On the track of Mr. Okanawa
Da stand ich dann.
Ich blickte in das alte, nun leer stehende Gebäude.
Ich muss sagen, obwohl ich damals die Straße schon so oft entlang gefahren bin, war mir dieser Laden noch nie aufgefallen.
Sollte das vielleicht eine Strafe sein?
Wenn ich daran denke, dass du vielleicht in deinen Schulpausen hier in dem Laden warst und dich der Mann, dieser Okanawa-san, deswegen kennen gelernt hatte, dann… ich weiß nicht was dann wäre.
Es fällt mir schwer daran zu glauben.
Es gab schon so viele Hinweise damals an die Polizei, warum sollte Ich jetzt etwas gefunden haben.
Tsubasa Ohzora stieg aus seinem roten Landrover aus und ging zu dem Laden. Er stand leer, war neu zu vermieten. Aber er war in einem schlechten Zustand. Es stand in einer Ecke, an der außer der Schule und Büros nichts waren. Wer sollte hier schon Süßigkeiten kaufen, außer die Kinder, die die Schule besuchten?
Bretter waren an die Fenster genagelt, vermutlich war sogar eine der Scheiben kaputt.
Tsubasa ging näher an den Laden und schaute durch einen Spalt ins Innere.
Es war dunkel und dreckig.
„Junger Mann…“
Tsubasa drehte sich erschrocken um. Vor ihm stand eine ältere Dame, sie war klein, hatte graue Haare, die stramm zu einem Zopf nach hingen gekämmt waren. Sie trug einen rosa farbigen Anzug, der ihren weißen Unterrock hervorschauen ließ und eine Brille, die ihre ernsten Augen, nur noch mehr zur Geltung brachten.
„Ja Mam?“ Tsubasa verbeugte sich, wie es sich gegenüber Ältere gehörte.
„junger Mann…“
„Ja?“
„Sind sie interessiert an den Laden?“ fragte sie ihn.
Tsubasa blickte sie fragend und überrascht an. „Nicht wirklich.“
Sie blickte ihn nun auch ernst und fragend an. „Was meinen Sie damit?“
„Na ja, ich bin nicht an den Laden interessiert…“
„Dann lungern sie hier auch nicht rum, das verkrault mir die Kunden für den Laden.“ Tsubasa brauchte sich nicht umzuschauen um zu wissen, dass hier keine Kunden oder Ähnliches drum standen, der Laden stand seit einem ¾ Jahr in etwa leer.
Tsubasa nickte. „Entschuldigen Sie, Mam. Ich… Kann ich Sie dennoch etwas fragen?“
Sie seufzte und musterte ihn von oben bis unten an. „Ich kenne sie, junger Mann.“
Tsubasa lächelte ein wenig. „Ich bin Ohzora Tsubasa.“
„Sie sind der ehemalige Fußballstar.“
Tsubasa nickte. „Kann ich sie etwas fragen?“
„Dass ich so noch etwas erlebe.“ Sie ging auf Tsubasa zu und musterte ihn. „Ja, sie haben Recht.“ Sie nahm die Brille ab und blickte ihn so an. „Sie sind es wirklich.“
Tsubasa nickte. „Mam?“
„Ja, natürlich können Sie mich etwas fragen. Ich meine, sie sind ein weltbekannter Fußballstar. Ich war ein Fan von Ihnen.“
„Ich danke Ihnen. Das freut mich. Meine Frage… Wissen Sie was mit dem ehemaligen Besitzer des Laden ist?“
„Sie meinen Mr. Okanawa?“
BINGO, dachte sich Tsubasa.
Sie überlegte. „Da muss ich Sie leider enttäuschen.“
Tsubasa seufzte. „Na ja, dennoch danke.“
„Warten Sie mal.“
„Ja?“ Tsubasa drehte sich wieder zu ihr um.
„Er hatte vor ungefähr einem Jahr gekündigt. Ja, er konnte mir den Grund nicht nennen, aber er meinte, er hatte es sehr eilig. Er müsse aus der Stadt, seine Mutter pflegen meinte er. Aber das glaube ich ihm nicht wirklich.“
„Ja?“ Tsubasa lächelte. Ältere Leute waren immer sehr interessant, sie erfanden oft ihre eigene Geschichten zu Dingen und Geschehnisse.
„Aber wo er hin ist. Da überfragen sie mich.“
Tsubasa seufzte. Er musste seine Tochter finden. Aber die Frage war nur wie.
„Er hatte mir mal erzählt, dass er aus Sendai ist.“
„Aus Sendai?“
„Ja, er hatte es irgendwann mal erwähnt, dass seine Familie dort noch lebte.“
„Wie hieß er denn mit Vornamen?“
Sie überlegte wieder ein wenig. Tsubasa ließ ihr auch Zeit. Sie hatte ja schon ein paar Jahre hinter sich. „Tokio Okanawa hieß er. Warum interessieren Sie sich eigentlich für diesen Mann?“
Tsubasa wollte nichts Falsches sagen. Und vor allem seine Tochter nicht erwähnen. Er wollte verdeckt arbeiten. Und eine ältere Dame nicht unbedingt in Schwierigkeiten bringen.
„Sagen wir es so, Mam, er ist mir eine Antwort schuldig.“
„Verstehe.“ Sagte sie und nickte.
Tsubasa verbeugte sich noch mal vor ihr. „Ich danke Ihnen. Sie haben mir sehr geholfen, Mam.“
„Ich habe Ihnen zu danken. Wann trifft man sonst einen Fußballstar.“
Tsubasa lächelte. „Danke sehr.“
Tsubasa verabschiedete sich von der netten älteren Dame und stieg wieder in seinen roten Landrover.
Vielleicht lebte dieser Okanawa-san doch noch hier in der Stadt. Vielleicht sollte er die Auskunft mal anrufen.
Er griff nach seinem Handy und sah auf dem Display, dass Sanae ihn versucht hatte anzurufen. Tsubasa blickte auf die Uhr und seufzte. Er war gerade mal eine Stunde von dem Zeitpunkt vergangen, als er noch bei ihr gewesen war.
Entweder sie machte sich nur unnötig Sorgen um ihn oder,…
Er seufzte und drückte die unbeantworteten Anrufe erst einmal weg.
Er wählte die Nummer der Auskunft von Kobe.
„Moshi-Moshi. Telefonauskunft Kobe, Hina am Aparrat, was kann ich für Sie tun?“
„Hallo ich such einen Bekannten von mir, weiß aber nicht mehr ob er hier noch wohnt.“
„Sagen Sie mir den Namen ihres Bekannten und ich schau mal bei uns im Computer nach.“
„Ja dankesehr. Sein Name ist Okanawa Tokio.“
„Einen Moment bitte.“
Tsubasa wartete. Er war ungeduldig. Aber er hatte schon so lange gewartet, da kam es jetzt auch nicht mehr auf eine Minute mehr oder weniger drauf an.
„Ich muss sie enttäuschen. Ein Okanawa Tokio wohnt hier nicht mehr. Er hatte sich vor rund 11 Monaten hier abgemeldet. Aber in dem Haus wo er wohnte, wohnt immer noch ein Herr Okanawa, Seiji. Ist vielleicht sein Bruder.“
„Und wie ist die Adresse?“
„Kirschblütenweg 3. Das ist bei der großen Sparkasse. Wissen Sie wo?“
„Ja, durchaus. Danke sehr.“ Tsubasa legte auf.
Er beugte sich nach vorne durch die Windschutzscheibe und blickte heraus.
Er schaute auf ein großes, Glasgebäude.
Es war eine Bank.
Eine Sparkasse.
Es war die große Sparkasse.
Dieser Kerl wohnte also direkt neben deiner Schule, mein Engel.
Er konnte immer hier her kommen.
Wie konnte das sein?
Das durfte nicht sein!
Tsubasa kochte innerlich.
Er war wütend.
Er war wütend auf den Kerl.
Er war wütend auf sich.
Er war wütend auf die Polizei.
Tsubasa seufzte, startete den Motor und fuhr in den Kirschblütenweg.
Bei der Hausnummer 3 hielt er an.
Er stieg aus seinem Landrover und ging zur Tür.
Es war ein altes Haus.
Sah relativ heruntergekommen aus.
Er hätte sich gar nicht vorstellen können, dass dort noch jemand wohnte.
Tsubasa klopfte an der Tür.
Ein Älterer Mann erschien und öffnete.
Tsubasa sah, dass der Mann blind war.
„Ja? Wer ist da?“
„Hallo, mein Name ist Ohzora Tsubasa. Ich suche einen Tokio Okanawa. Kennen Sie ihn?“
Der blinde Mann fesselte Tsubasa mit seinem leeren Blick.
„Er ist mein Sohn. Was ist mit ihm?“
Tsubasa seufzte. Er konnte ihm doch schlecht sagen, das Tsubasa vermutete, dass der Sohn dieses Mannes, vermutlich seine Tochter entführt hatte.
„Ich bin nur ein alter Freund ihres Sohnes und auf der Suche nach ihm.“
„Sie suchen ihn?“
„Ja, ich möchte ihn gerne wieder sehen. Wir waren zusammen in der Schule.“
„Ja? Das ist aber nett.“ Der Mann lächelte. Tsubasa hasste es zu lügen. Aber er wollte den Mann nicht schaden. „Da muss ich sie enttäuschen. Mein Sohn der wohnt nicht mehr hier.“
„Und wo wohnt er nun?“
Der Mann seufzte schwer. „Er wohnt wohl nun in Sendai.“
Tsubasa nickte. Das war die Antwort, die ihm auch die Frau gegeben hatte. „Ich danke ihnen sehr.“