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Heilloser Romantiker

von

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Kapitel 54

Kapitel 54
 

Wenige Sekunden nach Alexandros Aufforderung ging die Tür in der Tat unter einem Knarren auf und Rick wollte eigentlich nicht zusehen, wie Serrat erhobenen Hauptes ins Zimmer trat, doch er konnte seinen Blick einfach nicht abwenden. Solch ein Mann war einmal ein liebender Familienvater gewesen… Kaum vorstellbar, aber dennoch wahr. Trotz dessen hatte Rick mittlerweile Zweifel, ob Serrat wirklich einmal der fürsorgliche Ehemann und Vater gewesen war oder er sich das alles nur eingebildet und sein eigener Vater ihm etwas vorgeflunkert hatte. Aber warum hätte Damon das tun sollen, denn schließlich hatte er da noch nichts von den sexuellen Neigungen seines Sohnes gewusst gehabt. Wie dem auch sei, Serrat kam Schritt für Schritt näher und hatte nicht einen Blick für den Dunkelhaarigen übrig, sondern heftete seine Augen stur geradeaus auf Alexandros.
 

„Ich hoffe, du hast dich an unsere Abmachung gehalten!“
 

Dermaßen abfällig hatte Rick den Polizisten keineswegs in Erinnerung und obgleich es ihn schockierte, es überraschte ihn nicht. Stumm sah er dabei zu, spürte, wie Alexandros Hand einmal quer über seinen Oberkörper strich, bevor sie sich zurückzog und er aufstand.
 

„Wie könnte ich“, entgegnete er mit einem mit Ironie behafteten Grinsen. „Der Junge“, sein Gesicht wandte sich wieder kurz zu Rick, „würde meine Standhaftigkeit nicht verkraften.“
 

„Wie immer der Möchtegerncasanova, aber nichtsdestotrotz war meine Frage ernster Natur!“
 

„Gewiss, ich habe diese deine Ernsthaftigkeit zur Kenntnis genommen.“
 

Serrat funkelte Alexandros an, doch kommentierte die Aussage nicht, lehnte sich stattdessen an den großen Schrank und verschränkte die Arme vorm Körper.

„Deine Männer waren unvorsichtig wie du weißt. Darum geh’ und kümmere dich um den Verbleib deiner Spielerei.“
 

„Du hast deine Hände ebenso mit drin“, entgegnete Alexandros zynisch und bewegte sich keinen Zentimeter.
 

„Ganz wie du willst.“
 

Zu seinem Unbehagen erkannte Rick, dass Serrat mit einem Mal seine ganze Aufmerksamkeit auf ihn richtete. Die Luft schien plötzlich zu vibrieren und obwohl er nicht mehr wie auf dem Präsentierteller dalag, sondern in aufrechter Position dasaß, spürte er regelrecht die Abscheu, die ihm entgegengebracht wurde.
 

/Vor einigen Jahren brachten Sie mir immer ein sympathisches Lächeln entgegen, wenn wir uns sahen, doch heute erkenne ich einzig Ekel in Ihren durchdringenden Augen. Aber ich lasse Sie nicht auf den Grund meiner Seele blicken und ich werde Ihnen nicht den Gefallen tun, mich vor Angst zusammenzukauern.

Joe ist wohlauf… Nur das zählt!/
 

„Dein Vater hat sich damals mit dir ganz schön gebrüstet, Rick Dafres. Doch sieh an, was aus dir geworden ist. Wirklich erbärmlich, wo Damon sich doch immer so für dich eingesetzt hat. Dass er einmal eine Schwuchtel großzieht, hatte er gewiss nicht geahnt.“
 

Bevor Rick irgendetwas darauf erwidern konnte, verbiss er sich lieber fest in seiner Unterlippe. Sogleich verbreitete sich leicht metallener Geschmack auf seiner Zunge, doch er schluckte das Blut ohne das Gesicht zu verziehen herunter.
 

„Aufgrund deines Freundes habe ich schon eine Menge Geld eingebüßt…“ Für einen Augenblick sah der Dunkelhaarige Wut in dem anderen aufkeimen. „Selbst Schuld, wenn man derartige verruchte Wetten eingeht, ich weiß.“ Boshaftes und gleichzeitiges ironisches Gelächter folgte, das im nächsten Moment wieder verstummte. „Nun, gefällt es dir hier in deinem Verließ? Du brauchst mir nicht zu antworten, ich sehe auch so, dass du lediglich ein verzogener Bengel bist.“
 

Nun ließ sich Alexandros wieder neben ihm nieder und legte einen Arm über die Sofalehne direkt hinter ihm. Er brauchte gar nicht zu ihm sehen, um zu wissen, dass jener einen amüsierten, lüsternen Blick innehatte. Irgendwie fühlte sich Rick mit der Zeit sehr beengt, denn nicht nur dieser Kerl war ihm wieder gefährlich nahe, sondern auch noch Serrat, der alsbald direkt vor ihm stand. Hinzu kamen die Worte, die ihm an den Kopf geworfen wurden. Scheinbar hatten die Menschen auf dieser Welt immer noch nicht begriffen, dass es egal war, wen oder was man liebte. Sie zogen es vor, andere mit ihrer Meinung zu konfrontieren, obgleich sie damit auf kein Gehör stießen. Doch Rick konnte seine Ohren leider nicht verschließen, denn es ging auch um Joe und allein dieser Fakt ließ ihn sich zusammenreißen und zuhören. Auch seinen Blick wandte er nicht einfach ab, sondern fixierte ebenso sein Gegenüber wie er fixiert wurde.
 

„Warum lässt sich mein Vater hier nicht blicken?“, fragte er ein wenig missmutig.
 

/Wenn du schon der Initiator bist, dann zeige dich und verstecke dich nicht hinter festen Mauern. Oder bist du zu feige, mir ins Gesicht zu sehen?

Ich weiß nicht, was dich zu alledem bewegt, aber allein meine Liebe zu Joe kann es doch nicht sein, oder?

Warum, Dad?

Warum hältst du mich hier mit diesen zwei Männern fest, die von sich denken, die größten und stärksten zu sein?

Glaubst du, sie schüchtern mich ein und überzeugen mich davon, meiner Liebe abtrünnig zu werden?/
 

„’Vater’!“, höhnte Serrat. „Hast du das gehört?“, fragte er an Alexandros gewandt, der weiterhin süffisant zu Rick blickte. „Du hast keinen Vater mehr, Rick Dafres.“
 

Ricks Inneres fühlte sich wie ein Spiegel an, der in lauter kleine Stücke zerbrach. Die ganze Zeit über wurde die Wut gegenüber seinem Vater genährt, doch nun war das Maß eindeutig überschritten. Die Wut schlug allmählich in Hass um, denn sie brachte in ihm die hohen Mauern zum Einsturz, die er errichtet hatte, um sich gegen diese Kerle zur Wehr setzen zu können. Bemüht versuchte er, sich weiterhin nichts anmerken zu lassen und nach außen eher unemotional zu wirken. Es war verflucht schwer, insbesondere weil er ansonsten von Empfindungen geprägt war, dennoch tat er alles, um sein falsches Gesicht zu wahren.
 

„Und wenn schon“, drang über seine Lippen, wenngleich er sich dafür selbst verabscheute.
 

„Ich sehe dich noch genau vor mir, wie du Damon anhimmeltest, und dann willst du mir weismachen, dass dich seine Handlungsweise kein bisschen berührt? Nicht schlecht, du scheinst genauso gerissen wie Joe zu sein. Vielleicht haben wir euch wirklich unterschätzt.“
 

Während Serrat sprach, trat er zwei Schritte zur Seite und beugte sich, nachdem er geendet hatte, zu Alexandros hinunter und hauchte ihm irgendwas ins Ohr, was Rick lediglich als Murmeln wahrnahm. Alexandros Augen hellten auf, bevor er sich erhob und fast lautlos aus dem Zimmer trat. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen betrachtete Rick die Tür, die langsam geschlossen wurde. Nun war er mit Serrat allein und dieser Umstand gefiel ihm irgendwie noch weniger als sich nur mit Alexandros in einem Raum zu befinden. Serrat hatte etwas an sich, durch das er noch gefährlicher und bedrohlicher einzustufen war als der Kerl, dessen Nähe er ebenfalls nicht ertragen konnte. Waren es die durchdringenden Augen, die Rick dazu veranlassten, sich mit einem Mal völlig unwohl zu fühlen? Oder doch die Tatsache, dass dieser Mann einmal ein Freund der Familie gewesen war, zu der sich Rick laut seiner Aussage nicht mehr zählen durfte?
 

„Allein der Tatsache, dass ich mein Amt beibehalten möchte, hast du es zu verdanken, dass Alexandros keine uneingeschränkte Handlungsfreiheit innehatte.“ Serrat legte eine Kunstpause ein und platzierte sich währenddessen neben Rick. „Doch es gibt da eine Klausel meinerseits, die in Kraft tritt, wenn dein Freund dich nicht rechtzeitig findet.“ Abermals verstummte er abrupt.
 

Nach einem Moment der Stille befreite er Rick endlich wieder von seinen Blicken, der heimlich aufatmete, denn die Gewissheit stetig beobachtet zu werden, zu wissen, dass jede noch so kleine Regung wahrgenommen wurde, konnte einen erdrücken.
 

„Auch wenn ich meine Wette erneut verlieren sollte, werde ich überzeugt sein, dass ich sie beim nächsten Mal gewinnen werde; denn wie sagt man so schön? ’Aus Fehlern lernt man’ und wir haben wohl einige begangen. Fängt schon damit an, dass wir euch nicht richtig eingeschätzt haben.“ Serrat legte eine Hand ans Kinn, so dass er sich mit dem Zeigefinger über die Wange streichen konnte. „Aber das Spiel ist noch nicht vorbei.

„Als mir Damon unter vollkommener Entrüstung von deinen Vorlieben erzählte, - es war mehr ein unbewusster Akt von ihm, denn er stand unter enormen Alkoholeinfluss, - spann sich in meinem Kopf eine Idee zusammen, die ich ihm noch am selben Abend unterbreitete. Anfangs wollte er ihr nicht zustimmen, doch als ich ihm berichtete, dass er leibliche Enkel bekommen würde, hegte er keine Zweifel mehr. Er war sehr enttäuscht von dir und wollte dich richten, wenngleich er ohne mich wohl niemals gewusst hätte wie. Ich spüre, wie du mich dafür hasst, aber das ist nicht von Belang, denn selbst wenn du hier herauskommst, wirst du gegen mich nichts ausrichten können. Weshalb mein Name auch niemals gedeckt werden musste im Gegensatz zu Alexandros Ornesté. Klangvoller Name, nicht wahr? Nur wirst du diesen, sobald das Ergebnis der letzten Wette steht, nirgends mehr finden können. Wie schade, das heißt, ihr habt nichts gegen mich in der Hand. Deine Aussage würde einzig gegen meine stehen und ich garantiere dir, du wirst sang- und klanglos untergehen. Darum“, er wandte sein Gesicht wieder zu Rick, „mache dir erst gar nicht die Mühe, mir irgendetwas anhängen zu wollen, du wirst ohnehin nicht den Hauch einer Chance haben. Das Rechtssystem habe ich in der Hand, bedenke dies bei jeder deiner Tat, Rick Dafres.“
 

Langgezogenes Schweigen legte sich über sie und in Rick stauten sich immer mehr Emotionen an, die ihren Weg nach draußen suchten. In den letzten Minuten hatte er erfahren, dass seine Entführung nicht einmal durch seinen Vater initiiert war, sondern der eigentliche Verantwortliche gerade neben ihm saß. Immer weniger konnte er glauben, dass Serrat einmal der Mensch gewesen war, als den er ihn in Erinnerung hatte. Vielleicht hatte er damals alles nur mit Kinderaugen gesehen. Schließlich konnte er die Menschen zu jener Zeit noch nicht rechtmäßig beurteilen, was für ein Kind nur natürlich war. Dennoch hätte er Serrats wahres Ich erkennen müssen, wenn er dieses damals schon gehabt hätte, denn insbesondere Kinder spürten doch, wenn ein Mensch hinterhältig und boshaft war. Groteskerweise interessierte es Rick, was diese Seite an Serrat ausgelöst hatte. Er wusste, dass die Menschen nicht vollkommen rein waren und jeder ein bestimmtes Maß an Finsternis in sich trug, doch meist brauchte das Hervortreten dieses Hangs zur Böswilligkeit einen Auslöser. Und er fragte sich ernsthaft, welcher das bei dem Mann war, der gerade stumm vor sich hinlächelte. Gänzlich siegessicher erschien er ihm.
 

/Was ist es, das Sie zu dem machte, was Sie jetzt sind? Ich glaube, ich könnte nur durch eine Begebenheit zum Rachegott persönlich werden…/
 

„Haben Sie nicht eine Familie zu versorgen? Weshalb geben Sie sich dann mit solchen Intrigen ab und kümmern sich nicht stattdessen um ihre Tochter?“
 

Das war gewagt; sehr gewagt sogar. Aber Rick wollte wissen, ob er Recht mit seiner Vermutung hatte. Mit verengten Augen sah Serrat ihn an.
 

„Ganz schön großes Mundwerk in deiner Lage. Aber vergiss es! Ich habe schon ganz andere Menschen vor mir sitzen gehabt, die versucht haben, mich zu beeinträchtigen und die haben sich bei Weitem geschickter angestellt als du. Vergiss nicht, dass ich Polizist bin und Tag ein Tag aus mit Verbrechern zu tun habe, die alles versuchen, um nicht hinter Gitter zu kommen. Aber eins muss ich dir lassen: Du mauserst dich allmählich, selbst wenn ich diese deine Entwicklung nicht für gut heiße, denn umso mehr Widerstand du leistest, desto mehr wird Damon verdienen.“ Seine Miene versteinerte sich und er umfasste mit einer Hand Ricks Kinn, der ihn gezwungenermaßen anblickte. „Du willst doch nicht, dass er Geld auf deine Kosten einnimmt, oder?“
 

„Kommt es nicht irgendwann ans Licht, dass Sie gesetzeswidrig handeln?“, erwiderte der Jüngere nach kurzem Zaudern, sah dabei in zwei Tiefen, die keinen Ausdruck zu haben schienen, sich aber tief in einen hineinbohrten. Der geborene Polizist.
 

„Sag’ mir eins: Welcher Gesetzeshüter ist nicht korrupt? Alle machen doch schmutzige Geschäfte, die einen mehr, die anderen weniger. Jeder auf seine Weise. Also habe ich nichts zu befürchten, denn sobald einer gegen mich vorgeht, muss er selbst durch Gitterstäbe schauen. Schockiert? Nicht doch. Die Welt ist schlecht und ich bin nur ein Teil von ihr.“

Zu allem Überfluss zuckte er gelassen mit seinen Schultern.
 

Allmählich wusste Rick nicht mehr, was er sagen oder tun konnte, um sich dieses Mannes zu erwehren. Solange er gefangen gehalten wurde, hatte er lediglich gegen Alexandros und seinen Vater diese tiefgehende Abneigung empfunden, doch gegenüber Serrat war sie erheblich ausgeprägter. Seit dieser Mann ins Zimmer getreten war, hatte er den Unmut auf sich gezogen. Vermutlich legte er es auch noch darauf an, zumindest erschien Rick das so. Doch er durfte sich von nun an nicht weiter darauf einlassen. Serrat wollte scheinbar, dass er sich herausgefordert fühlte und versuchte sich krampfhaft zu wehren. Ohnehin fehlte es ihm an Mitteln, sein Gegenüber zu provozieren und ihn damit aus der Reserve zu locken. Vielmehr schlug das ins Gegenteil um, denn Rick fühlte sich in der Tat angegriffen. Serrat schien die Kunst des Beeinflussens sehr gut zu beherrschen. Er wusste genau, was er von sich geben musste, um dem Dunkelhaarigen Gefühle zu entlocken, die ihm nur schadeten.
 

„Genug der Worte, zumal du den Eindruck machst, nichts mehr erwidern zu können. Bevor ich gehe, möchte ich dir noch eines mitteilen: du bist nur eine kleine Made, nichts als Ungeziefer, dessen man sich entledigen muss.“
 


 

„Joe, ich bitte dich. Hör endlich damit auf, mich so schuldbewusst anzusehen. Veronica“, Steven sah zu seiner Frau, „überzeuge du ihn bitte, dass es mir den Umständen entsprechend gut geht, mir glaubt er wohl nicht.“ Mit hochgezogenen Brauen richtete er seinen Blick wieder auf Joe.
 

„Bloß nicht, ich habe es ja schon verstanden,aber-“
 

„Kein aber!“, unterbrach der Ältere ihn jäh.
 

„Ist ja schon gut.“ Laut seufzend setzte sich Joe zurück auf seinen Stuhl, der direkt neben dem Krankenhausbett stand. „Du hast gewonnen.“
 

„Geht doch“, grinste Steven nun.
 

Seinen Stiefvater in einem derartigen mehr oder minder unbeschwerten Zustand zu sehen, erleichterte Joes Herz ungemein. Bis der Arzt zu ihm getreten war und ihm Entwarnung gegeben hatte, hatte er keine ruhige Sekunde gehabt. Doch nun saß er hier bei ihm und konnte sich leibhaftig davon überzeugen, dass er wieder vollkommen gesund werden würde. Und trotzdem schwelten die Vorwürfe in ihm, obgleich er sie schon längst beschwichtigen wollte.
 

„Veronica, ich glaube, dein Einsatz wird immer noch gefordert.“
 

„Joe?“
 

Er spürte eine warme Hand auf seiner Schulter.
 

„Es ist alles okay.“ Bemüht entspannt sah er zu ihr auf. „Mom, wirklich.“
 

„Du möchtest zurück zum Supermarkt, habe ich Recht?“

Joe bekam große Augen.

„Kein Problem, geh nur.“

Ein liebevolles Lächeln zierte ihre Lippen.
 

„Aber-“
 

„Sag’ mal,“ warf Steven ein, „musst du uns denn immer widersprechen? Jetzt mach dich schon auf, du hast schon genug Zeit verloren.“
 

Joes Kopf wanderte von einem zum anderen und brachte dann ein gebrochenes „Danke“ hervor.
 

Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, sank er mit dem Rücken gegen sie. Eine Weile lang blieb er einfach so stehen und atmete langsam ein und aus. Dumpf hörte er die Stimmen seiner Eltern durch das Holz dringen und er lauschte den Klängen, die er tief in sich verschloss.

Nach nicht allzu langer Zeit, verließ er allerdings das Krankenhaus. Wahrlich hatte er bereits genug Zeit verloren und alles in ihm drängte darauf, Rick endlich wieder zu sehen. Er nahm den nächsten Bus, obgleich dieser ewig auf sich warten ließ. Doch selbst zu Fuß wäre er nicht schneller, weshalb er sich mehr oder weniger geduldig an der Haltestelle an einen Pfosten lehnte. Mit halb geschlossenen Lidern sah er den Bus irgendwann auf sich zukommen.
 

/Wäre ich heute Morgen nicht so unachtsam gewesen, dann wäre Steven bisweilen unverletzt und ich würde seit Stunden das nächste Rätsel in den Händen halten. Vielleicht hätte ich es bereits gelöst und könnte Rick in meinen Armen halten… Wenn ihm etwas zustößt, ist das allein meine Schuld. Manchmal bin ich einfach zu unbeherrscht und das hat sich nun gerächt./
 

Mit schlechtem Gewissen stieg Joe aus dem Bus und hatte nach ein paar Schritten den kleinen Laden vor sich, in dem reger Betrieb vorzuherrschen schien. Eine Frau, die mit zwei Einkaufstüten unterm Arm hektisch aus ihm herausgelaufen kam, wäre ungehindert in ihn hineingerannt, wenn er nicht zur Seite gesprungen wäre. Er sah ihr sogar ein wenig amüsiert nach, doch widmete sich alsbald wieder dem Supermarkt, in den er nun hineintrat. Sogleich ging er auf einen Angestellten zu und erkundigte sich nach dem Geschäftsführer.
 

„Er ist hinten im Büro. Den Gang entlang, dann links.“
 

„Vielen Dank.“
 

Mit festen Schritten lief Joe den ihm beschriebenen Weg und stieß auf eine weiße Tür mit der Aufschrift ’Privat’. Er klopfte.
 

„Herein“, drang mürrisch von innen heraus.
 

Entschlossen öffnete er die Tür. „Entschuldigen Sie die Störung, haben Sie einen Augenblick Zeit?“
 

„Nimmt das heute denn gar kein Ende?“, stöhnte der bereits in die Jahre gekommen Mann hinter einem ovalen Schreibtisch, auf dem ein Monitor neben zig Unterlagen stand.
 

„Es ist äußerst wichtig.“
 

„Das sagen sie alle. Nehmen Sie Platz.“

Joe ließ sich auf dem ihm zugewiesenen Stuhl nieder.

„Sind Sie nicht der junge Mann von heute Morgen? Ja, jetzt erinnere ich mich. Wie geht es Ihrem Vater?“
 

„Er ist auf dem Weg der Besserung, danke der Nachfrage.“
 

„Wissen Sie, ich bin nicht gerne ein tatenloser Beobachter, doch als ich Sie beide erblickt habe, hatte man sich bereits um ihren Vater gekümmert. Die Polizei,“ Joes Miene verfinsterte sich, „sagte mir später, dass sie nach einem Abgleich der Fingerabdrücke dem Täter wohl auf die Spur kommen würden. Aber bis jetzt habe ich noch keine Entwarnung erhalten.“
 

/Natürlich nicht, denn Serrat wird jedweden Hinweis ins bodenlose Nichts verschwinden lassen. Einer der Polizisten meinte zudem, dass sie fremdes Blut auf seiner Kleidung gefunden hätten, doch dieser rechtschaffene Mensch wird wohl von der eigenen Justiz übergangen werden./
 

„Der Täter… Seit wann arbeitet er bei Ihnen. Entschuldigen Sie die indiskrete Frage, aber ich muss das… wissen.“
 

„Herr…?“
 

„Joe Yera.“
 

„Ja, richtig… Dieser Olivier Ornesté hat gestern erst hier angefangen, obgleich ich von Anfang an ein ungutes Gefühl bei ihm hatte, doch ich habe dringend eine Aushilfe gebraucht, da sich eine Mitarbeitern plötzlich krank gemeldet hatte.“
 

/Dahinter steckt sicherlich ebenfalls Serrat… Haben Sie ihr dasselbe wie meinem Vater angetan?/
 

„Ich kann Ihnen sagen, zukünftig werde ich die Leute, die ich einstelle, wieder genauer unter die Lupe nehmen. Die Gewaltbereitschaft scheint immer mehr zuzunehmen und noch solch einen Vorfall kann ich wahrlich nicht gebrauchen. Und nicht nur, dass er meine gute Ware dem Erdboden gleich gemacht hat! Er hat sich auch noch erdreistet, meinen Laden als Gegenstand für irgendeine Sekte oder so was zu missbrauchen.“
 

Das vierte Rätsel. Joes Augen flammten auf.
 

„Haben Sie den Zettel noch?“
 

„Sie wollen mir damit doch nicht sagen, dass Sie sich auch zu dieser Sekte zählen!?“ Kritisch beäugte Summer ihn.
 

„Keineswegs, aber dennoch ist ein Leben von ihm abhängig.“

Sogar er selbst überhörte den Schwermut, der in seiner Stimme mitschwang, nicht.
 

„Ich möchte es gar nicht wissen, denn ich habe schon genug Ärger am Hals.“ Er zog eine Schublade auf und zog ein schwarzes Papier daraus hervor. „Die Polizei wollte es nicht mitnehmen; Sie meinten, es sei nicht von Belang und sicher nicht von ihm, wenngleich ich das Ihnen dreimal bestätigt hatte. Warum ich es nicht einfach zerrissen und weggeschmissen habe? Ich dachte, einer der Beamten würde es sich doch früher oder später noch holen. Hier können Sie haben, die Polizei scheint tatsächlich kein Interesse daran zu haben. Die Leute von heute sind wirklich nicht mehr das, was sie einmal waren.“ Mit dem Kopf schüttelnd zog er die Schublade wieder zu.
 

„Ich danke Ihnen.“
 

„Richten Sie Ihrem Vater gute Genesung aus.“

Dies war eine unterschwellige Aufforderung zum Gehen.
 

„Gewiss.“ Joe stand auf und gab dem anderen die Hand. „Wiedersehen.“
 

„Ich hoffe, Sie waren der letzte für heute...“
 

Summer murmelte noch einen Satz vor sich hin, den Joe aber nicht mehr verstand, zumal er die Tür bereits hinter sich zuzog.

Sofort warf er einen Blick auf den Zettel in seiner Linken, denn er musste das Rätsel lösen, solange ihm noch ein paar letzte Nerven geblieben waren.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ 4 Blätter ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Osten ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

~~~~ Zusammen werden sie eins und halten sich die Waage. ~~~~~~~~

~~~~~~~~ Hüte dich vor der roten Glut der 13! ~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Er fühlte, wie sich eine unsichtbare Schnur um sein Herz zusammenzog.

Das war sie also: seine letzte Aufgabe.

Doch sie schien auf den ersten Blick nicht das zu sein, was er erwartet hatte, obwohl er nicht einmal formulieren konnte, mit was er gerechnet hatte. Aber sollte er nicht mittlerweile wissen, dass Serrat und dieser Alexandros zu allem fähig waren und dass sie es ihm auch zum Schluss nicht leicht machen würden?

Unbestritten war ihm das bekannt, doch er hatte nun mal Hoffnungen gehabt, dass sie sich irgendwann gnädig zeigen würden.
 

/Wie konnte ich jemals auch nur die These aufstellen, dass sie ihn mir einfach übergeben würden? Allein mein Vater zeigt doch, dass sie skrupellos sind!...

Ich sollte mich nicht länger quälen, sondern versuchen, diese Worte zu entschlüsseln, denn ich bin so nah dran. Nur noch dieses eine Rätsel und dann habe ich dich zurück, Rick. Ich werde dich nicht noch einmal enttäuschen!/
 

Mit funkelnden Augen las er sich erneut durch, was vor ihm stand.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  smily
2007-04-30T13:16:33+00:00 30.04.2007 15:16
Ich blick hier fast nicht mehr durch!!!! ^///^
Wie kannst du dir so etwas nur ausdenken und dann noch auch den Überblick behalten?! *respekt*
Die ganze Rätzelei geht zum Glück langsam zum Ende! Wird Joe Rick da heil raus kriegen? Wird das das Ende der Geschichte sein?
Ich bin gespannt wie es weitergeht.
ciao, ciao
deine smily
Von:  inulin
2007-04-25T20:29:36+00:00 25.04.2007 22:29
Irgendwie muss ich jetzt an Jimm Knopf und die wilde Dreizehn denken... XD
Sag mal, wie denkst du dir eigentlich solche Rätsel aus? oO
Ich würd da dieses Mal absolut nichts rauslesen können. Mal davon abgesehen, dass es mir bisher sowieso nur ein einziges Mal gelungen ist. *gg*
Das ich von deiner verzwickten Story noch nicht träume, ist auch alles.
Aber das diese Sache von Serrat ausgeht, überrascht mich wahrscheinlich genauso sehr wie Rick. Da hat man sich fast mit dem Gedanken angefreundet, dass der eigene Vater die Zügel in der Hand hält... und dann das.
Und diese Sache in dem Supermarkt. Dass die den Zettel nicht mitgenommen haben, zeigt doch jetzt auch zu deutlich, wie verstrickt das ist.
Was mich aber nicht überrascht hat, dass Olivier der junge Mann war, den Joe da am Eingang gesehen hatte. Da slag irgendwie auf der Hand, find ich.
Nichtsdestotrotz, bin ich mehr als gespannt darauf, wie es weiter geht.


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