schultern des Kochs mit seinen kräftigen Händen, so daß dieser ihm zögerlich ins Gesicht sah. Wäre Zoro etwas aufmerksamer gewesen, hätte er in den geweiteten blauen Augen nicht nur den gehetzten Blick eines in die Enge getriebenen Beutetiers, sondern auch ein verzweifeltes Verlangen entdecken können. Aber so packte er nur noch kräftiger zu und rüttelte den Blonden heftiger und grollte:

„Jetzt reiß Dich mal zusammen, Mann! Diese Rückgratlosigkeit ist ja nicht zum Aushalten!“

In diesem Moment ging die Sonne ganz unter und ein Schatten legte sich über Sanjis Augen. Er stand ganz still, als er tonlos sagte:

„Laß mich los!“

„Nicht, bevor Du mir nicht sagst, welchen Film Du hier fährst, Kochlöffel!“

„Wüßte nicht, daß Dich das was angeht, Schwertheini!“ erklang es trotzig.

Zoro wurde langsam wütend.

„Falls es Dir noch nicht aufgefallen ist, wir leben hier auf einem Schiff, einem verdammt kleinen Schiff noch dazu. Und wenn hier auf einmal einer am verdammten Rad dreht, dann geht das, verdammt nochmal, uns alle was an, ob’s Dir gefällt oder nicht, Kochlöffel! Und jetzt sag mir was–in–der–VERDAMMTEN–Zeitung-stand ... Verdammt!“

Zoro spürte, wie Sanji sich hin und her wand, aber sein Griff um die schmalen Schultern blieb eisern. Er wußte, daß er auf der richtigen Spur war!
 

Seit dem Tag, als der Zeitungsbote abstürzte hatte er sein psychisches Training mal mehr mal weniger erfolgreich, aber doch unablässig aufrechterhalten, so daß er den Rhythmus seiner Nakama wann immer er wollte unterschwellig spüren konnte: An jenem Tag hatte er bemerkt, wie Luffys Atem sich beschleunigte bei dem Gedanken an einen unverhofften Geflügelsnack und wie Choppers Atem ruhiger wurde, als er mit der Autorität des Schiffsarztes an die Arbeit ging und kühle Wickel und eine Stärkungskur für den Vogel vorbereitete. Und ebensowenig war ihm entgangen, wie der Smutje, der zu seiner Schicht ins Krähennest geklettert war, plötzlich stockte, den Atem eine Weile anhielt und schließlich für ein paar Minuten hektisch ein- und ausgeatmet hatte. Als er später am Abend wieder unter Deck zurückgekehrt war, war ihm äußerlich nichts anzumerken, aber die Zeitung, die er aus dem Ausguck mitgebracht hatte erschien Zoro dünner als zuvor und sein Atem ging immer noch unregelmäßig. Daran hatte sich auch bis heute nichts geändert.
 

„Hey!“

Mit seiner linken Hand rieb Zoro seine Hüfte, die gerade in recht schmerzlichen Kontakt mit Sanjis rechtem Knie gekommen war. Der Koch konnte wirklich lästig sein! Zoro wurde es jetzt zu bunt. Auf diese Spielchen hatte er absolut keine Lust mehr. Er drängte sich mit seinem ganzen Gewicht wieder nach vorne und keilte den Schmächtigeren zwischen sich und der Reling ein, die er links und rechts von Sanjis schmalem Körper fest mit seinen großen Händen umschloß.

“Laß den Quatsch!” grollte er und versuchte im Halbdunkel Sanjis Blick einzufangen. Doch was er nun sah ließ ihn erstarren. Eine einzelne Träne kullerte aus Sanjis Auge. Wie hypnotisiert folgte Zoros Blick ihrer Spur über das ansonsten regungslose Gesicht. Über die glatte Haut auf den hohen Wangenknochen weiter nach unten, bis sie sich schließlich in den feinen Haaren des Kinnbärtchen verfing.

„Zoro...“

Seltsam berührt sah er dem anderen wieder in die Augen und machte sich bereit für den nächsten Entfesslungsversuch des Kochs, doch jeglicher Kampfgeist schien aus dem schmalen und doch so zähen Körper gewichen zu sein. Zoro wurde es allmählich unheimlich und das Pochen in seinem Kopf war zu einem dumpfen Hämmern angestiegen. Auf einmal war er sich nicht mehr sicher, ob er das Recht hatte, den Blonden so zu bedrängen. Warum überließ er ihn nicht einfach sich selbst. Zoro wußte schließlich besser als jeder andere, was es bedeutete, sein Innerstes vor den neugierigen Augen anderer zu schützen. Unwirsch schüttelte er den Kopf. Verdammt! Jetzt auch noch diese miesen Kopfschmerzen, die ihm das Denken so erschwerten. Er seufzte innerlich. Eigentlich wollte er doch nur seine Ruhe haben. Als er schließlich die Hände von der Reling nahm und einen Schritt zurücktrat, waren seine Gesichtszüge etwas weicher, seine Augen verschlossener geworden. Er hatte die Kontrolle zurückerlangt. Mit einer verlegenen Geste kratzte er sich am Kopf.

„Ähm...Kochlöffel...“

Doch da war Sanji auch schon an ihm vorbei geschlüpft. Plötzlich erklang lautes Gebrüll und Gelächter, das nur von Luffy, Chopper und Usopp stammen konnte, welches jedoch einen Moment später mit dem Schließen der Kombüsentür abrupt wieder endete. Erst jetzt bemerkte Zoro das zusammengefaltete Stück Papier in seiner linken Hand. Verdammt, wie hat er das nun wieder hingekriegt?

Einen Moment lang starrte er noch auf seine Hand, dann zuckte er mit den Schultern, faltete den Zeitungsartikel auseinander und begann im Licht des gerade aufgehenden Vollmondes zu lesen...

Jeff

Wieder einmal möchte ich Kirico und shibui ganz herzlich für Eure positiven und konstruktiven Kommentare danken! ^_^ Da macht das Weiterschreiben gleich noch mal soviel Spaß und das Weiterlesen jetzt hoffentlich auch.
 

Dieses Kapitel ist noch nicht ganz fertig, aber ich wollte Euch auch nicht zu lange warten lassen ;) Teil 2 folgt dann auch ganz bald!
 

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Scheiße! Scheiße! Scheißescheißescheiße! Sanji war wütend! Wütend auf die scheiß Flaute, wütend auf das untätige Rumsitzen, wütend auf Jeff und wütend auf Zoro – ganz besonders wütend auf Zoro! Was fiel dem Broccoli-Schädel ein, ihn so zu bedrängen? So weit, daß er die Fassung verloren hatte. Scheiße, hatte er sich geschämt für diese eine verräterische Träne. Und dann hatte er den Säbelrassler auch noch beim Namen genannt! Wo war seine verfluchte Coolness, wenn er sie wirklich mal brauchte! Warum bin ich so schwach gewesen? Und das war doch das Kern des Problems: Sanji war vor allem und am meisten auf sich selbst wütend. Das mußte er sich eingestehen, als er sich zum ungefähr dreihundertsten Mal in dieser Nacht von einer Seite auf die andere drehte, was die Aufhängung seiner Hängematte ebenfalls zum dreihundertsten Mal zu quietschen veranlaßte.
 

„Sanji!“ flüsterte Usopp den Tränen nahe, „kannst Du nicht langsam mal Ruhe geben? Ich will schlaaafen!“
 

„Sorry...“ murmelte der Blonde zurück und versuchte eine halbwegs bequeme Lage zu finden, damit er endlich einschlafen konnte, aber er war einfach nicht imstande, sich zu beruhigen. Seine Gedanken gingen wieder auf Wanderschaft.
 

Als er vorhin zurück in die Küche gekommen war, hatte er gerade noch verhindern können, daß Luffy sich über die Speisekammer hermachte, die, nun da sie Chopper vorrübergehend als Schlafzimmer diente, ausnahmsweise nicht abgeschlossen war und von dem kleinen Elch mehr schlecht als recht gegen die hungrigen Angriffe seines Kapitäns verteidigt wurde. Sanji hatte den Vielfraß mit einem gezielten Tritt auf den Kopf vorübergehend ruhiggestellt und sich dann in aller Seelenruhe an die Vorbereitung des Abendessens begeben. Doch so gleichmütig, wie er sich gab, war er nicht. In seinem Inneren herrschte das Chaos. Die Nachricht von Jeff hatte ihn so aus der Bahn geworfen, daß er sich Zoros Einfluß nicht mehr hatte entziehen können. Normalerweise hätte er ihm – wie immer – einfach ein paar Beleidigungen an den Kopf geworfen, ihn – wie immer – in einen kleinen Kampf verwickelt und die Dinge hätten ihren gewohnten Gang genommen. Aber diesmal hatte einfach alles schiefgehen müssen. Wenn er wenigstens wüßte, warum ihm der beschissene Marimo so zusetzte.
 

Er seufzte leise. Hier, mitten in der Nacht, im Schutz der Dunkelheit, gab es keinen Grund sich vor sich selbst zu verstecken. Ein wenig nervös, aber jetzt, da er sich durchgerungen hatte, so unaufhaltsam wie die Gezeiten, entriegelte Sanji eine kleine Tür in seinem Herzen, die er anfangs nur ab und zu, doch in letzter Zeit immer häufiger geöffnete hatte. Es war wie eine Sucht, ein bittersüßer Schmerz, der jedes Mal einen fahlen Beigeschmack hinterließ und ihn doch in der nächsten Nacht schon wieder nach mehr hungern ließ.
 

Sanji zwang sich zur Ruhe, als die Bilder und mit ihnen die Gefühle auf ihn einstürmten.
 

Angefangen hatte alles in Alabasta. Sie hatten einige harte Kämpfe hinter sich gebracht und sich, erleichtert und in Partylaune, im herrlichen Bad des Palastes erholt und herumgealbert und sogar über die Mauer ins Frauenbad zu Nami und Vivi hinübergespinkst. Eine Gelegenheit, die ihm normalerweise noch wochenlang feuchte Träume beschert hätte. Normalerweise. Natürlich hatte er verzückter ausgesehen, als die anderen Idioten, die offenbar für die Figuren der Mädchen überhaupt keine Augen hatten. Aber wenn er ehrlich war, dann waren es nicht Namis und Vivis unbestreitbare Reize, die ein solches Feuer in seinen Adern entfacht hatten, daß er meinte, er stünde in Flammen. Das Bild, das sich tief in seinen Kopf gebrannt und ihn seitdem in seine Träume begleitet hatte, war das des so gut wie nackten Schwertkämpfers, der mit Hingabe Choppers Rücken gewaschen hatte. Der muskulöse Körper, vom Wasserdampf umschmeichelt und mit tausenden schimmernden Schweißperlchen übersäht, der konzentrierte und doch so sanfte Blick in den sonst so ernsten Augen, die starken Hände, die ...

Wie gerne hätte Sanji in diesem Moment mit dem Elch getauscht!
 

Der Blonde schluckte und spürte, wie die Röte wieder in sein Gesicht stieg und sich augenblicklich diese unsägliche Hitze in seinen Lenden ausbreitete. Er ballte seine Hände, die sich schon auf den Weg zu seinen Shorts gemacht hatten, zu Fäusten. Durch zusammengebissene Zähne preßte er ein „Scheiße!“ hervor und schlug ohnmächtig mit der Faust in sein Kopfkissen.
 

Usopp stöhnte gequält auf: „Sanjiiiii!“
 

Schuldbewußt blieb der Smutje ein paar Minuten reglos liegen, zwang sich erneut zur Ruhe und wartete, bis die Hitze seinen Körper wieder verlassen hatte. Schließlich schlug er mit einem Seufzer seine Bettdecke zurück und schwang die langen Beine aus der Hängematte. An Schlaf war einfach nicht zu denken. Vielleicht würde ihm ja ein bißchen frische Luft gut tun. Gewohnheitsmäßig griff er zu seiner Hose, bis ihm einfiel, daß er ja keine Zigaretten mehr hatte. Er unterdrückte einen heftigen Fluch und schlich sich so leise wie möglich an dem auf dem Boden schlafenden Zoro vorbei zur Tür. Er war erleichtert gewesen, daß der Schwertkämpfer sich, als er zum Abendessen in die Küche gekommen war, ganz normal verhalten hatte. Er hatte sein Essen mit dem üblichen Heißhunger verschlungen und war dabei Sanjis Blick weder ausgewichen noch hatte er ihn gesucht. Sanji war sich ziemlich sicher, daß er kein weiteres Kreuzverhör zu erwarten hatte, aber er wollte trotzdem kein Risiko eingehen und machte deshalb einen großen Bogen um den schnarchenden Recken.
 

Auf dem Weg nach draußen machte er einen Abstecher in die Speisekammer. Ein guter Tropfen Rotwein war schließlich Balsam für die Nerven. Er hockte sich vor das Weinregal, räumte leise, um Chopper nicht aufzuwecken, ein paar der vorne liegenden Flaschen zur Seite und begann zu lächeln. Aaah, da war er: Sein best gehüteter Bordeaux, von dem er immer zwei, drei Flaschen für besondere Anlässe aufbewahrte. Beinahe ehrfürchtig nahm er eine der Flaschen in die Hand und blies sanft die dünne Staubschicht hinunter. Und was paßte am besten zu diesem schweren Franzosen? Genau, Käse! Ein bißchen Brot müßte auch noch übrig sein. Eilig räumte Sanji die restlichen Flaschen wieder an ihren Platz und ging zurück in die Küche. Richtig, einer der Brotlaibe, die er heute morgen gebacken hatte, war Luffy entgangen und im Kühlschrank fand sich auch noch ein annehmbares Stück Käse. Jetzt noch schnell ein Weinglas vom Regal geangelt, Soviel Stil muß sein!, und raus aufs Deck.
 

Geschickt auf dem rechten Bein balancierend öffnete er mit dem linken Fuß die Tür und lies sie sachte hinter sich ins Schloß fallen, seine Beute dabei sicher in den Armen. Dann stockte ihm für einen Moment der Atem. Der endlose schwarze Himmel war mit Sternen übersäht, die über seinem Kopf zu tanzen schienen. Und nicht nur über ihm, auch um ihn herum glänzten die Millionen und Abermillionen Lichter in der spiegelglatten See. Genau vor Sanji hing die riesige milchigweiße Scheibe des Vollmonds, ein unbeschreiblich majestätischer Anblick. Mit einem Mal kam er sich klein und unbedeutend vor.
 

Der blonde Koch atmete tief durch und spürte, wie auch der letzte Rest von Wut ihn verließ. Zurück blieb nur ein hohles Gefühl, eine Melancholie, die ihm nicht ganz fremd war und welche ihm so gar nicht behagte. Nicht ahnend, wie sehr er dabei Zoro ähnelte, schüttelte er unwirsch den Kopf: Da hilft nur eins! Ein kleiner Mitternachtssnack begleitet von einem – nun ja, nicht ganz so kleinen – Schlückchen Wein. Die laue Nachtluft streichelte ihm zart über das Gesicht, als er sich umsah und überlegte, wo dieses Unterfangen wohl am besten zu bewerkstelligen wäre. Er entschied sich für die kleine Gruppe von Mandarinenbäumen auf dem hinteren Deck. Hier wäre er eine Weile unentdeckt, selbst wenn noch andere Schlaflose heraufkommen würden und außerdem roch es dort so angenehm nach den orangen Früchten. Er wollte sich gerade in Bewegung setzen, da durchfuhr es ihn wie ein Blitz!
 

„...“
 

Stocksteif blieb er stehen und wartete ... da war es wieder! Er erlaubte sich ein Grinsen, das nach und nach immer breiter wurde, bis es schließlich aus ihm herausbrach:
 

„Scheiße...der Wind! Der Wind weht!“
 

Und tatsächlich: Die soeben noch spiegelglatte Wasseroberfläche kräuselte sich leicht, so daß die Sterne wie lauter Glühwürmchen zu tanzen begannen. Jetzt hörte er auch über sich ein schwaches Geräusch, als das Segel ein wenig Luft einfing und die Rah leise knarzte.
 

Mit geschlossenen Augen ließ der Blonde die plötzliche Erleichterung und die laue Brise über sich hinweg waschen. Endlich! Endlich würde es weiter gehen. Das quälende Stillsitzen, das endlos erscheinende Warten war vorbei. Er konnte sich auf die Suche nach Jeff machen. Und er würde herausfinden, was der alte Sack vorhatte. Die feinen Gesichtszüge verhärteten sich. Was auch immer es war - und es konnte doch nur mit dem All Blue zusammenhängen, oder? -, Sanji hatte ein ungutes Gefühl. Er mußte dieser Sache auf den Grund gehen. Um jeden Preis. Wirklich um jeden? Was ist mit den anderen? Würden seine Nakama ihn wirklich begleiten? Was wenn nicht? Würde er sie verlassen, wenn es sein müßte? Auch ihn...? Entschlossen verbannte er die nagende kleine Stimme aus seinem Kopf. Er warf noch einen letzten prüfenden Blick auf das sich immer stärker aufblähende Segel. Schon konnte er das Rascheln der Blätter in den Mandarinenbäumen hören, als der Wind stärker wurde, dann stieß er die Tür hinter sich wieder auf, räumte flink Glas, Brot, Käse und mit leisem Bedauern auch die Weinflasche wieder zurück an ihren Platz. Der kleine Elch mußte nun doch etwas gehört haben, denn er rieb sich verschlafen die Augen und murmelte „Was...?", doch da war Sanji schon wieder durch die Tür und auf dem Weg zur Mädchenkabine, um die Navigatorin zu wecken.
 


 

Der blonde Koch stand gerade in der Küche und war mit den Vorbereitungen für das Frühstück beschäftigt, als er Luffy von draußen brüllen hörte „Land ahoi!“ Sanji hielt kurz inne, holte einmal tief Luft und fuhr dann fort mit seinen Vorbereitungen als sei nichts gewesen. Doch seine äußerliche Coolness täuschte. Seine leicht zitternden Hände verrieten den Sturm, der in seinem Inneren tobte. Endlich war es soweit. Bald würde er der Enge des Schiffes für eine Weile entfliehen können.
 

Nami hatte auf seine beiläufige Nachfrage erklärt, daß die nächste Insel die sie ansteuerten etwas größer sei. Zwar war sie ziemlich gebirgig, trotzdem hatte sich eine recht ansehnliche Hafenstadt gebildet, was darauf zurückzuführen war, daß man in den Bergen hier Gold gefunden hatte. Schon bald waren die Goldgräber in Scharen angerückt und diejenigen, die nicht dem rauhen Klima der Herbst-Insel oder den nie endenden Kämpfen um die besten Schürfplätze zum Opfer gefallen waren, hatten tatsächlich wenn nicht gerade ihr Glück, so doch aber ein ordentliches Sümmchen Geld gemacht.
 

Früher wäre Sanji aus dem Häuschen gewesen, beim Anblick der Navigatorin, deren verträumter Blick darauf hindeutete, daß sie sich wohl auch schon als reiche Goldgräberin sah. Doch diesmal fühlte seine Begeisterung sich hölzern an. Er war abgelenkt. Seine Gedanken kreisten um Jeff und wenn er nicht höllisch aufpaßte, auch um den grünhaarigen Trottel, der gerade auf dem Vorderdeck sein Frühtraining absolvierte. Das Ganze wurde auch dadurch nicht einfacher, daß er in den letzten Nächten kaum geschlafen hatte. Er fühlte sich hohl und erschöpft, aber gleichzeitig aufgekratzt und nervös. Und noch nicht einmal eine einzige scheiß Zigarette war noch aufzutreiben! Mit einer etwas zittrigen Geste fuhr er sich mit der rechten Hand durch die blonden Haare und zeigte seinen üblichen und doch noch nie als so unerträglich empfundenen Ausdruck der Verzückung. Nami war zum Glück nichts aufgefallen, sie war noch zu sehr mit ihren Tagträumen beschäftigt, also hatte Sanji sich schnell in die Küche verzogen, um die letzte Raubtierfütterung vor dem Landgang vorzubereiten.
 


 

Jeff wußte, daß es mit dem Baratie zuende ging. Es hatte begonnen, kurz nachdem der Bengel losgezogen war, seinen Traum zu jagen. Damals hatte er es für eine gute Idee gehalten, ja fast hatte er das Gefühl, er wäre es dem Jungen schuldig, ihn gehen zu lassen. Schließlich hatte dieser sein ganzes Leben noch vor sich. Jetzt wußte der alte Koch, daß das ein großer Fehler gewesen war. Denn schon bald waren die Gäste ausgeblieben. Wo denn der charmante junge Mann sei, der so wunderbar kochte und kellnerte hatten vor allem die jungen Damen gefragt und lange Gesichter gemacht als sie die Antwort hörten. Selbst das hervorragende Essen hatte nicht vermocht, sie wieder aufzuheitern. Zuerst hatte Jeff es nicht wahrhaben wollen. Er hatte gekocht wie noch nie und sich ein ums andere Mal selbst übertroffen, aber der Erfolg war ausgeblieben. Die Gäste waren weniger geworden, bis sie eines Tages ganz weggeblieben waren. Jetzt hatten auch seine Köche sich nach und nach von Board geschlichen, bis nur noch eine Handvoll seiner ältesten und treuesten Angestellten übrigbeblieben war.
 

Dann, eines Tages, als er wieder in seinem leeren Restaurant saß, von seinen Gehilfen aus sicherer Entfernung besorgt beäugt, und sich den zu langen Zöpfen geflochtenen Schnurrbart zwirbelte, hatte er einen Plan erdacht: Er würde den Bengel wieder zurückholen. Ja, selbst wenn das bedeutete, daß er wieder zur verfluchten Grand Line zurückkehren mußte, um ihn zu finden. Wenn er es nämlich nicht täte, wäre er bald bankrott und müßte - Gott bewahre! - in einem Restaurant an Land anheuern. Er! Jeff Rotfuß, der Piratenkoch! Bei diesem Gedanken fühlte er sich so elend, als wäre gerade jemand über sein Grab gelaufen. Jeff schüttelte sich und zwirbelte etwas heftiger an seinem Schnurrbart. Das würde er einfach nicht zulassen!
 

Damit war es entschieden. Sanji hatte lange genug seinen Spaß gehabt, jetzt wurde es Zeit, daß er zurückkehrte und seine Pflicht tat. Denn daß Sanji ihm gegenüber verpflichtet war, daran hatte der alte Koch nie einen Zweifel gelassen. Schließlich hatte er sein wertvolles Bein für die kleine Aubergine geopfert. Jeffs Mund verzog sich zu einem unschönen Grinsen. Er wußte genau, daß er den Kleinen so drankriegen würde und er hatte keine Skrupel, das auszunutzen. Jeff Rotfuß war zwar ein exzellenter Koch, aber in allererster Linie war er Pirat. Und er wäre nicht so alt geworden, wenn er romantische Illusionen darüber hätte, was das bedeutete. Er würde Sanji wiederkriegen – mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln.
 

Leid

Zu allererst möchte ich mich wieder bei meinen beiden Kritikerinnen bedanken. Euer Lob mach süchtig! Aber es spornt mich auch an, jeden Satz dreimal umzudrehen, bevor ich zufrieden bin, damit es Euch auch weiterhin gefällt. :)
 

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Die Luft war erfüllt vom Schreien der Marktleute und den unzähligen Gerüchen der Waren die sie anboten, als Sanji über den Basar der Goldgräberstadt schlenderte. Er war zwar immer noch beunruhigt wegen Jeff, aber er wußte, daß er Prioritäten setzen mußte. Und seine Küche hatte nun einmal Vorrang vor allem anderen. Seine Zutaten wählte er stets mit peinlichster Sorgfalt aus und so konnte er sich auch jetzt nicht erlauben, beim Einkaufen in Hektik zu verfallen. Also hatte er seine Nervosität gebändigt. Die brennende Zigarette zwischen seinen Lippen und die halb volle Schachtel in seiner Hosentasche taten ihr übriges zu seiner Entspannung.
 

So spazierte er nun von Stand zu Stand, probierte hier, feilschte da und war alles in allem sehr angetan von dieser Stadt und ihrem Markt. Die Lebensmittel waren frisch und die Auswahl groß. Er inhalierte zufrieden den Rauch seiner Zigarette. Das war einer der Vorteile reicher Städte: Die Bewohner konnten sich den Luxus guter und exotischer Lebensmittel – und Zigaretten – leisten. Der Nachteil bestand darin, daß sich in solchen Städten auch häufiger die Marine herumtrieb, schließlich wollten die wohlhabenden Städter auch gerne wohlhabend bleiben und ihr Geld und Gut nicht an marodierende Piraten verlieren. Doch die Goldgräberstadt war auch in dieser Beziehung wohltuend anders. Die Digger waren es gewohnt, sich selbst zu verteidigen und brachten der Marine ein gesundes Mißtrauen entgegen, was vermutlich damit zusammenhing, daß sie diesen Gerechtigkeitsfanatikern nur ungern Einblick in ihre nicht immer ganz lauteren Geschäfte gewährten.
 

So konnte auch die Strohhutbande ohne größere Scherereien befürchten zu müssen, die Stadt erkunden. Nami wollte nach neuen Klamotten schauen, Robin und Chopper waren auf Bücherjagd und Usopp klapperte die Kleinwarenhändler ab, immer auf der Suche nach Krimskrams, den er für seine neuesten Erfindungen brauchen konnte. Luffy war wie üblich ziellos losgelaufen und hatte bestimmt schon wieder ein paar interessante Leute getroffen. Irgendwie hatte der Junge ein Gespür für Menschen und brachte auch Fremden eine Gutgläubigkeit entgegen, die der Smutje insgeheim bewunderte. Er war es von je her gewohnt, niemandem zu trauen und seine Probleme alleine anzugehen, denn er hatte vor Luffy noch niemals jemanden getroffen, an den er wirklich geglaubt hätte. Selbst sein Verhältnis zu Jeff war nicht wirklich vertrauensvoll gewesen. Sicher, der alte Koch hatte ihm das Leben gerettet und ihn auf seine schroffe Art auch erzogen und stark gemacht, mal ganz zu schweigen von den Kochkünsten, die er ihm vermittelt hatte. Aber die Schuld, den Piratenkoch seines Traumes beraubt zu haben, hatte immer wie ein Schatten über ihnen gehangen und verhindert, daß sie ein herzlicheres Verhältnis aufbauen konnten. Sanji schüttelte den Kopf. Damit würde er sich später beschäftigen, jetzt würde er erst einmal für sich und seine Nakama einkaufen.
 

Trotzdem bedauerte er flüchtig, daß er sich auch jetzt niemandem anvertrauen konnte. Luffy konnte zwar durchaus verständig sein, wenn es darauf ankam, aber leider war es oft sehr schwer, ihm die Ernsthaftigkeit einer Situation klarzumachen und dazu fehlte Sanji jetzt einfach die Energie. Die beiden Frauen schieden aus, da Nami für Männerangelegenheiten so gar kein Verständnis hatte und er sich vor Robin offen gestanden ein wenig fürchtete. Nie würde er es wagen, die kühle Schwarzhaarige mit seinen persönlichen Problemen zu belästigen. Usopp und Chopper waren einfach zu jung und Zoro... tief in seinem Herzen hätte er sich gewünscht, sich dem Schwertkämpfer anvertrauen zu können. Dessen Ruhe und Gelassenheit würden ihm guttun und eine private Angelegenheit würde bei dem Grünhaarigen bestimmt auch privat bleiben. Sanji war sich sicher, daß der andere auch mit niemanden sonst über den Zeitungsartikel gesprochen hatte. Aber es gab da das klitzekleine Problem, daß Zoro schon immer der unnahbarste seiner Freunde gewesen war und er es, gelinde gesagt, äußerst merkwürdig finden würde, wenn Sanji jetzt mit seinen persönlichen Problemen zu ihm käme. Aber er hat doch selbst danach gefragt, meldete eine kleine Stimme sich zu Wort. Ja, und Sanji hatte ihm - sehr zu seiner eigenen Überraschung - beinahe sein Herz ausgeschüttet! Aber hier lag ja das zweite klitzekleine Problemchen: Selbst wenn der mürrische, schöne, unnahbare, erregende Roronoa Zoro ihm zuhören wollen würde – Sanji konnte doch gar nicht mehr in seiner Nähe sein, ohne an jenen verhängnisvollen Tag in Alabasta zurückzudenken! Bevor die verflucht lästige kleine Stimme erneut die wohlbekannten Bilder heraufbeschwören konnte, schloß der blonde Koch entschieden die Tür zu seinem Herzen wieder zu. Er konnte nicht mit Zoro reden und damit basta!
 

Bei all diesen Überlegungen war der junge Smutje nicht untätig gewesen. Seine Arme waren inzwischen schwer bepackt. Als er nun aus seinen Grübeleien wieder auftauchte bemerkte er am Stand vor sich einen anderen Koch, der ihn irgendwie an das Baratie erinnerte. Er straffte die Schultern. Bald würde er mit seinen Nachforschungen beginnen, doch erst wollte er die Einkäufe zurück zum Schiff schaffen. Er hatte sogar ein paar saftige Steaks gefunden – Luffy würde aus dem Häuschen sein! Zu Recht! dachte er zufrieden. Ich werde schon was feines zaubern! Aber was mache ich als Beilage? Irgendwas Grünes... Er seufzte ergeben. Der lästigen kleinen Stimme war einfach nicht beizukommen. Dann hielt er inne. In der Auslage des Gemüsestandes an dem er soeben vorbeigegangen war hatte etwas seine Aufmerksamkeit erregt. Er ging ein paar Schritte zurück... Tatsächlich.
 

Die schrumpelige kleine Marktfrau, die geschäftseifrig zu ihm gelaufen kam, wunderte sie sich ein wenig über den seltsamen jungen Mann, der ihr zwei Kilo ihrer besten Erbsen abkaufte und diese mit einer beinahe liebevollen Behutsamkeit in seinen Einkaufstüten verstaute. Als er sich abwandte um zu gehen, zuckte sie aber nur mit den Schultern und zählte zufrieden das Geld in ihrer Hand. Merkwürdig, die jungen Leute heutzutage.
 


 

Jeff hatte Sanji schon eine ganze Weile beobachtet, wie der so entspannt seinen Einkäufen nachging. Beifällig bemerkte er, daß der Junge nur die besten der Waren einkaufte und sich auch von den gewieftesten Händlern nicht übers Ohr hauen ließ. Er hatte wirklich viel von ihm gelernt. Der alte Koch hätte sich zufrieden die Hände gerieben, wenn sich in ihm nicht gerade in diesem Moment sein schlechtes Gewissen geregt hätte. Was er mit Sanji vorhatte, war wirklich nicht die feine Art. Entschlossen schob er diesen Gedanken zur Seite. Es ging schließlich ums Baratie und seine Zukunft. Und das ging den Jungen auch etwas an, war er nicht sein Mitbegründer gewesen? Etwas beruhigter wandte Jeff seine Aufmerksamkeit wieder dem Kleinen zu und sah gerade noch wie dieser um eine Ecke verschwand. Den alten Piraten kümmerte das wenig. Er hatte seine Männer strategisch auf dem ganzen Marktplatz verteilt. Sanji würde ihm nicht durch die Lappen gehen. Mit einem leisen Seufzen rieb er seinen Beinstumpen, an dem das Holzbein ein wenig drückte und folgte dem blonden Bengel in unauffälligem Abstand.
 

Ihn zu finden war erstaunlich einfach gewesen. Er war zwar schon bei seinem ersten Treffen auf dem Baratie von dem Mut und der Entschlossenheit des jungen Monkey D. Luffy beeindruckt gewesen, aber daß er sich so schnell auch auf der Grand Line einen Namen machen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Ein Kopfgeld von 100.000.000 Beri war wirklich eindrucksvoll für so einen kleinen Bengel und auch der verrückte Schwertkämpfer, der es gewagt hatte, Falkenauge herauszufordern, hatte sich offensichtlich weiterentwickelt. Jeff war das im Grunde genommen herzlich egal, aber sie hatten ihm indirekt einen gewaltigen Gefallen getan. Den Weg der Strohhutbande durch die Grand Line zu verfolgen war nun ein Kinderspiel. Jeder, der sie gesehen hatte, berichtete bereitwillig davon und nachdem der alte Pirat einige Beziehungen hatte spielen lassen, die er noch auf der Grand Line hatte, war es ein Leichtes für ihn gewesen, einen Lockport für die Goldgräberinsel zu bekommen und noch vor Sanji und seinen Freunden dort anzukommen. Beinahe eine Woche hatte er die Stadt und die Umgebung erkundet und sein Plan hatte weiter Form angenommen, bis schließlich einer seiner Köche berichtete, daß die Going Merry am Horizont gesehen worden war.
 

Er hatte gewußt, daß Sanji früher oder später auf dem Markt auftauchen würde und, wie erhofft, war er alleine. Jeff war ihm gefolgt und wartete nur noch auf einen passenden Zeitpunkt, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Dieser Moment schien nun gekommen zu sein. Der Junge war plötzlich stehengeblieben und hatte offenbar geistig abwesend zwei Kilo Erbsen gekauft. Jeff erkannte sofort, daß es sich wieder um Spitzenqualität handelte, aber...Sanji haßte Erbsen! Was machte der Bengel da bloß? Der alte Koch hatte keine Erklärung, aber er erkannte eine Gelegenheit, wenn sie sich ihm bot. Mit schnellen Schritten trat er von hinten an den Jüngeren heran und lege ihm eine Hand auf die Schulter.
 

„Kleiner...“
 


 

9998...9999....10000...„Uff!“ Zoro ließ seine Hanteln auf die Planken der Going Merry fallen, wo sie tiefe Dellen hinterließen. Klasse, Usopp würde begeistert sein, daß er sein geliebtes Schiff so demolierte. Genervt verdrehte der Schwertkämpfer die Augen und schob die Gewichte zur Seite. Na ganz toll! Die eine Planke sah ziemlich zertrümmert aus. Vielleicht sollte er sie besser auswechseln bevor die anderen... Ach was! Waren sie doch selbst schuld, daß sie einfach abgehauen waren und ihn mit der Bewachung des Schiffs stehen gelassen hatten.
 

Er fröstelte leicht. Im Herbst war es vielleicht nicht so günstig, zu lange mit freiem Oberkörper auf Deck herumzustehen. Eilig zog er sich sein Hemd über und brummte zufrieden. Schon besser. Doch gleich verfinsterte sich seine Miene wieder.
 

„Eigentlich war der verdammte Löffelschwinger an der Reihe!“ maulte er den großen Schafskopf am Bug an und lehnte sich neben ihm auf die Reling. Der Gehörnte schaute jedoch weiterhin stoisch nach vorne und beachtete den frustrierten Schwertkämpfer nicht weiter. Zoro seufzte. Klar, hatte Sanji einkaufen gehen müssen. Das zusammengeschusterte Frühstück heute morgen war Grund genug. Aber warum hatte er so ein verdammt schlechtes Gefühl bei der Sache? Ihm war regelrecht mulmig gewesen, als er den Koch alleine hatte losziehen sehen. Es wäre besser, wenn Luffy oder ich ihn begleitet hätten! Stöhnend ließ Zoro seinen Kopf zwischen die Arme sinken und fuhr sich mit den Händen durch das kurze grüne Haar. Was dachte er da bloß? Machte er sich etwa Sorgen um den bescheuerten Koch? Das war ja nicht zum aushalten. Er war auf dem Weg, der beste Schwertkämpfer der Welt zu werden, nicht das beste verdammte Kindermädchen! Wenn der Löffelschwinger das erführe, würde er sich schlapp lachen und Zoro hätte keine ruhige Minute mehr vor seinen Sticheleien. Und Recht hätte er auch! Schließlich war der Smutje, auch wenn er seiner eigenen Schwertkunst natürlich immer unterlegen bleiben würde, nicht gerade ein Schwächling. Als Sir Crocodile sie gefangen gehalten hatte, war er sogar ganz nützlich gewesen, gestand Zoro ihm großzügig zu. Trotzdem... Der Schwertkämpfer verschränkte seine Arme auf der Reling, stütze seinen Kopf darauf und starrte auf die Insel, die sich im Licht eines herrlichen Herbsttages vor seinen Augen erhob. Schön war es hier. Im goldenen Licht der Mittagssonne leuchteten die bewaldeten Hügel der Insel in warmen Rot- und Orangetönen. Zoro runzelte die Stirn. Irgend etwas war faul, aber was?
 

Der Zeitungsartikel war wenig aufschlußreich gewesen. Jeff Rotfuß war wieder auf der Grand Line gesichtet worden. Na und? Zoro hatte den Wisch im Licht des Vollmonds gerade so entziffern können. Jetzt holte er ihn wieder aus seiner Hosentasche hervor und fixierte ihn, als wolle er auch die letzte mögliche Information aus dem kurzen Bericht herausquetschen – und wäre das Papier lebendig gewesen, es hätte seine dunkelsten Geheimnisse und obendrein auch noch seine Großmutter verraten, nur um diesem Blick entgehen zu können. Aber so blieb es stumm und Zoro war auch nicht schlauer als vorher. Obendrein war der Artikel auch ziemlich veraltet. Der Zeitungsvogel hatte offensichtlich nicht nur eine lange Reise hinter sich gebracht gehabt, sondern sich auch noch alle Zeit der Welt gelassen. Der Grünhaarige rieb sich mit einer Hand über die Stirn und versuchte nachzudenken. Was wußte er über Jeff Rotfuß? Er war auf dem Restaurantschiff gewesen wo sie den Suppentopf aufgegabelt hatten, oder? Sein Ziehvater oder so was. Ein Holzbein hatte er auch gehabt... Verdammt. Zoro war bestimmt nicht auf den Kopf gefallen, aber er war auch kein verdammter Detektiv! Woher sollte er wissen, was den Smutje so daran aufregte, daß der alte Knacker auf der Grand Line herumschipperte? Zoro hätte verstehen können, wenn der Koch sich gefreut hätte, seinen alten Kumpel wiederzusehen. Aber als Vorfreude konnte man Sanjis Verhalten in den letzten Tagen nun wirklich nicht bezeichnen. Geflissentlich überhörte er die Stimme in seinem Hinterkopf, die ihn zum einen fragte, warum ihm das überhaupt aufgefallen sei und zum anderen bemerkte, daß Sanjis Atem nachts schon das ein oder andere Mal von großer Freude gezeugt hatte...
 

Mit einem letzten Seufzen richtete der Schwertkämpfer sich auf. Er hielt gar nichts davon, sich selbst zu belügen. Da zog er ein paar unbequeme Wahrheiten vor. Es reichte, daß er sie mit niemand anderem zu teilen brauchte. Und so mußte er sich eben eingestehen, daß er sich Gedanken um den blonden Smutje machte. Aber er würde sich nicht zum Affen machen! Deshalb widerstand er seinem Impuls, über die Reling zu springen und den Kochlöffel suchen zu gehen und hob stattdessen seine Hanteln wieder auf. Körperliches Training war immer noch die beste Ablenkung bei Streß jeglicher Art.
 


 

Sanji fuhr zusammen als die schwere Hand auf seine linke Schulter fiel. Er war gerade in Gedanken bei dem grünhaarigen Schwertfuchtler gewesen. Ob er wohl den Wink mit den Erbsen verstehen würde? Er lächelte leicht, aber als er die alte Stimme hörte, wich ihm alles Blut aus dem Gesicht. Er spürte, wie ihm die Knie weich wurden, zwang sich aber dazu, erst aufrecht stehen zu bleiben und sich, als er merkte, daß seine Beine ihren Dienst noch eine Weile tun würden, langsam umzudrehen. Hätte er einen Geist gesehen, er hätte nicht erschütterter sein können. Die blauen Augen schienen groß und dunkel in dem aschfahlen Gesicht, die fein geschwungenen Lippen blutleer zusammengepreßt. Für einen Moment stand er noch wie eingefroren, rang innerlich um Fassung, dann hatte er sich wieder in der Gewalt und auch die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück. Mit der rechten Hand griff er ruhig nach seiner Zigarette, an der er noch kurz zog, bevor er sie aus dem Mund nahm und mit halb geschlossenen Augen den blaugrauen Rauch ausblies.
 

„Jeff...“, sagte er und zwang sich, den alten Koch anzugrinsen. Er hatte nun aus dem Augenwinkel auch ein paar seiner alten Kameraden gesehen und wollte sich auf keinen Fall eine Blöße geben. Doch hinter der heiteren Fassade arbeitete sein Gehirn auf Hochtouren. Warum war der alte Sack hier? Wie konnte er überhaupt so schnell hier sein? Er war doch weit später als sie aufgebrochen. Oder? Ja, das mußte so sein, sonst hätte es viel eher in der Zeitung gestanden. Jeff Rotfuß war schließlich kein Unbekannter auf der Grand Line. Wo kam er also so plötzlich her und was wollte er von ihm? Sanji fühlte sich leicht unbehaglich und der Eindruck von Jeffs Männern eingekesselt zu sein, ließ sich auch nicht abschütteln. Aber er beschloß sich nichts anmerken zu lassen und erst einmal abzuwarten. Irgendwie freute er sich ja auch, den alten Sack wiederzusehen. Daher nahm er auch dessen Angebot, auf diese unerwartete – Tatsächlich? – Freude etwas trinken zu gehen mit einem Lächeln an.
 

Seine Einkäufe in beiden Armen balancierend schaffte er es sogar, sich eine neue Zigarette anzuzünden, als er dem alten Koch in eine nahegelegene Kneipe folgte.

„Eine Kneipe?“ Sanji hob überrascht eine geschwungene Augenbraue. Das war doch eigentlich nicht ihr Stil.
 

Jeff brummte nur und schob den Jüngeren vor sich her in den halbdunklen Schankraum. Da es gerade Mittagszeit war und draußen hell die Sonne geschienen hatte, mußten Sanjis Augen sich erst an das Schummerlicht gewöhnen, doch dann konnte er eine erstaunlich geschmackvoll eingerichtete Bar erkennen und die gut gefüllten Weinregale an den Wänden ließen jeden Protest sogleich auf seinen Lippen ersterben. Mit fachmännischem Blick erkannte er, daß die Weine in der Auslage durchweg von erlesener Qualität waren, was mochte der Wirt also erst aus seinem Privatvorrat – und Sanji hatte keinen Zweifel, daß er über einen solchen verfügte – hervorzaubern können. Die Augen des Blonden nahmen einen verträumten Ausdruck an und für einen Moment vergaß er seine prekäre Situation. Bis ihn ein Schnaufen daran erinnerte, in wessen Gesellschaft er nun in einem der tiefen Ledersessel Platz nahm. Er stellte seine Einkäufe neben seinem Sessel ab und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie der alte Koch sich ihm gegenüber niederließ und für sie beiden einen edlen Weißwein bestellte. Sanji neigte zwar eher zu einem schweren Roten, aber er wußte es besser, als daß er dem alten Knochen reingeredet hätte. Der Wein kam und war wirklich vorzüglich. Sanji fühlte den Blick seines Gegenübers, wie er jede seiner Bewegungen aufmerksam aber schweigend beobachtete. Langsam wurde die Stille erdrückend. Leicht angespannt fragte der Jüngere nach ein paar gemeinsamen Bekannten und dem Baratie, aber er erhielt nur karge, unbestimmte Antworten. Um ein ausdrucksloses Gesicht bemüht nippte er wieder an seinem Wein. Das ungute Gefühl wurde immer stärker. Jeff benahm sich eigenartig. Er war zwar nie sehr gesprächig gewesen und wenn sie Worte gewechselt hatten, gab das sowieso meistens nur Zoff. Aber diese ausweichende Art kannte er nicht an dem alten Sack, der sonst kein Blatt vor den Mund nahm.
 

Eine Weile saßen sie beide schweigend da und tranken nur ab und zu von ihrem Wein, bis es Sanji schließlich zu zuviel wurde und er den alten Mann einfach gerade heraus fragte: „Was treibt Dich nun wieder hierher? Hattest Du nicht der Grand Line abgeschworen?“ Er warf einen vielsagenden Blick auf Jeffs Holzbein.

Der alte Koch rührte sich nicht und wenn Sanji es nicht besser gewußt hätte, hätte er gedacht, der andere müsse nach den richtigen Worten suchen. Doch jetzt schien er einen Entschluß gefaßt zu haben.
 

„Sanji, ich will nicht lange drumherum reden: Das Baratie geht pleite, wenn Du nicht zurückkommst. Deshalb bin ich gekommen, um Dich nach Hause zu holen.“ Über den Rand seines Weinglases bedachte der alte Koch den Jungen mit einem berechnenden Blick, den er aber gleich wieder verbarg, als er das Glas abermals ansetzte.
 

Sanji rührte sich nicht. Dann verzog sich sein Mund zu einem bitteren Lächeln.

„Nach Hause, sagst Du? Scheiße, alter Mann, ich habe nie ein Zuhause gehabt.“ Mit dem gleichen bitteren Gesichtsausdruck zog er an seiner Zigarette und ließ den Rauch langsam durch schmale Lippen entweichen. „Und überhaupt, was soll das heißen, das Baratie geht pleite? Du bist doch der scheiß Chefkoch!“ Er fixierte Jeff mit seinem Blick und dachte, Das soll der Grund sein? Das soll reichen, damit er sich auf diese Reise gemacht hat? Nicht das All Blue, sondern...ich?! Eine Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung machte sich in Sanji breit. Erleichterung, daß der alte Sack dem All Blue auch nicht näher war, als er selbst und Enttäuschung, weil er mehr von ihm erwartet hätte. Scheiße, er war ein gefürchteter Pirat und fantastischer Koch gewesen. Sollte er jetzt ernsthaft so eine Lappalie nicht alleine geregelt bekommen, er war schließlich der beste Koch, den es gab. Doch schon durchzuckte Sanji das altbekannte Gefühl des schlechten Gewissens. Wenn Jeff das alleine nicht hinbekam, dann nur, weil er, Sanji, daran Schuld hatte. Seinetwegen hatte er seinen Traum aufgeben müssen, seinetwegen hatte er sein Bein verloren. Als sich die alte Litanei in Sanjis Kopf wieder abspulte, wich das bittere Lächeln einem gequälten Ausdruck der Reue und als er diesmal an seiner Zigarette zog, zitterte seine Hand ein wenig.
 

Jeff hatte die ganze Zeit geschwiegen und den Jungen aus halb geschlossenen Augen beobachtet. Auf genau diesen Gesichtsausdruck hatte er gewartet! Einen Moment lang zögerte er noch zum finalen Stoß anzusetzen, aber dann sah er vor seinem geistigen Auge das Bild des stolzen Piratenkochs als Angestellten in irgendeiner spießigen kleinen Stadt-Spelunke aufsteigen. Tut mir leid, Kleiner, aber...
 

„Du bist es mir schuldig“, sagte er leise.
 

Sanji erstarrte. Ihm wurde heiß, doch augenblicklich fing er an zu zittern, als wäre ein Eissturm über ihn hereingebrochen. Nur mit Mühe konnte er verhindern, daß seine Zähne klapperten. Er wollte etwas erwidern, wollte sagen, daß er seine Schuld in den vielen Jahren, in denen er für den Alten gearbeitet hatte, getilgt hatte und daß er, Jeff, ihn schließlich so gut wie rausgeschmissen hatte. Er wollte schreien und wie wild um sich treten als die erbarmungslose Gewißheit über ihn hereinbrach, daß er es trotzdem tun und tatsächlich seine Nakama verlassen würde, und er fühlte eine hilflose Wut in sich aufsteigen, als er unweigerlich an das schöne, stolze Gesicht des Marimos dachte. Was würde der wohl von ihm halten, wenn er einfach so ginge? Seine Kehle schnürte sich zu, als er wieder Zoros Atem und seine tiefe Stimme an seinem Ohr spürte und er abermals seinen ganz eigentümlichen Geruch in der Nase hatte. Er schluckte schwer. Aber er spürte auch Jeffs unbewegten Blick auf sich ruhen und das uralte Gefühl der Schuld übermannte ihn, begrub all seine frischeren Gefühle unter sich. Er fühlte förmlich, wie sein Herz zerriß, als er kraftlos nickte.
 

Jeff wußte, daß er gewonnen hatte. Entschlossen schob er den nagenden Zweifel zur Seite, daß er dem Jungen gerade ein großes Unrecht antat. Trotzdem fühlte er sich plötzlich alt. Er zuckte unmerklich mit den Schultern. Wenn sie dieses dreckige Meer hinter sich gelassen und das Baratie wieder in Schwung gebracht hätten, würde schon alles wieder in Ordnung kommen. Der Bengel war schließlich auch ein Koch, er würde es eines Tages verstehen.
 

Sanji hatte die Zeit des Schweigens genutzt, um sich wieder zu sammeln. Als er das Weinglas auf dem Tischchen vor sich abstellte, fiel sein Blick auf seine Einkaufstüten.

„Jeff?“

„Hmm?“

„Bevor wir fahren, will ich noch die Lebensmittel zur Going Merry bringen. Keine Sorge,“ fuhr er mit einem freundlosen Lachen fort, als er den alten Mann die Stirn runzeln sah, „es wird keiner an Board sein“, außer ihm, „also wird mich auch keiner aufhalten.“
 

Der alte Sack sah ihn einen Moment lang forschend an, nickte dann aber.
 

„Jetzt ist es Mittag. Um drei Uhr treffen wir uns wieder hier, verstanden?“
 

Sanji nickte kurz, drückte seine Zigarette im Aschenbecher vor sich aus und erhob sich. Ohne den alten Piraten noch eines weiteren Blickes zu würdigen verließ er mit seinen Einkäufen im Arm die Bar.
 

Jeff sah ihm gedankenvoll nach. Als die Tür sich hinter dem Jungen geschlossen hatte, winkte er zwei seiner Männer zu sich, die an einem der schlecht einsehbaren Nischentische gesessen hatten.
 

„Folgt ihm unauffällig. Und berichtet mir über alles, was er tut.“

Die beiden Männer nickten stumm und eilten dem Blonden hinterher. Zurück blieb ein alter Koch, der sich nachdenklich ein weiteres Glas Wein einschenkte.
 


 

Im Hafen angekommen blieb Sanji eine Weile einfach nur stehen und betrachtete die Going Merry. Den freundlichen Schafskopf am Bug, die inzwischen unzählig oft mit mehr Hingabe als Können ausgebesserten Planken, den kleinen Mandarinenhain. Er dachte an die schönen Stunden, die er hier mit seinen liebenswert verrückten Nakama verbracht hatte. Der hohle Raum in seiner Brust, der einmal sein Herz gewesen war, schmerzte dumpf. Er hätte nie ein Zuhause gehabt hatte er dem alten Sack eben noch gesagt, aber das stimmte nicht mehr. Hier, an Bord dieses kleinen Piratenschiffes hatte er eine Heimat gefunden. Und eine eigentümliche Familie noch dazu. Sein Blick wanderte den Mast hinauf, über das gereffte Segel bis er an seinem eigentlichen Ziel hängenblieb, dem Büschel grüner Haare, das über den Rand des Krähennestes lugte.
 

Sanji stellte die schweren Einkaufstüten kurz auf den Boden, während er sich gedankenverloren eine neue Zigarette anzündete. Den grünen Schopf ließ er dabei nicht aus den Augen. Bestimmt schläft er gerade wieder, dachte er und blies eine Wolke weißen Rauchs aus, typisch! Sein niedergeschlagenes Lächeln wurde von einem feinen Stich begleitet, der die dumpfe Leere in seiner Brust durchdrang. Zögerlich wandte Sanji seinen Blick ab, griff nach seinen Tüten und sprang mit einem gewaltigen Satz an Bord, von wo er geradewegs in die Küche eilte. Dort angekommen ließ er seine Einkäufe zu Boden gleiten und lehnte sich mit dem Rücken an die Tür, wo erst einmal mit geschlossenen Augen verharrte.
 

Ich kann das einfach nicht! Scheiße, ich kann nicht...!

Aber Du mußt!, drängte sich eine alte Stimme in seine Gedanken. Du bist es mir schuldig...
 

Sanji fühlte sich elend. Und erschöpft. Er hatte sich Zeit erbeten um Abschied zu nehmen, doch es war noch schwerer, als er erwartet hätte. Dennoch, er hatte einfach keine Wahl. Er würde es Jeff nie abschlagen können und das wußte der alte Sack auch ganz genau. Verdammte Scheiße! Angewidert verzog der Blonde das Gesicht. Er wurde von dem Alten nach Strich und Faden manipuliert und er war unfähig, sich dagegen zu wehren. Das schlechte Gewissen war einfach zu erdrückend. Scheiße, Mann! Zoro würde so was nicht mit sich mach...

„Au!“ Fluchend rieb sich Sanji den Rücken, in den sich gerade überraschend die Türklinke gebohrt hatte. Dicht neben seinem Kopf – zu dicht!– schob sich ein marimogrüner Schopf durch den Türspalt. Als Zoro ihm das Gesicht zuwandte, streifte sein Atem die Wange des Blonden.
 

„Da bist Du ja wieder, Kochlöffelchen“, brummte er.
 

Kochlöffelchen? Sanji schluckte und sein Puls beschleunigte sich. Wie ist das möglich, wenn einem schon das Herz herausgerissen worden ist, wanderte ein diffuser Gedanke durch sein überanstrengtes Hirn, Muß ich Chopper bei Gelegenheit mal fragen. Mit Mühe widerstand er der Versuchung, den Kopf zu drehen und das markante Gesicht des Schwertkämpfers genauer zu studieren. Er konnte sich nur zu gut daran erinnern, was das letzte Mal mit ihm passiert war, als er diesen bemerkenswerten Augen zu nahe gekommen war. Also starrte er stur geradeaus und versuchte, die herben Gerüche von sonnengebräunter Haut und Meersalz zu ignorieren, die seine verräterische Nase begierig aufsog.

Wieder bohrte sich die Türklinke in sein Kreuz.
 

„Jetzt laß mich schon rein, ich hab Durst!“ murrte Zoro jetzt schon ungehaltener.

Sanji faßte einen Entschluß. Er stieß sich nach vorne weg, drehte sich um die eigene Achse und trat die Tür mit einem kräftigen Fußtritt, der sein ohnehin schon geschundenes Herz in kleine Fetzen riß, zu. Es muß sein, versuchte er sich zu rechtfertigen, als er das laute Fluchen des überraschten Schwertkämpfers vernahm. Polternd flog die Tür aus ihren Angeln und in der Öffnung stand Zoro wie ein grünhaariger Racheengel. Unwillkürlich wich Sanji einen Schritt zurück, doch dann schob er seine Hände in die Hosentaschen und brachte sich entschlossen in Stellung. Er würde nicht vor Zoro davonlaufen.
 

„Hat man Dir jetzt endgültig ins Hirn geschissen, verdammter Löffelschwinger?“ grollte dieser. Seine Stimme war gefährlich tief, in den schwarzen Augen unter den zusammengezogenen Brauen brannte ein kaltes Feuer. Die linke Hand zur Faust geballt stütze er sich gegen den Türrahmen, die rechte hielt er an die Seite seines Kopfes gepreßt. Sanji erblasste, als er sah, wie zwischen den starken Fingern Blut hervorquoll.
 

Er hatte den Schwertkämpfer schon oft bluten gesehen, aber nie war er selbst der Grund dafür gewesen. Wie in Trance ging er langsam auf den Grünhaarigen zu. Selbst wenn er gewußt hätte, daß er dem sicheren Tod entgegentreten würde, er hätte sich nicht anders entscheiden können. Seine Augen wurden magisch angezogen von den tiefroten Rinnsalen, die den kräftigen Handrücken hinunter sickerten.
 

Beinahe unbeteiligt beobachtete er seine eigenen schmalen, weißen Hände, die nach der großen braunen Hand griffen und diese sanft aber bestimmt zu sich zogen. Sein Blut rauschte so laut in seinen Adern, daß er Zoros Protest nicht hörte. Und auch die linke Hand des Schwertkämpfers, die plötzlich so heftig an seiner Schulter rüttelte, daß ihm die halb abgebrannte Zigarette aus dem Mund fiel, nahm er kaum wahr, als er gebannt auf das blutüberströmte Ohr starrte. Offensichtlich war Zoros rechte Gesichtshälfte mit voller Wucht von der Türkante erwischt worden. Sanji wurde übel. Nicht, weil er mit dem Blut nicht umgehen konnte. Was ihn krank machte war die Erkenntnis, daß er gerade für Jeff einen der wichtigsten – wenn nicht den wichtigsten – Menschen in seinem Leben verletzt hatte.
 

In Sanji zerbrach etwas. Eine Mauer aus Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen, die er jahrelang auf- und ausgebaut hatte. Endlich war der Druck zu groß geworden und die letzten Reste seines inneren Schutzwalles wurden von einer Welle aus unterdrückten Emotionen mitgerissen, die unaufhaltsam als heiße Tränen über sein Gesicht strömten. Geblendet, krallte er sich hilfesuchend an Zoros Hand und unerwartet wurde er umgeben von Wärme und einem ungekannten Gefühl der Geborgenheit. Als er den starken Arm um seine Schultern spürte, der ihn näher an die breite Brust zog, war es Sanji egal, daß Zoro ihn für einen Schwächling halten mußte. Er hatte nicht mehr die Kraft, sich seiner Gefühle zu erwehren. Also klammerte er sich an den Größeren und ließ die befreienden Tränen laufen, die die alten Zwänge und Ängste langsam aus ihm herausspülten. Sein Verstand machte eine Pause, aber sein geschundenes Herz und seine ausgedörrte Seele sogen instinktiv den beruhigenden Geruch Zoros ein, seine Wärme und Stärke.
 

Nach einiger Zeit – für Sanji hätten es Minuten aber auch Stunden sein können – begann der junge Koch sich wieder zu beruhigen. Sein Atem ging immer noch heftig und stoßweise, aber die Tränen waren versiegt. Erst jetzt fiel ihm auf daß eine warme Hand unablässig über seinen Rücken streichelte und unter dem tränennassen Hemd an seinem Gesicht ein kräftiges Herz schlug und eine tiefe Stimme beruhigend brummte. Mit einem Mal wurde Sanji sich seiner Situation bewußt. Schlagartig schoß ihm das Blut ins Gesicht und er wollte hastig einen Schritt zurückgehen. Doch der Arm um seine Schultern ließ ihn nur langsam frei. Verlegen wischte Sanji sich mit dem Ärmel über die Augen, konnte die blutbedeckte Hand des Schwertkämpfers aber einfach nicht loslassen. So zog er ihn dann ohne ein Wort, ohne ihm ins Gesicht zu sehen, zum Spülbecken, drehte das Wasser auf und begann die kräftige Hand zu reinigen. Zoro ließ es schweigend geschehen. Als er mit der Hand fertig war griff Sanji nach einem sauberen Lappen und befeuchtete diesen mit warmem Wasser. Er holte tief Luft und drehte sich endlich zu dem Schwertkämpfer um. Zoro stand ganz still, als er ihm sanft das Blut vom Gesicht wusch. Auch als Sanji sich zur Spüle drehte, um den Lappen auszuwaschen und dann mit der Reinigung fortzufahren, regte der Grünhaarige sich nicht. Erst als der Smutje sich zum zweiten Mal wegdrehen wollte, griff Zoros rechte Hand nach seinen Handgelenken und die linke faßte ihn unterm Kinn. Sanji hatte das Gefühl, ein Déja vù zu erleben und ein Schauer lief durch seinen Körper, als er zuließ, daß sein Kopf langsam angehoben wurde. Er schluckte und sah Zoro direkt in die Augen.
 

„Das reicht jetzt, Kochlöffelchen“, brummte der.
 

Er hat es schon wieder gesagt! Abermals war Sanji gefesselt von dem durchdringenden Blick der schwarzen Augen, abermals begann sein Herz schneller zu schlagen. Nur wenige Zentimeter trennten ihre beiden Gesichter und Sanji begann sich ernsthaft zu fragen, ob Zoro ihn wohl küssen würde. Augenblicklich wurde er wieder rot und versuchte wegzuschauen. Aber so leicht wollte der Grünhaarige ihn offenbar nicht entwischen lassen. Er hielt seinen Blick gefangen, einfach so. Wie macht er das bloß? fragte Sanji sich zerstreut, aber er war viel zu beschäftigt, um sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen.
 

Schließlich schien Zoro ein Einsehen zu haben. Unvermittelt ließ er von dem Smutje ab und befingerte vorsichtig sein wundes Gesicht.
 

„Etwas Eis wäre nicht schlecht“, bemerkte er, drehte sich um und ließ sich auf der Bank vor dem Eßtisch nieder.
 

Sanji sah seinen erwartungsvollen Blick und seufzte. Irgendwie war er enttäuscht. Aber auch ein bißchen erleichtert. Der Marimo war einfach zu unberechenbar. Er drehte sich zur Spüle um und wusch den Lappen aus, bis er sicher war, daß er sein Gesicht wieder unter Kontrolle hatte. Dann zog er die inzwischen fast leere Schachtel aus der Hosentasche, zündete sich eine Zigarette an, bemerkte zufrieden, daß seine Hände ganz ruhig waren, und schob die Schachtel wieder zurück. Immer noch mit dem Rücken zu Zoro, nahm er einen tiefen Zug und atmete eine langgezogene weiße Wolke aus. Die Zigarette in den Mundwinkel geklemmt, nahm er dann den Lappen mit zum Kühlschrank, wickelte ihn um ein paar Eisklumpen und setzte sich dem Grund für seine verwirrten Gefühle gegenüber an den Tisch.
 

„Sorry...“ schob er den behelfsmäßigen Kühlbeutel dem Marimo entgegen.

„Schon gut.“ Zoro griff nach dem Beutel und hielt ihn sich vorsichtig an den schmerzenden Kopf. Als die Kälte des Eises mit seiner empfindlich wunden Haut in Berührung kam, zuckte er leicht zusammen und schloß für einen Moment die Augen.

Als er sie wieder öffnete brannten sie mit einer Intensität, die Sanji schlagartig klarmachte, daß er soeben seine letzte Chance, Roronoa Zoro zu entkommen, verpaßt hatte.
 

„Und jetzt verrätst Du mir, was hier eigentlich los ist.“ Es war keine Bitte und Sanji wußte, daß er Zoro alles erzählen würde.

Vertrauen

Mein erster Dank gilt wieder meinen fleißigen und wohlwollenden Kommentarschreiberinnen! Ihr schafft mich jedes Mal, Mädels! *TränchenderRührungausdemAugenwinkelwisch* Douzo yoroshiku, Bitte bleibt mir auch weiterhin wohlgesonnen :)
 

Mein zweiter Dank gilt meiner ersten eigenen Betaleserin, die zwar nicht das Thema, wohl aber mich zu mögen scheint *g* Danke, Süße! :)
 

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Zoro hatte das Training für heute an den Nagel gehängt. Es hatte einfach keinen Sinn, so unkonzentriert wir er im Moment war. Eben hatte er sogar fast eine Hantel fallenlassen, das war ihm wirklich noch nie passiert. Und alles nur wegen dem dämlichen Smutje? Das war doch wirklich zu lächerlich! Aber an den Tatsachen änderte das auch nichts und so legte der Schwertkämpfer seine Gewichte – vorsichtig – zu Boden und beschloß, seiner zweiten Lieblingsbeschäftigung nachzugehen. Schlafen konnte er schließlich immer und überall, da würde auch der blonde Koch nichts dran ändern können!
 

Da er an Deck des Schiffs auf äußerst lästige Weise an den gestrigen Abend erinnert wurde, hielt er es für ratsam, es sich stattdessen im Krähennest bequem zu machen. Oben angekommen, setzte er sich mit dem Rücken gegen die Wand und schloß die Augen. Und wartete. Verdammt! Grummelnd änderte er seine Position ein wenig, bis er etwas bequemer saß. Und wartete. VERDAMMT! Der Schlaf wollte einfach nicht kommen, ständig schwirrte ihm der dämliche Löffelschwinger durch den Kopf. Verdammter Mist! Er mußte dringend etwas unternehmen. Schäfchen zählen fiel aus, weil...na, weil ein gefürchteter Schwertkämpfer eben keine Schäfchen zählte! Eine heiße Milch mit Honig kam aus dem gleichen Grund nicht in Betracht. Außerdem hätte er dafür wieder runterklettern und in die Küche gehen müssen. Die war ja nun wirklich nicht seine natürliche Umgebung, dafür hatten sie schließlich den Löffelschwinger dabei. Was der wohl gerade machte? Verdammt! Grimmig knirschte Zoro mit den Zähnen, das durfte doch einfach nicht wahr sein! Jeder verfluchte Gedanke brachte ihn früher oder später zurück zu dem blonden Plagegeist.
 

Schon fast verzweifelt suchte er nach einem Ausweg. Ha! Er würde einfach sein mentales Training fortführen. Das verlangte ihm unbedingte Konzentration ab, da war einfach kein zusätzlicher Platz mehr für den Smutje. Entschieden setzte er sich im Lotussitz auf und versuchte sich zu entspannen. Und tatsächlich fiel ihm das jetzt schon leichter als am Anfang und schon bald konnte er seine Sinne wieder auf die Reise schicken.
 

Beim letzten Mal hatte er endlich entdeckt, wie er auch den "Atem" von nicht lebendigen Dingen hören konnte. Das bedeutete einen wichtigen Schritt zu seinem Ziel, auch in Zukunft nach Belieben Eisen schneiden zu können!

Damals bei Mr. 1 hatte er Glück gehabt, ein weiteres Mal würde er das nur mit sehr viel Training schaffen. Daher war er sehr zufrieden gewesen, als er, leise und von den Atemzügen seiner Freunde fast verdeckt, den Rhythmus der Going Merry bemerkt hatte. Das Holz ihrer Planken, des Mastes und sogar der Inneneinrichtung war einmal lebendig gewesen und trug immer noch eine leise Erinnerung an das Leben in sich. Damit war er noch weit davon entfernt, Eisen zu schneiden, aber es war ein Anfang. Hochkonzentriert begann er dem schwachen hölzernen Rhythmus des Schiffs zu lauschen und bald war Zoro wieder schweißgebadet. Für eine Weile bestand die Welt nur aus ihm und dem Schiff.
 

Doch schon bald wurde die Anstrengung selbst für den Schwertkämpfer unerträglich und Zoro öffnete seinen Geist für die lebendigeren Rhythmen um ihn herum. In Richtung der Stadt nahm er ein riesiges Knäuel bunter Stränge wahr, die heillos ineinander verwickelt waren, miteinander interagierten und sich wieder von einander trennten. Zoros Kopf schwamm, überwältigt von der schieren Macht des Lebens und er war dankbar, daß die Stadt so weit entfernt war. Würde er seine Sinne mitten in diesem Gewimmel ausschicken, er würde bestimmt den Verstand verlieren. Doch er wäre nicht Roronoa Zoro, wenn er vor einer Herausforderung einfach zurückschrecken würde! Inzwischen schweißtriefend, warf er sich mental dem Gewühl entgegen und versuchte einen bekannten Rhythmus zu entdecken. Sein Atem pfiff scharf durch die zusammengebissenen Zähne und die Sehnen in seinem kräftigen Hals traten hervor. Irgendwo hier mußte er doch sein! Ach, verdammt!
 

Abrupt ließ Zoro los und sackte erschöpft gegen die Wand des Aussichtskorbes zurück. Schwer atmend schloß er die Augen und ließ den leichten Wind über sein erhitztes Gesicht streicheln. Schon wieder kam ihm dieser verdammte Smutje in die Quere! Du spinnst doch, Marimo! Zoro konnte förmlich sehen, wie sich die gekringelte Augenbraue des Blonden spöttisch hob. Und schon wieder zu Recht, verdammt! Sanji hatte ihn garantiert nicht gebeten, sich um ihn zu sorgen. Oder vielleicht doch? Schließlich hatte er ihm den Zeitungsartikel selbst in die Hand gedrückt. Klar, nachdem Du mich dazu genötigt hast. Vor Zoros geistigem Auge gesellte sich ein verächtlicher Zug an der allgegenwärtigen Zigarette zur erhobenen Augenbraue. Schuldbewußt rieb sich der Grünhaarige mit einer Hand den Nacken und ließ sie sofort wieder sinken, als er bemerkte, was er da tat. Warum sollte er sich schuldig fühlen? Der Suppentopf war doch selber schuld, wenn er sich so komisch benahm. Da durfte man sich doch wohl seine Gedanken machen! Verdammter Löffelschwinger. Wenn er doch nur wieder hier wäre. Dann könnte er seine völlig überflüssige Sorge vergessen und endlich schlafen! Oder trainieren. Oder was trinken gehen, ha! Genau, Durst hatte er nämlich inzwischen auch. Vielleicht sollte er sich doch mal auf den Weg in die Küche machen. Das Bier war zwar schon längst leer, aber zur Not würde Zoro sich sogar herablassen, dieses Mädchengetränk zu trinken, auf das der Koch so stand. Vor allem, weil er wußte, daß Sanji einen Anfall bekommen würde, wenn seine edlen Tropfen an ihn verschwendet würden. Bei diesem Gedanken grinste der Schwertkämpfer breit. Jetzt fühlte sich schon viel besser.
 

Gerade wollte er aufstehen, da fingen seine immer noch geschärften Sinne ein neues Signal auf, das sich aus dem Gewühl gelöst hatte und sich nun der Going Merry näherte. Den Rhythmus kannte er doch! Zoros Herz machte einen kleinen Sprung noch bevor sein Verstand den nun vor dem Schiff verharrenden Menschen als den blonden Koch identifiziert hatte, den er gerade erst erfolgreich aus seinen Gedanken verdrängt hatte. Der Grünhaarige rollte mit den Augen, noch während er sich vorsichtig wieder gegen die Korbwand sinken ließ und sich voll und ganz auf Sanjis Atem konzentrierte. Wenn das nicht völlig unmöglich gewesen wäre, dann wäre Zoro jetzt ein bißchen rot geworden. Schließlich hatte es schon etwas sehr intimes an sich, dem Atem eines anderen zu lauschen. Und der Löffelschwinger hatte sich da als besonders reizvolles Testobjekt herausgestellt. Vor allem nachts...
 

Jetzt wurde er definitiv ein bißchen rot! Am liebsten wäre Zoro sofort aufgesprungen und hätte den nächstgelegenen Wald gefällt oder vielleicht auch einfach sein dämliches Herz herausgeschnitten, das aus unerfindlichen Gründen nun auch schneller zu schlagen begann. Aber unten stand Sanji und würde ihn bestimmt sehen. Und das war das letzte, was Zoro gerade wollte. Also harrte er aus und wartete darauf, daß Sanji... ja, was? Wieder abhaute? Aufs Schiff kam? Zoro war sich nicht sicher, welche der beiden Optionen er bevorzugte. Beide waren aber besser, als daß der blöde Smutje einfach da stehenblieb, wo er war. Was war bloß los mit dem? Konnte er sich nicht mal normal verhalten? Ah! Jetzt bewegte er sich endlich! Aber was zum Teufel war jetzt schon wieder? Anstatt wie sonst auf seine affig saloppe Art über das Deck zu schlendern, stürmte er wie ein Irrer in die Küche. Zoro spürte genau, wie der Atem des Kochs raste und langsam begann er sich ernsthafte Sorgen zu machen. Der Sunnyboy war zwar im Normalzustand die reinste Nervensäge, aber wie er sich im Moment benahm, war einfach unerträglich.
 

Ehe er noch großartig darüber nachdenken konnte, war er schon mit einem Satz aus dem Krähennest gesprungen und auf dem Weg in die Küche. Die Hand auf der Klinke verharrte kurz, dann öffnete er die Tür. Einen Spalt breit. Weiter kam er nicht, denn Sanji stand offensichtlich im Weg. Sein Atem hatte Zoro verraten, daß er sehr nah sein mußte, aber warum stellte der Idiot sich genau vor die Tür! Der Grünhaarige rollte mit den Augen und steckte seinen Kopf durch den Türspalt. Er konnte Sanjis Gesicht durch die blonden Haare, die seine linke Gesichtshälfte weitestgehend verdeckten, nicht richtig erkennen, aber soweit er das einschätzen konnte, war der Smutje körperlich unversehrt. Plötzliche Erleichterung machte sich in ihm breit und so fiel seine Begrüßung erheblich sanfter aus als erwartet. Moment, hatte er ihn tatsächlich gerade Kochlöffelchen genannt? Das ging ja nun doch ein bißchen zu weit! Zoro überspielte seine Verlegenheit indem er dem regungslos dastehenden Koch den Türgriff ein zweites Mal unsanft ins Kreuz trieb. Wieso rührte der Schwachkopf sich denn nicht?
 

Einzig seine schnellen Reflexe bewahrten ihn vor Schlimmerem, als urplötzlich Leben in den Blonden kam und er ihm völlig unerwartet die Tür ins Gesicht rammte. Verdammt! Das tat weh! Wutentbrannt trat er die unschuldige Tür ein, in der festen Absicht, dem verdammten tretwütigen Koch eine Lektion zu erteilen, die er seinen Lebtag nicht mehr vergessen würde! Was hatte er sich bloß dabei gedacht, auch nur einen Gedanken an diesen Idioten zu verschwenden! Mordlüstern stand er dem Blonden gegenüber und hätte schon längst seine Schwerter gezogen, wenn er nicht gewußt hätte, daß er Usopp gegenüber in echte Erklärungsnot kommen würde, wenn er sein Schiff jetzt auch noch mit dem Blut des Smutjes versaute. Und was tat dieser gehirnamputierte Löffelschwinger? Erst machte er Anstalten abzuhauen. Zoro war ehrlich geschockt. Wann hatte er das denn schon mal von ihm erleben müssen? Aber dann entschied er sich wohl doch zu kämpfen. Aha! Das war schon besser! Und was machte er jetzt? Starrte ihn komisch an. Ja, ich blute, Du Penner, na und? Hey! Jetzt kam er doch glatt auf ihn zu und griff nach seiner Hand! Begriff der Blonde nicht, daß Roronoa Zoro ihn gerade umbringen wollte? Entschlossen rüttelte er an der schmalen Schulter des Kochs, doch der war offenbar so weggetreten, daß er noch nicht einmal bemerkte, wie ihm die Kippe aus dem Mund fiel.
 

Zoro hörte augenblicklich auf, den Blonden zu schütteln, als dessen schlanke kühle Finger seine eigene Hand packten. Das war angenehm, irgendwie. Auch wenn seine rechte Gesichtshälfte gerade bemerkte, wie sehr sie mißhandelt worden war und schmerzhaft zu pochen begann.

Aber Schmerzen interessierten Zoro nicht besonders. Viel spannender war auf einmal der schlanke blonde Mann, der seine eigene schwielige Hand so sanft hielt, als sei sie aus Porzellan. Aufmerksam beobachtete er das Gesicht des anderen, verfolgte den inneren Kampf, den er ausfocht und erkannte, als Sanji diesen endlich verlor und seine Gefühle ihn überwältigten. Die plötzliche Verzweiflung in den blauen Augen ließ Zoros Herz sich zusammenziehen und ohne darüber nachdenken zu müssen, zog er seinen hilflos weinenden Freund in seine Arme.
 

Es war schon eine ganze Weile her, daß er das letzte Mal eine solch hoffnungslose Verlassenheit gesehen hatte – genau genommen kurz bevor er Luffy kennengelernt hatte.
 

Nach Kuinas Tod war er nur noch ein Schatten seiner selbst gewesen. Er hatte zwar, getrieben von ihrem Versprechen, trainiert wie ein Berserker und körperlich konnte ihm bald keiner mehr etwas vormachen. Aber von dem tiefen Schmerz in seiner Seele und der Einsamkeit in seinem Herzen wußte niemand etwas. Und keiner, der an seinem Leben hing, hätte es jemals gewagt, den grimmigen Schwertkämpfer nach dem Leid, das seine Augen nicht verbergen konnten und das ihn jeden einzelnen Tag aus seinem Spiegel heraus anstarrte, zu fragen.
 

Zoro wußte ganz genau, was wirkliche Einsamkeit bedeutete und er hatte es auch trotz der vergangenen Monate auf der Going Merry nicht vergessen. Minutenlang stand er einfach nur da und hielt Sanji fest. Er brummte irgendein unverständliches Zeug und strich mit seiner freien Hand beruhigend über den schmalen Rücken. Wie zerbrechlich Sanji auf einmal wirkte. In Zoro regte sich ein überwältigender Beschützerinstinkt, dessen Ausmaß ihn selbst überraschte. Er zog den Blonden noch etwas näher an sich heran, legte seine Wange gegen das weiche blonde Haar und schloß die Augen. Er lauschte auf Sanjis Atem und versuchte, ihm soviel Kraft und Nähe zu geben, wie er nur eben konnte.
 

Dann war er halt doch ein verdammtes Kindermädchen. Und wenn schon. Er mußte zugeben, daß es sich gut anfühlte. Zögernd erlaubte Zoro sich, sein eigenes Herz ein wenig zu öffnen und die Nähe des anderen zu genießen. Das vom Weinen erhitzte Gesicht an seiner Brust, die inzwischen ebenfalls warmen Hände an seiner eigenen, den außerordentlich lebendigen Körper in seinem Arm und die weichen Haare, die ihn ein wenig in der Nase kitzelten.
 

Noch nie hatte Zoro jemanden so gehalten, nie jemanden so vollkommen wahrgenommen. Verdammt, es fühlte sich gut an! Deshalb fiel es ihm auch schwer, den Blonden wieder loszulassen, als dieser sich auf einmal von ihm lösen wollte. Irgend etwas war mit ihm passiert und zum ersten Mal war der Schwertkämpfer dankbar, daß Sanji ihm offenbar nicht in die Augen sehen wollte. Er wußte nicht, was die seinen verraten hätten. Er fühlte sich irgendwie schutzlos, aber die neue Wärme in seinem Herzen wirkte seiner instinktiven Defensive entgegen. Statt also den Smutje von sich wegzustoßen und sich in seine vertraute Einsamkeit zurückzuziehen, folgte er ihm zahm und beobachtete interessiert, wie dieser erst seine Hand und dann sein Gesicht wusch. Als er seine frische Wunde berührte, brauchte Zoro allerdings seine ganze Selbstbeherrschung, um nicht zurückzuweichen. Auch ein zweites Mal hielt er es ohne mit der Wimper zu zucken aus, doch als der Blonde sich erneut umdrehte, hielt er ihn fest.

Die Schmerzen hatten ihm jedoch zu einem klareren Kopf verholfen und sein Verstand machte sich nun an die Arbeit, die neuen Gefühle zu analysieren. Sanft zwang er den Smutje, ihm ins Gesicht zu sehen. Doch anders als gestern abend sah er diesmal genau hin. Mit dem neuen Bewußtsein, daß der Blonde ein ähnlich schwieriges Seelenleben hatte, wie er selbst, sah er nun in den blauen Augen, was ihm zuvor entgangen war: Hilflosigkeit, Verzweiflung und den brennenden Wunsch, sich dies nicht anmerken zu lassen. Er bemerkte sehr wohl, daß Sanji unter seinem Blick errötete und versuchte, den Blickkontakt zu brechen, aber er hielt ihn unerbittlich fest. Denn er hatte noch etwas anderes gesehen. War das Sehnsucht?
 

Der Grünhaarige mochte zwar vielen wie ein gefühlskalter Eisblock erscheinen, doch sie irrten sich. Gewaltig. Zoro war zu großer Leidenschaft fähig. Doch für einen Schwertkämpfer bedeuteten Gefühle im Kampf den sicheren Tod und so hatte er schon früh gelernt, sie unter einem unnahbaren Äußeren zu verbergen. Es war seine einzige Chance, wenn er der beste Schwertkämpfer der Welt werden wollte. Tatsächlich wurden die unablässig in seinem Inneren brodelnden Gefühle nur durch seine eiserne Selbstkontrolle gebändigt, ein ständiger Kraftakt, der zweifellos mitverantwortlich für seinen hohen Schlafbedarf war.
 

Andererseits erlaubten sie ihm aber auch einen tieferen Einblick in die Seele seiner Mitmenschen, als manch anderem. Wenn er es zuließ. Gewöhnlich interessierte er sich aber einfach nicht genug für seine Mitmenschen, um sich mit deren Gefühlsleben auseinanderzusetzen. Selbst wenn sie der immer noch neuen Kategorie der Nakama angehörten, fand er, daß seine Loyalität Entgegenkommen genug war.
 

Aber jetzt war etwas anders. Der verdrehte Koch hatte nicht nur eine unerwartet schwere Last zu tragen, nein, er hatte es auch irgendwie fertiggebracht, Zoros gut gepanzertes Herz ein wenig zu öffnen. Und was der Schwertkämpfer jetzt in den blauen Augen sah, war gelinde gesagt überraschend. Ob positiv oder negativ, war er sich noch nicht sicher. Und solange er das nicht wußte, würde er sich auch nichts anmerken lassen. Inzwischen verlangte sein schmerzender Kopf so nachdrücklich nach Linderung, daß er die Erforschung der blonden Seele erst einmal abbrach und sich der Kühlung seines heißen Gesichts widmete.
 

Die Kälte des Eises durchzuckte ihn wie ein Blitz und genauso plötzlich hatte er einen Entschluß gefaßt. Es hatte keinen Sinn zu leugnen, daß er an dem Smutje interessiert war, auch wenn er noch nicht verstand, welcher Art dieses Interesse nun war. Aber er würde es herausfinden und er wußte auch schon wie.
 

Als er seine Augen wieder öffnete, hatte er zum ersten Mal seit vielen Jahren für einen anderen Menschen seine Selbstkontrolle gelockert.
 


 

Als Sanji wieder die Kneipe betrat, hatten Jeffs Männer ihm bereits berichtet, was vorgefallen war. Viel hatten sie nicht gesehen. Nur, daß der Junge eine Zeitlang das Schiff angestarrt hatte und dann hineingegangen war. Kurz darauf war ihm der grünhaarige Schwertkämpfer gefolgt. Dann war bestimmt anderthalb Stunden lang nichts weiter passiert, bis Sanji wieder an Deck aufgetaucht war und sich schnurstracks auf den Weg zu ihrem Treffpunkt gemacht hatte. Sein Gesichtsausdruck hatte den beiden Aufpassern nichts verraten, aber als der Junge jetzt zur Tür hereinkam, war Jeff bei seinem Anblick nicht ganz wohl zumute. Irgend etwas sagte ihm, daß die Sache nicht so glimpflich ablaufen würde, wie er sich das erhofft hatte. Aber er wußte, daß sein Plan wasserdicht war. Er hatte genug Zeit gehabt, alle Eventualitäten einzuplanen. Dennoch wappnete er sich jetzt innerlich als er darauf wartete, daß der Jüngere anfing zu sprechen.
 


 

Sanji hatte sich entschieden. Wobei das der Wahrheit nicht ganz Genüge tat. Er hatte einfach keine Wahl gehabt und das war das. Nach seinem Gefühlsausbruch hatte er sich erstaunlicherweise besser gefühlt. Ja, es hatte gutgetan, sich von Zoro halten zu lassen und es hatte auch gutgetan, mit ihm zu reden. Wobei er eigentlich der einzige gewesen war, der gesprochen hatte.
 

Und er hatte Zoro alles erzählt, einfach alles. Über den Grund, warum er wegen Jeffs Rückkehr so aufgeregt gewesen war, über dessen tatsächliches Motiv. Darüber, wie beschissen er sich fühlte, weil er sich dem Einfluß des alten Sacks einfach nicht entziehen konnte, wie es ihm das Herz brach, seine Nakama zurücklassen zu müssen und warum er sich nicht anders entscheiden konnte. Er hatte sich in Zoros bodenlosen Augen verloren und geredet und geredet, dem anderen seine Seele offengelegt. Der Schwertkämpfer hatte ihm einfach nur zugehört. Wobei „einfach nur“ bei Roronoa Zoro eine Intensität bedeutete, um die ihn jeder Inquisitor beneidet hätte. Dabei hatte er die ganze Zeit keine Mine verzogen. Nur in seinen Augen spiegelten sich Emotionen wider, die Sanji hätten erschauern lassen, wäre er nicht so gefangen von ihnen gewesen.
 

Erst als er drauf und dran war, für diesen menschlichen Röntgenapparat auch das kleine geheime Türchen zu seinem Herzen zu öffnen, hatte er sich mit einem sichtlichen Ruck zurückgehalten. Das ging den Marimo wirklich nichts an! Wen denn dann? Die klugscheißende Stimme verfluchend preßte er seine Lippen noch fester aufeinander. Die Irritation des Grünhaarigen wegen seines abrupt endenden Redeflusses bemerkte er mit einer gewissen Genugtuung. Ganz bin ich Dir noch nicht verfallen, Roronoa Zoro! Dieser Gedanke erheiterte ihn irgendwie und er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Die neuerliche Irritation in Zoros Blick ließ ihn sogar laut auflachen.
 

„Du hast sie nicht mehr alle, Suppentopf“, schüttelte dieser den Kopf, aber in seinem Ton lag kein Spott.
 

„Mag sein“, erwiderte Sanji immer noch schmunzelnd.
 

Schweigen breitete sich aus, aber es war ein angenehmes, freundschaftliches Schweigen, als jeder der beiden Männer seinen eigenen Gedanken nachhing.
 

Mit einem Blick auf die Küchenuhr bemerkte Sanji schließlich: „Halb drei. Ich muß los.“ Mit einer geübten Bewegung klopfte er die letzte Zigarette aus der Packung und zündete sie sich an.
 

Zoro bedachte ihn mit einem langen Blick. Fast schien es, als wollte er noch etwas sagen und der blonde Smutje war sich nicht sicher, ob er darauf hoffen oder es befürchten sollte. Was würde er tun, wenn Zoro ihn bat, nicht zu gehen. Hätte er dann noch die Kraft, sich dagegen zu wehren? Doch der Grünhaarige machte es ihm leicht: Er nickte stumm und ... lächelte?
 

Er lächelt! Sanji fühlte eine heiße Welle von Gefühlen über sich hinwegwaschen, doch diesmal blieben seine Augen trocken. Zu sehr war er darauf bedacht, dieses außergewöhnliche Bild in seinen Kopf zu brennen. Seine Hand fand wie von selbst ihren Weg zu diesem einzigartigen Gesicht. Hauchzart strichen die empfindlichen Fingerkuppen des Meisterkochs über die ungewohnten Lachfältchen um die wilden Augen des zweitbesten Schwertkämpfers der Welt, fanden ihren Weg zu dem bisher ebenfalls unentdeckten Grübchen im linken Mundwinkel und fuhren furchtlos über die unvergleichlich weiche Unterlippe, wo sie für einen Sekundenbruchteil verweilten, bis die Hand abrupt zurückgezogen wurde und nach der halb abgebrannten Zigarette griff. Nun wandte Sanji seinen Blick endgültig von dem Grünhaarigen ab, sicher, daß er ihn niemals vergessen würde. Mit erbarmungsloser Entschlossenheit verbarrikadierte er sein Herz, sperrte alle Gefühle ein, neue wie alte, bis er nur noch eine funktionsfähige Hülle war, ein scharfer Verstand, der die grenzenlose Leere in seinem Inneren gleichgültig betrachtete und für bedeutungslos befand.
 

Als er die Kombüse verließ, rührte Zoro sich nicht.

Als er das Schiff verließ, rührte Zoro sich nicht.

Erst lange nachdem der leuchtend blaue Rhythmus des blonden Smutjes mit dem Getümmel der Stadt verschmolzen war, ließ der Schwertkämpfer endlich los. Aber noch lange saß er da und starrte auf die kläglichen Überreste der Zigarette, die der Smutje auf dem Küchentisch ausgedrückt hatte, bis nur noch ein paar Papierfetzen und verstreute Tabakkrümel übrig geblieben waren.

Rettung

Wie immer gilt mein Dank meinen treuen und unglaublich unterstützenden Kommentarschreiberinnen! Da weiß man wirklich, warum man sich die Nächte um die Ohren schlägt. Vielen lieben Dank! :)
 

Meine Betaleserin möchte ich natürlich auch nicht unerwähnt lassen. Deine objektive Kritik ist mir sehr viel wert!
 

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Zoro stürmte ungehindert durch die trotz der späten Stunde vollen Straßen der Goldgräberstadt. Ein Blick in das finstere Gesicht des Schwertkämpfers reichte, um die Leute unweigerlich zurückweichen zu lassen. Ein Raunen folgte ihm durch die ganze Stadt, da jeder, den der gereizte Fremde passierte, erleichtert aufatmete. Er schien wie ein wildes Tier, das verzweifelt den Ausgang aus seinem Käfig suchte. Der Verzweiflung nahe war er, doch was er suchte war etwas – jemand - anderes.
 

Nach Luft ringend blieb er in einer verlassenen Seitengasse stehen, lehnte sich an die kühle Backsteinwand und drückte sich beide Handballen gegen die Schläfen. In der letzten Stunde waren seine Kopfschmerzen ins Unerträgliche gestiegen. Für einen kurzen Moment schloß er die Augen, doch das verstärkte die Macht der unzähligen pulsierenden Rhythmen, die schonungslos auf ihn einstürmten, nur noch, ließen sie in seinem ganzen Körper vibrieren, raspelten roh über seine Organe und dröhnten in seinem Kopf bis selbst seine beachtliche Konstitution nicht mehr ausreichte und sein Magen rebellierte. Mit aller Kraft unterdrückte der Schwertkämpfer den Brechreiz, biß seine Zähne zusammen, bis die Sehnen wie dicke Taue aus seinem Hals hervortraten. Er durfte jetzt nicht nachgeben. Irgendwo mußte er doch sein! Zoro schluckte die aufsteigende Panik hinunter. Kopflosigkeit konnte er sich einfach nicht erlauben. Ein paar Mal atmete er noch tief ein und aus, versuchte sich zu entspannen, griff, halb aus Gewohnheit, halb zur Beruhigung, zu seinen Schwertern und stürzte wieder hinaus ins Getümmel.
 

Eine halbe Stunde später war die Sonne untergegangen und Zoro fand sich in einem heruntergekommenen Viertel der Stadt wieder. Erneut flackerte die Panik auf. Hatte er zuviel Zeit verloren? War Sanji am Ende schon weg? Mit eiskalter Hand umklammerte die Furcht sein Herz, doch er rang sie zum wiederholten Male nieder. Nein, der Koch war hier noch irgendwo und er würde ihn finden!
 

Daß Luffy ihm die Hölle heiß machen würde, wenn er es nicht täte, spielte keine Rolle. Er wollte den verdammten blonden Unruhestifter finden, wollte ihn nicht hergeben, egal an wen, egal aus welchem Grund. Und wehe demjenigen, der Roronoa Zoro sein rechtmäßiges Eigentum wegnehmen wollte! Ja, Sanji gehörte ihm, ob dem Löffelschwinger das bewußt war oder nicht, für Zoro bestand kein Zweifel mehr.
 

Als Sanji gegangen war, hatte es all seine Selbstdisziplin gebraucht, damit er nicht aufsprang und den Smutje gewaltsam davon abhielt, das Schiff – ihn - zu verlassen. Und es hatte lange gedauert, bis sich seine aufgewühlten Gefühle soweit beruhigt hatten, daß er sich alles, was sich in der kurzen Zeit seit gestern Abend – war es wirklich erst einen Tag her? – so radikal verändert hatte, noch einmal durch den Kopf gehen lassen konnte. Stundenlang hatte er dagesessen und nachgedacht. Hatte systematisch alle Informationen und Gefühle sortiert, miteinander in Verbindung gebracht und war schließlich zu einem Schluß gekommen: Sanji brauchte ihn. Und verdammt, er brauchte den verfluchten Koch auch. Er hatte geseufzt. Das hatte man also davon, wenn man sich auf einen anderen Menschen einließ. Er wußte schon, warum er das bisher immer vermieden hatte. Aber Sanji hatte seine jahrelang bewährte Abwehr einfach beiseite gefegt, war ohne anzuklopfen in sein Herz getreten um sich dann mit einer Selbstverständlichkeit dort einzunisten, daß Zoro nichts anderes übrigblieb, als sich mit der neuen Situation zu arrangieren.
 


 

Vorhin hatte er den Blonden einfach reden lassen, wohl wissend, daß er ihn immer weiter in seinen Bann zog. Aber auch Zoro selbst war fasziniert gewesen. Nun kannte er den Koch schon seit so langer Zeit, hatte schon unzählige Kämpfe mit ihm und gegen ihn ausgefochten, und doch schien es ihm auf einmal, als sähe er Sanji zum ersten Mal. Den wirklichen Sanji. Nicht den lässigen Meisterkoch, der hirnlos Süßholz raspelte und mehr Zeit auf seine Garderobe verwandte als es gut sein konnte für einen Mann. Jetzt sah er plötzlich einen hochsensiblen warmherzigen Menschen vor sich, der an seinem inneren Konflikt zu zerbrechen drohte und trotzdem versuchte, stark zu sein. Der aber nun, wo der Damm einmal gebrochen war, geradezu rührend offenherzig seine Seele entblößte.
 

Eine merkwürdige Mischung aus Stolz und Beschützerinstinkt regte sich in dem Schwertkämpfer, doch er ließ nichts davon nach außen dringen aus Furcht, jede noch so kleine Störung könnte Sanji aufschrecken und die Magie dieses Augenblicks zerstören.
 

Also hatte er still dagesessen und zugelassen, daß er sein Herz mit jeder Bewegung der agilen, feingliedrigen Hände, mit jeder Emotion, die über die beweglichen Züge huschte und mit jeder Neigung des Kopfs, mit der das blonde Haar den Blick auf die lebendigen blauen Augen freigab, etwas mehr an den verdammt verwirrenden Smutje verlor.
 

So sehr war Zoro in den Anblick seines Gegenübers versunken, daß er einen Stich der Enttäuschung verspürte, als Sanji plötzlich zu sprechen aufhörte. Er wußte nicht mehr genau, was der Koch als letztes gesagt hatte, denn er hatte gerade entdeckt, wie aufreizend sich Sanjis Atem beschleunigte, wenn er aufgewühlt war, aber er hatte das Gefühl, daß es wichtig gewesen war. Wozu aber jetzt dieser selbstgefällige Blick des Blonden? Und jetzt fing der dämliche Koch auch noch an zu grinsen! Zoro runzelte die Stirn. Lachte der Suppentopf ihn etwa aus?
 

Merkwürdigerweise verspürte er nicht den brennenden Wunsch, dem immer noch lachenden Smutje eine reinzuhauen. Nein, ihm wurde auf einmal ganz warm. Das Lachen war definitiv besser als der Schmerz, den er eben noch in den tiefblauen Augen – waren die schon immer so dunkel gewesen? – gesehen hatte. Und dieses Schmunzeln...
 

Der Schwertkämpfer hatte das dringende Bedürfnis, seine Gedanken zu ordnen und war froh, daß auch Sanji offenbar damit zufrieden war, zu schweigen. Da die neuen Gefühle ihn gerade ziemlich überforderten, beschloß Zoro, sich erst einmal den Fakten zu widmen: Sanjis Ziehvater wollte ihn mitnehmen, aber Sanji wollte lieber hierbleiben. Soweit so gut. Aber der Kochlöffel würde trotzdem mitgehen, denn er glaubte, er wäre dem Alten noch etwas schuldig, obwohl der ihn damals quasi vor die Tür gesetzt hatte. Hä? Zoro stöhnte innerlich. Vielleicht hätte er doch bei seinen Gefühlen anfangen sollen. Wie dem auch sei, der Smutje hatte sich entschieden, oder?
 

„Halb drei. Ich muß los.“
 

War das Angst, die ihn da aus den blauen Augen ansah? Er wollte aber nicht, daß Sanji Angst hatte! Er wollte auch nicht, daß Sanji ging! Doch dann erinnerte er sich an den gestrigen Abend. Hatte er sich nicht vorgenommen, den Blonden nicht mehr zu bedrängen? Verdammt! Wenn er jetzt egoistisch war, würde er es nur noch schwerer für Sanji machen. Er hatte schließlich deutlich gesagt, daß er die Entscheidung schon getroffen hatte. Welches Recht hätte er, Zoro, ihm da reinzureden? Nein, das Beste, was er für seinen Freund tun konnte, war, ihn zu unterstützen, auch wenn ihm dessen Vorhaben entschieden gegen den Strich ging. Und weil es wichtiger war, daß Sanji spürte, daß er Zoro zu Recht sein Vertrauen geschenkt hatte, bändigte dieser seine eigenen Bedürfnisse und begnügte sich mit einem stummen Nicken und einem seltenen Lächeln, das nur notdürftig sein übervolles Herz verbarg.
 

Sanjis Reaktion überwältigte ihn. Die tiefblauen Augen schienen ihn zu verschlingen und als der Koch ihn sanft berührte, reagierte sein Körper heftiger, als er das je erlebt hatte. Die schlanken Finger, die zart über sein Gesicht fuhren, verursachten kleine Stromstöße, die seine Haut kribbeln und sein Herz schneller schlagen ließen. So etwas hatte er noch nie erlebt. Der Vulkan in seinem Inneren brodelte und es erforderte Zoros ganze Selbstbeherrschung, ihn unter Kontrolle zu halten. Trotzdem entging er nur knapp einer Katastrophe. Denn als Sanjis Finger seine vor Erregung überempfindliche Lippe berührten, explodieren seine Lenden geradezu und hätte der Smutje seine Hand nicht in diesem Moment zurückgezogen, Zoro hätte nicht gewußt, was er getan hätte. Aber eins stand fest: Harmlos wäre es nicht gewesen.
 

Mühevoll um Fassung ringend beobachtete der Schwertkämpfer, wie Sanji mit beklemmend leerem Blick seine Zigarette auf der dicken Holzplatte des Küchentischs zermalmte. Flach und tot wirkten die eben noch so lebendigen Augen und Zoro verspürte zum ersten Mal Angst, die wie ein kalter Wasserschwall über ihn hereinbrach, die Glut aber nicht zu verlöschen mochte, sondern eher noch anfachte: Er wollte nicht, daß Sanji ging! Aber er hatte auch geschworen, ihn nicht zu zwingen! Und so saß er da, während der Streit in ihm brannte und das Gefühlschaos tobte, und ließ zu, daß Sanji ihn verließ.
 


 

Abrupt blieb der Schwertkämpfer stehen. Wo zum Teufel war er? Er war so in seine Gedanken versunken gewesen, daß er nicht bemerkt hatte, daß er seit einiger Zeit stetig bergauf gelaufen war. Jetzt sah er sich umgeben von Bäumen auf einem der Hügel, die die Stadt einkesselten. Verdammt! Offenbar hatte sein überanspruchter Geist die Chance genutzt, daß Zoro durch seine Erinnerungen abgelenkt war und sich dem aufreibenden Druck des Stadtlebens entzogen, indem er seinen Körper aus dem Menschengewimmel herausgelotst hatte. Das „Wohin“ war dabei unwichtig gewesen und so fand der Schwertkämpfer sich in einer nur allzu bekannten Situation wieder: Er hatte sich verirrt! Verdammter Mist! Das konnte er jetzt wirklich nicht brauchen! Er mußte Sanji finden, er mußte... Sein Blick verschwamm als die Erschöpfung ihn endlich übermannte. Er konnte nicht mehr verhindern, daß seine Beine unter ihm wegsackten und noch bevor er mit einem dumpfen Aufprall zu Boden ging, war er schon eingeschlafen.
 

Als er wieder aufwachte, herrschte tiefe Dunkelheit. Das Wenige was er durch das raschelnde Herbstlaub vom Himmel sehen konnte war dicht bewölkt, so daß er noch nicht einmal die Sterne sehen konnte. Er lachte bitter auf. Als wenn ihm das etwas gebracht hätte. Für sowas war Nami schließlich zuständig. Ob die anderen inzwischen zurück auf der Going Merry waren? Vielleicht hätte er ihnen doch eine Nachricht hinterlassen sollen. Doch in dem Moment, wo ihm klargeworden war, warum er den Kochlöffel zurückholen mußte, hatte er keinen Augenblick mehr gezögert. Von einer Sekunde auf die andere hatten die mißhandelte Tür und die vergessenen Einkaufstüten alleine in der Kombüse gelegen.
 

Immer noch angeschlagen setzte er sich auf, rieb sich den schmerzenden Nacken und spuckte ein Ahornblatt aus, das an seinem Mund klebte. Schmeckt beschissen... Scheiße, Sanji! Er sprang auf, die Rechte auf seinen Schwertern. Verdammt! Es war so verflucht dunkel, daß er kaum die Hand vor Augen erkennen konnte. Wie sollte er da sehen, wohin er lief, geschweige denn den Smutje finden? Nein, er würde nicht verzweifeln! Es biß die Zähne zusammen und ignorierte den kreischenden Protest als er seine wunden Sinne wieder ausschickte.
 

Nichts. Um sich herum fühlte er nur den Wald: Den hektischen kleinen Atem der nachtaktiven Nagetiere, die kaum unterdrückte Erregung ihrer Jäger und den fremdartigen, langsamen Atem der Bäume um ihn herum. Ha! Wenn er die Bäume fühlen konnte, konnte er ihnen auch im Dunklen ausweichen! Praktisch, dachte der Schwertkämpfer und fiel der Länge nach auf die Nase, weil er den umgestürzten Baumstamm der vor ihm auf dem Weg lag nicht bemerkt hatte. Fluchend stand er wieder auf und tastete sich quälend langsam vorwärts, bis er endlich in der Ferne zu seiner Linken schwach die Ausläufer des bunten Knäuels, das die Goldgräberstadt war, ausmachen konnte. Er rüstete sich schon für die nächste Attacke auf seine Sinne, da drang von rechts ein neuer Impuls zu ihm. Sieben, nein, acht schwache aber eindeutig menschliche Signale. Und eines von ihnen war leuchtend blau! Ohne zu zögern rannte Zoro los. Das dichte Unterholz, das ihm eben noch das Leben schwer gemacht hatte, mähte er nun ohne nachzudenken nieder. Ihn interessierte nur noch eins: Er hatte Sanji gefunden. Er war noch auf der Insel und Zoro würde ihn zurück nach Hause holen. Und nichts und niemand würde ihn aufhalten!
 

Der Schwertkämpfer spürte, daß er seinem Ziel sehr nahe war. Was ihn beunruhigte, war, daß Sanjis Atem so schwach war. Verdammter Idiot! Wenn Du nicht ordentlich auf Dich aufgepaßt hast, verarbeite ich die höchstpersönlich zu Fischfutter!
 

Die Unlogik dieser Drohung kümmerte Zoro nicht weiter, denn er hatte etwas entdeckt. Vor ihm endete der Wald plötzlich und der Schwertkämpfer fand sich am Rande einer zerklüfteten Klippe wieder. Er hörte mehr als daß er sah, wie weiter unten schäumende Wellen gegen die Felsen schlugen. Verdammte Dunkelheit! Er konnte nichts erkennen, spürte aber ganz genau, daß Sanji hier irgendwo in der Nähe war. Frustriert raufte er sich die kurzen grünen Haare. Marimo... spöttelte die so oft verfluchte Stimme des blonden Kochs. Er ballte die Fäuste. Verdammt!
 

Gerade riß der Himmel ein wenig auf, genug um die Klippe in das irreale Licht des Vollmondes zu tauchen. Moment, hatte sich da nicht gerade etwas bewegt? Er sah noch einem genauer hin, starrte auf die Stelle, wo sich das Meer gegen die harten Felsen warf. Irgend etwas war seltsam hier. Und dann sah er es. Die Stelle, die den unablässigen Wellen keinen Widerstand bot.
 

Eine Höhle!
 

Flink band sich der Schwertkämpfer seine drei Schwerter auf den Rücken und machte sich an den mühevollen Abstieg. Der Mond war inzwischen wieder hinter den dichten Wolken verschwunden, aber das störte Zoro nicht. Er hatte genug gesehen und wußte genau, wo er hinwollte.
 

Die Zeit erschien ihm endlos bis er wieder festen Boden unter den Füßen spürte. Er stand am Eingang einer Grotte, die so von Felsen und der spärlichen Vegetation verdeckt war, daß es nahezu unmöglich war, sie vom Land aus zu entdecken. Ideal für eine Insel, die garantiert eine beliebte Anlaufstelle für Schmuggler war. Die Orte, wo es genug Geld gab, geschmuggelte Ware loszuwerden und so wenige Marinesoldaten, um das auch zu überleben, waren rar gesät.
 

Zoro schloß die Augen und konzentrierte sich. Da war er! Schwach, aber unverkennbar kam ihm das leuchtend blaue Band aus dem Inneren der Höhle entgegen. Die sieben anderen Rhythmen interessierten Zoro nicht, genauso wenig, wie das Schiff, das unbemannt im vorderen Teil der Grotte vor Anker lag. Er war am Ziel. Und mit dieser Gewißheit fiel alle Anspannung der letzten Stunden von ihm ab. Sein Atem ging tief und gleichmäßig, sein Herz pumpte ruhig und stark. Er war wieder in Einklang mit sich und der Welt. In aller Seelenruhe befestigte er seine Schwerter an ihrem angestammten Platz und überprüfte, daß sie sich leicht und flüssig ziehen ließen. Weiße Zähne blitzten in der Finsternis auf, als er unheilvoll grinste. Zeit nach Hause zu kommen, Kochlöffelchen!
 

Mit geschlossenen Augen folgte er dem Rhythmus von Sanjis Seele in die Dunkelheit.
 


 

Wachsam setzte Zoro einen Fuß vor den anderen, seine rechte Schulter berührte dabei ständig die leicht feuchte, kalte Felswand. Irgendwo zu seiner linken hörte er leise das Wasser gluckern, das unablässig von den Wellen hineingespült und wieder herausgezogen wurde. Soweit er das erkennen konnte, führte nur ein schmaler Pfad an der Felswand entlang weiter in die Höhle hinein und er hatte keine Lust, durch einen unvorsichtigen Fehltritt ins kalte Wasser zu fallen.
 

Bald machte die Wand eine leichte Linkskurve und Zoro hörte das Wasser jetzt hinter sich. Anscheinend war er schon am Ende der Höhle angekommen. Der felsige Boden bildete hier einen kleines Plateau von ein paar Quadratmetern Größe, das der Grünhaarige schnell überquert hatte. Hmm. Sanjis Atem schien hier aus dem Wand zu kommen. Er tastete über den kühlen, von der salzigen Luft etwas klebrigen Stein, konnte aber keine Spalten entdecken, die weiter in das Innere des Felsen führten. Nun, dann würde er eben selbst welche schaffen. Und schon stürmte der Schwertkämpfer nach vorne, nur um mit dem schrillen Klingen von Metall auf Metall wieder nach hinten zu fallen. Er landete sicher auf beiden Beinen und sein Grinsen wurde noch ein bißchen breiter. Na, das war ja zauberhaft: Als Felswand getarnt befand sich hier eine schwere Eisentür.
 

Zoro trat ein paar Schritte zurück. Nachdenklich entknotete er das schwarze Tuch an seinem linken Oberarm und band es sich um den Kopf. Dann kniete er sich hin. Sein kräftiger Oberkörper war kerzengerade, die breiten Hände ruhten locker auf den muskulösen Oberschenkeln, und die schwarzen Augen fixierten einen Punkt ein paar Meter vor ihm. Sein Atem ging langsam und gleichmäßig. Mit jedem Einatmen fühlte er die Energie in sich wachsen, mit jedem Ausatmen entledigte er sich aller unnützen Gedanken und störenden Gefühle, bis er ganz im Einklang war mit sich selbst, dem Felsen unter seinen Beinen, der Luft in seiner Nase und in seinen Lungen. Sein Körper war angespannt und gelöst zugleich, sein Geist aufmerksam und entspannt. Alles fühlte sich natürlich an und er war Teil von allem. Teil des Felsens, Teil des Meeres, Teil der Luft und Teil des Eisens. Jäh schnellte Zoro nach vorne, sein Schwert schon in der Hand. Sicher und beinahe sanft landete er wieder, führte das Schwert zurück und wartete. Einen Augenblick später hallte ein knirschendes Quietschen durch die Grotte und mit einem dumpfen metallenen Geräusch fiel die Tür, sauber in zwei Hälften geteilt, auf den Felsboden.
 

Durch die neu entstandene Öffnung drang der Schein einer Öllampe in die nachtschwarze Höhle und Zoro verlor keine Zeit damit, sich selbst auf die Schulter zu klopfen, sondern rannte auf das schwache Licht zu.
 

Was er jetzt sah, ließ ihm für einen Moment den Atem stocken. In einem kleinen, in den Felsen geschlagenen Raum, kaum größer als die Kombüse der Going Merry, sah es aus, als hätte ein Wirbelsturm gewütet. Zoro konnte die Überreste von ein paar zerbrochenen Stühlen und Tischen erkennen, ein paar andere Holzsplitter waren wohl einmal Fässer gewesen. Deren Inhalt, Rum, soweit Zoro das dem Geruch nach zuordnen konnte, war über den ganzen Raum verteilt und vermischte sich mit dem Blut, das bis an die Wände gespritzt war und von den sieben reglosen Gestalten zu kommen schien, die im Kreis verteilt im Raum lagen. Und in ihrer Mitte – Sanji!
 

In einem Sekundenbruchteil war Zoro bei ihm. Sein Kopf wußte, daß Sanji noch lebte, schließlich hatte dessen Rhythmus ihn hierher geführt. Aber sein Herz mußte es überprüfen, bevor es zu glauben wagte. Er kniete sich neben den Koch und strich ihm mit einer zitternden Hand die blonde Strähne aus dem Gesicht. Die Augen waren geschlossen, das schmale Gesicht war, wo nicht gerade mit Blut bedeckt, weiß und kalt. Zoro spürte eine blinde Wut in sich aufsteigen. Wer hatte es gewagt! Mit einem Mal war er sich seiner Umgebung wieder bewußt. Sechs von den Gestalten die um Sanji herum lagen kannte er nicht. Es schienen aber Köche zu sein, wenn er ihre ehemals weißen Schürzen so betrachtete. Sie hatten eindeutig mehr einstecken müssen als Sanji, stellte er befriedigt fest. Aber trotzdem. Sie mußten stark gewesen sein, wenn sie es dem Löffelschwinger so schwer gemacht hatten. Sein besorgter Blick fand wieder den Weg zurück zu Sanjis blassem Gesicht, den feinen, dichten Wimpern, die sich schwarz von der blassen Haut abhoben. Atmete er wirklich noch? Zoro unterdrückte mit der Panik auch seine Scheu und beugte sich langsam vor, bis sein rechtes Ohr beinahe die bleichen Lippen des Smutjes berührte. Er schloß die Augen und wartete. Und wirklich, kraftlos aber regelmäßig strich der warme Atem über sein immer noch empfindliches Ohr, kitzelte die feinen Haare und löste in den sensiblen Nervenenden ein Kribbeln aus, das in seiner Intensität schon beinahe unerträglich war. Und doch hätte Zoro um nichts in der Welt darauf verzichtet.
 

Eine Weile verharrte er regungslos, lauschte Sanjis Atem und genoß das kleine Feuerwerk, das jeder einzelne Atemzug in seinem Körper auslöste. Bis er hinter Sanji ein kratzendes Schaben, gefolgt von einem hölzernen Laut hörte. Langsam hob er den Kopf. Die siebte Gestalt, war aufgestanden. Sie hatte ein Holzbein. Zoro sah rot und der Chefkoch des Baratie war überzeugt, dem sicheren Tod ins Auge zu sehen.
 

„Zoro?“
 

Der alte Mann war vergessen. Immer noch neben dem Smutje kniend hafteten die schwarzen Augen an den blauen, die sich soeben geöffnet hatten und ihn vertrauensvoll anblickten.
 

Zoro schluckte hart, als kühle weiße Finger nach seiner Schwerthand griffen. Er versuchte sich an einem Lächeln, doch Sanji hatte die Augen schon wieder geschlossen. Stumm umfaßte der Schwertkämpfer die zerbrechlich wirkenden Finger, die den Druck schwach erwiderten. Aus unerfindlichen Gründen schossen Zoro die Tränen in die Augen, die er aber sofort wieder herunterschluckte, als er ein leises Räuspern vernahm.
 

Seine Augen waren schwarzer Stahl, als er sie auf den alten Koch richtete. Der hob abwehrend die Hände und sah den Schwertkämpfer nachdenklich an, als dieser keine Anstalten machte, ihn auf der Stelle umzubringen.
 

„Ich-“
 

„Ich will’s nicht hören!“ fuhr Zoro scharf dazwischen. Seine Stimme war leise, um den schlafenden Blonden nicht zu wecken, aber sie büßte dadurch nichts von ihrer Gefährlichkeit ein. „Der einzige Grund, warum Du noch am Leben bist, ist, daß dieser sentimentale Schwachkopf hier es mir nie verzeihen würde, wenn ich Dich töten würde.“ Ein Blick auf das mitgenommene Gesicht des Blonden reichte, um ihn wieder in Rage zu bringen. Er funkelte den älteren an.
 

„Hör gut zu, alter Mann, denn ich werde das nur einmal sagen: Sanji gehört zu uns. Zu mir“, fügte er mit Nachdruck hinzu, als der alte Koch eine Augenbraue hob, „und ich werde nicht zulassen, daß er Deinetwegen unglücklich wird!“
 

Der alte Pirat warf einen vielsagenden Blick auf die immer noch vereinten Hände der beiden. „Aber Du kannst ihn glücklich machen, was?“ kam die spöttische Frage.
 

„Ich weiß es nicht.“, erwiderte Zoro schlicht. „Aber ich werde niemals verlangen, daß er meinetwegen auf seinen Traum verzichtet, erst recht nicht, um damit meine eigenen Unzulänglichkeiten zu befriedigen.“
 

Eine Weile starrten die beiden Männer sich schweigend an, keiner bereit, den Blickkontakt als erster zu brechen.
 

Jeff war beeindruckt. Der Junge hatte wirklich einzigartige Freunde gefunden. Freunde, für die er bereit war zu kämpfen und die ganz offensichtlich auch bereit waren, das gleiche für ihn zu tun. Zwar wußte er nicht recht, was er von dieser Händchenhalterei halten sollte, aber es war auch nicht an ihm, sich darüber ein Urteil zu erlauben. Der Bengel, nein, Sanji war wirklich erwachsen geworden und Jeff war mächtig stolz auf ihn. Natürlich würde er das ihm gegenüber niemals zugeben. Genausowenig, wie er dem grünhaarigen Hitzkopf auf die Nase binden würde, daß er schon bevor dieser hier hereingestürmt war beschlossen hatte, ohne Sanji ins East-Blue zurückzukehren. Das Baratie würde er schon irgendwie wieder auf die Beine bekommen. Und selbst wenn nicht, gab es genug andere Möglichkeiten, sich zu beschäftigen, ohne gleich als Landratte enden zu müssen.
 

Er fühlte sich alt. Vielleicht hätte er nicht herkommen sollen. Sanji würde ihm wahrscheinlich nie verzeihen, daß er ihn so zu manipulieren versucht hatte. Trotzdem war er froh, daß er den Jungen noch einmal wiedergesehen hatte. War ein feiner Kerl geworden.
 

Mit einem finsteren Blick zwirbelte er noch einmal seinen eindrucksvollen Bart und nickte dem jungen Schwertkämpfer schließlich zu. Der Grünhaarige nickte langsam zurück, ließ ihn jedoch nicht aus den Augen, als Jeff begann, seine Leute zu wecken und sie zurück aufs Schiff zu schicken, das er in der Grotte versteckt hatte. Man konnte schließlich nicht vorsichtig genug sein. Der kleine Raum leerte sich schnell. Ein Blick auf den Schwertkämpfer genügte, um auch den angeschlagensten Köchen Beine zu machen. Schließlich war Jeff alleine mit den beiden Piraten. Die schwarzen Augen bohrten sich noch immer in ihn, als er sich nach einem letzten Blick auf den schlafenden Sanji zur Tür wandte. Die tiefe Stimme hinter ihm war leise aber deutlich:
 

„Wenn Du ihm noch einmal wehtust, werde ich Dich finden.“
 

Jeff hob zur Bestätigung seine rechte Hand und verließ den Raum ohne sich noch einmal umzudrehen. Er wußte, daß er es darauf nicht würde ankommen lassen.
 


 

Erst als die Köche verschwunden waren und er sie auch samt ihrem Schiff nicht mehr ausmachen konnte, wandte sich Zoro wieder dem blonden Schläfer zu. Jetzt, als alle Anspannung von ihm abfiel, war er fast ein bißchen verlegen, Sanjis Hand zu halten. Loslassen wollte er sie aber auch nicht. Aber unbequem war das ganze schon irgendwie. Sanji lag hier mitten im Raum und er kniete daneben, halb auf einem abgebrochenen Stuhlbein, das er bis eben gar nicht bemerkt hatte. Er sah sich um und entschied sich schließlich für die von der Tür am weitesten entfernte Ecke des Raumes. Mit leisem Bedauern ließ er Sanjis Hand los und stand mit einem unterdrückten Ächzen auf. War irgendwie doch ein verdammt anstrengender Tag gewesen. Die Öllampe an der Decke war fast leer, also drehte er den Docht ein wenig runter, damit sie noch etwas länger brennen würde. Dann hob er Sanji behutsam vom Boden auf. Der schmale Körper war erstaunlich schwer und Zoro, war sich deutlich bewußt, wie die Hüfte des Blonden mit jedem Schritt den er ging gegen seinen Unterleib rieb. Gut, daß der Raum so klein war! Erleichtert ließ er sich mit dem Rücken an der Wand in die Ecke sinken, legte seine Schwerter griffbereit zur Seite und positionierte den schlafenden Smutje so, daß er auf seinem Schoß saß und der blonde Kopf an seiner Schulter ruhte. Beschützend legte er seine Arme um den Koch, widerstand dem Drang, seine Nase in den weichen Haaren zu vergraben und schloß schließlich erschöpft die Augen.
 

Er wurde von einer zarten Berührung an seiner rechten Wange wach. Im schwachen Schein der Öllampe sah er direkt in die unnatürlich großen glasigen Augen des Smutjes. Die Hand, an seinem Gesicht war heiß. Besorgt fühlte er die Stirn des Blonden, sie glühte.
 

„Sanji.“ Er zog in etwas fester in seine Arme und umfaßte mit seiner rechten Hand den verschwitzen Hinterkopf des Blonden und zog ihn näher an sich heran. Er hatte Angst. Was machte man bei Fieber? Er hatte keine Ahnung, konnte sich noch nicht einmal daran erinnern, wann er das letzte Mal krank gewesen war. Wie war das denn als es Nami so schlecht gegangen war? Kalte Wickel und warme Decken hatten die anderen ihr verordnet. Aber er hatte nichts davon hier! Und wäre Nami nicht beinahe trotzdem gestorben? Plötzlich hatte er einen Stein im Magen. Da fühlte er mehr, als daß er es hörte, wie Sanji leise lachte.
 

„Was ist denn so lustig, Löffelschwinger?“, brummte er.
 

„Ich freu mich halt.“, war die leise aber belustigte Antwort.
 

„So? Worüber denn?“
 

Der heiße Kopf bewegte sich ein wenig zur Seite und die großen Augen sahen ihn seltsam an. Zoro fuhr ein Schauer durch den Körper, als er den warmen Atem so nah an seinem Gesicht spürte.
 

„Du hast mich eben zum ersten Mal ‚Sanji’ genannt.“ Die Stimme wurde immer leiser und kaum hatte er den Satz zu Ende gesprochen, war er schon wieder an Zoros Schulter eingeschlafen.
 

„Baka...“ murmelte der Grünhaarige und legte jetzt doch seine Wange auf das inzwischen schweißnasse Haar des anderen, „das ist doch kein Grund, sich so zu freuen!“
 

Das nächste Mal wurde er geweckt, weil Sanji sich in seinen Armen zusammenhanglos brabbelnd hin und her wand. Heiße Tränen rannen ihm über das Gesicht, als er zwischendurch immer wieder Jeffs Namen rief. Zoro knirschte mit den Zähnen. Er hätte den alten Mann doch töten sollen. Aber der glühende Sanji in seinen Armen war jetzt wichtiger. Er schien einfach nicht mit dem Weinen aufhören zu können und ab und zu rief er Zoros Namen mit einer Verzweiflung, die dem Schwertkämpfer das Herz zerriß. Er hielt ihn im Arm und wiegte ihn wie ein kleines Kind. Die ganze Zeit redete beruhigend auf ihn ein, ab und zu wischte er ihm die Tränen vom heißen Gesicht. Was er sagte, machte keinen Sinn, aber er hatte den Eindruck, daß seine Stimme Sanji ein wenig tröstete und so brummte er weiter und weiter, bis der Smutje schließlich mit einem letzten Schluchzen wieder eingeschlafen war.
 

Diesmal war es dunkel in dem kleinen Raum. Die Öllampe mußte in der Zwischenzeit ausgegangen sein. Sofort fühlte Zoro nach der Stirn des anderen und atmete erleichtert auf. Sie war immer noch warm, aber das Fieber schien vorüber zu sein. Als er seine Hand wieder zurückziehen wollte, wurde sie von einer schmaleren gepackt. Beinahe schüchtern verschränkten sich die langen Finger mit seinen. Er schloß die Augen und genoß das Gefühl des sanften Daumens, der immer wieder über seinen Handrücken strich. Beinahe wäre er wieder eingeschlafen, da sagte eine leise Stimme:
 

„Ich konnte es nicht.“
 

„Was?“ fragte er ebenso leise.
 

„Euch verlassen.“
 

„Ja, ich weiß.“
 

„Ich hab’s ihm gesagt. Direkt, als ich wieder in die Kneipe kam.“
 

„Hmm.“
 

„Ich hab ihn angesehen und war plötzlich so wütend. Ich wollte cool sein, innerlich tot sein, aber ich war so wütend,...“
 

Ein verhaltenes Schlucken.
 

„...weil ich Dir seinetwegen wehgetan habe!“
 

„Ich halte einiges aus.“
 

„Ja...“
 

Ein leises Lachen.
 

„...trotzdem. Ich habe ihm gesagt, daß niemand es wert ist, daß ich ... meine Freunde verletze.“
 

„Hmm.“
 

„Und dann hat mir jemand eine übergebraten und als ich wieder aufgewacht bin, waren wir hier.“
 

„Und dann hast Du sie niedergemacht.“
 

„Ja...“
 

Ein Drücken der schmalen Finger, ein fester greifender Arm.
 

„Sie waren scheiße stark. Und sie kannten mich, wußten, wie ich kämpfe. Aber ich bin besser geworden...“
 

Ein Hauch von Stolz.
 

„...sogar besser als er.“
 

„Natürlich.“
 

„Deinetwegen...“
 

Ein sanfter Kuß.
 


 

Kaltes Licht drang durch die eingeschlagene Tür in den kleinen Raum, fiel auf einen grünen und einen blonden Schopf, die dicht aneinandergedrängt friedlich schliefen. Sie hatten die ganze Nacht geredet, wobei es diesmal hauptsächlich Zoro gewesen war, der Sanji nach und nach Einblick in seine Seele gewährte. Sie hatten über ihre Kindheit, über Jeff und Kuinas Tod, über ihre Träume und über Luffy und die anderen gesprochen.
 

Und sie hatten über sich gesprochen. Auch wenn Sanji das ein wenig peinlich gewesen war. Aber es hatte sich herausgestellt, daß Zoros Gelassenheit wirklich eine wohltuende Wirkung auf ihn hatte. Als Sanji ein wenig nervös darauf hingewiesen hatte, daß sie ja schließlich beide Männer waren, hatte der Grünhaarige nur erstaunt geantwortet: „Na und?“ Und der Smutje hatte sich langsam mit dem Gedanken angefreundet, daß es vielleicht tatsächlich keine Rolle spielte, wenn man seinen Seelengefährten gefunden hatte. Dazu kam noch, daß es Zoro scheißegal war, was die Welt davon halten würde und daß es genau deshalb auch mit den anderen kein Problem geben würde.
 

Mit einem zufriedenen Lächeln hatte er sich näher an den schlafenden Schwertkämpfer gekuschelt. Was für ein Glück, daß er die letzte Chance, ihm zu entkommen, verpaßt hatte.
 


 

Es war Nachmittag, als er wieder die Augen aufschlug.
 

„Morgen, Prinzessin.“ brummte es an seinem Ohr.
 

„Morgen, Marimo.“ nuschelte er zurück und rieb sich verschlafen das Gesicht. Plötzlich hielt er inne. Es war wirklich wahr. Der warme kräftige Körper, der regelmäßige Herzschlag an seinem Ohr, der unverkennbare Geruch des Schwertkämpfers, die starken, zerkratzten Arme... Moment! Sanji stemmte sich ein bisschen hoch und erschrak, als er sich den anderen genauer anschaute.
 

„Scheiße, Zoro, was ist denn mit Dir passiert?“
 

„Was’n?“
 

„Du siehst aus, als hättet Du in einem Fass voll wütender Katzen geschlafen!“
 

Zoro zuckte nur mit den Achseln.
 

Verflucht, das war bestimmt passiert, als er die Felswand zu ihm heruntergeklettert war. Zoro hatte ihm von seiner Suche gestern erzählt. Sanji wollten schon wieder die Tränen in die Augen steigen, Scheiße, was bin ich sentimental geworden, da lenkte ein unmißverständliches Knurren ihn ab. Überrascht sah er den Schwerkämpfer an, der ihn leicht gequält anlächelte. Mein Gott, Zoro hatte bestimmt seit dem Frühstück gestern morgen nichts mehr gegessen. Er selbst im übrigen auch nicht, stellte er fest. Aber da konnte er Abhilfe schaffen! Mit einem Lächeln stand er auf und reichte Zoro die Hand.
 

„Laß uns nach Hause gehen. Ich habe Erbsen gekauft.“
 

Der Grünhaarige lachte und ließ sich hochziehen. Er griff nach seinen Schwertern und ließ sich dann von Sanjis warmer Hand aus der Höhle führen. Als sie an den schweren Eisenplatten vorbeikamen, mußte der Blonde schmunzeln.
 

„Du kannst Türen wirklich nicht leiden, oder?“
 

„Nur diejenigen, die mich von Dir trennen wollen.“ murmelte Zoro und zog den Smutje – seinen Smutje – in die Arme.
 

„Oh...“
 

Weiter kam Sanji nicht, denn seine Lippen wurde auf äußerst angenehme Weise verschlossen.

Epilog

Es war ein heißer Tag. Die Sonne brannte unbarmherzig von einem wolkenlosen Himmel auf die ruhige See. Kein Lüftchen war zu spüren und das Meer war so glatt, daß man nicht erkennen konnte, wo das Wasser aufhörte und der Himmel begann.
 

Der weiße Schafskopf am Bug des kleinen Schiffs strahlte im Sonnenschein, das große Segel mit dem Strohhut-Schädel und die schwarze Piratenflagge hingen schlaff am Mast herunter.
 

Alles schien wie gehabt und doch war alles anders als bei der letzten Flaute auf diesem unberechenbaren Meer. Zumindest für den grünhaarigen Schwertkämpfer, der wieder im Krähennest saß und nachdenklich das seidige blonde Haar seines schlafenden Freundes zerzauste.
 

Es war schon erstaunlich, wie sich sein Leben in kürzester Zeit so grundlegend geändert hatte.
 

Vor fünf Tagen war er im Licht der untergehenden Sonne zusammen mit Sanji wieder auf der Going Merry angekommen. Den Rückweg zu finden hatte länger gedauert als geplant, denn der Koch war bewußtlos gewesen, als sie ihn in die Höhle geschafft hatten und Zoro? Zuverlässig wie die Gezeiten hatte sein Orientierungssinn ihn verlassen, sobald sie mühsam die Klippe wieder hochgeklettert waren. Den Weg, den Jeff genommen haben mußte, hatten sie natürlich nicht gefunden und schon bald hatten sich die beiden alten Kampfhähne wieder in den Haaren gelegen. Mit dem kleinen Unterschied, daß sie nun alle paar Minuten eine Pause machen mußten, um sich gegenseitig zu zeigen, wie sehr sie sich eigentlich schätzten.
 

Auch das war erstaunlich, sinnierte Zoro und wickelte eine goldene Strähne um seinen linken Zeigefinger, wie sehr man sich auf einmal nach körperlicher Nähe sehnen konnte, obwohl man bisher auch ganz gut ohne sie ausgekommen war. Doch es war mehr als nur die Berührungen des Blonden, die er nicht mehr missen mochte. Er war so lange ein Einzelgänger gewesen, daß er sich gar nicht mehr erinnern konnte, ob er sich jemals jemandem so anvertraut hatte, wie Sanji. Wahrscheinlich nicht. Was er aber genau wußte, war, daß ihm noch niemals jemand soviel Vertrauen geschenkt hatte, wie der Smutje jetzt. Vertrauen. Eine verdammt schwierige Sache, wenn man es gewohnt war, alles alleine durchzustehen. Aber das Vertrauen des anderen wärmte ihn auf eine Weise, die er nicht beschreiben konnte, gab ihm das ganz neue Gefühl, wirklich gebraucht zu werden. Und auch wenn der Schwertkämpfer das vor einer Woche noch vehement abgestritten hätte: Sanji war auch für ihn wichtig. Ohne den Smutje, ohne den brennenden Wunsch, zu ihm zu gelangen, hätte Zoro es nie geschafft, die schwere Eisentür zu zerschneiden. Sanji hatte zwar hinterher lachend bemerkt, daß die Tür nicht abgeschlossen gewesen war. Jeff hatte die Höhle nur durch Zufall entdeckt und als sein Versteck genutzt. Aber das tat nichts zur Sache. Er hatte es geschafft. Wegen Sanji.
 

Auf dem Schiff hatte helle Aufregung geherrscht, als die beiden schließlich halbverhungert und ziemlich zerschunden in die Kombüse gestolpert waren wo Nami gerade versucht hatte, die anderen dazu zu bewegen, sich endlich auf die Suche nach den Vermißten zu machen. Luffy war dagegen gewesen. Die zwei wüßten schon auf sich aufzupassen, hatte er voller Zuversicht gemeint. Doch langsam wurde selbst der Gummijunge schwach. Er hatte Hunger und Chopper, der die frischen Einkäufe in Gewahrsam genommen hatte, wollte sie um keinen Preis herausrücken, bis Sanji nicht wieder da war. Usopp war immer noch aufgebracht über die mißhandelte Kombüsentür gewesen und hatte lauthals getönt, daß er mit Zoro noch ein Hühnchen zu rupfen hätte. Robin, die sich wie üblich aus allen Diskussionen herausgehalten hatte und stoisch wie ein Felsen inmitten des Aufruhrs saß, hatte die beiden als erstes gesehen. Ihr erschrockenes Luftholen hatte die anderen augenblicklich verstummen lassen und fünf Augenpaare waren auf die beiden Männer gerichtet worden, die einträchtig aufeinander gestützt durch die immer noch türlose Öffnung in die plötzliche Stille hereingewankt gekommen waren. Doch genauso plötzlich war der Lärm wieder losgegangen, denn ihre besorgten Freunde hatten sie mit Fragen überschüttet. Zoro hatte den Tumult ungerührt über sich hinwegrauschen lassen, aber schon bald gespürt, wie Sanji neben ihm unruhig wurde. Er war noch nicht bereit, offen über das Erlebte zu sprechen, doch lange würde seine coole Fassade dem Bombardement nicht mehr standhalten. Also hatte er den Blonden kurzerhand an sich gezogen, in den blauen Augen das gesuchte Einverständnis gefunden und ihn völlig ungeniert vor versammelter Mannschaft geküßt. Wie erwartet, hatte es auf den herausfordernden Blick hin, mit dem er die anderen im Anschluß gemustert hatte, keine Fragen oder gar dummen Bemerkungen mehr gegeben. Zufrieden hatte er den Smutje Richtung Herd geschoben, sich selbst nicht weit von ihm auf die Küchenbank gesetzt und ihren Nakama die gekürzte Version der jüngsten Ereignisse erzählt, bis Sanji das Abendessen auf den Tisch gestellt hatte.
 

Zoro mußte schmunzeln, als er an die Erbsen dachte und strich der friedlich schlafenden Prinzessin sanft die blonden Strähnen aus dem Gesicht. Die Verletzungen des Smutjes waren dank Choppers Bemühungen gut am verheilen. Sein Herz zog sich zusammen bei der Erinnerung, wie er ihn in der Höhle vorgefunden hatte. Für einen Moment hatte er völlig die Gewalt über sich verloren und wenn Sanji nicht in diesem Augenblick aufgewacht wäre, er hätte den alten Koch bedenkenlos in Stücke geschnitten. Auch jetzt war er noch wütend, weil dieser verdammte Mistkerl Sanji verraten hatte. Daran würde der Smutje noch lange zu knabbern haben. Unbewußt zog der Grünhaarige seinen Freund etwas näher an sich heran.
 

Aber vielleicht hatte das Ganze auch etwas Gutes. Wer weiß, was sonst aus ihnen geworden wäre. Wahrscheinlich hätten sie ihre unterschwelligen, ungeklärten Gefühle weiterhin in kleinlichen Kämpfen versucht zu befriedigen. Ständig zueinander hingezogen, nur um sich immer wieder gegenseitig abzustoßen.
 

Zoro rieb sich über die Stirn. Verdammte Grübelei! Er lehnte den Kopf zurück und ließ seine Gedanken einfach treiben während er weiter durch die seidigen Strähnen kraulte. Warum konnte er bloß die Finger nicht von diesen Haaren lassen? Er war doch sonst nicht so weich. Aber mit Sanji war alles anders. Dabei war der Smutje keineswegs weichlich. Die letzten Tage hatten ihm zwar ziemlich zugesetzt, ihn an den Rand der Verzweiflung getrieben, aber jetzt, wo er in dem Schwertkämpfer einen Vertrauten gefunden hatte, war er wieder ganz der Alte. Okay, nicht ganz, vielleicht. Oder war es einfach so, daß Zoro ihn jetzt mit anderen Augen sah? Daß die Macken des Blonden, die ihn vorher rasend gemacht hatten, ihn jetzt irgendwie anzogen?
 

So recht wußte er noch nicht, was er davon halten sollte. Jemand, den er eigentlich immer nur bekämpfen wollte, war ihm plötzlich wichtig? Wie Kuina? Er schluckte. Würde sie sich verraten fühlen, weil er Sanji... Er konnte den Gedanken nicht zuende bringen, noch nicht. Seine Hand hielt inne, als er an seine verstorbene Freundin dachte und sich endlich die Frage stellte, der er immer aus dem Weg gegangen war: Hatte er Kuina geliebt? Da, jetzt war es raus!
 

Er wußte es ehrlich nicht. Sie waren beide so jung gewesen, im Grunde noch Kinder. Natürlich hatte sie ihm viel bedeutet, sie waren schließlich Freunde gewesen. Und, verdammt, er würde nicht ruhen, bis er sein Versprechen ihr gegenüber eingelöst hatte! Aber sie war nicht nur seine Freundin, sondern auch seine größte Rivalin gewesen. Konnte man überhaupt einen Rivalen lieben?
 

„Hey, nicht aufhören, Marimo!“ murmelte es von seinem Schoß, auf den der blonde Smutje seinen Kopf gebettet hatte. Die langen Beine hatte er von sich gestreckt, die Füße auf den gegenüberliegenden Rand des Aussichtskorbes gelegt. Seine eleganten Hände hielten Zoros Rechte fest umschlossen auf seiner Brust, so daß der Schwertkämpfer jeden kräftigen Herzschlag deutlich unter seiner Handfläche spüren konnte.
 

Als er in den tiefblauen Augen versank, die ihn vorwurfsvoll ansahen und nach mehr, nach ihm, verlangten, hatte er seine Antwort.
 


 

終わり- Ende
 


 

---
 

Damit geht meine erste Fanfiction zu Ende und ich bin fast ein bisschen traurig *schnüff*
 

Bedanken möchte ich mich aber an dieser Stelle nochmal bei allen KommentarschreiberInnen, die Ihr so wahnsinnig lieb zu mir wart. Eurer Lob hat mich immer wieder angespornt, möglichst noch ein bisschen besser zu werden. Ich hoffe, das ist mir gelungen und Euch hat es gefallen, auch wenn es zum Ende hin etwas Zoro-lastiger wurde. :)
 

Liebe Grüße und herzlichen Dank für Eure Aufmerksamkeit
 

Eure

Nyn



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Kommentare zu dieser Fanfic (40)
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Von: abgemeldet
2010-09-09T23:52:50+00:00 10.09.2010 01:52
Guten Abend=)

Du hast mich sozusagen gerettet. Ich suche jetzt seit Wochen nach einer Geschichte, die mal wieder einfallsreich und gut geschrieben ist und nicht nur hingeklatscht und nach drei Sätzen küssen sie sich. Und deine Geschichte hatte das ganz eindeutig:)
Außerdem finde ich die beiden gut getroffen. Nicht zu abwegig, auch wenn Sanji natürlich ein bisschen weicher ist, als man es gewohnt ist. Aber trotzdem ist er finde ich nicht zu weich. Nicht so schwächlich, dass es schon fast lächerlich ist, sondern halt der Situation angemessen und genau richtig, um Zoros beschützerinstinkt zu wecken.
Gut erzählt finde ich das Ganze auch, vor allem mit dem Perspektivenwechsel. Es ist immer schön, so eine Geschichte aus beiden Perspektiven zu betrachten. Aber besonders gut fand ich, dass du nicht alles komplett wiederholt hast, sondern beim zweiten mal mehr zusammengefasst hast, aber halt ohne wichtige Dinge auszulassen.
Apropos: sehr gut auch, dass du es nicht zerredet hast, wie die beiden sich unterhalten haben oder was dann in der Kneipe passiert ist. Klar, beides wichtig, aber das Gespräch habe ich mir so viel intensiver vorstellen können, als wenn es ausgeschrieben gewesen wäre. Und wie Sanji erzählt, was in der Kneipe passiert ist, war viel schöner, als die Szene selber zu lesen.
Nun zum letzten Lob: der Epilog. Super gemacht, wie der an den Prolog angeschlossen hat. Und Zoros Überlegungen, die irgendwann unweigerlich zu Kuina führen müssen und dann die "Lösung", ohne sie wirklich auszusprechen. Echt wundervoll. So mag ich meine Geschichten, ohne alles vorzukauen die Fantasie anregen:)
Ein kleines Wort der Kritik habe ich allerdings noch: Verletzungen sind nicht "am Heilen". Ganz schwerer grammatikalischer Fehler, der den schönsten Text ruinieren kann. Und es heißt nicht "versucht zu befrieden" sondern "zu befriedigen versucht". Das nur als kleine konstruktive Kritik^^ Ich mag deinen Schreibstil, aber an so Sachen bleibt man halt irgendwie hängen.
Ansonsten auf jeden Fall weiter so! Ist echt ne richtig tolle Geschichte! Und kommt jetzt auch erstmal zu meinen Favos;)

MfG,PS
Von:  Caro-kun
2008-07-25T13:24:50+00:00 25.07.2008 15:24
Die FF war genial *staun*

Als klar wurde, dass Sanji geht, da hat es mir schier die Seele zerrissen. Ich war echt kurz vorm heulen. Ich denk mir dann zwar immer: „Nein. Das kann nicht sein. Das darf nicht sein. Es wird alles gut!“ Aber es tut trotzdem weh. Doch dank dir ^^ ist Sanji dann ja doch nicht gegangen.

Was ich auch toll fand war, wie du Zorros Gefühle beschrieben hast, als er da durch die Stadt geirrt ist um Sanji zu suchen. Total einfühlsam. Man konnte sich so richtig gut in ihn hineinversetzten.

Und der Epilog, wo die beiden da in dem Krähennest sitzten, der war auch super. Das du da auch Kuina noch kurz mit eingebracht hast ^^

Von:  Duchess
2008-05-03T15:36:58+00:00 03.05.2008 17:36
... ich hatte ja bereits gesagt, dass du noch häufiger mit nem Kommi von mir rechnen kannst - tja, und hier is wieder einer ^^
Du hast meine Erwartungen wirklich zauberhaft erfüllt!
Es war wundervoll wieder in die Gedankenwelt der beiden einzusteigen und alles so hautnah miterleben zu können. Am gefühlvollsten war ja eindeutig die Szene in der Kombüse: Diese Art des personalen Erzählens scheint dir wirklich gut zu liegen. Und die Stellen, an denen du die Sicht gewechselt hast waren auch gut gewählt, dadurch hast du die Spannung wunderbar aufrecht erhalten und noch gesteigert.
Nur das kurze Zwischenstückchen, in welcher Jeff gerade Sanji in der Kneipe zurück erwartet, hätte ich ein bisschen anders formuliert - Grund:
Du hattest bis dahin ja alles so aufgebaut, dass es Sanjis "freie" Entscheidung war die Crew zu verlassen, was einem beim Lesen des Gesprächs mit Zorro die ganze Zeit über traurig stimmt, und irgendwie glaubt und hofft man, dass sich Sanji umentscheidet und doch in der Crew bleiben würde. Doch diese Erwartung der Leser kippst du ja gewissermaßen - indem du Sanji Entschlossenheit in seine Entscheidung legst und ihn dann ganz simpel gehen lässt - So ist das ein klasse Aufbau, und ein wundervoller Wendepunkt in der Story. Auch, dass du das zweite Treffen in der Kneipe noch vor das Ende des Gespräches zwischen Sanji und Zorro setzt, ABER ich finde, dass Jeffs Befürchtungen in diesem Moment doch irgendwie falsch sind. Interessanter wäre es gewesen, wenn Jeff etwas mehr Siegessicherheit ausgestrahlt hätte, da er Sanji ja bereits seit klein auf kennt, liegt der Vorteil in der psychologischen Kriegsführung ja eindeutig bei ihm. Sowas hätte die Spannung noch ein Stückchen mehr gesteigert.

An diesem Punkt in der Story fielen auch meine beiden absoluten Lieblingssätze:
1.<<Mit einem Blick auf die Küchenuhr bemerkte Sanji schließlich: „Halb drei. Ich muß los.“>>
So einfach und doch so unheimlich ausdrucks- und wirkungsvoll in diesem Zusammenhang!
2.<<Als er die Kombüse verließ, rührte Zoro sich nicht.
Als er das Schiff verließ, rührte Zoro sich nicht.
Erst lange nachdem der leuchtend blaue Rhythmus des blonden Smutjes mit dem Getümmel der Stadt verschmolzen war, ließ der Schwertkämpfer endlich los.>>
ja gut, das warn jetzt eigentlich drei Sätze auf einmal, aber in sich quasi zu einem einzigen Ausdruck verschmolzen. Eine zutiefst rührende Anapher. Wenn man sich diese Worte über die Zunge gleiten lässt, glaubt man wirklich die Bitterkeit zu schmecken.
(Ich liebe einfach herbe, traurige Szenen)

Aber der Hauptgrund, warum es mir die Ff so angetan hat, war Zorros Fähigkeit, die der Ff ja auch den Titel gegeben hat. Ich weiß nicht genau wie ich diese Fähigkeit mit Worten beschreiben könnte, ohne dass es missverständlich klingt, aber irgendwie erinnert es mich ein bisschen an einen "Mushishi"
Auf jeden Fall war es klasse wie Zorro diese Fähigkeit immer wieder eingesetzt hat. Ich konnte es mir bildlich vorstellen wie er die Fäden abtastet. Wow goil ^^°
Und zugleich wäre es auch unglaublich unheimlich für die Anderen, wenn sie von dieser Fähigkeit wüssten. Schließlich kommt das ganze dem Gedankenlesen schon irgendwie sehr nahe.

Der Epilog war auch sehr schön. Endlich auch mal mit Coming-Out vor versammelter Manschaft. Ein paar idiotische Kommentare hätte ich zwar schon gerne gehört - da hätte man wieder richtig was zum Lachen gehabt - aber in die Ff hätts glaub ich nicht richtig hineingepasst.
Und der letzte Satz hat die ganze Beziehung auch noch mal richtig schön abgerundet - Klasse!
Was ich dann allerdings doch wieder ein bisschen vermisst habe war Zorros Fähigkeit. Ich meine, du hast damit im Prolog bereits begonnen und ziehst sie auch die gesammte Story durch nur zum Schluss verliert sie sich. Ich hätts schöner gefunden, wenn du den Part auch noch mal aufgegriffen hättest, ich meine, weit weg davon warst du ja nicht, Zorro hatte doch bereits eine Hand auf Sanjis Brustkorb und konnte dessen Herzschlag spüren, da fehlte nur noch der blaue Faden.
Das ganze hätte dann einen Ringschluss gegeben, wobei wir dann wieder beim Titel wären.

Alles in Allem wars einfach eine spitzen Leistung!
Absolut empfehlenswert und idch freue mich bereits auf die Fortsetzung ^^
Von:  HasiAnn
2008-01-03T07:46:50+00:00 03.01.2008 08:46

DRDS ist ja, wie du gesagt hast, dein Baby und ich kann verstehen warum. Mir hat das Dinge echt sowas von derbe gut gefallen.

Zu deiner Sprache hab' ich mich ja schon ausgelasen. Ich kann nur wieder betonen, dass ich deine Sprache super genial finde. Deine Ausdrucksweise ist so angenehm zu lesen und überhaupt nicht holprig. Alle Sätze sind ineinander stimmig. Du beschreibst Orte und Gegebenheit so klar und deutlich, als würde ich davor stehen und zusehen. Satzbau, Wortwahl, Vokabular brilliant, hab ich aber schon mal gesagt. Also, Syntaktik und Semantik top!

Und der Inhalt war auch echt knuddelig. Den Konflik, den du provozierst hat durchaus was für sich. Ich würde es Jeff zutrauen, sich Sanji auf so eine miese, dreckige Weise wieder zu angeln, nur weil ihm selbst keine andere Wahl bleibt. Oda würde sowas natürlich niemals schreiben, aber die Idee finde ich echt gut.
Und die Idee mit Zoros Konzentrationsübungen finde ich sensationell. Woher hast du das denn? Hast du dir das selbst ausgedacht oder irgendwo gelesen? Diese Technik, den Atem von Menschen und Dingen zu spüren, ist höchst interessant und jetzt weiß ich auch woher der Titel stammt.
Aber mir is' beim Lesen auch aufgefallen, was du gesagt hast, im Bezug auf aus Zoros Sicht schreiben und aus Sanjis Sicht schreiben. Reflektiert dein Gesagtes wider und ich kann dir nicht wiedersprechen. Ich hab' tatsächlich einen Unterschied bemerkt.
Mir gefällt auch, dass du dich nur ganz langsam und Schritt für Schritt in die Geschichte einarbeitest. Die erste Szene, in der Zoro und Sanji sich ungewollt näher kommen, als es um die Zeitung ging, war ja so süß und niedlich formuliert, aber du hast genau an der richtigen Stelle abgebrochen. Nur eine Träne von Sanji und die ganze Stimmung wird sofort zerrissen. Ist durchaus schlüssig, wem wäre sowas nicht unangenehm.
Einer meiner Lieblingsabsätze ist der, wo Jeff Sanji auftischt, dass er es ihm schuldig ist, wieder für ihn zu arbeiten und Sanji voll fertig darauf eingehen muss. Diese Sätze sind so süß und so herzzerreißend beschrieben, dass mir fast die Tränen gekommen sind. Ich wäre am liebsten hingegangen, hätte Jeff sonstwohin getreten und Sanji angeschnautzt, was er sich einbildet, noch irgendeine Schuld zu haben.
Aber meine Lieblingszsene ist die in der Kombüse, als Sanji Zoro die Tür vor den Kopf knallt und dann alles, was er auf der Seele hat aus ihm herausbricht. Als er angefangen hat zu weinen, musste auch ich eine Träne lassen. Das war einfach zu süß.
Die Zeitsprünge, die du machst, finde ich übrigens sehr interessant. Und ich kann nicht behaupten, dass sie irgendwie verwirrend wirken. ich wusste schon nach den ersten paar Sätzen, wo ich mich befand. Von daher. Haste echt gut gemacht.
Ich konnte mir allerdings denken, dass Sanji sich noch umentscheidet, mit Jeff nicht mitzugehen und dieser ihn dann mit Gewalt zwingen würde. Warum sonst hätter noch seine Männer mitgenommen. Ich hatte allerdings gedacht, dass du das noch ausbaust. Ich fand, da hat der Showdown 'n bissl gefehlt. Du hast den Showdown eher in Zoros hastige Suche gesteckt, als in den Kampf zwischen Sanji und Jeff. Das ist in Ordnung. Kann man so machen. Aber mir is'n Gekloppe lieber ^-^
Also, sehr schöne FF. Hatte Herz und Hirn, war angenehm zu lesen. kann ich nur weiterempfehlen.

()_()
(oo )o
HasiAnn

Von: abgemeldet
2007-12-31T12:14:35+00:00 31.12.2007 13:14
Also dieses kleine Meisterwerk hat mir gerade einen ganzen Vormittag versüsst. Und zwar auf feinste Weise.
Soll heißen, dass mich dein Schreibstil mitgerissen hat und ich nicht aufhören konnte, zu lesen. Die Story hat mich GErührt und BErührt. Jedes der Gefühle so detailliert beschrieben. Ich liebe soetwas. Absolut.
Großes Kompliment.

Damit will ich auch keinen Wunsch für einen guten Rutsch ins neue Jahr auslassen. Alles Gute.

Lyafe
Von: abgemeldet
2007-11-27T22:16:41+00:00 27.11.2007 23:16
Und...baji de wäi: Ich bin sehr enttäuscht, das dieses absolut geniale Stück Literatur nur so wenig Kommis hat...Schade!! Sehr schade! TT^TT
Von: abgemeldet
2007-11-27T22:13:12+00:00 27.11.2007 23:13
Wunderbar flüssiger Stil. Man kann sich während des Lesens sehr schön vorstellen, wie deine Story als Film vor den Augen abläuft... naja, zumindest ich kann das.
Ich bin absolut hingerissen von deiner Geschichte!
Der Plot war einfach und genial, die Charaktere typisch und neu zugleich...naja, zumindest so, wie erhofft oder erträumt^^
und deine Art zu erzählen beeindruckend. Vielen Dank, für diese wundervolle Story! Kommt gleich zu meinen Favos! Jetzt hab ich Lust zu zeichnen...Danke!!^^
Von: abgemeldet
2007-08-19T20:41:51+00:00 19.08.2007 22:41
Aaaaaaaaah, nein. Wie schön. Ich würde eine weitere Fanfiction mit diesem Pairing sehr begrüßen~
hihi
Sag mir bitte Bescheid, falls du dieses in Erwägung ziehen solltest.

xD
Auch, wenn wieder ein neues OneShot von den beiden raus ist.


DANKE~ <3

Von: abgemeldet
2007-08-19T19:57:55+00:00 19.08.2007 21:57
Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaah~
>_<

Ist daaaaaaaaaaaaaas süß~
Waaaaaaaah

>.<
Sorry, dass ich grad so 'nen Fangirl-Kreischausbruch bekomme...
xDDD
Ich liebe diese Story. Aber sowas von!!!!

ò__ó
Von: abgemeldet
2007-08-19T17:40:09+00:00 19.08.2007 19:40
NAHIIIIIIIN!!!!
Das ist sou traurig!!!

*snif*
;__;

>.<
Der ist ja wirklich erstarrt.
hihi
Ich hoff', das ändert sich doch gleich.

xD


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