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Was wäre, wenn...?

von

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Was wäre, wenn...?

Ein (kurzes) alternatives Noir-Ende
 

„Es ist eine einzige Katastrophe, Altena! Siehst du das denn nicht?“

Borne versuchte aufgeregt, die Frau in dem fliederfarbenem Gewand davon zu überzeugen, dass sie in eine Sackgasse gelaufen waren.

Doch Altena blieb ganz ruhig. Sie betrachtete gelassen die beiden Schwerter, die vor ihr an einem Schrein über kreuz aufgehängt waren. Ganz langsam fuhr sie mit den Fingerspitzen über das kalte, spröde Metall.

„Hörst du mir überhaupt zu? Wir haben verloren. Die beiden haben Chloe getötet. Nun richtet sich Noir gegen uns. Egal, wie das ausgeht, wir werden uns vor dem Rat rechtfertigen müssen. Das kommt alles so unerwartet.“

„Die Soldats brauchen ein reines Schwert, um ihre alten Werte wieder aufleben zu lassen.

Die beiden Hände der Soldats. Noir.

Die Soldats wollten die Wahrheit in die Welt bringen. Doch mit der Zeit haben sie sich in etwas anderes verwandelt, etwas, das von den Uridealen abwich. Noir wird sie zu ihren Wurzeln zurückbringen und diese Ideale wieder in die Welt bringen.“

„Ja, aber die Zeremonie— “

„Wird wie geplant stattfinden. Es kommt nicht alles so überraschend, wie du denkst!“

„Was? Heißt das, du hast gewusst, was passieren würde und hast es dennoch vorangetrieben? Sind dir die Soldats egal? Ist dir egal, was Noir mit ihnen machen wird?“

„Der Mensch im Menschen. Die Liebe in der Liebe. Die Sünde in der Sünde.“

Borne griff in ihre Tasche und holte eine Pistole hervor, doch bevor sie irgendwelche Anstalten machen konnte, sie auf Altena zu richten, drehte sich diese ruckartig um und schoss ihren Revolver ab. Borne brach stöhnend in sich zusammen und blieb leblos liegen.

„Ihr habt es also geschafft. Ich bin froh.“ Altena bedachte Mireille und Kirika mit einem warmen Lächeln. Sie hatte sie bereits bemerkt, als die beiden noch vor der Tür gestanden hatten.

„Du bist Altena, nicht wahr? Hmm.. sollte ich erfreut sein?“

„Nun, vielleicht, aber da es nicht das erste Mal ist, musst du das für dich selbst herausfinden, Tochter Korsikas!“

„Wage es ni... - “

Mireille wurde im Satz unterbrochen, als Altena mit ihrer Waffe auf sie feuerte. Sie und Kirika sprangen hinter die nächstgelegene Säule in Deckung und warteten ab, bis es still war.

Altena war verschwunden, als sie wieder herauskamen, doch entdeckten die beiden Killerinnen einen Geheimgang hinter dem alten Holzschrein und folgten diesem. Je weiter sie sich hinab bewegten, desto wärmer wurde es, gleichzeitig wurden die Wände heller und schienen filigraner gearbeitet zu sein.

Am Fuß der Treppe angelangt, standen sie vor einem riesigen marmornen Portal. Das Relief auf diesem Tor war ihnen mehr als bekannt. Es zeigte das Symbol der Grand Retour und der Noir.

Die Jungfrauen mit den beiden Händen.

Sie unterstanden dem Hohepriester der Soldats.

Sie waren Diener Gottes und die stärkste Waffe, die sich jemals in den Händen der Soldats befunden hatte.

Dies war ihr Ziel, nun würde alles ein Ende finden.
 

Die Tür öffnete sich fast von alleine, und die jungen Frauen betraten einen Raum, in dem es noch heißer war, als in den Gängen zuvor. Sie wurden von dem strahlenden Weiß des hellen Marmors geblendet, tausende Kerzen schienen diesen Raum zu erhellen.

Unzählige kleine Feuer, die jeden Schatten zu verdrängen schienen.

Und im Zentrum des Raumes stand sie. Altena. Hinter ihr ein Steinbrunnen. Aus ihm stieg unvorstellbare Hitze herauf, die in einem steten Luftzug Altenas Haare in die Luft wirbelte.

Sie hatte einen zufriedenen Gesichtsausdruck und wandte sich mit einem Lächeln an ihre Kinder.

„Ihr habt euer Ziel erreicht!“

„Aber wir haben noch so viele Fragen. Und die wollen wir gerne beantwortet haben!“, sagte Mireille, die selbst in dieser Situation ihre professionelle Art nicht abgelegt hatte.

„In diesem Kampf sind unzählige Menschen gestorben. Unschuldige und Soldats. Mireilles Familie und...Chloe.“ Kirikas Augen verdunkelten sich.

„Warum? Welchen Zweck erfüllt das alles?“

„Ach, wie naiv. Naive Menschen werden bestraft, wenn sie die Wahrheit nicht erkennen, wenn sie sich trotz allem gegen das Unvermeidliche stellen. Genauso, wie deine Eltern. Sie haben sich dagegen gewehrt. Aber letzten Endes haben sie doch noch etwas gutes zu der Sache beigetragen. Sie haben dazu beigetragen, Noir den Weg zu bereiten. Als Opfer für die Wiederauferstehung Noirs!“

Die letzten Worte sprach die Frau sehr langsam und deutlich. Mireille, die schon vorher das Zittern nicht mehr unterdrücken konnte, schloss ihre Hand fester um den Griff ihrer Waffe und als sie Altenas Aussage realisiert hatte, stürmte sie von blinder Wut getrieben auf sie zu und hielt ihr den Lauf unters Kinn.

Als die Blonde ihr in die Augen sah, diese violetten Tiefen, die so viel verbargen und einem das tückische Gefühl von Geborgenheit vermitteln konnten, selbst wenn man sie nur für wenige Sekunden betrachtete.

Wie sehr sie diese Frau hasste, die ihr Leben zerstört hatte. Und nicht nur ihres. Auch Kirikas, und sie war sich sicher auch Chloes. Und unendlich viele Leben mehr. Sie war ein Monster in Gestalt einer Priesterin.

Ihre Eltern. Sie waren für sie gestorben. Für ihre Tochter. Mutter. Vater. Sie krümmte ihren Finger fester um den Abzug.

Es hallte noch lange durch den Raum, nachdem sich ein Schuss gelöst hatte.

Alle drei Frauen standen regungslos da. Kirika, die die ganze Zeit über neben Mireille gestanden hatte und unentschlossen zu gesehen hatte, wie diese auf Altena losging, zitterte.

Sie hatte nicht geschossen, das stand fest. Auch aus Mireilles Waffe ist nicht geschossen worden.

*Aber wer...?*, dachte Kirika.

*O Gott!!*

Sie spürte einen Schmerz in der Brust.

*Mireille!! Nein!!*

Kirika wollte einen Schritt nach vorne machen, als sie diesen stechenden Schmerz erneut spürte. Sie fiel auf die Knie, als sie die Kraft in ihren Beinen verließ.

Ungläubig schaute sie auf ihre Hände. Sie waren mit Blut bedeckt. Sie sah an sich herab und sah ein Loch im Stoff ihrer Kleidung. Blut strömte aus einer Wunde in ihrer Brust heraus und färbte ihre Tunika rot. Sie sah noch einmal hoch zu Mireille, die sich inzwischen längst umgedreht hatte und Altena hinter sich schon vollkommen vergessen zu haben schien.

Sie bewegte ihre Lippen. Sie sagte etwas, doch Kirika konnte nichts hören.

*Gott sei Dank! Dir geht es gut, Mireille! Aber ich.. ich... Vergib’ mir! Vergib’ mir, dass du...*

Vor Kirikas Augen fing plötzlich alles an, zu verschwimmen. Sie stürzte nach vorne über, doch ehe sie auf den harten Steinboden aufschlagen konnte, wurde sie von Mireille aufgefangen, die sie fest in ihren Armen hielt.

*Mireille! Mein...Engel...*

„..ika! Kirika! Kannst du mich hören? O Gott, ich bitte dich, sag’ etwas!“

„Mi.. Mireille... Ich— “ Husten hinderte Kirika daran, weiter zusprechen.
 

Altena betrachtete geistesabwesend die Szene. Was war eben geschehen? Woher kam der Schuss? Wer hatte das getan? Wer hatte es gewagt? Sollte sie es vielleicht selbst gewesen sein? Kann es sein, dass sie ihre Waffe abgefeuert hat, ohne es zu merken, und Kirika getroffen hat? Nein, ausgeschlossen. Das war unmöglich. Aber wer war es dann?

*Die Jungfrauen, die über den Tod regieren.

Ihr Name ist Noir.

Noir!*
 

Mireille hielt Kirika in ihren Armen. Sie fühlte, wie das Blut des Mädchens ihre eigene Kleidung durchtränkte. Die junge Killerin stöhnte unter Schmerzen auf, bevor sie ihre Augen öffnete und in die glänzenden blauen Opale der Korsin blickte. Deren Augen waren tränengefüllt, doch wehrte sie sich mit unglaublicher Willenskraft dagegen, zu Schluchzen.

„Mireille.. es.. tut.. mir.. leid!“

Die Worte kamen nur sehr schwer über Kirikas Lippen. Jeder Atemzug tat höllisch weh. Ihr liefen vor Schmerzen einzelne Tränen über das Gesicht.

„Dir brauch nichts leid tun. Wie kommst du denn auf so etwas Dummes?“, sagte Mireille mit einem leicht verzogenem Lächeln.

„Ich bin so froh, dass du an meiner Seite bist. Mir ist egal, was damals passiert ist. Ich gebe dir in keiner Weise die Schuld, Kirika. Ich möchte, dass du das weißt!“

Mireille brachte nicht mehr als ein Flüstern zu Stande, ihre Stimme kurz davor, zu brechen.

„Du.. bist es nicht sein, die.. mich tötet. Es tut mir Leid.., dass dir diese.. Möglichkeit.. nun verwehrt bleibt... Ich war.. unvorsichtig und habe zu-.. zugelassen, dass dir jemand... dieses Recht nimmt. Das Recht... der Vergeltung.“

Kirika brachte diese Sätze nur mit äußerster Anstrengung hervor.

Ihr Körper bebte, und ihre Hände zitterten.

„Wie bitte? Recht der..?“

Mireille traute ihren Ohren nicht.

*War es das, was Kirika nun traurig machte. Dass sie Mireille enttäuschen würde, da nicht sie es sein würde, die das Leben der jungen Japanerin beendete?*

„Kirika! Ich wollte nie.. ich hatte nicht vor.. “

Mireille fand nicht die richtigen Worte. Sie wollte nicht, dass es so endet. Nicht jetzt. Nicht so schnell.

*Gott, bitte habe Mitleid mit ihr!*

„Ich danke dir.. Mireille! Du.. hast mir.. so viel gegeben. Und ich werde mich.. nicht revanchieren können. Du hast mir.. deine Freundschaft geschenkt, obwohl.. ich es.. nicht verdient habe.“

„Ich würde es immer wieder tun, Kirika, weil,.. weil ich dich brauche!“

Kirika schloss die Augen. Ein Zartes Lächeln legte sich auf ihre Lippen.

*Es ist fast ganz friedlich. Ich spüre den Schmerz nur noch ganz dumpf, tief in mir. Ich will in dieser Umarmung verharren bis an das Ende aller Zeiten. Diese Wärme. Meine Partnerin, meine Freundin. Mireille. Du brauchst mich? Mireille, ich brauche dich auch. Ich... Mireille, ich... ’

„..liebe dich!“

Die letzten Worte ihrer Gedanken kamen Kirika über die Lippen, waren aber wenig mehr als ein Hauchen, doch Mireille hatte es verstanden. Sie drückte den schlanken Körper ihrer Freundin fester an sich, und vergrub ihr Gesicht in deren Halsbeuge. Kirika spürte heiße Tränen auf ihrer Haut und legt eine Hand auf Mireilles Kopf.

Behutsam streichelte sie über die weichen, goldenen Haare und drückte dabei den Kopf der Blonden näher an sich heran.

*Kann es nicht ewig so bleiben? Nur ohne den Schmerz! Der Schmerz, der unser beider Leben bestimmt hat, immer an unserer Seite war und uns bis in die Dunkelheit folgte. Ich liebe sie. Warum? Warum muss es so enden? Kirika!*
 

Von der Unterhaltung unberührt, stand Altena gegen den Brunnen gelehnt. Sie hielt ihre Waffe noch immer in der Hand.

Sie hatte versagt und das wusste sie.

Sie lächelte.
 

Mireille strich Kirika sanft über ihr Gesicht. Sie wischte die Tränen fort, und lächelte auf das Mädchen mit den braunen Augen herab. Sie waren verschleiert, aber gleichzeitig schien in ihnen ein Feuer zu lodern. Sie waren so ausdrucksstark. Zeigte Kirika sich doch überwiegend neutral, so sprachen ihre Augen Bände. Sie waren in diesem Fall wirklich der Spiegel ihrer Seele. Ihre Herzens.

Doch nun bemerkte Mireille, wie der Glanz aus diesen Augen verschwand. Sie wurden immer dunkler, das Feuer in ihnen schien langsam zu verlischen.

*Nein, es konnte doch noch nicht vorbei sein! Nein, bitte nicht. Nimm’ mir nicht auch meine Kirika, ich flehe.... Sie lächelt?...*

Aus halb geöffneten Augen sah Kirika Mireille an.

Sie weinte.

Sie wollte nicht, dass sie traurig war.

Sie hatte es nicht verdient, betrauert zu werden.

Sie wollte, dass Mireille ein neues Leben im Licht der wärmenden Sonne führte.

*Sei glücklich und lebe weiter als die starke Person, die ich kennen gelernt habe, Mireille Bouquet!*

Langsam, ganz langsam schlossen sich die Augen der größten Killerin aller Zeiten, als sich ihr Kopf leicht zur Seite legte und sie mit ihrem letzten Atemzug das Leben aus ihrem jungen Körper hauchte.
 

Die Sonne war gerade über dem Horizont aufgetaucht, als Mireille in ihrem Jeep gen Norden fuhr. Sie hatte das Gut verlassen können, ohne noch von jemandem aufgehalten worden zu sein.

Allerdings ist sie nicht eher gegangen, bevor sie sicher war, dass das Herz der Finsternis, die Person, die an allem Schuld war, auf ewig in den Tiefen der Hölle schmorte.

Altena hatte teilnahmslos dagestanden, als Mireille sich unendliche Minuten, nachdem Kirikas wunderschöne Augen für immer geschlossen waren, erhoben hatte. Sie hatte immer wieder die Sätze aus dem Langonel- Manuskript zitiert.

Noir.

Zwei Jungfrauen, die den Tod beherrschen.

Nachdem Altena Mireille einige Sekunden in die Augen geschaut hatte, setzte sie zum Sprechen an, doch Mireille hat ihr dieses Recht nicht gewehrt. Mit einem einzigen, gezielten Schuss traf sie die Frau zwischen den Augen. Durch den Rückstoss aus dem Gleichgewicht gebracht, fiel der bereits leblose Körper über den Rand des steinernen Brunnens und wurde von den Flammen der Lavaströme, die darunter verliefen, verzehrt.
 

Mireille hatte Kirikas letzte Botschaft verstanden. Sie verstand noch nicht alles, aber das war jetzt unwichtig. Sie würde weiterleben. Für Kirika. Und irgendwann, irgendwann würden sie sich wieder sehen.

„Au revoir, Kirika!“

Ein Lächeln huschte über Mireilles Gesicht, als sie das Gaspedal durchtrat und in die Zukunft fuhr.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2007-11-21T08:36:32+00:00 21.11.2007 09:36
was für ein trauriges alternertives ende
mir hats jetenfals gefallen mach weiter soo

SSJVegeta
Von: abgemeldet
2007-04-11T18:13:03+00:00 11.04.2007 20:13
So schön, so unglaublich schön traurig am ende, obwohl ich ja ein riesiger Kirika-Fan bin....Aber das ,,au revoir" hat einfach perfekt gepasst...

Ciao, Hirio_Tashimata


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