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Heilloser Romantiker

von

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Kapitel 13

Kapitel 13
 

/Ich….
 

… möchte
 

… dich
 

…treffen!/,
 

wiederholte Rick in seinem Verstand, konnte die Bedeutung dahinter nur allzu gut erfassen. Ein Treffen…
 

… aus heiterem Himmel?
 

… so plötzlich?
 

… und überhaupt!
 

Tief, wirklich tief atmete er durch, wollte sein Hirn mit Sauerstoff versorgen, das nämlich arg zu rattern schien. Ein Treffen bedeutete sich real gegenüberzustehen, hieß seine Anonymität zu verlieren, besagte Nähe! Wollte er das alles? War er denn dazu bereit?

Insgeheim hatte er die Anzeige doch nur aufgegeben, um Joe nicht vor den Kopf zu stoßen. Er hatte nie vorgehabt, jemanden, der sich auf sie melden sollte, zu treffen. Also, was saß er hier untätig vor dem Computer rum anstatt ein fettes NEIN DANKE zu antworten?

Das war wirklich eine sehr gute Frage… Konnte er sie denn auch beantworten?

So einige Phrasen kamen ihm in den Sinn, doch keine traf die Wahrheit, vor der er sich eventuell einfach zu voreilig entziehen wollte. War es denn nicht so, dass ihm ’Einsame Seele’ etwas bedeutete?

Vehement schüttelte Rick den Kopf, wollte eine derartige Vermutung nicht zulassen. Er hatte Joe und nur Joe und niemand anderen!

Nein, das war es ja nicht einmal… ’Einsame Seele’ war ein Mensch, der ebenso schlecht von der Welt dachte wie er selbst und dessen Mails ihm nahe gingen, ihn auf eine unsanfte Art und Weise berührten. Ja, vielleicht wollte er sogar den Mann kennenlernen, der es vermag, sein Herz anzusprechen… aber noch war er nicht so weit und er konnte nicht ausschließen, dass er das nie sein würde.
 

Geschlagene drei Stunden vergingen, in denen Rick entweder vor seinem Computer auf und ab lief, aus Verzweiflung seine Wohnung putzte oder durchs Fernsehprogramm zappte. Die vier kleinen Wörtchen ließen ihn einfach nicht los, hatten sich wohl so tief in seinen Verstand gebrannt, dass er sie nicht verdrängen konnte. Selbst das Foto von Joe, das in seiner Vitrine in einem dunkelblauen Rahmen stand, lenkte ihn nicht genügend ab, erinnerte ihn vielmehr an die Annonce und deren Folgen.

„Wie soll ich mich nur entscheiden?“, hauchte er dem Glas des Schrankes entgegen, das sogleich beschlug. Schwermütig wischte er über das Zeugnis seines Atemausstoßes, polierte die Stelle gleich säuberlich nach, solange, bis auch wirklich nichts mehr da war außer Glanz und noch mal Glanz. Dann betrachtete er darin sein Spiegelbild, das sich deutlich abzeichnete. Fragende Augen sahen ihm entgegen, die auch keinen Rat zu geben vermochten. Wenn ihm nur jemand die Entscheidung abnehmen könnte, ihm sagen, ja oder nein, geh oder geh nicht. Aber so leicht konnte man sein Leben nicht bestimmen beziehungsweise bestimmen lassen. Man war selbst verantwortlich für den Weg, den man einschlug und den man dann mit all seinen Folgen zu gehen hatte.

Widerwillig schlurfte Rick zurück ins kleine Zimmer und setzte sich mal wieder mit völliger Unsicherheit im Gefühl davor. Seine Hände schmiegten sich an die schwarzen Tasten mit den kleinen weißen Buchstaben darauf. Ohne seine Finger sanften Druck ausüben zu lassen, schloss er die Augen. Erst seichtes, dann immer heller werdendes Licht erschien wie ein Traum vor seinem inneren Auge, hüllte ihn alsbald vollkommen ein. Er brauchte nicht zu sinnen, er wusste, wo er das schon einmal gesehen hatte: in der Ruine, als Joe seine Hand ergriffen hatte. Sogleich pochte sein Herz ein wenig schneller, pumpte Blut durch seine Venen, die sachte pulsierten. Die Erinnerung an das alte Gemäuer war stark, die kalten Steine, die von dickem Staub bedeckten Gemälde zeichneten sich deutlich in dem Bild ab. Er sah Joe, wie er sein Gesicht hoch zur Decke gewandt hatte, er fühlte seine Hand um seine eigene umschlungen. Kurz darauf spürte er, wie die Wärme um seine Haut nachließ und er sah seinen Freund, der ihn anwies, mit nach oben zu kommen. Eigentlich war er gar nicht dazu in der Lage gewesen, war aber dennoch hinterher getrabt, hatte sich von der positiven Aura des Blonden angezogen gefühlt. Die Szene, wie er wie ein Schoßhündchen seinem Herrchen brav und artig folgte, lief an ihm vorüber und rief ein kleines Schmunzeln auf seinen Lippen hervor. Als er sich und Joe so sah, erkannte er, wie dümmlich man wirken konnte, wenn man verliebt war.

Das Bild vor ihm zeigte eine dunkle Türe aus Holz, durch ein großes Eisenschloss verriegelt, von dem er damals dachte, es sei nie und nimmer mit bloßer Kraft aufzubekommen. Aber Joe hatte ihn überrascht, hatte ihn vollkommen zum Staunen gebracht. Rick blickte nun auf einen Schlüssel, der im Schein seiner Taschenlampe funkelte, verlockend das Licht tanzen ließ. Wenig später klickte es laut und mit einem dumpfen Knarren öffnete sich die Tür. Fest glaubte er, die stickige Luft erneut einzuatmen, die unangenehm im Hals kratzte und der Lunge den nötigen Sauerstoff entwendete. Leise räusperte er sich. Im Moder, der von allen Seiten her zugleich auf sie einzuströmen schien, schritten sie durch einen Raum, der mit allem möglichen Gerümpel vollstand, der ihnen immer wieder im Weg war. Wie in einem Hindernislauf bahnten sie sich einen Weg durch das Zimmer, schoben Spinnweben zur Seite, duckten sich unter ihnen hindurch und suchten nach der Stelle, woher das seltsame Licht nach unten gedrungen war. Als sie am Ende vor einer kahlen Wand standen, die weder Fenster noch sonstige Öffnungen aufwies, rein aus kalten, nackten Steinen bestand, seufzte er laut auf.
 

„Wir haben uns in der Richtung getäuscht“, flüsterte er Joe zu, wagte seine Stimme nicht lauter zu erheben in Angst, seine kleinen Krabbelfreunde könnten alle auf einmal auf ihn einstürmen.

„Nö. Ich verirre mich nie.“

„Komm schon, sieh es ein, dass wir hier falsch sind.“

„Kommt gar nicht in Frage.“

„Dass du immer so stur sein musst.“

„Kritisiere mich nicht, sondern pass’ auf, was gleich passiert!“

Rick hielt die Luft an, als sich die Wand vor seinen Augen zu bewegen begann. Sie glitt förmlich über den Boden, kaum ein Geräusch war zu vernehmen, lediglich ein gleichmäßiges Rascheln, als der Staub vor seinen Füßen aufgewirbelt wurde und ein Luftzug entstand.

„Den Mund nicht mehr zubekommen, aber an mir zweifeln, das sind die Richtigen.“

Spitzbübisch wuschelte Joe durch die Haare seines Freundes und zog ihn dann durch den Spalt, der sich vor ihnen aufgetan hatte. Rick konnte es nicht fassen, dass er mit einem Mal in einem Raum stand, den er dort nicht vermutet hatte, denn als er sich den Grundriss vom Erdgeschoss ins Gedächtnis rief, konnte er sich nun wirklich nicht dort befinden, wo er nun war.

„Wo-woher wusstest du das?“

„Bin eben ein Genie.“

Lächelnd verdrehte Rick die Augen. „Ein Meister der Geheimtüren.“

„Endlich würdigst du mich, wie es mir gebührt… autsch!“

„Das konnte gar nicht weh tun.“

„Na und ob! Morgen habe ich bestimmt einen blauen Fleck auf meinem Arm.“

„Ich habe dich kaum berührt.“

Joe lachte, weil sich Rick tatsächlich verteidigte und dies gar nicht nötig hatte. Das ließ den Kleineren zum Schmollen verleiten.

„Hey, zieh´ nicht so einen Mund.“

„Na, aber wenn du-“

„Och Rick, nimm nicht alles so ernst.“

„Ha-haaa.“

„Nun lege deinen Sarkasmus ab und schau mal nach vorn.“

Gehorsam folgte Ricks Blick Joes Hand und erschauerte. Aus vielen kleinen Ritzen in der rechten Ecke drang Licht, genau dieses kalte und zugleich warme Licht, das sie unten gesehen hatten. Der Anblick war einfach nur aufregend, weckte ein Beben in ihm, das aus reinstem Abenteuerdrang bestand.

„Halt, nicht so stürmisch.“ Joe hielt Rick fest, so dass er nicht weitergehen konnte. „Bevor wir da jetzt hingehen, muss ich dir noch was erzählen.“

Verwundert schaute Rick den Größeren an.
 

/Du klingst so geheimnisvoll…/
 

„Ja?“

„Als ich den Hausbesitzer sprach, musste ich ihm ein Versprechen geben.“

„Ein Versprechen…?“

„Ja, du hast schon richtig gehört. Dieses Haus oder besser gesagt dieses Schloss ist wie schon erwähnt nicht fertig gestellt worden.“

Rick nickte, was Joe mit Genugtuung im bläulichen Schimmer seiner Taschenlampe wahrnahm.

„Es gab noch einen weiteren Grund, warum der Bau nicht fortgesetzt worden war. Der Fürst hatte eine Frau… die er wohl während der Arbeiten hier vernachlässigt hatte, weshalb sie eines Tages einfach verschwunden war. Seine finanziellen Möglichkeiten waren fast erschöpft, doch er setzte alle Hebel in Bewegung, um sie zu finden… Nach zwei Tagen war sie wieder bei ihm, doch er musste ihr versprechen, dass…“

Rick konnte kaum glauben, dass Joe einfach das Reden aufhörte. Voller Inbrunst knuffte er ihn in die Seite. „Was denn?“

„Rick?“

Was sollte Joes reservierter Unterton?

„Mh?“

„Wenn dir was wirklich wichtig im Leben ist, dann versprich mir, dass du es mit aller Kraft bei dir hältst.“
 

/…?/
 


 

Ricks Blick klärte sich und er sah den Monitor vor sich, der leise summte. Das helle Licht des Raumes irritierte ihn ein wenig, doch er entsann sich mühelos, wo er gerade war. Mit einem leisen Seufzer nahm er die Finger von der Tastatur und stützte seine Ellbogen auf den Tisch, so dass er sein Kinn in seine Hände betten konnte.
 

/Als ich dir mein Versprechen gab, lächeltest du und liefst davon… riefst mir ein ’Komm, nun dürfen wir hier rein!’ zurück… und wusstest vielleicht insgeheim, dass allein du damit gemeint warst…/
 

Nun tat sich in Rick ein Entschluss auf, der ihm als einzig richtig erschien. Er durfte ’Einsame Seele’ nicht treffen! Das würde alles zerstören, was er sich mühsam aufgebaut hatte. Mit reinem Gewissen konnte er doch seine fein säuberlich hochgezogene Mauer um sich herum nicht zum Einstürzen bringen… nicht für einen Menschen, den er nicht liebte.

Und doch nagten immer noch kleine Zweifel in ihm, tief verborgen, so dass er sie nicht wahrnehmen konnte oder absichtlich über sie hinweg sah.
 

Wie gern hätte er jetzt Joe angerufen, doch der steckte ja mitten in seiner Verabredung. Wenn er ihn da nun stören würde, müsste er sich darauf gefasst machen, gelyncht zu werden. Okay, es war wirklich schon spät, die Uhr zeigte viertel vor eins an, doch wie er seinen Freund kannte, war er noch nicht zuhause und wenn doch, dann gewiss nicht allein. Die Vorstellung, Julia läge nun in seinen starken Armen, würde von ihm liebkost und geküsst und… tat weh, sehr weh sogar. Beschwerlich verbannte er solch abscheuliche Szenen, denn sie brachten ihm wirklich nichts als Schmerz.

Trotzdem hätte er liebendgerne Joes Rat eingeholt. Er hielt eben viel auf die Meinung seines Freundes, auch wenn er dieses Mal einen kleinen, winzigkleinen, aber wichtigen Aspekt außen vor lassen müsste. Nie und nimmer könnte er ihm sagen, dass er wegen IHM Zweifel hegte, ’Einsame Seele’ zu treffen, dass ER der Grund war, weswegen er all die Qualen erlitt.

Rick dachte daran, wie schön es doch wäre, die Zeit zurückzudrehen. Er würde so weit zurückspulen, dass Julia noch nicht in ihrer beider Leben auftauchte. Partout konnte er diese junge Frau nicht ausstehen! Sie drängte sich zwischen Joe und ihn und das passte dem Dunkelhaarigen überhaupt nicht. Feuriges Blitzen flammte hinter seinen Lidern auf und er stand so unbeherrscht auf, dass sogar der Stuhl das Weite vor ihm suchte. Krachend kollidierte er mit dem Schrank an der hinteren Wand und der laute Knall beeindruckte Rick nicht im Geringsten, zu sehr kochte er vor Wut.
 

„Diese Kellnerin bildet sich ein, sie könne ihn mir wegnehmen,… grrrr….“
 

Rick entlockte seiner Kehle ein Knurren, das nicht mehr enden wollte. All den Kummer, den er in sich trug, projizierte er auf Julia und es war schlicht und einfach eine Genugtuung für ihn, einen Sündenbock gefunden zu haben. Egal, was ihn störte, Julia war schuld, egal, was ihn rasend machte, Julia war schuld!

Das fühlte sich wirklich toll an! Julia! Ja sie und nur sie! Sie ist das Übel!
 

„Sie ist die reinste Plage!!!“, schrie Rick aufgebracht in das ansonsten leere Zimmer hinein.
 

Die Worte schienen tausendfach an den Wänden widerzuhallen, was ihm gefiel, denn so konnte er sich davon überzeugen, dass sich das sein Verstand auch ja gut einprägte. Als es um ihn herum verstummte, fühlte er sich befreit, sein Herz fühlte sich endlich mal wieder leicht und sorgenlos an. Wie lange das andauern würde, wusste er selbst nicht, doch er genoss es. Lächelnd lief er ins Wohnzimmer und schaltete die Stereoanlage an. Er drehte die Musik ganz laut auf, überhörte geflissentlich die Beschwerden, die sofort von allen Seiten her auf ihn einstürmten, ob durch Klopfen mit einem Besen von unten an den Fußboden, ob durch wütendes Geschrei ausgedrückt. Sollen seine Nachbarn doch Einwände haben, das war ihm in diesem Moment vollkommen gleich. Er mimte sonst immer den braven, unscheinbaren Mieter, da konnte er ja wohl einmal aus seiner Rolle purzeln.

Zufrieden öffnete er das Fenster und lehnte sich hinaus in die dunkle Nacht, sog mit Wohlwollen die frische Luft ein und atmete sie langsam wieder aus. Genießerisch hob er die Arme nach oben und streckte sich, schloss dabei kurz sinnfreudig die Augen. Der Wind streichelte sein Kinn und er wiegte sich in den Wellen des Labsals. Selten war es ihm vergönnt, doch wenn er es einmal auskosten durfte, dann mit Leib und Seele!
 

Platsch! Eiskaltes Wasser regnete sturzflutartig auf Rick herab, dessen Augen sich vor Schreck weiteten und verwundert durch ein Gemisch aus Haaren und glänzenden Perlen blickten. Erst leise, dann immer lauter begann er zu lachen, schüttelte seinen Kopf ein paar Mal hin und her, so dass die Tropfen nur so um sich flogen.
 

„Danke!“, rief er extra fröhlich nach oben, hoffte, sein Nachbar würde sich darüber ärgern, dass sein Einsatz nicht den Effekt erzielte, den er sich damit gewünscht hatte.
 

Rick drehte die Anlage noch ein Stückchen lauter, begann mitzusingen und rubbelte sich währenddessen mit einem Handtuch trocken. Als er sich einigermaßen trocken wusste, besah er sich den gelben Stoff und benutzte ihn sogleich als Mikrofon. Wenig später sank er auf die Knie vor Lachen und hielt sich den Bauch, der allmählich weh tat.
 

Es tat einfach gut! So gut…



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