OneShot
Genervt seufzte der junge Mann. Er kannte nur eine Möglichkeit, das nervtötende Mädchen zum Schweigen zu bringen. Er zog sie an sich und besiegelte ihre Lippen mit den seinigen. Die anfängliche Verwunderung ihrerseits verwand und sie erwiderte den Kuss.
Mit hochrotem Kopf schloss Shuu das Buch und legte es abrupt zurück ins Regal. Er war eher zufällig im Buchladen gelandet, und wenn er schon hier war, so könnte er sich auch etwas umsehen und in verschiedene Bücher hineinschnuppern. Doch nun bekam er die Szene nicht mehr aus seinen Kopf. Wie konnte man ein noch fast fremdes Mädchen küssen? Was hatte sich dieser Mann gedacht? Tat er es wirklich nur, weil sie ihn genervt hatte? Und warum hat das Mädchen einfach den Kuss erwidert? Hätte sie den Mann nicht wegstoßen und ihn gar ohrfeigen sollen?
<Da sieht man wieder wie realistisch Romane sind…>, dachte Shuu für sich und eine Kehrtwendung Richtung Ausgang. In Verwunderung weitete er seine Augen. Sah er doch eine bekannte Truppe den Buchladen betreten.
„Ich verstehe ich nicht für was du ein neues Kochbuch benötigst, Takeshi.“, maulte Satoshi und ging den älteren Jungen nach.
„Stimmt, du BIST nämlich ein Kochbuch.“, fügte Haruka hinzu und Masato nickte begeistert. Allen hatte Takeshi’s Essen bis jetzt vorzüglich geschmeckt, nie hat jemand auch nur irgendetwas auszusetzen gehabt.
„Ihr versteht es nicht. Liebe geht durch den Magen! Und je mehr Variation ich mit einbringe, desto eher wird Joy-san… ahhh…!“, Takeshi wagte es nicht, seinen Gedanken auszusprechen sondern verflüchtigte sich umgehend in seine Traumwelt.
„So ein Idiot…“, murmelte Haruka und seufzte. Gewisse Dinge würden sich einfach nie ändern.
Doch die Krönung des Ganzen sollte erst noch kommen.
Shuu müsste ja irgendwie das Geschäft verlassen, richtig?
Er musste also unweigerlich an ihnen vorbeigehen, richtig?
Richtig!
„Oh…“ So und ähnlich klangen die Reaktionen, als die Vierergruppe den bekannten Pokémon Coordinator erblickten. Während Masato und Takeshi ihm relativ neutral gegenüberstanden, so war Satoshi ganz und gar nicht erfreut über das Wiedersehen. Die Niederlage gegen den grünhaarigen Jungen lag ihm noch schwer im Magen.
Und Haruka? Sie hatte ihre ganz eigenen Probleme mit ihm, welche sie aber gekonnt überspielt.
„Sieh an, sieh an. Wer schleicht uns denn hier hinterher?“, fragte sie gespielt höhnisch.
„Hm.“ Mit einer flinken Bewegung strich Shuu über sein Haar. „Wer hier wem nachschleicht wage ich in Frage zu stellen. Zumal ich es nicht nötig hätte.“
„Ach ja? Du hast immerhin schon vergessen, dass ich zwei Bänder gewo-“
<Argh, wo sind die Nerven, wenn man sie mal braucht?>
„-nnen habe und dich im letzten Contest be-“
<Sie redet zu viel, eindeutig.>
„-siegt habe, Mister Top-Coordinator und Ich-weiß-alles-immer-besser-als-“
Er könnte sie einfach zum Schweigen bringen. Genauso, wie er es in den Roman vor wenigen Minuten gelesen hatte.
„-Andere. Na, warum sagst du nichts? Hat es dir die Sprache ver-“
Shuu grinste für sich und imitierte die Bewegungen aus dem Buch. Sanft griff er nach ihrem Arm und zog sie an sich. Haruka stoppte in ihrer Rede und blickte verwundert zu dem Jungen hoch, bevor sie an ihren Lippen etwas Weiches verspürte. Im ersten Moment wusste sie nicht, wie ihr geschah. Haruka schloss ihre Augen und erwiderte den Kuss schüchtern. Die Sekunden erschienen wie Minuten für die Beiden und die Beobachter des Spektakels meinten nicht richtig zu sehen. Takeshi murmelte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart während Satoshi einfach zu geschockt war, um irgendwie zu reagieren. Und Masato… ja ihm war es auf irgendeine Art und Weise zuwider, seine Schwester mit jemanden küssen zu sehen.
Unweigerlich mussten sich die Lippen der Küssenden wieder trennen. Ganz gleich wie groß die Sehnsucht war, den jeweils anderen zu umarmen und weiter zu küssen, der Stolz siegte letzten Endes doch.
„Denk jetzt ja nicht, ich sei in dich verliebt.“ Haruka’s Aussage widersprach aber komplett der ihres Körpers. Denn während ihr Gesicht mit einer unnatürlichen Röte zu kämpfen hatte, so war ihr Blick am Boden gehaftet.
Shuu antwortete ihr nicht, sondern hielt ihr eine rote Rose unter die Nase.
„Für Papinella?“, fragte das Mädchen schüchtern und bekam nur als geflüstertes „Für dich.“ als Antwort, bevor Shuu mit normaler Stimme hinzufügte: „Nicht, dass ich in dich verliebt wäre.“
Mit den Worten trennte sich Shuu von der Gruppe. Sowohl ihm als auch Haruka war klar, welche kleine Lüge sich in ihren Aussagen untergemischt hatte. Beide konnten darüber nur lächeln.
<Auf dass wir uns bald wieder sehen…>
