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A Trip to Hell

Die Leiden des Seto Kaiba ∼ KaibaxWheeler ∼
von

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Tag 3: Unerkannt anerkannt

Keiner Rede, langer Sinn:
 

Tag 3: Unerkannt anerkannt
 


 

*~*~*~*
 

Braune Augen blitzten vergnügt auf. Ein Grinsen huschte über das, von der Sonne, beschienene Gesicht.

„Kaiba.“

Dieses Wort ging mir durch Mark und Bein, ließ meinen Körper erbeben. Wieso immer wieder dieses eine Wort?

Ich fiel nach hinten, realisierte es nicht, war zu beschäftigt mit der Frage um den Grund dieses Wortes. Erst als ich mir der Tatsache bewusst wurde, dass das Gesicht des anderen sich immer weiter von mir entfernte, die Gestalt immer kleiner zu werden schien, übermannte mich die Erkenntnis.

„Guten Flug, Kaiba!“

Meine Augen weiteten sich in ungläubigem Entsetzen.

Das durfte doch einfach nicht wahr sein!
 

*~*~*~*
 

Mit aufgerissenen Augen starrte ich das Holz über mit an, welches unnatürlich verschwommen aussah. Ich blinzelte mehrere Male, meine Sicht wurde klarer und ich schloss geschlagen die Augen. Nicht schon wieder.

Seit wann wiederholten sich meine Träume auf eine derart perfide Art und Weise? An Überarbeitung konnte es nicht liegen, da ich in den letzten Tagen kaum zum Arbeiten gekommen war, also was war es dann? Ein Schnarchen ließ mich aus meinen Gedanken schrecken und ich verdrehte die Augen.

Höchstwahrscheinlich lag es einfach nur an Wheelers bloßer Präsenz. Alleine diese reichte schon aus, um meine Nerven auf eine Reise in die Untiefen meiner Messskala wandern zu lassen.

Langsam richtete ich mich auf, war ehrlich gesagt froh, dass mein Kopf heute Morgen keine Bekanntschaft mit dem harten Holzbalken des Hochbettes gemacht hatte und erhob mich schließlich. Ich warf einen abfälligen Blick auf Wheeler, der tief und fest schlafend in der ersten Etage des Bettes lag, mit einer Hand die dünne Decke umklammerte, die beinahe aus dem Bett fiel und die andere ins Kissen krallte. Dieses Bild erinnerte mich an die Aufnahme eines Kleinkindes während seines Mittagsschlafs. Schnaubend wandte ich den Blick ab und öffnete die Tür des Holzgestells, das sich Kleiderschrank schimpfte und mir beinahe unter den Händen zusammenzubrechen drohte. Missmutig wollte ich schon gewohnheitsmäßig nach meiner schwarzen Hose greifen, doch mit Schrecken fiel mir ein, dass auch diese unter der Kaffee-Attacke Wheelers gelitten hatte. Mit einem unterdrückten Knurren wurde ich mir der Tatsache bewusst, dass auch sie die einzige ihres Exemplars gewesen war, welches ich unbemerkt unter Mokubas strenger Aufsicht in den Koffer hatte bringen können. Wunderbar. Nun war also nicht nur ohne Mantel, sondern auch ohne schwarze Hose. Blieb mir also nur noch, Mokubas ‚Wunschkleidung’. Unwillig griff ich nach der dunkelsten Jeanshose, die der Schrank zu bieten hatte und meinem schwarzen Oberteil. Mit deutlich strapazierten Nerven schloss ich die Schranktür und begann mich umzuziehen. Wheeler schlief so tief, er war in dieser Hinsicht keine Gefahr für mich.

Dieser ‚Urlaub’ entwickelte sich von einem Albtraum zu einem Grauen. Nun war also die sonst so

einfach gestaltete Auswahl meiner Kleidung ein schwieriges Unterfangen. Wo sollte das bloß hinführen?

Beim überstreifen der Jeans blieb mein Blick an der roten Stelle auf meinem rechten Bein hängen und mein Mund verzog sich. Auch Wheelers Schuld. Seine. Meine Abneigung ihm gegenüber wuchs in diesem ‚Urlaub’ von Tag zu Tag stetig weiter an. Zu Recht.

Nachdem ich mich fertig gekleidet und mich noch einmal vergewissert hatte, dass auch alles richtig saß, griff ich nach der Türklinke, öffnete die Tür und warf noch einen letzten Blick auf den schnarchenden Wheeler, bevor ich sie schonungslos hinter mir zufallen ließ.

Ein dumpfer Knall und ein gedämpfter Fluch aus dem Inneren des Raumes ließ für einige Sekunden ein selbstgefälliges Grinsen auf meinem Gesicht erscheinen. Das war für den Kaffe auf meinem Bein, Wheeler.
 

Aufmerksam überflog ich die Zeilen der Morgenzeitung, die ich in Händen hielt und nahm abwesend einen Schluck Kaffe. Mich nicht an den verhohlenen Blicken meiner Mitschüler störend studierte ich die Börsenkurse und stellte zu meiner Zufriedenheit fest, dass die Aktien der Kaiba Corporation seit gestern noch um ein weiteres gestiegen waren. Das bedeutete wohl, dass alles gut lief. Andererseits hieß das auch, dass ich nicht aus diesem Grund frühzeitig diese Klassenfahrt abbrechen konnte. Also wurde ich einer potentiellen ‚Fluchtmöglichkeit’ beraubt.

Kaiba!

Meine Haltung versteifte sich unmerklich bei diesem Wort, allerdings nahm ich den Blick nicht von der Zeitung. Tatsächlich aber las ich auch nicht weiter, verharrte mein Blick starr auf der Aktienkurve der Kaiba Corporation, ohne die Werte jedoch richtig wahrzunehmen.

„Wheeler, geh beiseite, du stehst im Licht.“ Ich versuchte betont unbeteiligt zu klingen, ihn dazu zu bringen, mich in Ruhe zu lassen und leine zu ziehen, doch auch dieses Mal tat er mir den Gefallen nicht. Keine Überraschung.

„Was sollte das vorhin? Dank dir hab ich mir den Kopf an der Zimmerdecke gestoßen!“

„Da sieht man mal wieder, wie dumm du doch bist, Wheeler. Niemand außer dir hätte das Geschafft, wo die Decke des Zimmers doch wohl weit genug von deiner Position entfernt war“, gab ich kühl zurück.

„Dank deiner Türknallaktion hab ich jetzt eine Beule“, fauchte der Köter mich an.

„Schläge auf den Hinterkopf sollen das Denkvermögen erhöhen, Wheeler. Vielleicht tun Schläge vor die Stirn das auch. Und falls dies nicht der Fall sein sollte, kann auch nicht viel mehr verschwinden. Wo nichts ist, kann nichts verloren gehen.“ Ich hielt es auch jetzt nicht für nötig, ihn anzusehen, konzentrierte mich mittlerweile wieder auf die Zeilen vor mir, blätterte eine Seite weiter und vertiefte mich in die Artikel. Doch ich wurde aus meiner Tätigkeit gerissen, als Wheeler mir grob die Zeitung aus den Händen riss.

„Hör mal Kaiba, ich find’ das echt nicht witzig!“

Meine Augenbrauen zogen ist langsam zusammen und ich hob den Blick, starrte ihn finster von unten herauf an und zählte innerlich bis zehn. Was bildete Wheeler sich eigentlich ein?

„Wenn ich schon mit dir rede, sollst du mich wenigstens ernst nehmen und mich ansehen!“

Gut, er hatte erreicht, was er wollte. Ich sah ihn an. Aber alleine wie ich ihn ansah hätte ihn auf der Stelle tot umfallen lassen müssen. Doch zu meinem Bedauern tat er das nicht.

„Kaiba, ich verlange von dir, dass du in Zukunft etwas rücksichtsvoller wirst, aufhörst mich mit einem Hund oder sonst etwas zu vergleichen und mich oder meine Freunde zu beleidigen!“ Er funkelte mich entschlossen an und wieder hatten seine Augen diesen dunklen Braunton, den sie immer annahmen, wenn er sich mit mir stritt.

„Bist du fertig?“, fragte ich gelangweilt. „Kann ich meine Zeitung wiederhaben?“

„Hast du mir überhaupt zugehört?!“, fuhr er mich wütend an und beugte sich knurrend zu mir hinunter.

Mein Gesichtsausdruck blieb derselbe, konnte Wheeler mich mit diesem Gehabe doch nicht im Geringsten einschüchtern. „Ja Wheeler, das habe ich. Und jetzt verschwende nicht noch mehr von meiner Zeit.“

„Du bist ein derart von dir selbst eingenommener cholerischer Phlegmatiker, Kaiba!“, brauste er auf und ließ durch seine Worte sämtliche Gespräche im Speisesaal schlagartig verstummen.

Mit einer Mischung aus Unglaube und Fassungslosigkeit starrte ich ihn an. Was hatte Wheeler da gerade gesagt? Ein ‚cholerischer Phlegmatiker’? Ich?! Hatte Wheeler im Wörterbuch nachgeschlagen, dass er derartige Worte auf einmal kannte? Der Köter und Fremdwörter? Selbst mit einfachen Wörtern tat er sich schon schwer.

„Und was“, ich räusperte mich, startete einen erneuten Versuch, klang diesmal wesentlich gefasster, „was genau hat das deiner beschränkten Meinung nach nun für mich zu bedeuten, Wheeler?“

„Das bedeutet“, er holte tief Luft, „dass du dich immer so ‚kalt’ und ’beherrscht’ wie ein Phlegmatiker gibst, aber gleichzeitig unheimlich launisch und reizbar bist, wie ein Choleriker. Das bedeutet es für dich, Kaiba.“

Mein noch immer leicht ungläubiger Gesichtsausdruck, angesichts Wheelers Fachwissen, verschwand, machte meiner unterdrückten Wut platz, während meine Augen sich zu schmalen Schlitzen verengten. Ich erhob mich ruckartig – erinnerte dabei mich unweigerlich an eine ähnliche Reaktion des gestrigen Tages – und starrte ihn in einer tödlichen Mischung aus Verachtung und Abscheu an.

„Wenn hier einer von uns cholerisch ist, Wheeler, dann bist ganz eindeutig du das“, zischte ich gefährlich. „Maße dir also nicht an, über mich urteilen zu können, verstanden?“

Nun war er es, der mich erstaunt ansah. Offenbar hatte er mit einer derart heftigen Reaktion nicht gerechnet. Gut so!

„Kaiba?“, fragte er vorsichtig, nachdem ich verstummt war und bebend auf das Holz des Tisches hinabstarrte. Zögerlich streckte er eine Hand aus und wollte sie auf meine Schulter legen, doch ich wich ihm aus.

Warum immer dieser verdammte Name?!
 

Guten Flug, Kaiba!
 

Immer aufs Neue. Ich wirbelte herum und verließ den Speisesaal mit langen schnellen Schritten. Wheeler, du elender –
 

oOo
 

Nachdenklich sah ich an die gegenüberliegende Wand des Zimmers. Hatte ich wirklich derart überreagieren müssen?
 

'Du bist ein derart von sich selbst eingenommener cholerischer Phlegmatiker, Kaiba!'
 

Nur weil Wheeler sinnloser weise mit Fachwörtern um sich schmiss, bedeutete dies doch nicht gleich, dass ich selbst auch gegen meine Norm verstoßen musste. Da sah man es wieder, dieser Köter war schlecht für mich und meine Verfassung. Pures Gift.

Nein, ein weiteres Mal würde mir ein derartiger Fehler nicht wieder unterlaufen. In einer Hinsicht hatte Wheeler Recht. Ich war definitiv beherrscht und kalt. Und daran würde sich auch nichts ändern.

Ich befand mich, Mokuba zufolge, derzeit im Urlaub und diesen würde ich mir nicht von anderen noch weiter ruinieren lassen, auch wenn ich momentan eigentlich nichts lieber machen würde, als in der Firma zu sitzen und zu arbeiten, anstatt mit einem Trupp Kleinkinder nachher zu einem Aquarium zu fahren.
 

oOo
 

Ich konnte den Seitenblick, den mir Wheeler zuwarf beinahe schon körperlich spüren. Ich verdrehte die Augen, was der Köter glücklicherweise nicht sehen konnte, war doch das verspiegelte Glas im Weg.

„Was Wheeler? Spuck es aus oder hör auf mich so anzustarren.“

Ich hörte, wie er knurrte, bevor er antwortete: „Nichts. Ich frag mich nur, warum du dieses Ding trägst.“ Er deutete auf mein Gesicht. Ich verzog leicht den Mund. „Man zeigt nicht einfach auf Leute, Wheeler, hat dir das niemand beigebracht?“

„Spiel jetzt nicht den Wohlerzogenen, Kaiba“, entgegnete Wheeler missgestimmt.

„Dann tu du mir den Gefallen und lass mich einfach in Frieden. Hast du nichts zu tun? Wo ist der Rest deiner Kindergartengruppe?“

„Yugi und die anderen sind in einem anderen Wagon.“

„Na wunderbar. Dann geh zu einem der anderen. Nerv die und nicht mich. Bin ich ein Fundbüro für verloren gegangene Köter oder was?“ Ich wandte demonstrativ den Blick ab und sah aus dem Fenster in den dunklen Tunnel, beobachtete wie die Lichter der Lampen daran vorbeizogen. Nach einigen Minuten warf ich einen Blick nach rechts und stellte zu meinem Missfallen fest, dass Wheeler sich nicht von der Stelle bewegt hatte. Er bemerkte meinen Blick uns sah mich an.

„Ist was?“

„Du bist ja immer noch da.“

„Und?“

„Verschwinde.“

„Das geht auch etwas freundlicher.“

„Wheeler.“

„Ja?“

„Mach, dass du wegkommst, sonst kannst du was erleben.“

„Aber, aber. Wer wird denn gleich?“

„Sag mal...“

„Ja?“

„Magst du Schmerzen?“

„Wieso?“

„Weil du gleich eine große Portion davon bekommen wirst.“

„Was denn, du drohst mir?“

„Ja.“

„Typisch.“

Ich warf einen genervten Blick auf die Anzeige über der Tür und unterdrückte ein frustriertes Aufstöhnen. Noch ganze drei Stationen.

„Also Kaiba, jetzt sag doch endlich mal: Warum trägst du denn eine –“

„Wheeler, sei still oder spiel toter Hund.“

„Bitte was?!“

„Du hast mich schon verstanden.“

„Kaiba, du verdammter –“

„Klappe, Köter.“

„Ich bin kein –“

„Dann hör endlich auf zu kläffen.“

„Ich kläffe –“

„Du kläffst.“

„Tu ich nicht!“

„Wheeler. Aus und platz.“

„Wie redest du mit mir, du eingebildeter –“

„So, wie man mit einem Hund zu reden hat.“

„Ich bin kein Hund.“

„Dann sei endlich still.“

„Hättest du wohl gerne.“

„Allerdings.“

„Vergiss es, reicher Pinkel!“

„Dann bleibst du weiterhin ein dummer Köter.“

„Nenn mich nicht Köter!“

„Solange du nicht deine Hundeschnauze hältst, werde ich dich weiter Köter nennen, Köter.“

„Argh, du elender ...“

„Na, gehen dir schon die Worte aus, Wheeler?“

„Nein, verdammt!“

„Und was gibt es da zu lachen?“, fuhr ich einige meiner Mitschüler an, die in der anderen Ecke des Wagons saßen und leise kicherten. Augenblicklich verstummten sie und schüttelten unschuldig, jedoch weiterhin grinsend, synchron die Köpfe. Schnaubend wandte ich mich ab. „Dilettanten, allesamt.“

„Ja, nur weil sie keine Firma haben, so wie du.“

„Oh, du bist immer noch da Wheeler? Ich hatte gehofft, du wärst mittlerweile gestorben.“

„Charmant wie eh und je.“

„Du kannst ja gehen, wenn es dich stört.“

„Warum sollte ich?“

„Hatte ich schon erwähnt, dass ich dich hasse?“
 

oOo
 

Mit wenig Begeisterung betrachtete ich den Event Square des Tempozan Harbor Village. Viele Menschen befanden sich hier, betrachteten die Sehenswürdigkeiten, die dieses Hafendorf in Ôsaka zu bieten hatte. Nur ein Stück weiter befand sich der Aji-Fluss, an dem dieses Dorf lag. Obwohl man es bei seiner Größe kaum mehr Dorf nennen konnte. Es hatte Aspekte eines Freizeitparks an sich, jedoch bei weitem nicht so beeindruckende wie der Kaiba Park bei uns.

Ich hörte ein leises unterdrücktes Lachen neben mir und schickte umgehend einen wütenden Blick in diese Richtung. „Was gibt es da zu lachen, Wheeler?“

Der Köter gluckste leise, ebenso Muto und der Rest der Gruppe, die viel sagend grinsten. Ich hob die Augenbraue.

„Weißt du Kaiba“, meinte Wheeler, der sich wieder einigermaßen im Griff zu haben schien und grinste breit, „es sieht nur ziemlich ungewohnt aus, wenn du als einziger aus der Klasse mit einer Sonnenbrille rum läufst. Das kennt man nicht von dir.“

Die Augenbraue schwang noch ein Stück weiter in die Höhe. „Ach ja? Na und?“

„Nichts“, mischte Muto sich lächelnd ein. „Nur, dass du heute wirklich mal wie einer aus der Klasse wirkst. Ein gewöhnlicher Schüler. Auch, weil du deinen weißen Mantel nicht trägst.“

„Vielleicht“, Wheeler lachte wieder leise, „war es ja gut, dass ich den Mantel –“ Er brach ab, als er sich des tödlichen Blicks von mir gewahr wurde. „Nein, es war sicher sehr schlecht“, schloss er schnell.

Genau, Wheeler. Es war sehr, sehr schlecht. Das sollte er sich besser merken.

Mit einem abfälligen Laut wandte ich ihnen den Rücken zu, schob mit einer flüchtigen Bewegung die Sonnenbrille nach oben und verschränkte die Arme.

„Was willst du denn jetzt eigentlich mit der Sonnenbrille, Kaiba?“

Wheeler. War ja klar. Dieser Hund konnte einfach nicht seine Klappe halten. Wahrscheinlich war es sogar schon eine Art Zwang, dass er immer wieder etwas sagen musste.

„Wheeler.“

„Du siehst aus, als wärst du Incognito hier.“

„Wheeler.“

„Willst du nicht erkannt werden? Angst vor irgendwelchen aufdringlichen Fans?“

Wenn er es schon wusste, warum fragte dieser inkompetente Idiot dann eigentlich noch nach? Es stimmte, ich verspürte nicht im Geringsten den Drang, als ‚Seto Kaiba’ erkannt zu werden. Alleine das nervige Gekicher der Mädchen aus meiner Klasse war schon kaum zu ertragen, da war der Gedanke an eine Horde durchgedrehter Groupies, die es leider tatsächlich gab (ich wurde bereits einige Male mit derartigen Gruppen konfrontiert), wenig verlockend. Geradezu beängstigend, wenn ich nicht Seto Kaiba wäre. Denn ein Seto Kaiba verspürte keine Angst.

„So, dann werden wir als erstes, ins Aquarium gehen“, beschloss Aoyagi-sensei und hatte augenblicklich die Aufmerksamkeit der gesamten Klasse. „Und wenn wir danach noch genug Zeit haben, werden wir sicher noch eine der anderen Attraktionen besichtigen können.“

Na herrlich. Noch mehr Zeit, zusammen mit denen.
 

oOo
 

Als meine Mitschüler ihre Taschen in den angebotenen Schließfächern verstaut hatten, begann unser Rundgang. Nachdem abgestimmt wurde (ich hatte als Klassensprecher zu meinem Missgefallen leider den Leiter der Abstimmung mimen müssen – danach lagen meine Nerven beinahe wieder blank, Hauptgrund dafür war natürlich Wheeler, der nicht begreifen wollte, dass man sich nur ein Mal melden durfte), hatte die Mehrheit der Klasse entschieden, keine Führung durch das Aquarium zu wollen, sondern die Tiere frei betrachten zu können. Besser so, denn dadurch würden wir weniger Zeit für dieses Planschbecken verschwenden. Überhaupt verstand ich nicht, was die anderen so faszinierend an einem mit Wasser gefüllten Becken mit Fischen fanden. Was war daran derart mitreißend?

Diese Frage stellte ich mir auch, als ich vor einer Glasscheibe stand und dabei zusah, wie sich zwei Killerwale um einen Fisch stritten, der offenbar ihre Mahlzeit darstellen sollte. Makaber.

„Oh, wie süß“, kiekste Gardner, die wie aus dem Nichts neben mir aufgetaucht war und die Tiere mit einem himmelnden Blick betrachtete, wobei ich bereits fürchtete, dass sie im nächsten Moment beginnen würde, zu schmelzen. Mein Mund verzog sich leicht vor Missbilligung und ich brachte sofort

Abstand zwischen mich und ihr. Wer wusste schon, ob das nicht ansteckend war? Rasch entfernte ich mich von ihr und schritt zur nächsten Glasscheibe. Ein Blick auf das Schild neben der Scheibe verriet mir, dass sich hier die Seehunde befanden. Tatsächlich erkannte ich auch zwei von ihnen, die dicht hintereinander her schwammen und offenbar miteinander spielten.

„Die scheinen Spaß zu haben“, erklang eine nur allzu bekannte Stimme neben mir.

Ich wandte nicht einmal den Kopf, mein Blick ruhte auf den beiden vergnügt scheinenden Seehunden.

„Na Wheeler, besuchst du deine Verwandten im Wasser?“

„Sicher doch. Dann geh du doch bitte zu den Seedrachen, die warten schon auf dich, Kaiba.“

Beinahe musste ich aufgrund seiner Worte schmunzeln. Der Köter schien heute redegewandter, als sonst. „Wenn du mir sagt, wo ich die in diesem Aquarium finden kann, immer doch, Wheeler.“

„Hier rechts, am weißen Hai vorbei.“

„Herzlichen Dank.“

„Immer wieder gerne.“

Wir blieben sicherlich noch einige Minuten schweigend nebeneinander stehen und ich wunderte mich während dieser Zeit selber, warum mich seine derzeitige Anwesenheit nicht, wie sonst auch, nervte.

„Wenn ihr da so steht, ohne euch anzugiften, könnte man glatt meinen, ihr würdet euch verstehen.“

Falsch, Muto. Ganz falsch. Doch er hatte meinen Dank, dass er mich durch diese Worte wieder in die Realität zurückgerissen hatte. Ich warf ihm einen kalten Blick zu und wandte mich ab. „Sicher, Muto, und bevor das der Fall ist, wird Wheeler aufhören, dumm zu sein.“

„Hey!“, protestierte Wheeler sofort und ballte die Fäuste. „Was bildest du dir ein, Kaiba?!“

Ich ging nicht auf ihn ein, sondern ließ ihn, Muto und den Rest der Gruppe einfach stehen. Was hatte ich mir nur bei dieser Nachlässigkeit gedacht?
 

oOo
 

Ich hasste Sonntage.

Ich hasste Klassenfahrten.

Ich hasste diesen Urlaub.

Doch ganz besonders hasste ich Wheeler.
 

„Kannst du vielleicht mal aufhören, wie ein Idiot von einem Bein aufs andere zu hüpfen, Wheeler?“

„Aber ich muss aufs Klo!“

„Dann geh doch, Himmel noch mal.“

„Wo denn?“

„Was weiß ich? Such dir einen Baum oder ne Topfpflanze, Köter.“

„Wie oft muss ich es dir noch sagen, bevor du es verstehst, Kaiba? Ich bin kein Hund!“

„Stimmt, aber ein Köter.“

„Elender Besserwisser.“

„Wessen Schuld ist es, dass wir den Rest der Klasse aus den Augen verloren haben?“

„Deine, du hast mich provoziert.“

„Sicher, meine. Wheeler, dir ist nicht mehr zu helfen.“

„Das sagt der Richtige. Wer von uns läuft denn wegen einer übertriebenen Paranoia mit einer Sonnenbrille rum, aus ‚Angst’, vor irgendwelchen Groupies? Nebenbei bemerkt: Diese Brille bring überhaupt nichts, man erkennt dich trotzdem. Und zwar wegen deinen Haaren.“ Ich drehte mich langsam zu Wheeler um, und innerlich wünschte ich mir, dass er einfach nach hinten umfiel und reglos liegen blieb. Doch tat er mir diesen Gefallen nicht. Natürlich tat er es nicht. „Was willst du damit sagen?“

„Da fragst du noch?“ Er packte mich am Arm und zog mich hinter sich her. Ich versteifte mich augenblicklich. „Wheeler, was zum Henker –“

„Komm einfach mit.“

„Ich denk ja nicht dran.“ Doch ich hatte keine andere Wahl, als ihm zu folgen, da er meinen Arm schraubstockfest umschlossen hatte. Großartig. Von Wheeler an der kurzen Leine gehalten. War es sonst nicht eigentlich umgekehrt? Es hatte gefälligst andersherum zu gehören. „Wheeler, wohin zum Teufel, schleppst du mich?“

„Sei doch einfach mal still, Kaiba.“

Bitte? Erdreistete der Kerl sich gerade tatsächlich, mir den Mund zu verbieten? Dieser niedere, kleine –

Meine Gedankengänge wurden jäh unterbrochen, als ich mich mitsamt Wheeler, vor einer blauen Tür wieder fand. Eine kleine schwarze Figur mit breiten Schultern mitten auf der Tür verdeutlichte, dass es sich hierbei um die Männertoilette handelte. Ich hob die Augenbauen und sah ihn an. „Wie hast du mit deinem verpeilten Orientierungssinn hierhin gefunden, Wheeler?“

„Bin einfach den Schildern gefolgt.“

„Anscheinend ist der Köter doch in gewisser Wiese lernfähig“, sprach ich mehr zu mir selbst, denn zu ihm, doch wie immer ließ er es sich nicht nehmen, darauf zu reagieren.

„Ich bin kein Köter, Kaiba!“ Ohne mir eine Gelegenheit zu lassen, auf diese – nun doch recht einfallslosen – Worte zu antworten, stieß er bereits rücksichtslos die Tür auf und zerrte mich in den, ebenfalls blauen – gab es in diesem Planschbecken eigentlich irgendeine andere Farbe? – Raum.

„Wheeler, du außer Kontrolle geratener Hund, was soll das?!“ Ich riss mich von ihm los und strich mir angeekelt über den Arm, der seltsamerweise kribbelte. Unangenehm kribbelte! Wahrscheinlich hatte Wheeler mir bloß sämtliche Blutzufuhren abgeschnitten, jetzt wurde er also wieder durchblutet und kribbelte deshalb so unangenehm. Wieso sollte er auch anders kribbeln?

„Da, schau hin, Kaiba.“ Wheeler streckte den Arm aus und ich folgte kommentarlos diesem Wink. Ich konnte ihn und mich selbst in der Spiegelfront über den Waschbecken erkennen und war ehrlich gesagt nicht wirklich begeistert von der Tatsache, dass er noch immer recht dicht neben mir stand, was mir unsere Spiegelbilder noch einmal deutlich vor Augen hielten. Ich machte rasch einen Schritt zur Seite, wandte den Kopf und sah ihn gelangweilt an. „Was soll ich sehen, Wheeler?“

“Sieh dich mal an, Kaiba. Ist es schwer dich zu erkennen? Wohl kaum.“

Erneut fixierte ich mein Spiegelbild und musste zu meinem Widerwillen zugeben, dass Wheeler tatsächlich Recht hatte. Es war keine Kunst, zu erkennen, dass Seto Kaiba sich hinter den dunklen Gläsern der Sonnenbrille verbarg. Zumindest, wenn man mich bereits kannte (und ich bezweifelte, dass dies nicht der Fall war).

Die Strähnen meines braunen Haares waren unverkennbar. Und ausgerechnet Wheeler hatte mich darauf aufmerksam machen müssen? Wie weit sollte es noch kommen?

Ich löste den Blick von meinem, wenig begeistert wirkenden, Spiegelbild und sah nach links zu Wheeler.

Allerdings befand dort, wo der Köter bis eben noch gestanden hatte, niemand. Hatte Wheeler sich vielleicht endlich in Luft aufgelöst oder war im Erdboden verschwunden?

Das Rauschen einer der Toilettenspülungen ließ meine innerliche Euphorie jedoch schlagartig verebben. Wieso war es logisch, dass es so und nicht anders sein konnte?

„Da bin ich wieder.“

Weil es sich um Wheeler handelte. Eine Landplage, die anscheinend nichts auslöschen konnte – weder ein größenwahnsinniger Marik, noch ein verrückter Dartz.

„Wunderbar, Wheeler.“

Ja, wahrlich wunderbar. Konnten sich nicht wenigstens in dieser Richtung meine Wünsche erfüllen?

„Ein bisschen weniger Begeisterung, Kaiba, du platz ja gleich.“

Wenn er nicht aufpasste platzte ich gleich wirklich. Allerdings nicht im physischen Sinne.

Ich wandte mich ab und griff nach der Türklinke. „Halt die Klappe, Wheeler. Lass uns einfach die anderen suchen. Und falls dir das zuviel ist, gehe ich auch liebend gerne alleine.“

„Denkst du, du wirst mich so einfach los, reicher Pinkel?“

Um ehrlich zu sein, hatte ich es gehofft.
 

„Also, wenn ich an ihrer Stelle wäre, dann wäre ich...“

„Wheeler, versuch lieber gar nicht erst, hier den schlauen Psychologen zu mimen, der sich in alles und jeden hineinversetzen kann. Dabei kann ohnehin nichts Brauchbares herauskommen.“

„Und was genau soll das bitte heißen, Kaiba?“

„Dass du eine Niete bist.“

„Wie bitte?!“

„Du hast mich schon verstanden, Köter.“

„Ich hab dir schon mal gesagt, Kaiba, ich bin kein –“

„Irrelevant. Das ändert nichts an den Tatsachen.“

„Du bist ein derart, von dir eingenommener –“

„Wheeler, nicht nur, dass sich an deiner Artikulierung nicht das kleinste Bisschen ändert, du wiederholst dich auch ständig. Ich muss gestehen, dass ist beträchtlich ermüdend.“

„...“

„Oder um es in deiner niveaulosen Sprache zu vermitteln: Du nervst.“

„Was bildest du dir ein?!“

„Auch das hatten wir bereits, Wheeler. Geht es nicht etwas geistreicher?“

„Ich geb’ dir gleich geistreich!“

„Wenn der Köter es mit bellen nicht schafft, versucht er zu beißen.“ Ich beschleunigte meine Schritte und auch er passte sich automatisch meinem Tempo an, schien beinahe rennen zu müssen, um auf gleicher Höhe mit mir zu bleiben. Ungeachtet seiner nun folgenden Beleidigungen bog ich nach links in den nächsten Gang, den Schildern an den Wänden folgend, die mir den erlösenden Ausgang in dieser Richtung wiesen. Wheeler war viel zu sehr damit beschäftigt, passende Beleidigungen für mich zu suchen – nach „reicher Pinkel“ und „cholerischer Phlegmatiker“ schienen ihm, abgesehen von „arroganter Mistkerl“ und „eingebildeter Geldfuzzi“, allmählich die Ideen auszugehen – als dass er gemerkt hätte, wohin ich ihn indirekt lotste. Ich bezweifelte zudem auch, ob er überhaupt in der Lage gewesen wäre, die Schilder zu lesen, geschweige denn, sie zu verstehen.

„Hörst du mir überhaupt zu, Kaiba?“

„Nein.“ Ich hatte keine Lust, mir diese ermüdende Konversation noch länger anzutun. Das zehrte an den Nerven. Endlich konnte ich den Ausgang vor uns erkennen. Meine Stimmung hellte sich leicht auf – Wheeler bekam davon glücklicherweise nichts mit – und ich beschleunigte meine Schritte noch ein wenig. Ich wollte bloß raus aus diesem Aquarium. Weg von diesen grellen Farben und Wheelers störender Stimme.

„Jetzt warte doch mal. Nicht so schnell!“

Dachte Wheeler ernsthaft, dass ich dieser Aufforderung nachkommen würde? Dieser Köter sollte endlich lernen, dass man einem Seto Kaiba nichts befehlen konnte. Und er schon gar nicht. Ich passierte den

Durchgang mit dem blauen Schild auf dem in weißen Lettern ‚Bis bald’ stand, bei deren Anblick mich das beinahe schon abnorme Gefühl überkam, das Schild kurzerhand runter zu reißen. Allerdings konnte ich diesen Drang erfolgreich verdrängen und als ich schließlich vor dem Aquarium stand, mir die Sonne in das, teilweise von der Sonnenbrille verdeckte, Gesicht schien und die frische Brise durch meine Haare wehte, war dieses Verlangen gänzlich verschwunden. Erlösend.

„Kaiba, du elender Bastard! Was war das denn? Das grenzt ja beinahe schon an eine Flucht.“

Erlösend, zumindest bis zu dem Augenblick, in dem ich mir wieder schmerzhaft Wheelers Anwesenheit bewusst wurde und mich schlagartig ein erneutes Verlangen überkam – Wheeler im nahen Fluss zu ertränken. Doch war es sicherlich nicht wirklich gut, dass ich mich derart über diesen Köter aufregte. Er schaffte es ohnehin viel zu oft, meine Gelassenheit ins Wanken zu bringen. Kein sehr gutes Zeichen.

Daran würde ich in Zukunft arbeiten müssen. Mordgedanken an einem Köter waren zweifelsohne nicht gesund.

Um mich von diesen störenden und in gewisser Weise sogar leicht beunruhigenden Gedanken zu lösen, ließ ich meinen Blick über den Marktplatz des Ôsaka Habor Village gleiten. An einem Brunnen, inmitten des betriebsamen Geschehens auf dem belebten Platz, der mehr einer undefinierbaren Form, denn einem ‚Kunstwerk’ glich, stach mir ein spitzer Stachelkopf ins Auge. Eine derart groteske Frisur konnte nur eine Person haben.

Ich setzte mich in Bewegung, achtete nicht darauf, ob Wheeler mir folgte oder nicht – er konnte ruhig dort stehen beleiben, ich hielt ihn sicher nicht davon ab – und begann, mich über den vollen Platz zu arbeiten. ‚Kämpfen’ hätte es wohl eher getroffen, da ich mir den Weg durch brüskes Drängeln und grobes Schubsen schaffen musste. Der Brunnen rückte in meinem Blickfeld stetig näher und ein Blick über die Schulter verriet mir, dass Wheeler mir nicht folgte. Ich konnte ihn nicht mehr sehen. Ein Funken Zufriedenheit glomm in mir auf. Vielleicht hatte Wheeler ja mittlerweile inmitten dieser Menschenmassen das Zeitliche gesegnet und ließ mich von nun an ein ruhiges Leben führen. Mir war

alles Recht, solange ich nicht wieder von seiner bloßen Anwesenheit gequält wurde.

Ich richtete meinen Blick wieder nach vorne, um ihn auf mein Ziel - den Brunnen, an dem sich ohne Zweifel der Rest der Klasse befand - zu richten, als ich heftig mit jemandem zusammenstieß.

Geistesgegenwärtig hob ich die Hand, als ich einige Schritte zurücktaumelte, um die Sonnenbrille daran zu hindern, unfreiwillige Bekanntschaft mit dem Boden zu machen.

„Aufpassen ist hier wohl auch ein Fremdwort, kann das sein?“, knurrte ich gereizt, ohne die Person vor mir auch nur eines Blickes zu würdigen und war bereits drauf und dran, einfach an ihr vorbei zu marschieren – nicht ohne die angemessene Portion leiser Flüche von mir zu geben - als sich eine große Hand schwer auf meine Schulter legte und mich herumriss. Zum erneuten Mal wäre mir die Sonnenbrille bei dieser ruckartigen Bewegung beinahe von der Nase gerutscht, wenn ich sie nicht daran gehindert hätte. Nun blickte ich direkt in das, durch die Sonnenbrille noch dunklere Gesicht, eines stämmigen Kerls, dessen Äußeres mich an die Leibwächter erinnerte, die ich hin und wieder für Mokubas Sicherheit beauftragte. Wobei ich auf den jetzigen Anblick, der mich schmerzhaft daran erinnerte, dass Mokuba nun wieder ganz alleine in der Villa saß und niemanden außer den Hausmädchen, dem schweigsamen Bodyguard oder Roland hatte, die sich auch nicht immer um ihn kümmern konnten, hätte verzichten können.

Die schmalen Augen meines Gegenübers funkelten bedrohlich. „Wer soll hier aufpassen, hä?“

Gott schien mich zu hassen, denn sonst hätte er dafür gesorgt, dass ich nicht mit dieser Situation konfrontiert würde. Doch ich würde nicht Seto Kaiba heißen, wenn ich mir diesen Tonfall ohne weiteres gefallen ließe. „Ich ganz sicher nicht. Ich sehe nur einen, auf den das zutrifft“, entgegnete ich schlagfertig. Niemand wagte es, derart respektlos mit mir zu reden, schon gar nicht in meinem Urlaub.

„Ach ja?“ Der bullige Kerl ließ bedrohlich seine Fingerknöchel knacken. Sollte mich dieses Gehabe einschüchtern? Mit einem Mal hielt er inne und starrte mich angestrengt an. „Sag mal, du kommst mir bekannt vor...“

Bei allen – nicht doch. Warum mussten die wenigen Gehirnzellen, die dieser Typ noch besaß, ausgerechnet jetzt anfangen, zu arbeiten?

„Ich hab dich doch schon mal irgendwo gesehen ...“

Ja, man sah mich für gewöhnlich alle paar Tage im Fernsehen. Doch das konnte ich diesem ... Affen doch schlecht entgegenschmettern. Zumal eine Gruppe Schulmädchen ganz in unserer Nähe bei seinen Worten mitten in ihrem Gespräch verstummt war und mich nun eingehend musterte. Verdammt, so weit durfte es nicht kommen. Jetzt fingen diese Gören auch noch an, aufgeregt miteinander zu tuscheln.Wheeler hatte – so ungern ich das zugab – wohlmöglich tatsächlich Recht gehabt. Meine Haare verrieten mich. Wieso musste mich ausgerechnet der Köter darauf aufmerksam machen?

Herrlich. Gleich war es mit den Überresten des ‚Urlaubs’ vorbei und ich musste vor einer Schar wild gewordener Schulmädchen fliehen. Wie ich diese Fahrt doch hasste. Wie ich alles heute hasste.

„Da bist du ja.“

Ein Arm wurde um meine Schulter gelegt und mir etwas auf den Kopf gesetzt. Der dunkle Schirm, der in mein Blickfeld reichte, verriet mir, dass es sich dabei um ein Cappy handelte.

„Ich hab dich schon überall gesucht. Die hab ich dir gekauft. Gefällt sie dir?“

Diese Stimme. Sie verfolgte mich am Tag, und wenn ich dann schließlich Ruhe vor ihr hatte, verfolgte sie mich in meinen Träumen. War seine Anwesenheit jetzt Strafe oder Segen? Wenn es nach mir ginge, die pure Strafe, doch in der jetzigen Situation war sie – und dieser Gedanke sollte nur ein einziges Mal gedacht werden – meine Rettung. Ich warf einen Blick nach links und erspähte das lockere Gesicht des Köters, der den bulligen Schläger freundlich anlächelte.

„Tut mir leid, falls er dir Probleme beschert hat, Alter. Er ist ein schwerer Fall, aber das ist okay. Nicht wahr?“ Er grinste mich an. Meine Augenbrauen zogen sich bedrohlich zusammen. Schwerer Fall? Ich?!

„Ich hab ihn doch schon irgendwo ...“, murmelte der Schlägerkerl konfus und schien angestrengt zu überlegen. Ich erwartete bereits, dass sein Kopf jede Sekunde vor Anstrengung anfing zu rauschen oder – im schlimmsten Fall – vielleicht sogar zersprang. Das Cappy, das meine Haare nun so gut wie verdeckte, schien ihn gänzlich aus der Bahn geworfen zu haben. Auch die Schulmädchen waren eifrig am diskutieren und deuteten hin und wieder auf mich. Sie schienen ebenfalls durch mein Erscheinen mit dem Cappy aus dem Konzept geraten zu sein.

„Du musst dich irren. Er und ich sind zum ersten Mal hier in Ôsaka“, entgegnete Wheeler gut gelaunt.

Dann richtete er sich an mich. „Stimmts?“ Ich knurrte nur leise, wandte den Blick ab. Tonnenschwer schien Wheelers Arm auf meinen Schultern zu liegen. Wieder war er mir zu nahe.
 

Niemand hatte mich anzufassen, doch ihn schien dies nicht zu interessieren.
 

„Du siehst“, der Köter wandte sich wieder an den anderen, „du kannst ihm also unmöglich schon einmal begegnet sein.“

„Aber ich ...“, der Typ kratzte sich am Kopf, ernsthaft überlegend, schien nun nicht einmal mehr halb so bedrohlich, wie er eben beinahe auf mich gewirkt hatte, nachdem er mich angerempelt hatte.

„Schon gut“, winkte Wheeler ab, „vergiss es einfach. Wir zwei müssen jetzt jedenfalls gehen.“ Nicht grob, aber dennoch bestimmt lotste er mich, weiterhin den Arm um meine Schultern gelegt, nach rechts, an dem Kerl und den Schulmädchen vorbei.

Ich konnte mir einen zynischen Kommentar nicht verkneifen. „Pass das nächste Mal besser auf, wen du über den Haufen rennst.“ Eilig schob Wheeler mich weiter, als der Typ daraufhin zu zittern begann und bevor er seiner unterdrückten Wut Luft machen konnte, waren der Köter und ich bereits in der Masse der vorbeilaufenden Menschen verschwunden.

Kaum waren der Typ und die Gören außer Sichtweite riss ich mich von Wheeler los. Entrüstet sah ich ihn an.

„Was war das bitte für eine stupide Sache, Wheeler?!“, fuhr ich ihn an. Ihn schien mein Rage nicht im Geringsten zu beeindrucken. Auf eine perfide Art und Weise schienen wir – und ein Schauer überrollte mich, als ich mir dieser Tatsache bewusst wurde – die Rollen getauscht zu haben.

„Was hast du, Kaiba?“, fragte er unschuldig und verschränkte – in einer wahrhaftigen Kaibamanier, wie mir mit Schrecken auffiel – die Arme. „Diese ‚stupide Sache’, wie du sie nennst, hat dich eben vor einer Enttarnung bewahrt. Du bist mir was schuldig.“

Ich holte Luft, wollte ihm gerade eine passende Erwiderung entgegenschleudern, brach dann jedoch ab.

Leicht ungläubig starrte ich ihn an. Wheeler hatte Recht. Durch diese unwiderrufliche Tatsache zersprang beinahe mein gesamtes Weltbild. Der Köter hatte Recht.

Und noch viel schlimmer: Ich war ihm etwas schuldig. Ich hasste es, jemandem etwas schuldig zu sein. Das war beinahe so schlimm, wie eine Niederlage.

„Schön Wheeler, was willst du?“, knurrte ich ohne ihn anzusehen.

„Das wirst du noch früh genug erfahren, Kaiba.“

Großartig. Das hieß, dass er jederzeit mit einem Wunsch antanzen konnte. Ungeachtet meines Widerwillen packte er mich erneut am Arm und zog mich hinter sich her. Litt der Köter heute unter einem Zwang, mich immer wieder hinter sich her zu schleifen? „Wheeler, du inkompetenter Köter, lass mich los.“ War dieser Idiot taub? Wollte er mich nicht hören?

„Da, ich sehe unsere Klasse, Kaiba!“ Wunderbar Köter, so weit war ich auch gewesen, bevor mich der Kerl angerempelt hatte.

Trotzdem musste Wheeler mich nicht mitzerren. Laufen konnte ich sehr gut alleine. Dieser flohbesetzte Vierbeiner würde bei Gelegenheit für die Schmähungen von heute büßen. Oh ja, er würde leiden! Elendig.
 

Man zerrte einen Seto Kaiba nicht einfach hinter sich her.

Man berichtigte einen Seto Kaiba nicht, was sein Aussehen betraf.

Man spielte nicht den ‚Retter’ in einer – zugegeben – etwas heiklen Situation.

Man brachte einen Seto Kaiba nicht dazu, jemandem etwas schuldig zu sein!
 

Ich hätte Zeter und Mordio fluchen können, ihm jede mögliche Krankheit an den Hals wünschen können, stattdessen beließ ich es nur dabei, ihn mit meinem Blick tausend schmerzvolle Tode sterben zu lassen, in der Hoffnung, dass diese mentalen Morde auch Auswirkungen auf die Realität haben würden. Leider scheiterte dieser Plan in der Praxis, zerrte Wheeler mich doch immer noch hinter sich her, bis wir schließlich vor dem hässlichen Brunnen mit unserer Klasse standen.

Sofort eilte Aoyagi-sensei auf uns zu, die einen reichlich gehetzten Eindruck machte. „Da seid ihr ja. Wo bitte seid ihr gewesen?“, fragte sie und klang zunehmend aufgelöst. Verlegen grinsend fasste Wheeler sich an den Hinterkopf, wobei er mich endlich losließ. „Sorry. Wir hatten uns ... nun ja ... ein wenig verirrt.“

Ich sah ihn strafend an. „Du hast dich verirrt, Wheeler. Ich habe uns dort rausgeführt.“

Er wandte sich mir zu und funkelte mich provozierend an. „Und du warst es, der sich mit einem dreimal so schweren Schrank angelegt hat, wobei ich es war, der dich da rausgeboxt hat!“ Die erneute Konfrontation mit dieser Tatsache ließ mich meine Augen zu schmalen Schlitzen verengen, während ich innerlich bebte. „Das war eine einmalige Sache, Wheeler, ohne jegliche Bedeutung“, zischte ich leise.

„Joey!“ Ich war versucht, eine Sekunde genervt die Augen zu schließen, unterdrückte jedoch diesen Drang. Natürlich. Wo Wheeler auftauchte, musste Muto gleich nachkommen.

„Wo bist du gewesen, Alter?“

„Wir haben uns Sorgen gemacht!“

Wheeler richtete sich auf und drehte sich zu den anderen um. Eine Welle der Entrüstung war drauf und dran, mich zu überrollen, doch ich hielt sie auf, ließ nicht zu, dass sie mich mit sich riss. Ich warf ihnen noch einen kalten Blick zu, dann drehte ich mich beinahe ruckartig um, wandte ihnen den Rücken zu.

Ich hörte, wie Muto und die anderen weiterhin auf Wheeler einredeten. Dieser minderbemittelte Kerl wagte es doch tatsächlich, mich zu ignorieren.

„Warum bist du einfach im Aquarium verschwunden?“

„Wo habt ihr euch herumgetrieben?“

„He Kaiba, coole Mütze!“ Ich erstarrte und drehte langsam den Kopf, warf einen gefährlichen Blick über meine Schulter, der Taylor unglücklicherweise nicht das Grinsen aus dem Gesicht wischte. Er hatte mich daran erinnert, dass ich noch immer Wheelers Mitbringsel auf dem Kopf trug. Wie bei allen Duel Monsters hatte ich das vergessen können? Reflexartig hob ich die Hand und griff nach der Kopfbedeckung. Dieser Gegenstand lenkte meine derzeitige Wut auf sich und ich hatte große Lust, ihn entweder in der nächsten Mülltonne zu platzieren oder ihn im Brunnen zu ertränken. Als meine Hand sich an den Schirm des Cappys gelegt hatte und ich es mir gerade vom Kopf reißen wollte, legte sich eine weitere, fremde, Hand auf meine. Augenblicklich versteifte sich meine Haltung und meine Hand krallte sich in den Schirm. Meine Pupillen verengten sich.

„Wheeler“, knurrte ich. Noch war meine Stimme leise. Der Köter blickte mich mit einem ungewohnt festen Ausdruck direkt an, das Braun seiner Augen schien sich beinahe in meine Blauen zu bohren.

Leicht schüttelte er den Kopf. Meine Augen verengten sich weiter. „Wheeler, ich rate dir –“

„Lass es.“

Beinahe hätte ich mich verschluckt. Bitte was? „Was hast du gesagt?“

Erneut schüttelte er minimal den Kopf. „Lass die Mütze auf, Kaiba. Du hast doch selbst gesehen, was sonst passieren kann. Willst du das riskieren?“

Für die unaufgeklärten Teilhaber an diesem Gespräch – sprich, Muto und Co. plus einige weitere Mitschüler – mussten Wheelers Worte reichlich konfus, wenn nicht sogar sinnlos klingen. Doch für mich ergaben sie einen Sinn. Einen leider durchaus logischen Sinn.

Ein leises Grollen entwich meine Kehle, bevor ich meine freie Hand hob und mit ihr unwirsch Wheelers Hand beiseite schlug. Kalt funkelte ich ihn an, bevor ich widerwillig die Mütze auf meinem Kopf zurechtrückte und mich abwandte. Grauenvoll. Immer wieder aufs Neue.

Wheeler würde dafür tausend Tode sterben. Für alles.
 

*~*~*
 

There's something inside me that pulls beneath the surface

Consuming - confusing

This lack of self-control I fear is never ending

Controlling - I can't seem
 

*~*~*
 

(Linkin Park - Crawling)



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Kommentare zu diesem Kapitel (22)
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Von:  lilac
2013-09-10T21:25:40+00:00 10.09.2013 23:25
7ch liebe diese langen Dialoge der beiden.
Gelegentlivh hab ich svhon gezweifelt ob es shonensi ist, ...weil die ja so gar nicht miteinander konnten abet nun ...da kommt was.
Freu mich.
Von:  Yamis-Lady
2008-05-23T21:13:10+00:00 23.05.2008 23:13
Oha O.O
Joey hat ihn gerettet.... und wie goldig >///<
joey ist ein klasse schauspieler ^~^
*hehee*

seto hingegen tut mir richtig leid >.<
immer muss er leiden ....
nyo....
teilweise ist er auch selbst schuld =P

ich mochte die stelle, in der joey seto durch das auarium in die toilette zieht, am liebsten ^^
und natürlich die, als er seinen arm um setos shcultern legt und ihm das capp aufzieht >///<
*yay*

ich werd dann mal schnell weiter lesen ^.~
bis dann! =3
Von: abgemeldet
2007-10-17T12:07:56+00:00 17.10.2007 14:07
Grandios XDD
Ich musste fast unterbrochen Lachen. Ah Kaiba tut mir Leid :D Wie der wohl so aussieht, in normaler kleidung, sonnenbrille und cappy? XDDDD
Oh mann, Joey gewinnt langsam die oberhand XD Aber ich muss schon sagen, bei vielen stellen hatte ich schon befürchtet, kaiba tötet ihn nun wirklich XDDDD

Von: abgemeldet
2007-10-08T22:38:23+00:00 09.10.2007 00:38
Oh sie kommen sich näher! Ich habs genau gelesen, denn ich lauer darauf^^
Und wiedermal war das Kapi verdammt lustig.
Du hast die Sache mit der Situationskomik einfah drauf^^

lg^^b
Von: abgemeldet
2007-08-24T20:26:11+00:00 24.08.2007 22:26
DAs ist echt ein super Kap! *smile*
Besonders das mit der Cappy hätt ich Joey nicht zugedraut, das er Kaiba da raus boxt! *grins*
Echt selten nett von ihm! *heheheh*
Wahnsinnig Sweet geschrieben! *schwärm*
Hat mir unheimlich gut gefallen!
Schauen wir mal wie es weiter geht! ^.^V

by
by

Mimi
Von:  SatoRuki
2007-01-02T23:07:33+00:00 03.01.2007 00:07
Entschuldige 1000000000 Mal das ich jetzt erst einen Kommi da lasse ich kenne diese Fic schon länger hatte allerdings keine Kommis geschrieben! Tut mir ehct leid! TT.TT
Aber hier muss ich dir sagen, dass du Seto großartig schreiben kannst!
Diese zwischen Gedanken immer und die witzigen Auflockerungen immer dazwischen finde ich gut!^^
Du hast auch einfahc nur einen zu genialen Schreibstil, das ist unbestreitbar!^^
Echt ich liebe es mittlerweile es zu lesen!^^
Diese Gedanken immer echt so was schaffst nur du!
mfg Sannitz^^
Von:  Ryubi
2006-12-26T13:15:03+00:00 26.12.2006 14:15
hmm irgendwie hab ichs verpennt weiterzulesen, sorry >.>°
nyo auf jeden fall werd ich versuchen beim näxten mal es gleich zu lesen und nich zu vergessen(weiß gar net wie mir das passieren konnt)
nyo also fand die kaps mega toll^^
ich stell mir setos mützchen ulkig vor *kicher*
jaja der joey kann auch ma cool sein, ne wa?
muss sagen ich mag deinen schreibstil voll und deshalb würd ich mich auch freuen wenn du mir bescheid sagst wenns weitergeht^^
am meisten hat mich deine ff auch dadurch angesprochen das du im ersten kap(glaub ich oô) mein lieblingslied mit eingebracht hast X3[three days grace - i hate everything about you]
*freu*
auch toll find ich die streitgespräche der beiden, die bekommst du imma so gut hin *lach*
so bin ma gespannt wie's weitergeht *knuff*
hast eine treue leserin und kommi-schreiberin mehr
bis demnächst ^^
hdl Lisa
Von:  Idris
2006-12-20T17:27:16+00:00 20.12.2006 18:27
Hat mir sehr gefallen soweit! =)
Die Dialoge waren sehr lustig und sehr lebensnah. *lach*
Finde es auch toll, dass Kaiba jetzt ausnahmsweise was Normales anhat (und dass Joey ihn retten durfte - go Joey, go!).
Die beiden sind ein herrliches Paar. *schmacht*

Krieg ich ne ENS wenn es weitergeht? *liebguck*

~ Rei ~
Von:  bebi
2006-12-12T00:34:56+00:00 12.12.2006 01:34
Ich fand das Kapi voll cool. Kaiba Gedankenwelt ist sehr unterhaltsam. Nur finde ich, dass er sehr seehr langsam auftaut. Aber wenigstens gibt es hin und wieder anzeichen, dass es lebt...äh...er. ^-^
Hoffe es geht demnächst weiter.
Lg bebi
Von:  Kysa
2006-11-05T19:53:00+00:00 05.11.2006 20:53
Boah, sind da viele Fehler in dem Kommi. x_X Wie man sieht bin ich noch durch den Wind wegen dem Kapi. xD *sich nicht mehr konzentrieren kann* Sorry, beim nächsten Mal schreibe ich wieder anständig. ;)


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