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it's gonna be fucking good

One Shot Collection
von

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OneShot #2: Time

Auf den Pfaden lagen kleine Pfützen. Es hatte viel geregnet in den letzten Tagen, doch jetzt schien die Sonne. Sie glitzerte fröhlich in dem Wasser der Pfützen, spiegelte sich darin und erhellte die Trüben Gedanken der Trauernden. Sie beschritten die Kieswege, standen vor den Gräbern und weinten um die Verblichenen. Die Kerzen auf den Gräbern wurden wieder entzündet und flackerten leise in ihren windgeschützten Behältnissen. Doch im Licht der Sonne waren sie so unauffällig, wie das immer wachsende Gras an den Grabrändern. Mit Löwenzahn teilte es sich seinen Platz und über die alten Gedenksteine rankte sich der Efeu, bedeckte die Blößen so mancher marmornen Statue. Am Rande des Friedhofs standen die Tannen wie eine schwarze Mauer und trennten die ehrwürdigen Ruhestätten von der lärmenden Stadt und den Unruhen und dem Stress, den sie in sich trug.

In der dunkelsten Ecke, versteckt hinter den massigen Ästen der Bäume, stand das strahlend weiße Denkmal eines Doppelgrabes. Von einem wunderschönen, leichtfüßig tanzenden Engel und einem lächelnden, ruhig beobachteten Dämon geziert, stand es wie der sprichwörtliche Fels in der Brandung auf seinem Platz. Ohne Namen, ohne Datum.
 

She’s too invested in the hours that pass her by
 

Ihre unruhigen Augen suchten aufgewühlt und fieberhaft die Umgebung ab. Sie suchte jemanden, etwas. Doch sie sah nur die trauernden und besuchenden Menschen, die zu den Gräbern ihrer Verwandten und Freunde schlichen. Sie sah ihre Tränen, hörte ihre Schluchzer und die Worte, die so mancher noch an die Toten richtete ohne zu wissen, ob man sie noch hörte.

Sie strich sich ihre blonden Strähnen aus dem Gesicht, um die Menschen noch besser beobachten zu können, besser nach ihm suchen zu können. Dennoch sah sie nur die Einsamkeit, die Traurigkeit dieses Ortes, der Seelen, die hier Hoffnung suchten.

„Irgendwie ist das ungerecht…“, flüsterte sie, „Erst, wenn sie dem Tode entgegentreten, denken sie über sich nach. Über ihre Taten. Über ihr Leben. Entscheiden sich etwas zu ändern, so zu leben, wie sie es gerne wollten. Wissen sie denn nicht von Anfang an, wie kurz ihr Leben ist?“

Wieder wanderten ihre Augen über die Pfade und Wege aus Kies, die unter den Schuhen der Besucher leise knirschten und die immer währende Stille dieses außergewöhnlichen Ortes nicht zerstören konnten. Sie sah sie kommen und gehen, gehen und kommen.

Wenig blieb im Lauf der Zeit wirklich gleich, doch die Eigenheiten eines Friedhofes, der Ruhestätten der Geliebten und Ungeliebten, änderte sich kaum.

Sie lächelte bitter: „Wenn sie hier stehen, glauben sie an Freiheit, an Gleichheit, an Brüderlichkeit. Ihre Seelen werden friedlich. Sie wollen sich nicht grämen an einem Ort wie diesem…“

Ihre himmelblauen Augen entdeckten ein Liebespaar auf einer Bank. Es trauerte, weinte zusammen, fest umschlungen. Das Grab vor dem sie saßen war frisch, noch mit Schleifen und bunten Blumen geschmückt.

Ärgerlich zog sie ihre Brauen zusammen: „Sag, was weinen die denn so? Sieh dir das an! Dabei sollten sie so glücklich sein, dass sie sich haben! Das größte Glück auf Erden und zwischen den Welten und sie klagen trotzdem!“ Sie grollte tief in sich: „Uns wurde dieses Glück genommen. Warum freuen sie sich nicht, dass sie sich haben?“
 

I’d pay attention if I thought it was worth the time
 

Ich blickte auf: „Du kennst die Antwort: Sie haben verloren, was sie liebten. Ein Kind. Ihr Kind.“

„Aber sie haben noch immer sich! Soll ihnen das doch reichen!“, regte sie sich weiter auf.

Sie beneidete die Menschen, zürnte über sie und beklagte sich immer über ihr eigenes Schicksal. Wobei es ihre eigene Schuld war, dass sie hier sitzen musste, nicht fort von hier durfte. Sie hatte es selbst so gewollt. Doch noch nie war sie mit etwas zufrieden gewesen.

Als Engel waren das keine akzeptablen oder gar tragbaren Eigenschaften.

Ich schüttelte leicht den Kopf, lächelte über mich selbst.

Sie zu lieben war für einen Dämonen auch keine akzeptable oder gar tragbare Angelegenheit. Leider war es aber die Wahrheit.

Meine Liebe unterwarf mich ihrem Schicksal, auch wenn sie mich schon lange nicht mehr liebte. Deswegen saß ich hier auf dem Grabstein, der mein Antlitz zeigte. So wie ihres. Verbannt von unseren Vätern und Herrschern mussten wir unsere Zeit hier sitzen. Meine Strafe war noch immer von unbestimmter Dauer. Sie könnte sofort fortgehen, wenn sie nur gewollt hätte. Sie musste nur ihre Fehler einsehen.

Aber dazu war sie noch nie in der Lage gewesen.

„Warum siehst du sie dir überhaupt noch an? Menschen ändern sich nicht. Genauso, wie wir uns nicht ändern. Weder Engel noch Dämonen. Weder der Teufel noch dein Gott“, erklärte ich. Mir waren die trauernden, wütenden Menschen, die diesen Ort besuchten, immer egal gewesen. Ich sah sie kaum. Ich sah immer nur meine Geliebte…
 

I tell her “Easy.” but her hands they find a way
 

„Ach, das verstehst du nicht! Sie haben das, was wir niemals mehr bekommen…“ Sie beklagte sich, manchmal zumindest. Fast immer. Obwohl sie wahrscheinlich eh die meiste Zeit an diesem Ort verweilt hätte, damit sie ihn hätte sehen können.

Jede Sekunde, die sie wach verbrachte, suchte sie nach ihm, schrie sich die Seele nach ihm aus ihrem schönen Leib. Sie verzehrte sich so sehr nach ihm.

Dabei hat er sie niemals angesehen, sie niemals wahrgenommen. Er konnte es nicht einmal.

Doch sie gab nie auf. Wahrscheinlich konnte sie das nicht, als Engel. Engel waren schon immer so, dachte ich zumindest.

Sie war zumindest so, das reichte mir.

„Warum muss ich hier nur fest sitzen?“, seufzte sie, lies ihren Blick weiter nach ihm schweifen.

„Das weißt du. Wir sitzen hier fest, weil sie uns erwischt haben.“

„Ach, papperlapp! Das war doch nichts.“

„Ich weiß“, ich seufzte leise. Sie war immer so stur und von sich überzeugt. „Aber trotzdem glaubten beide, wir wären ein Paar. Auch wenn wir das schon lange nicht mehr sind…“

„Alles alte Geschichten… Jetzt will ich ihn!“, sie suchte weiter nach ihm. Suchte den ganzen Friedhof nach seiner Gestalt ab.

„Du würdest ihn niemals wieder sehen, wenn dein Herr Das wüsste!“

„Du verrätst ihm doch nichts!“, fragte sie mich mit bangem Blick.
 

Confusing passion for the love he never gave
 

Ich sah sie nur an, gab ihr keine Antwort.

Natürlich hätte ich es nie jemandem gesagt. Das hätte ihr eine noch viel höhere Strafe eingebracht. Vielleicht sogar den Tod? Das wusste ich nicht. Aber egal, nichts davon hätte ich jemals gewollt, nicht mit leben können.

Obwohl es meine Strafe sicher drastisch gekürzt hätte, hätte ich sie verraten.

Aber auch wenn ich ein Dämon war, das könnte ich nicht.

„Sag, dass du es für dich behältst“, forderte sie mit undurchdringlichem, bettelndem Blick, „Du musst es für dich behalten!“

Ich nickte nur leicht.

Was könnte ich auch anderes tun? Nichts.

„Du bist der Beste!“, lächelte sie. Mit weichen Lippen küsste sie meine Wange. Dankte mir für meine Verschwiegenheit.

„Deswegen sitzen wir hier fest“, stellte ich sachlich fest, „Weil unsere Welten glauben, wir wären ein Paar.“

Ich sah sie an. Sie würde sich sicher wieder eine Ausrede einfallen lassen.

Das tat sie immer. Lange genug saßen wir schon hier und schon oft genug diskutierten wir.

Das Ergebnis war jedes Mal das gleiche. Die Schuld landete bei mir.

„Was hätte ich den sagen sollen?“, fragte sie verzweifelt.

„Die Wahrheit? Wir sind kein Paar.“

„Nicht mehr“, verbesserte sie.

Ich verdrehte nur die Augen: „Das spielt doch gar keine Rolle mehr, oder?“ Schön wäre es ja, aber auch ich musste den Tatsachen ins Auge blicken.

„Für mich nicht, aber sie hätten uns nie hierhin verbannt…“, sie zuckte leicht mit den Schultern und wandte sich wieder dem Friedhof zu, suchte ihn.
 

Fall back on reasons that we know won’t stand a chance
 

Ich schüttelte nur leicht den Kopf.

Jeder hätte ihr sagen können, dass es Zeitverschwendung war, was sie dort tat, worauf sie hoffte.

„Er wird dich nicht sehen oder hören. Du bist Luft für ihn.“

„Doch, er wird. Er wird sich in mich verlieben! Und dann sind wir glücklich vereint”, schmachtete sie, ihre Wangen röteten sich leicht in Vorfreude auf dieses große, fiktive Ereignis.

Ich schüttelte nur den Kopf: „Nein.“

„Was weißt du denn schon von großer, aufrichtiger Liebe! Du bist doch nur ein Dämon!“, fuhr sie herum, sah mich böse an. Sie war wirklich wütend.

„Er ist der Tod.“

„Ja, und? Er wird mich lieben…”, sie seufzte leise. Erlag wirklich ihren Tagträumen.

„Der Tod kann nicht lieben. Er darf es nicht und es ist ihm nicht möglich“, erklärte ich ihr. Wie oft hatte ich schon versucht, ihr das deutlich zu machen.

Aber sie wollte mir nie glauben.

„Doch, mich wird er lieben! Wie sollte er mich auch nicht lieben können?“

„Er kann es nicht.“

Sie sah mich vorwurfsvoll an.

„Er ist der Tod. Jedes Wesen stirbt einmal und er muss es mitnehmen. Sollte er es lieben, würde er es am Leben lassen und den Kreislauf allen Seins durcheinander bringen. Und gerade den zu bewahren, ist seine Aufgabe. Also darf er nicht lieben – auch dich nicht.“

Sie öffnete ihren Mund, wollte etwas sagen, erwidern. Gegen seine Erklärung halten, doch kein Wort drang über ihre Lippen. Enttäuscht, wütend und frustriert wandte sie sich von mir ab, sah wieder auf den Friedhof. Suchte ihn wieder um meine Worte Lügen strafen zu können.
 

Watching our shoulders like a memory from the past
 

Ihr langes, blondes Haar wallte in leisen Locken über ihre Schultern, sachte im Wind. Ihre klaren, himmelblauen Augen sahen aufgeweckt über das Meer der Gräber.

Sie war ein wunderschöner Engel, tanzte immer so leichtfüßig über den See der Hoffnung, an dem wir uns immer trafen. Damals.

Wie lange war es nun schon her, dass wir uns liebten? Es waren nur kurze Momente und Augenblicke, aber voller Verlangen und heißer Begierde. Anrüchig durch das Verbot unseres Beisammenseins schworen wir uns ewige Liebe und Treue – die nicht allzu lange währte.

Wie sagt der Mensch? Die Erde dreht sich weiter. Immer.

Mir hat sie denn Verstand geraubt und meine Sinne in Fesseln gelegt, mich an sich gekettet.

Ihr Herz schlug bald für jemand anderes, für Ihn. Den Tod.

„Es war schön mit uns…“, wollte ich nur denken, sagte es wirklich.

Sie nickte, lächelte mir zu: „Sehr schön sogar. Aufregend. Mit dir war jede Sekunde ein Erlebnis, sei dir gewiss. Und deine starken Arme und dein besonnenes Lächeln werde ich sicher nie vergessen… Es stimmt schon, Dämonen kommen aus der Hölle und die ist heiß. Sehr heiß“, sie grinste mich an, zwinkerte keck.
 

I tell her “Easy.” but her hands they find a way
 

Ich musste schmunzeln.

Ihre Logik verstand ich zwar nie ganz, aber sicher hatte sie schon Recht.

„Da! Da ist er!“, rief sie plötzlich, sah die schwarze Kutte des Todes über seinen Hof wandern.

„Lass ihn, er arbeitet…“

„Dann soll er an mir arbeiten“, schmachtete sie.

Ich schüttelte nur leicht den Kopf: „Du kannst nicht noch einmal sterben…“

„Mir egal“, sagte sie nur und rief ihn. Rief den Tod. Wollte ihn zu sich holen.

Da konnte auch ich nichts mehr tun, als daneben zu sitzen und das Beste für sie zu hoffen. Obwohl ich immer genau wusste, dass er sie niemals bemerken würde. Dazu war er gar nicht in der Lage. Er konnte es nicht und würde es auch nie können.

Was auch besser so war.

Sie und ich, wir waren schon tot. Eben unseres Vergehens hierher verbannt, auf einen Friedhof, mitten unter den Menschen. Um zu sehen, was es hieß zu leiden, zu fühlen, zu lieben, zu trauern. Sie sollte es verstehen, ich musste den Schmerz fühlen.

Aber mehr als den Schmerz der Menschen fühlte ich ihre verzweifelnde Liebe zu ihm.

Warum sah sie es nicht ein?

Er sah sie nicht, liebte sie nicht – würde es niemals tun

„Hör auf, ihn zu rufen. Das bringt doch nichts…“
 

Confusing passion for the love he never gave
 

Aber sie rief ihn weiter, bis ihre Stimme nur noch leise und heiser unter dem leicht wehenden Wind zu hören war. Tränen glitten feucht und glitzernd über ihre Wangen, brachen wunderschön das Licht der Sonne. Sie streckte ihre Hände nach ihm aus, sehnte sich nach seinen Armen, seiner Liebe.

Die er nicht hatte. Sie nicht sah. Sie nicht hörte. Eisern seinen eigenen Plan verfolgend wallte sein schwarzer Umhang um seine Schultern, wanderte er weiter auf diesem friedvollen Hof. Sich nicht des Dramas nur wenige Meter von ihm entfernt bewusst.

Er wusste wahrscheinlich nicht einmal, dass ein Engel und ein Dämon hier ihre Strafen verlebten.

Es war für ihn auch unerheblich. Sein Dasein war dem Sterben gewidmet und nicht der Liebe oder anderen Gefühlsseligkeiten.

„Warum…“, verwischte sie zitternd die Tränen auf ihrer blassen, weichen Haut.

„Er ist der Tod.“

Sie warf sich an meine Schulter, weinte bitterlich. Sie wollte nichts sehnlicher, als das er sie liebte. Auch wenn sie genau wusste, dass es ausweglos war zu hoffen.

Selbst als Engel. Auch diese göttlichen Geschöpfe können nicht alles, erreichen nicht alles.

Aber die Erde dreht sich trotzdem. Immer.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Sanni-O
2008-08-19T20:02:37+00:00 19.08.2008 22:02
Das ist einfach nur toll!
Ein sehr emotionales Bild, bei dem ich nicht weiß, ob ich ihr wünschen soll nochmal zu sterben oder nicht. Wobei das natürlich wieder nur ein vergängliches "Glück" wäre...
Sehr ergreifend, doch wirklich. ^^
Ganz großes Kino.
Von:  kanashimi
2008-03-03T07:21:36+00:00 03.03.2008 08:21
moin moin^^
es ist ein wunderschöner one shot geworden und ich seh die beiden immer noch bildlich vor mir.
das erinnert mich stark an die mangas von Erica Sakurazawa.
auch immer diese traurigen, kurzen momentaufnahmen, mit einem hauch humor.
das einzige was einen zwinkt ist, wissen zu wollen, was genau früher geschah. diese beiden charaschätzchen würd ich gern näher kennen lernen
ich finde dir ist hier wirklich ein interessantes kleinod gelungen
aber der dämon tut mir immer noch mehr leid als das zickige engelchen -.-°
*knautsch*


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