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Silent Reproach

von

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Silent Reproach I

Das Halbfinale der Weltmeisterschaft war gerade einmal zwei Tage her und ich, zusammen mit meinem Lebenspartner, endlich wieder zu Hause angekommen. Lange, emotional anstrengende Wochen waren endlich vorbei. Ich hatte kaum die Tür hinter uns geschlossen, als auch schon das Telefon klingelte. „Soll ich rangehen?“, hallte sofort Simãos Stimme durch das Haus. Er war mittlerweile schon mit dem Gepäck im Schlafzimmer angelangt und wohl gerade am Auspacken. Immer so schnell, der junge Hüpfer... „Nein, geht schon“, rief ich zurück. „Das hier ist immer noch mein Haus, also gehe ich auch ran.“ Ordnung musste schließlich sein. Simão lachte nur laut und ich schüttelte über mich selbst lächelnd den Kopf. Von wegen Ordnung. Ich ging einzig und allein aus dem Grund immer ans Telefon, weil fast niemand von meinem männlichen Verlobten wusste und ich irgendwie Angst davor hatte, dass es auf diese Weise rauskommen würde.
 

„Figo“, meldete ich mich also und war mäßig überrascht, als eine mir bekannte, junge – und auch sehr beunruhigte – Stimme antwortete. „Luis, bist du es?“, kam die gehetzte Frage und ich zog mir Stirnrunzelnd nebenbei die Schuhe und das Jackett aus. „Wie viele Figos mit dieser Geheimnummer kennst du denn noch, Iker?“ Es war als Scherz gemeint gewesen, aber da Iker nicht lachte [Und was das Thema Humor anging lagen Iker und ich eigentlich auf einer Wellenlänge. Raúl nannte das manchmal spöttisch Deppenhumor, aber er ließ sich von uns immer wieder zu einem Lachen hinreißen – egal, wie niveaulos oder sinnfrei die Witze waren.], wurde mir schnell klar, dass er etwas Ernstes mit mir zu besprechen hatte. Ich stellte mich also auf ein langes Gespräch ein und verkrümelte mich deswegen schon einmal ins Wohnzimmer auf meine Couch. Ein herrlich einzigartiger Duft stieg mir in die Nase und ich erkannte gerade noch die dunklen Haare Simãos, der in der Küche verschwand, um uns etwas zu Trinken zu richten. Beinahe hätte ich bei diesem Anblick Iker am Telefon vergessen [Iker als Freund in allen Ehren, aber während der Weltmeisterschaft hatten Simão und ich trotz der vielen gemeinsamen Stunden keine Zeit nur für uns zwei gehabt und die Weltmeisterschaft war verdammt lang gewesen...], aber der sorgte schon dafür, dass ich den Faden nicht verlor.
 

„Bist du alleine?“ Ich sah mich im Raum um und verfolgte den schlanken Körper meines jüngeren Freundes, der mit einer eleganten Handbewegung die Gläser auf den Tisch stellte, sich dann leise seufzend neben mich auf das Sofa fallen ließ, seinen Kopf auf meinen Schoß legte und die Beine anzog. Er hatte mittlerweile die Kleidung gewechselt und trug nun grüne Boxershorts und ein schwarzes Unterhemd, das seine Bauchmuskeln auf eine wundervolle Weise betonte. Und bei dieser Musterung meines Freundes fiel mir auf, wie verdammt heiß mir in diesem Anzug doch war. Deutschland war unverschämt heiß gewesen, aber Portugal stand diesen Temperaturen in nichts nach. Doch an Umziehen war nun überhaupt nicht zu denken, denn Iker wartete auf meine Antwort. „Tut mir Leid, nein. Soll er gehen?“ Ich spürte, wie der Kopf auf meinem Schoß sich so drehte, dass mich zwei dunkelbraune Augen anklagend anfunkelten. [Simão verstand zwar kaum ein Wort spanisch, aber er kannte den Satz Soll er gehen? schon aus anderen Gesprächen und diese Worte aus meinem Mund gefielen ihm nie. Er fühlte sich dadurch immer ein wenig herabgesetzt, was ich zwar verstehen konnte, aber nicht ändern wollte... jedenfalls noch nicht.] Ich strich ihm lächelnd über die Wange – eine Geste der Entschuldigung – aber sollte Iker nun mit Ja antworten würde ich Simão ohne Zögern aus dem Raum schicken.
 

Doch der antwortete glücklicherweise mit einem leisen Nein und fügte dann hinzu: „Vielleicht kann er ja auch helfen.“ Und dieser Satz war es, der in mir ein Gefühl von leichter Panik auslöste. Nie zuvor hatte Ikers Stimme so ernst und gleichzeitig dermaßen hilflos geklungen. Ich würgte die Frage Wobei? regelrecht hervor, aus Angst die Antwort könnte mir nicht gefallen.
 

Raúl...“
 

Und sie gefiel mir ganz und gar nicht. Wenn es um Raúl ging, war mir alles andere egal. Selbst die schlanken Finger, die gerade meine Hand umschlossen und der einzigen Person gehörten, die mein Herz nach der Trennung von Raúl wieder erobern konnte. Aber mein Ex-Freund war mir schon seit unserem ersten Zusammentreffen im Kindesalter so wichtig, dass mir allein ein ernstes Gesicht seinerseits einen Stich in die Brust versetzte. Und der Grund, warum meine langjährige Beziehung zu Raúl zerbrach, verweigerte mir durch seine schier ewig andauernde Schweigepause, was denn mit meinem besten Freund los war. Ich konnte wahnsinnig fuchsig werden, wenn man mir wichtige Dinge verschwieg, besonders, wenn Raúl das Thema war.
 

Ich löste die Umklammerung der Finger und schob den Kopf von meinem Schoß, um aufzustehen und zu der breiten Fensterwand zu gehen. Bewegung half mir dabei Stress abzubauen und in mir wuchs gerade ein sehr großer Berg an psychischem Stress heran. Simão setzte sich wieder aufrecht hin und lauschte aufmerksam – aber auch mit einem sichtlich beleidigten Gesicht – meinen Worten, selbst, wenn er sie bei dem Tempo kaum verstand. In meinem Gesicht konnte er jedoch eh lesen, als wäre es ein offenes Buch. „Iker, was ist mit Raúl? Sag es mir!“ Von der Couch her konnte ich ein leises Seufzen vernehmen und ich wusste, dass Simão gerade die Augen verdrehte, aber das war mir immer noch ziemlich egal. So sehr ich meinen 26jährigen Verlobten auch schätzte und liebte, Raúl konnte er niemals ersetzen oder gar den gleichen Status annehmen. Aber ich versuchte alles, um Simão nicht das Gefühl zu geben, ich könnte niemanden mehr so sehr mögen, wie einst Raúl. Momentan stimmte dieser Gedanke zwar noch, aber ich nahm mir vor Simão eine echte Chance zu geben – zumal Raúl und ich mittlerweile nur noch sehr enge Freunde waren.
 

„Wie soll ich sagen... Luis, ich weiß einfach nicht mehr weiter – du musst mir helfen.“ Wenn er doch endlich nur mal sagen würde, wobei, dann käme meine Zustimmung bestimmt sofort. „Raúl, er... seitdem wir aus Deutschland zurück sind... Ich kann dir das nicht richtig erklären, du musst es sehen. Er – er ist erstarrt.“ Ich drehte mich zu Simão um und blickte ein wenig ratlos in sein ewig grinsendes Gesicht. Er hatte mittlerweile wohl schon wieder beste Laune [Simão war alles andere als ein Kind von Traurigkeit. Er lachte zwar nicht ganz so gänsehauterregend wie Raúl, aber in Simãos Gegenwart konnte man immer mit einem Lächeln rechnen. Bei Raúl musste man sich mitunter auf starke Stimmungsschwankungen gefasst machen, was zwischendurch ziemlich anstrengend war. Allerdings musste man bei Simão zwischen echten und unechten – eben einfach höflichen – Lächeln unterscheiden, was mir manchmal Kopfschmerzen bereitete. Aber ich war so langsam dabei sie auseinander zu halten.], was wohl auch daran lag, dass er die volle Breite der Couch ausnutzte und sich gähnend über das Polster wälzte. Beinahe hätte ich bei diesem Anblick grinsen müssen, aber Ikers Worte spukten mir laut dröhnend im Kopf herum. Was meinte er denn nur mit erstarrt? „Iker, sprich bitte nicht in Rätseln. Wenn ich helfen soll, dann muss ich auch wissen, wobei.“ Am anderen Ende ertönte ein leises Geräusch – fast so als würde Iker mit sich selbst schimpfen und seine Hand gegen die Stirn schlagen. „Natürlich, entschuldige.“
 

Doch bevor er mir näheres sagen konnte drangen gleich mehrere Geräusche an mein Ohr. Zuerst hörte ich ein lautes, ohrenbetäubendes Bellen, dann einen üblen, spanischen Fluch von Iker und ein zweites Bellen. Mein Gesprächspartner legte wohl das Telefon kurz weg, denn seine Stimme wurde erheblich leiser und Schritte entfernten sich von mir. „José, bist du wohl still? Nur, weil einer schreit muss der andere es ihm nicht nachmachen. Gonzo, hör auf Raúl zu belästigen, ich gehe gleich mit dir raus. Schau mich nicht so an, Raúl kann nicht, das weißt du doch.“ Ach, dann ging das – was immer es auch war – mit Raúl schon länger so, denn seine Hunde vernachlässigte er nie. Also, wenn Iker nicht bald mit der Sprache herausrückte, würde ich ihn durchs Telefon hindurch erwürgen und die Worte so aus ihm herauspressen. Ich setzte mich wieder zu meinem Freund, der mir widerwillig Platz machte und seinen Kopf noch einmal auf meinen Schoß legte, während Iker zurück zum Telefon kam. „Entschuldige, aber Gonzo macht mich noch ganz fertig. Er hält einfach nie den Rand.“ Nun musste ich doch lachen. „Ähnelt Raúl eben einfach zu sehr, das ist alles. Keiner der beiden hält gerne die Klappe.“ Iker seufzte traurig und so langsam dämmerte mir, was ihm auf der Seele lag.
 

Eine dunkle Ahnung zog in mir herauf, aber ich konnte sie noch nicht greifen. Ich wusste nur, dass mir dieses Gefühl seltsam vertraut war. Raúl war nichts körperlich Schlimmes zugestoßen, das wusste ich nun. Aber körperliche Schmerzen konnten schnell heilen, seelische dagegen blieben verdammt lange. Und wenn es mit der Weltmeisterschaft zu tun hatte, dann konnte es ja nichts Gutes sein. „Also, um es kurz zu machen: Raúl sitzt seit unserer Ankunft zu Hause im Sessel und bewegt sich keinen Millimeter mehr. Er spricht kein Wort und sein Blick ist überall, nur nicht hier. Ich bin am Ende. Und, so ungern ich es zugebe... Du bist der Einzige, der Raúl gut genug kennt, um ihm auch dieses Mal zu helfen.“ Iker hatte die Worte beinahe ausgespuckt und ich wusste genau, dass er es hasste sie auszusprechen. Es nagte an seinem Stolz, dass noch immer ich Raúls Seelenverwandter war und nicht er – aber da befand er sich in der gleichen Situation wie mein Freund. „Ich bin so schnell ich kann bei euch. Bis dann“, war alles, was ich erwiderte, bevor ich auflegte. Raúl war wieder in seiner Lethargie gefangen, wie schon damals nach der Europameisterschaft 2004 hier in Portugal, als er zwei Tage lang so agierte. Doch dieses Mal hielt der Zustand schon länger an und genau das machte mir Sorgen.
 

„Alguma coisa errada?[1]“, fragte mich eine leise und besorgte Stimme von unten herauf und ich nickte nur schweigend. „Große Schwierigkeiten?“ Die Frage kam zögernd und auch ein wenig verärgert. Simão hasste es, wenn ich wegen Raúl keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte und ich wusste, dass ich seine Geduld in der Hinsicht bald überspannt hatte, aber er musste mich einfach verstehen. Raúl war nicht irgendjemand... er war Raúl... mein Raúl. Erneut nickte ich, dieses Mal langsamer und nebenbei ließ ich es zu, dass er meine Hand wieder mit seinen kleinen, schlanken Fingern umschloss. „Ich muss nach Spanien.“ Vier einfach Worte, die Simãos Körper zum Erstarren brachten und sein Lächeln verschwinden ließen. Doch bevor er wieder in einem seiner stillen Eifersuchtsanfälle versank, tat ich das Einzige, was mir in dieser Situation richtig erschien. „Komm mit mir... bitte.“ Lange erwiderte er gar nichts und starrte einfach nur verdrossen in meine Augen, bis schließlich das Lächeln in sein Gesicht zurückkehrte und er dramatisch seufzte. „Dabei habe ich gerade unsere Kleidung ausgepackt.“
 

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[01] Alguma coisa errada = Etwas nicht in Ordnung? (PT)



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2007-04-18T15:55:27+00:00 18.04.2007 17:55
boah ~ ich find diesen fanfic richtig genial^^ liegt vllt an den personen dieda mitspielen wenn man das so sagt ^^'
man kann sich das echt geil vorstellen und so ..
hat die geschichte schon ne fortsetzung !?^^
Von:  SherlocKai
2006-11-25T15:57:18+00:00 25.11.2006 16:57
P.S.: Favo-Platz war ja eh schon reserviert XD
Von:  SherlocKai
2006-11-25T15:55:16+00:00 25.11.2006 16:55
Juhuuuu! Erster Kommi! Endlich komme ich mal dazu ihn auch zu schreiben XD.

Aber wo fange ich an? Das ich "Silent Reproach" liebe, dass hab ich dir ja schon oft genug gesagt, aber ich werde es hier trotzdem nochmal machen: Ich liebe "Silent Reproach". Die FF ist toll, übernatürlich, übernatürlich toll und einfach grandios. Und vor allem ist sie die beste Fußball-Fanfic hier auf Mexx. Und das meine ich Ernst.

Aber was soll ich noch sagen... ich hab kein Plan. Ich glaub ich werd hier einfach mal alle Stellen, die mir besonders gefallen haben, kommentieren. Also auf ans Werk:

"Immer so schnell, der junge Hüpfer... "
Ich weiß es ist gemein, aber Figo tut ja geradzu so, als wäre er so alt wie... der Zombie XD. Ich hab ja schon mal erwähnt, dass ich ein etwas seltsames Altersgefühl bei Fußballern hab. Irgendwie sind sie für mich mit 30 so gut wie 60 Jahre alt.

[Und was das Thema Humor anging lagen Iker und ich eigentlich auf einer Wellenlänge. Raúl nannte das manchmal spöttisch Deppenhumor, aber er ließ sich von uns immer wieder zu einem Lachen hinreißen – egal, wie niveaulos oder sinnfrei die Witze waren.]
Tja... irgendwie weiß ich nicht, ob Raúl nicht auch manchmal niveaulose und sinnfreie Witze macht XD.

"und verfolgte den schlanken Körper meines jüngeren Freundes, der mit einer eleganten Handbewegung die Gläser auf den Tisch stellte, "
Äh...äääh... QUAAAAAAAAAAAAAAAK!

"Wenn es um Raúl ging, war mir alles andere egal."
Kihi. Deine Worte aus Figos Mund *dich durchschaut hat*
Aber um mal ernst zu bleiben. Diese Stelle gefällt mir vor allem, weil sie in aller Kürze und Pregnanz die Beziehung von Figo und Raúl darstellt. Das ist wie ein Statement: So und nicht anders. Und das gefällt mir voll gut.

Ja... das waren vorerst meine Lieblingsstellen in diesem Kapitel. Hoffe der Rest kommt auch bald on, denn da kommen meine Lieblingsstellen der gesamten Fanfic. *sich schon drauf freu*

Soooo. Und nun schreib mal schon "Decision" weiter und fühl dich nicht immer von mir so gehetzt. Eine Erklärung hattest du ja gerade bei ICQ XD.

*hoppelt weg und lässt Cola und Plätzchen da*
Kai


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