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Strangers

von

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Kennen lernen

Hallo

Also, alle Ideen hierfür kommen von mir. Jegliche Ähnlichkeit mit Lebenden, Toten, Orten und/oder Begebenheiten sind rein zufällig und keines falls beabsichtigt.

Viel Vergnügen mit Kapitel 2 ^^

Eure Naoko
 

Kennen lernen
 

Victor
 

Der Kleine stieg mit mir aus, was mich aus mir unerklärlichen Gründen Schlimmes ahnen ließ. Die Gegend um den Bahnhof schien ganz schön einsam zu sein, so dass es sich nur um einen riesigen, kosmischen Zufall handeln konnte, verursacht durch eine mysteriöse Sternenkonstellation, die so nur alle zwei- oder dreitausend Jahre auftritt. Jedenfalls hoffte ich das.
 

Meine Eltern hatten mich für mein letztes Schuljahr bei einem alten Studienfreund meines Vaters einquartiert. An meiner alten Schule, einem ziemlich exklusiven Privatinternat, hatte ich das Abitur versaut. Das schlimmste, was ich meinen Eltern antun konnte. Ich hatte ihre großen Hoffnungen enttäuscht. Aber mir war von Anfang an klar gewesen, dass ich nie und nimmer in die Fußstapfen meines Vaters treten würde. Nie würde ich Jura studieren, um dann irgendwelche stinkreichen Snobs davor zu bewahren, etwas von ihren Millionen abgeben zu müssen. Wiederholen konnte ich an dieser Schule jedenfalls nicht, also kam ich an eine unbedeutende staatliche Schule in einer Stadt, in der ich kaum gelebt hatte, untergebracht bei Menschen, die ich nicht kannte.
 

"Warum?" Dominik blieb vor der Treppe, die vom Bahnsteig hinunter zur Straße führte, stehen, ich nicht.

"Warum was?" Warum konnte er nicht einfach die Klappe halten? Darauf hätte ich zu gern eine Antwort gehabt, aber alles kann man ja nicht bekommen.

"Warum hast du mir geholfen?" Mittlerweile war ich unten angelangt und blieb doch noch stehen. Eine Antwort gab ich ihm aber erst, als ich ihn aus dem Augenwinkel neben mir sehen konnte. Schon merkwürdig, wie lange einige Menschen für ein paar Treppenstufen brauchen.

"Ich mag die Kerle einfach nicht."

"Du kennst sie?" Der Kleine starrte mich ziemlich entgeistert von der Seite an.

"Nein, ich mag einfach keine Leute, die ihre Frustration an Schwächeren auslassen." Natürlich sah ich ihm an, dass er das nicht ganz glaubte, aber warum sollte ich ihm die Wahrheit sagen? Schließlich ging sie nur Axel und mich etwas an.
 

Ich ging weiter und wieder war der Kleine direkt hinter mir. Er bog mit mir in die dritte Straße auf der linken Seite ein, mein Vater hatte mir den Weg beschrieben, bevor sie heute Morgen das Taxi zum Flughafen bestiegen hatten. Noch immer hoffte ich, das sei nur Zufall. Aber diese Hoffnung schwand immer mehr, als ich bemerkte, wie wenige Häuser es hier gab. Die gesamte Straße verfügte über ungefähr zehn Einfamilienhäuser, alle irgendwie altmodisch und ganz schön groß. Alle, außer das, vor dem ich zum Halten kam, Nummer 6. Dieses Eine wirkte fast schon mickrig im Vergleich zu den anderen. Fast verdeckt von Sträuchern und Bäumen stand es da. Efeu rankte sich an den Wänden empor und verbarg einen Großteil der Fenster.
 

Unwillkürlich sah ich kurz auf meine Uhr. Meine Eltern mussten inzwischen in New York angekommen sein, einer weiteren Station auf einer immerwährenden Reise von einem hoch bezahlten Posten zum nächsten. Einer Reise, auf der Kinder fehl am Platz waren.

Als ich meine Hand nach der Klingel neben dem eisernen Gartentor ausstreckte, bemerkte ich erst Dominik, der völlig perplex neben mir stand und mich verständnislos anstarrte. Doch bevor einer von uns etwas sagen konnte, kam schon eine Frau Mitte Vierzig auf uns zu. Irgendwie sah man sofort ihre Berufung: Hausfrau. Alles an ihr schrie es regelrecht in die Welt hinaus. Ihre Kurzhaarfrisur, ihre Kleidung, die zuerst einmal praktisch und erst auf den zweiten Blick modisch ansprechend aussah und ihr Gesicht, wobei ich gerade da nicht sagen kann was es war.
 

"Da seit ihr beiden ja", sagte sie, als gäbe es keine bessere Nachricht als diese. "Ich habe schon auf euch gewartet. Aber warum steht ihr denn da draußen vor dem Tor. Kommt rein, kommt rein."

Der Kleine kam dieser Aufforderung auch prompt nach, trat zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Wange, was ihm noch nicht einmal peinlich zu sein schien.

"Hallo, Ma."
 

Aha. Also das musste ich erst einmal verdauen. Dominik schien doch tatsächlich der Sohn meiner Gastgeber zu sein. Vorsichtshalber sah ich noch einmal auf dem Namensschild neben der Klingel nach. ‚Schäfer’ stand da, also war ich doch richtig. Der Supergau. Jetzt musste ich es das ganze Schuljahr mit der kleinen Nervensäge aushalten. Ich hatte ja schon befürchtet, dass er sich in der Schule an mich hängen würde, aber das übertraf die schlimmsten Endzeitszenarien. Noch dazu schienen sie eine intakte Familie zu sein. Die Mutter war zu Hause und konnte sich so um ihren Sohn kümmern, dieser wiederum hatte ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern und der Vater kam abends pünktlich zum Essen. Zumindest hatte mein Vater mir die Familie so beschrieben, während der wenigen Zeit, die wir miteinander verbrachten.
 

"Du bist sicherlich Victor? Es freut mich, dich kennen zu lernen." Freudig streckte mir Frau Schäfer die Hand entgegen. Mir wurde übel.

"Die Freude ist ganz meinerseits, Frau Schäfer." So ein Schmierentheater, mit freundlichem Lächeln und Handschütteln und so weiter, hatte mir mein Kindermädchen schon früh einprogrammiert. Ich musste gar nicht mehr denken, wenn ich irgendwem vorgestellt wurde. Frau Schäfer nahm meine Hand nur allzu gern, während mir ihr Sohn einen irritierten Blick zuwarf. Er nahm mir meine Vorstellung also nicht ab, aber wen interessierte das schon.

"Nenn mich Sybille", meinte Frau Schäfer alias Sybille überfreundlich und zog mich gleichzeitig in Richtung Haustür, nebenbei redete sie ununterbrochen. "Deine Eltern haben deine Sachen heute Morgen noch vorbeigebracht, sie sind oben. Ich hoffe, du wirst dich bei uns wohl fühlen und ihr beiden" (Sie sah mich und Dominik an.) "werdet gut miteinander auskommen. Du musst wissen, unser Dominik hatte noch nie besonders viele Freunde, aber vielleicht ändert sich das ja jetzt."

'Eher nicht', antwortete ich in Gedanken, aber mein gespieltes Lächeln ließ sie natürlich nicht ahnen, wie sehr sie und ihr Sohn mir jetzt schon auf die Nerven gingen.
 

In der Zwischenzeit hatte sie mich den halben Flur entlang gezerrt und ich merkte, wie groß das Haus wirklich war. Offenbar verdeckten die Büsche und Bäume im Vorgarten doch mehr, als ich dachte. Gezählt hatte ich ein Arbeitszimmer, ein Wohnzimmer, ein Esszimmer, eine Küche und drei weitere Türen, bei denen nicht klar war wohin sie führten, da sie verschlossen waren. Auf halbem Weg den Flur hinunter, ging eine Treppe nach oben, und auf dieser Folgte ich Frau Schäfer alias Sybille. Die Wände zu beiden Seiten der Stufen waren übersät mit Bildern. Familienfotos, Kinderfotos, Landschaften mit und ohne Personen, alte Schwarzweißbilder und neue Farbbilder. Die Wände im ersten Stock sahen genauso aus. Hier wiederum stand nur eine Tür offen. Sybille zeigte darauf als sie vorbei ging.

"Dieses Bad teilt ihr beiden Jungs euch. Und da wären wir auch schon bei deinem Zimmer. Dominiks ist direkt gegenüber."

Das war offensichtlich, schließlich stand sein Name in bunten Holzbuchstaben auf der Tür. Ich aber folgte seiner Mutter in das gegenüberliegende Zimmer.
 

"Das ist jetzt dein Reich. Ich lass dich erst einmal auspacken. Wenn es Essen gibt rufe ich." Mit diesen Worten verließ sie das Zimmer. Ihren Sohn nahm sie leider nicht mit.

Das Zimmer war ziemlich groß, wahrscheinlich das größte Gästezimmer im Haus. Meine Koffer standen neben dem dunklen Bett. Die restlichen Möbel, also Schrank, Bücherregal, Schreibtisch und Kommode waren aus demselben, dunklen Holz gefertigt, und alles zusammen wirkte, als sei es direkt einer 'Schöner Wohnen'-Ausgabe. Die Fenster waren größer als die halb verdeckten im Erdgeschoss und die Fensterbänke breit genug, um darauf sitzen zu können.

Ich hob einen meiner Koffer aufs Bett und begann mit dem Auspacken. Dominik setzte sich neben den offenen Koffer und beobachtete mich wie ich meine Unterwäsche in die Kommode stapelte.
 

"Sag mal, wärst du nicht lieber mit deinen Eltern nach New York gegangen?" Wieso hatte ich nicht kommen sehen, dass er reden wollte? Aber was soll’s, diese Frage schien ihm schon lange zu beschäftigen, wahrscheinlich seit ihm seine Eltern von mir erzählt hatten.

"Nein."

"Wieso nicht?"

"Warum sollte ich?"

"Na, ist doch aufregend. Ich war zwar bis jetzt nur einmal in New York, aber mir gefiel es da."

"Mir aber nicht."

"Aber dann wärst du wenigstens mit deinen Eltern zusammen."

"Nein, wäre ich nicht." Darauf sah er mich an, als hätte er keine Ahnung wovon ich sprach, also musste ich wohl ausführlicher werden. "Hör zu, Kleiner. Seit meiner Einschulung war ich auf Internaten, in den Ferien hatte ich fast nur mir Kindermädchen zu tun, genauso wie vor der Schule. Du siehst also, ich habe meine Eltern schon immer nur selten zu Gesicht bekommen, wenn es drei oder vier Wochen am Stück waren, war es viel. Ich komme also ganz gut ohne sie klar, wie du siehst."
 

Wie er mich ansah. Genau konnte ich nicht sagen, was es war. Mitleid. Unverständnis. Vielleicht auch etwas Wut. Eine Mischung aus all dem. Woher allerdings die Wut kam, konnte ich mir nicht erklären, ich glaube aber, sie galt meinen Eltern. Aber meine Eltern waren nun mal keine Eltern im herkömmlichen Sinne. Sie waren gut darin, ihre eigenen Wege zu gehen. Etwas, was ich von ihnen geerbt habe. Durch die Welt reisen, ständig neue Leute treffen, neue Posten anzunehmen, das High-Society-Leben genießen. Gepflegt einsam sein eben. Das war offensichtlich.
 

"Aber an Weihnachten wirst du sie doch besuchen, oder?"

"Weiß nicht", antwortete ich wahrheitsgemäß während ich meine Sachen in den Schrank hing. Der Kleine sah mich traurig an, dann wand er den Blick zum Fenster und starrte Löcher in die Luft.
 

Gerade als ich meine Koffer unter dem Bett verstaute, rief Frau Schäfer alias Sybille uns zum Essen. Ich zupfte an einer Strähne von Dominiks zerzaustem Haar und beobachtete, wie er langsam wieder zurück ins Hier und Jetzt fand.

"Was?" Er war immer noch nicht ganz da.

"Essen." Ich war schon fast aus der Tür als er langsam aufstand.
 

Während des Essens versuchten seine Eltern immer wieder ein Gespräch auf die Beine zu stellen, aber keiner von uns beiden wollte reden. Ich sowieso nicht und Dominik hatte unser Gespräch offenbar immer noch nicht ganz verdaut. Eigentlich taten mir seine Eltern schon Leid, denn sonst schien er gesprächiger zu sein.
 

Nach dem Essen verabschiedeten wir uns, ohne dass wir uns abgesprochen hätten, bei ihnen bis zum nächsten Morgen. Schweigend gingen wir nach oben.

"Also ich würde meine Eltern vermissen", meinte er leise bevor er in seinem Zimmer verschwand. Wahrscheinlich hatte er Recht. Er würde sie vermissen, aber seine Eltern waren nicht meine.
 

Ende Kapitel 2



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sakiko_Seihikaru
2006-10-19T11:28:09+00:00 19.10.2006 13:28
Irgendwie passen Victors Auftreten und seine eigenen Gedanken nicht richtig zusammen, widersprüchlicher Typ eben ^^.
Ein bisschen merkwürdig finde ich Domis Reaktion, ist der nicht wenigstens ein bisschen eingeschüchtert von Victor?
Freu mich aufs nächste Kapi! ^^


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