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Himmelblau

“Verführung eines Engels“ (Berthold Brecht)
von

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Über die Verführung eines Engels

Himmel hilf, was für eine Challenge!

Das ist das erste mal, dass ich eine länger Geschichte schreibe, die direkt aus Fyes Perspektive geschrieben ist. Eigentlich stelle ich mir seinen Charakter so nicht vor... doch.. ja.. nein.. also.. ich weiß es wirklich nicht.
 

Titel: Himmelblau- Verführung eines Engels

Fandom: Tsubasa Reservoir Chronicle

Pairing: Eigentlich mal nur Shaolan und Sakura, was mich ehrlich gesagt selbst überrascht, obwohl die Hauptpersonen Fye und Kurogane sind. Shônen-ai kann man sich an manchen Stellen sehr gut einbilden, ist aber nicht direkt geplant gewesen. Aber menschliche Beziehungen sind immer schwer zu bezeichnen, nicht ?

Warnings: Thematisiert (irgendwie) Vergewaltigung aber bis auf das Gedicht selbst keine detaillierteren Beschreibungen, dark

Rating: 14. Nicht wegen mir, wegen dem Gedicht -_-;

Wörter insgesamt: 3,767.
 

Das ist meine erste Challenge überhaupt und ich würde gerne wissen, wie ihr sie findet. Als ich das Gedicht gelesen habe dachte ich mir erst auch nur WTF (!!!) aber dann ließ es mich nicht mehr los. Das Gedicht wurde sowohl in die Story eingefügt, als auch interpretiert. *bows* Und ich bin fertig. Mit den Nerven.
 

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Himmelblau
 

Die Bücher stapelten sich meterhoch, bis dicht unter die Decke in dem kleinen Buchladen. Die Luft roch staubig und nach frischem und vergilbtem Papier, Holz und Druckfarbe. Der kleine Laden war so eng mit Bücherregalen vollgestellt, dass man sich durch manche Gänge regelrecht zwängen musste.
 

Sonnenlicht fiel durch ein leicht verstaubtes Schaufenster herein und gab einen Ausblick auf eine völlig andere Welt frei, in der Menschenmassen bepackt mit Einkaufstüten, in allen möglichen Farben, eilig vorbeihuschten und nur wenige wandten den Blick zum Schaufenster des kleinen Buchladens mit der altmodischen grünen Tür, der so deplaziert in der belebten Einkaufsstraße wirkte, wie ein Schneemann in der Wüste.
 

Doch gerade das hatte ihn auf den kleinen Laden aufmerksam gemacht, noch in Ceres hatte er es geliebt in der Bibliothek des Schlosses zu sitzen, auf einem der weichen überall verstreuten Sitzkissen, und Geschichten über ferne Länder, die Sterne oder Magie zu lesen oder einfach nur sein Wissen zu erweitern. Auf diese Art konnte man reisen ohne verloren zu gehen, aber dass man immer wieder in seine Welt zurück kam, war auch ein Fluch.
 

Mit einem ewig präsenten Lächeln auf den Lippen beobachtete Fye Shaolan, wie er hellauf begeistert über einem verstaubt aussehenden Buch mit dem Titel „Das alte Ägypten und seine Baukünste“ hing und aufgeregt darin blätterte, hin und wieder der Prinzessin Bilder zeigte und von einer Ausgrabungsstädte in einem Land nahe Clow County erzählte, die fast die selben Götterbilder auf den Ruinen zeigten. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie Shaolan ihnen einmal erzählt hatte, dass er und sein Vater Archäologen gewesen waren, er selbst hatte nur darüber gelesen. Das kleine Kätzchen [1] ließ den Redeschwall fasziniert und mit einem sanften Lächeln über sich ergehen, während der mal wieder dunkel und gefährlich vor sich hinblickende Ninja daneben stand und das Bücherregal anstarrte, als würde er erwarten, dass jeden Moment ein Dämon dahinter hervorgesprungen kam. Leise kicherte der Magier und wand sich geschickt durch das Labyrinth aus Bücherregalen, strich mit den Fingern über die meist alten Einbände. Viele Bücher, die er in dieser Welt gesehen hatte, hatten keinen festen Einband, doch diese hier waren allesamt mit einem festen Umschlag aus weichem Leder geschützt und der Titel noch sorgfältig in silbernen oder goldenen Buchstaben auf den Buchrücken und die Vorderseiten gestanzt. Ein wenig schlug sein Herz schneller, als er mit einem nostalgischen Lächeln ein Buch aus dem Regal nahm. ‚Shakespeare- Ausgewählte Werke.’ stand auf dem dunkelblauen Einband. Er hatte keine Ahnung, wer dieser Shakespeare war aber da das Buch vertraut und schwer in seiner Hand lag, schlug er es auf.
 

„Beim Firmament, ein recht hinterlistiges betrunkenes Ungeheuer! Wenn sein Gott schläft, wird es ihm die Flasche stehlen.“

“Ich will den Fuß dir küssen, will mich schwören zu seinem Knecht.“

„So komm denn nieder und schwöre!“

„Ich lache mich zu Tode über dieses mopsköpfige Ungeheuer. Ein lausiges Ungeheuer! Ich könnte über mich gewinnen, es zu prügeln. Wenn das arme Ungeheuer nicht so besoffen wäre.“[2]
 

Laut lachte Fye auf, das hörte sich lustig an. Wieder schlug er eine beliebige Seite auf.
 

„ Nicht bloß mein düsterer Mantel, gute Mutter,

Noch die gewohnte Tracht von ernstem Schwarz,

Noch stürmisches Geseufz beklemmten Odems,

Noch auch im Auge der ergieb’ge Strom,

Noch die gebeugte Haltung des Gesichts

Samt aller Sitte, Art, Gestalt des Grames

Ist das, was wahr mich kundgibt; dies scheint wirklich:

Es sind Gebärden, die man spielen könnte.

Was über allen Schein, trag ich in mir;

All dies ist nur des Kummers Kleid und Zier“
 

und „Wahnsinn bei Großen darf nicht ohne Wache gehen.“ Er seufzte bitter, wie wahr, und schlug das Buch zu. Er hatte erst einmal genug. [3]
 

„Kann ich ihnen weiterhelfen?“, fragte ihn auf einmal von der Seite ein hochgewachsener, etwas mager wirkender alter Mann mit verdreckten Brillengläsern. Seine Haltung war gebückt und sein weißes Haar mehr ein Flaum auf einer matt schimmernden Glatze. Erfreut lächelnd stellte der Magier das Buch zurück in das Regal. „Habt Ihr vielleicht noch andere Poesie?“

Der Mann nickte und führte ihn an das Ende des Ganges. „In dem Abschnitt, in dem sie gerade waren, befindet sich nur englische Literatur, Shakespeare hatten Sie ja gerade in der Hand, wie ich gesehen habe. Hier drüben finden sie unter anderem auch modernere Werke. Wenn Sie fragen habe sollten, wenden Sie sich einfach an mich. Hier ist es manchmal etwas unsortiert.“
 

Ohne auch nur eine Antwort abzuwarten, schlurfte der Alte von dannen und Fye musterte nachdenklich, einen Finger auf die Wange gelegt, das Regal vor sich, machte dann einfach die Augen zu und deutete blind auf einen Einband. Mit einem geschickten Griff beförderte er das kleine dünne Büchlein hervor und schlug es auf, ohne auch nur auf den Titel zu sehen.
 

“Verführung eines Engels“, stand da in geschwungener Schrift über einem Gedicht und daneben: „Bertold Brecht“, 1984. Engel also, das hörte sich doch gleich angenehmer an, als betrunkene Ungeheuer und Trauer bei Shäklespear, oder wie der Kerl hieß. Doch was er dann las, ließ seinen Gesichtsausdruck wieder ernst werden und still in dem schummrigen Gang stehend, las er die Zeilen, die in regelrecht nichtsaussagenden Druckbuchstaben auf eine weiße Seite geschrieben standen, die sich unter seinen Fingern wie Plastik anfühlte.
 

//“Engel verführt man gar nicht oder schnell
 

Verzieh ihn einfach in den Hauseingang
 

Steck ihm die Zunge in den Mund und lang
 

Ihm untern Rock, bis er sich naß macht, stell
 

Ihn das Gesicht zur Wand, heb ihm den Rock
 

Und fick ihn. Stöhnt er irgendwie beklommen
 

Dann halt ihn fest und laß ihn zweimal kommen
 

Sonst hat er dir am Ende einen Schock.“//
 

Angewidert wollte er das Buch einfach zuschlagen und zurückstellen aber irgendetwas hielt ihn davon ab.
 

//Ermahn ihn, daß er gut den Hintern schwenkt
 

Heiß ihn dir ruhig an die Hoden fassen
 

Sag ihm, er darf sich furchtlos fallen lassen
 

Dieweil er zwischen Erd und Himmel hängt -
 

Doch schau ihm nicht beim Ficken ins Gesicht“//
 

„Und seine Flügel, Mensch, zerdrück sie nicht.“, flüsterte der Blonde leise. Irgendwie war ihm schlecht. Dennoch begann er das Gedicht noch einmal von vorne zu lesen.
 

Ohne eine Aura gespürt zu haben, streifte auf einmal warmer Atem seinen Nacken und er ließ das Buch vor Schreck beinahe fallen. Doch Kurogane nahm es ihm einfach aus der Hand und las es zu Ende. Er musste wohl eine ganze Weile schon hinter ihm gestanden haben. „Ist ja abartig. Steht der Kerl etwa drauf?“
 

Immer noch ein wenig eingenommen, fasziniert und angeekelt zu gleich, dauerte es einen Moment bis er reagieren konnte und mit einem fröhlichen Grinsen spannte er wieder seine eingesunkenen Schultern an und wedelte Kurogane mit dem Zeigefinger vor der Nase herum. „Das ist sicher nicht so gemeint, Kuro-chama! Das ist ein Gedicht, da muss man sich Gedanken drüber machen!“
 

„Ich glaube nicht, dass man noch viel dazu sagen muss“, brummte Kurogane abfällig und wollte das Buch zurück ins Regal stellen, „ Er hat den Engel doch eh schon total fertig gemacht. Warum, dann noch davor warnen, die Flügel nicht zu berühren?“ Doch Fye nahm ihm auf halben Wege das Buch aus der Hand. „Das nehmen wir.“
 

„Fye-san! Ich bitte dich darum, dass wir dieses Buch kaufen können!“, stand auf einmal Shaolan vor ihm und streckte ihm strahlend `Das alte Ägypten und seine Baukünste’ entgegen. „Ich weiß, wir haben nicht so viel Budget aber dann esse ich die nächste Woche einfach nichts!“
 

„Ach du lieber Himmel“, kommentierte der Ninja und Fye wuschelte den Kleinen. „Kauf es nur, ich habe mir auch eins gekauft.“
 

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Shaolans Redeschwall ebbte die ganze weitere Einkaustour nicht im geringsten ab und auch als sie in einem kleinen Lokal rasteten, um zu Mittag Pizza zu essen, verstummten seine Begeisterungsstürme über die Erkenntnisse in diesem Buch nicht und wie sehr es ihn doch zur Auflösung der rätselhaften Funktion der Ruinen in Clow City behilflich sein konnte- und so weiter und so fort. Während der Ninja sich gerade genüsslich ein Stück Hawaii-Pizza in den Mund schob und den ihn ärgernden Fye meisterhaft ignorierte, verstummte Shaolan mit seinen Ausführungen und fragte fast etwas schuldbewusst, was für ein Buch Fye gekauft hatte. Der reichte ihm das kleine Buch. „Wir haben doch nichts dagegen, wenn du dich so freust, Shaolan. Aber ich würde es nicht lesen, es ist ziemlich traurig.“
 

Doch der Junge hatte das Buch schon auf der Seite aufgeschlagen, die Fye mit einem kleinem Stück Papier als Lesezeichen markiert hatte, und las.

Erst wurde er rot, dann blass und dann verschwand er auf Toilette und kam erst 10 Minuten später, immer noch blass, zurück. Kurogane funkelte Fye von der Seite an. „Warum gibst du ihm so was zu lesen?“ „Er ist doch alt genug dafür. Jedenfalls beschwerst du dich doch immer, wenn ich ihn nicht wie einen Erwachsenen behandle“, erwiderte der Magier nur mit einem Schulterzucken und aß weiter seine vegetarische Pizza, wie schon die ganze Zeit zuvor seinen eigenen Gedanken nachhängend.
 

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Da es schon ziemlich spät war, hatten sie sich für den restlichen Einkauf getrennt und nun erfüllte das blaugraue Licht der Dämmerung die Luft, als Kurogane und Fye die stillen Straßen des Wohnviertels bis zu ihren Hotel entlang schlenderten.

Die Häuser in diesem Viertel waren noch weitgehend im altchinesischen Stil gebaut und fast schon ein unheimlicher Kontrast zu der belebten Einkaufsstraße, mit ihren modernen Hochhäusern und vielen grellen Reklamen. Vor sich hin pfeifend und die Plastiktüte mit den Einkäufen für die nächsten zwei Tage, plus eine Flasche besten Eierlikörs – zu der er Kurogane nur schwer, genauer genommen gar nicht, überredet hatte lassen- elanvoll hin und her schwingend, schlenderte der Magier summen einige Schritte dem Ninja voraus.
 

„Dich beschäftigen solche Dinge wohl gar nicht lange, oder?“, erklang irgendwann die tiefere Stimme hinter ihm, als sie schon fast am Hotel waren.

“Wer tut das schon gern,“ erwiderte er und zuckte einfach nur mit den Schultern. „Oder möchtest ausgerechnet du jetzt über Vergewaltigungen mit mir reden?“

„Ich würde am liebsten gar nicht mit dir reden. Es geht mir nur unheimlich auf den Geist, dass du immer diese ‚Mir ist alles egal- Einstellung’ hast. Ich hab dir schon mal gesagt, wie ich das verabscheue.“
 

Fye blieb stehen und sah den Dunkelhaarigen ungewohnt ernst an, als dieser allmählich aufholte und an ihm vorbei ging. „Und was bringt es darüber zu reden? Irgendwo in dieser Welt passiert es sicherlich gerade, auch in meiner oder deiner Welt. Auch Kriege, Hunger, Tod. Es bringt nichts darüber nachzudenken, man wird nur traurig davon, weil man eh nichts machen kann...wenn ich es könnte, würde ich sofort etwas dagegen unternehmen aber ich wüsste wahrscheinlich nicht mal wo ich anfangen sollte..“
 

“Also ignorierst du solches Elend einfach?“ Fye holte wieder auf und ging nun neben ihm.
 

“Ja.“, ein breites Grinsen aber ein nicht dazu passender bitterer Ton. „Ich bin gut darin.“
 

„Das ist erbärmlich.“, stellte der Ninja fest und bugsierte die schwere Einkaufstüte auf seine andere Schulter.
 

„Musst du gerade sagen, wie viel Elend hast du schon über andere gebracht?“, konterte Fye.
 

“Das war im Kampf.“
 

Es war mittlerweile ganz dunkel geworden und die Straßenlampen gingen mit einem Zischen Reihe für Reihe an. „Der Engel hat sicher auch gekämpft...“, einen Moment in seinen Gedanken versunken, vergaß Fye fast weiterzusprechen, „... Und der, der den Engel gestürzt hat, machte sich auch noch vor, dass es ihr gefallen hätte...
 

Vielleicht hatten die Männer mit denen du gekämpft hast ja auch Angst zu sterben? Vielleicht hatten sie auch jemandem ein Versprechen gegeben, wieder zurück zu kommen. Ihren Geliebten eventuell. Machst du dir nicht genau so etwas vor? Und vielleicht wollten sie auch gar nicht, sondern mussten kämpfen, weil es ihre Aufgabe war-“
 

Kurogane gab ein abwertendes Lachen von sich. „Wer ein Schwert in die Hand nimmt, muss damit rechnen, getötet zu werden.“
 

“Und wenn man nur Waffen, trägt um nicht wehrlos zu sein, um eben solch einem Schicksal zu entgegen?“
 

“So wie ein Lächeln etwa?“ Jetzt war an Fye zu lachen und ironisch erwiderte er, nicht ohne vorher unmerklich zu erschaudern: „Ich glaube du denkst gerade völlig in die falsche Richtung!“
 

“So, tue ich das?“
 

„Ja.“
 

Sie hatten das Hotel erreicht und geschickt beförderte Fye die Schlüssel für ihr Zimmer aus seiner Manteltasche, während sie durch die mit gelblichen Licht beleuchtete Rezeptionshalle gingen. „In die völlig Falsche.“
 

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„Nyaaaau~~~ Fye hat Eierlikör mitgebracht!“, fröhlich wie immer sprang ihnen Mokona sofort entgegen, als sie gerade erst durch die Eingangstür getreten waren und ließ 2 Minuten später enttäuscht die Schlappohren hängen. Anstatt wie üblich mit ihm zu spielen, hatte ihn der Magier lediglich kurz angelächelt, gekrault und war dann wortlos nach oben in sein Zimmer verschwunden, während Kurogane schweigend die Einkäufe in den Kühlschrank räumte.
 

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Auch das Essen war sehr schweigsam verlaufen und auch während Shaolan und Sakura den Abwasch machten, hatte Shaolan kein Wort gesagt. Besorgt beugte sich die junge Prinzessin zu ihm. „Shalolan-kun... geht es dir nicht gut?“. Ihr Begleiter war schon die ganze Zeit so abwesend gewesen und hatte etwas unglaublich Trauriges im Blick, jedes mal wenn er sie ansah. Aus seinen Gedanken gerissen, sah er das Mädchen vor sich an und legte das Geschirrtuch bei Seite. „Hime...“ Lächelnd nahm sie seine Hand und drückte sie aufmunternd. „Bitte sag mir was dich beschäftigt, du weißt doch, es macht mich noch viel trauriger, wenn ich nicht weiß, warum du leidest.“. Shaolan unterdrückte gerade noch ein bitteres Lächeln und ersetzte es stattdessen mit einem beruhigenden. Das, was ihn wirklich traurig machte, konnte er seiner Kindheitsfreundin eh niemals sagen. Sie würde sich nie an ihn und ihre gemeinsamen Erlebnisse erinnern, immer würde er ein leerer Fleck bleiben. Shaolan erinnerte sich noch zu genau, welch warmes Gefühl es gewesen war, diese Worte damals von ihr zu hören.
 

“Lass uns von nun an ganz viele gemeinsame Erinnerungen schaffen, Shaolan!“
 

Plötzlich drückte er ihre Hand fester und sah ihr entschlossen in die Augen. „Ich verspreche Euch, eure Federn wiederzufinden, Sakura-hime. Und ich werde dafür sorgen, dass Euch niemand verführt!“

Einen Moment sah das Mädchen ihn verwirrt an, wurde dann aber rot und löste sich unruhig von ihm; nahm das achtlos hingeworfenen Geschirrtuch von der Spüle und faltete es nervös.
 

Nach einer Weile des Schweigens. „Niemand...?“
 

Einen Augenblick fragte sich Shaolan noch, warum sie so enttäuscht war, doch dann ging es ihm auf und auch ihm schoss die Röte ins Gesicht. „Ich meine... also.. .ich... nein.. Ach nichts“. Nervös wünschte er sich auch ein Geschirrtuch, das er zusammenlegen konnte, um nicht völlig unbrauchbar in der Gegend herumzustehen. Plötzlich sprang Mokona auf seine Schulter und er hätte, eh schon nervös, fast einen Herzinfarkt bekommen. „Sakura fragt sich, ob du sie nicht auch irgendwann mal verführen willst!“, posaunte das weiße Wesen gut gelaunt, „Oder willst du sie auch vor dir selbst schützen?“
 

Schweigen.
 

Sowohl die Prinzessin als auch Shaolan wichen ihren Blicken aus und nach einigen „ähm...“ und „also..“, schaffte es der junge Archäologe endlich einen zusammenhängenden Satz hervorzubringen. „Wenn... du willst.. irgendwann.. aber niemals im Leben so!“
 

„So?“, verstand sie das jetzt nur nicht, weil das Stück in ihrer Erinnerung fehlte?
 

„Vergiss es..“
 

Immer noch rot an den Wangen aber nicht mehr ganz so scheu, ergriff die kleine Prinzessin wieder seine Hand. „Ich bin sicher es wird wunderschön...Irgendwann.“
 

Mit einem glücklichen Lächeln erwiderte Shaolan den Druck ihrer Hand. „Ja... irgendwann.“
 

Doch jetzt hatten diese Worte noch einen bitteren Beigeschmack.
 

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Wochen und unzählige Welten später überkam Kurogane ein seltsames Dejavu Gefühl, als ihr heutiges Nachtquartier langsam mit dem blau-grauen Licht der Dämmerung ausgefüllt wurde, das ungehindert durch die große Fensterfront des Zimmers strahlte.
 

Leise konnte er Sakura im Schlaf reden hören aber ansonsten war der gemütlich eingerichtete aber völlig verstaubte Raum totenstill. Sie hatten großes Glück gehabt, dieses leerstehende Haus zu finden, denn in dieser Welt herrschte anscheinend gerade Bürgerkrieg und Fremde wurden misstrauisch beäugt und ohne einen Cent der hiesigen Währung, konnten sie sich auch kein Hotel leisten. „Mir geht das Gedicht nicht aus dem Kopf“, durchbrach Fyes Stimme irgendwann im ruhigen Ton die Stille. „Welches Gedicht?“, gab Kurogane nicht wirklich interessiert zurück, sondern beobachtete weiter, wie die Kleine im Schlaf nach irgendetwas für ihn Unsichtbares griff und sich unruhig auf der einzigen Schlafgelegenheit, einem mit einem Leinentuch abgedeckten Sofa, hin und her warf. Shaolan war sitzend an ihrem Fußende eingeschlafen und schreckte nur hin und wieder auf, wenn ihn ein Fuß traf, um danach wieder augenblicklich einzuschlafen. „Verführung eines Engels.“
 

“Ach das.“
 

Wieder Schweigen. Kurogane blickte nicht zu dem Magier, wenn er weiterreden wollte, würde er das sowieso tun, ob er ein Zeichen der Aufmerksamkeit bekam oder nicht.
 

„Hast du es schon mal getan?“ Seltsamerweise klang die Stimme des Magiers diesmal keineswegs albern, stellte Kurogane erleichtert fest. „Was getan?“, fragte er nach einem weiteren Moment der Stille, in der Sakura irgendetwas von „Lass das Nii-sama. Das ist gemein..“ murmelte. Er hasste Ratespiele. „Einen Engel verführt.“
 

“Hast du’ n Knall?!“, entsetzt sah der Ninja Fye nun doch an.
 

“Ich schon.“
 

Das wurde ja immer besser. Fassungslos ließ sich Kurogane gegen die Wand zurücksinken und starrte den im weiten, auch von Leinentüchern bedeckten Sessel sitzenden Blonden an.
 

“Nicht so wie du denkst, ich denke nicht, dass ich so was überhaupt könnte. Und ich will es auch nie können.

Aber für mich steckt mehr hinter diesem Gedicht, als die Beschreibung einer Vergewaltigung.. und es geht mir einfach nicht aus dem Kopf.“
 

Eigentlich hatte Kurogane keine Lust sich jetzt eine Gedichtinterpretation anzutun aber Fyes letzte Worte hatten ihn so geschockt, dass er jetzt einfach nur nicken konnte.
 

„Es geht darum jemand auszunutzen. Ein reines Wesen selbstsüchtig zu zerstören und sich auch noch einzureden, man hätte nichts Schlimmes getan... Was passiert mit Engeln, die verführt werden ? Sie fallen. Und zwar in die Hölle..“
 

Einen Moment schwieg Fye und beobachtete wie der Zustand des Zwielichts langsam zur Nacht überging. Abwesend ließ er einen Zipfel des Leinentuches immer wieder durch seine Finger gleiten.
 

„Der letzte Satz ist doch einfach ironisch.. ‚Und seine Flügel, Mensch, zerdrück sie nicht.' Was wird wohl der Engel tun, wenn er verführt worden ist und er nicht mehr grausam festgehalten wird? Er wird zusammenbrechen und die kühle Wand hinunterrutschen und alles ist zerbrochen.. ihre Flügel wären auch völlig zerfetzt, wenn er sie nicht berührte..“
 

Der junge Magier seufzte und starrte weiter zur Fensterfont, doch es war mittlerweile zu dunkel, um etwas zu erkennen. Hier ging die der Wechsel von Tag auf Nacht viel schneller von statten, verglichen mit anderen Welten. Nur sein eigenes Spiegelbild blickte ihn undeutbar und nachdenklich aus dem schwarzen Glas heraus an. „ Hintergangen. Ausgenutzt. Man denkt nicht an solche Sachen, bis sie passieren.. doch danach.. verändert sich alles. Man kann nicht mehr vertrauen, man wehrt alles ab und erschafft sich lieber einen Panzer, um sich zu schützen.. oder wie du es sagen würdest... er nimmt ein Schwert in die Hand.
 

Die zerbrochenen Flügel sind Ideale wie Vertrauen, Wahrheit oder Mut. Deswegen warnt der Dichter davor sie zu berühren... denn dann kann der Engel nie mehr fliegen... doch es ist ironisch.. denn gerade durch die ‚Verführung’“, Fye sprach das Wort so verächtlich aus, dass es Kurogane kalt den Rücken herunterlief. Er hatte den Magier noch nie so sprechen hören.

„brechen die Flügel.
 

Er bricht den Engel ohne ihm ins Gesicht zu sehen.. hinterhältig von hinten, nachdem er ihn überrumpelt hat. Sie wird von nun an immer in Angst leben...Wie heißt es so schön ?
 

‚Gebranntes Kind scheut das Feuer’ ?“
 

Wieder entstand dieses unangenehme Schweigen zwischen ihnen, doch nicht für lange.
 

“Und was hat das jetzt mit dir zu tun?“
 

„Verrat“, endlich ließ Fye das Leinen los und sah in Kuroganes Richtung, jedoch ohne ihn direkt anzusehen. „Für mich steht diese Vergewaltigung für Verrat.

Es klingt zu banal, um so etwas wirklich mit Verrat zu vergleichen aber innere Verletzungen können die Schlimmsten sein... und das sehe ich in dem Gedicht, so oft ich es auch lese.

Vertrauen und Ideale von hinten zerrissen, benutzt, ausgenutzt, obwohl man hilflos war und geweint und gefleht hat. Obwohl man ein Engel war...
 

Und der Täter sieht weg und macht sich vor das Richtige getan zu haben.“
 

“Lass mich raten, es geht um dich und diesen König, den du versiegelt hast.“
 

“Kuro-pii ist also doch aufmerksam!“ Doch Fye wurde schnell wieder ernst, falls er es nicht die ganze Zeit gewesen war.
 

“Ja, ich habe ihn verraten, obwohl ich der einzige Mensch war, dem er vertraute. Wir kennen uns schon seit wir geboren wurden.. [4] und trotzdem fiel es so unglaublich leicht ihn zu verraten und zu verbannen.. Ich dachte es rechtfertigen zu können, doch jetzt komme ich mir genau so falsch vor wie dieser Kerl..“
 

Der Ninja atmete schwer aus, schwieg aber.
 

“Jetzt verachtest du mich wohl noch viel mehr.“
 

“Ja.
 

Aber nicht wegen des Verrates, wenn du ihn wirklich so treu ergeben warst, wie du immer behauptest, dann hattest du wirklich deine Gründe, warum solltest du sonst freiwillig das Leben eines ewigen Flüchtlings gewählt haben?“
 

“Warum dann?“
 

“Weil du tatsächlich glaubst, durch Ignorieren und Weglaufen wird irgendetwas besser. Warum hörst du auf zu kämpfen? Wenn du nicht aufgibst, kannst du auch ohne Weglaufen leben. Ich habe viele getötet aber wen ich schützen will, den beschütze ich und ich bin froh, dass ich wenigstens das kann. Du gibst zu leicht auf und vertaust nicht einmal dir selbst.“
 

Ernst fixierten ihn blaue Augen, aber nur einen Moment, um dann wieder unruhig zum Fenster und ihrem Spiegelbild abzuschweifen.
 

„Tja, gebrannte Kinder scheuen das Feuer und gefallene Engel bewaffnen sich, Kurogane. Wenn es vielleicht anders wäre, müsste ich nicht so ignorant sein und könnte mich vielleicht irgendwann wieder damit beschäftigen, dass irgendwo ein Engel fällt. Aber momentan nicht, auch wenn du mich dafür hasst...Ich hab meine eigenen Probleme und ich werde auf meine Art mit ihnen fertig.“
 

Mit einem Ruck erhob der Magier sich aus dem Sessel und ging an dem Ninja vorbei zur Eingangstür, die direkt an den Raum grenzte.
 

“Und warum hast du mir das Ganze jetzt überhaupt erzählt?“
 

“Purer Egoismus.

Den Kindern oder Mokona kann ich so etwas schließlich nicht unterbreiten und es muss raus aus meinem Kopf.“ Der anschließende Gedanke blieb unausgesprochen. ‚ Und außerdem hörst du zu.’
 

Kalter Nachtwind wehte in das Zimmer und ließ die beiden Jüngsten im Raum vor Kälte erschaudern, als Fye die Tür nach draußen öffnete. Ein dumpfer Knall und das kleine dünne Buch landete im Mülleimer. „Ich mach einen Spaziergang, Kuro-kuro. Die Nacht ist sooo schön.“
 

Dieser fröhliche Ton war gerade so unpassend, dass ihm schlecht wurde und ein kurzer Blick zum Fenster bestätigte Kuroganes Vermutung, dass es alles andere als eine schöne Nacht, sondern eine windige Herbstnacht, war.
 

“Viel Spaß beim Weglaufen.“
 

Und die Tür schloss sich mit einem leisen Klacken.
 

_ende_
 

[1] Ja, damit ist Sakura gemeint

[2] Aus Shakespeare- der Sturm

[3] Aus Shakespeare- Hamlet

Ist es nicht seltsam? Ich habe die Seiten nur zufällig aufgeschlagen und bei Hamlet zu irgendeiner Szene geblättert, die ich damals mochte und dann kommt gleich eine Stelle, die wie perfekt zu Fye passt.
 

[4] Im Mittelalter war es nichts ungewöhnliches, dass ranghohe Diener und Königskinder die selbe Amme hatten. Vielleicht gab es einfach nur sehr wenige? Ich dachte in Fyes Welt ist das einfach auch so.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Florentina
2009-01-23T21:41:32+00:00 23.01.2009 22:41
okay..
also ich finde deine Geschichte/ Interpretation sehr gut.. ich hatte etwas ganz anderes im kopf... -als ich das Gedicht zum erstem Mal gelesen habe- …
etwas viel einfacheres… ich weiß auch nicht, anscheinend hab ich mich von der Wortwahl zu sehr ablenken lassen, als das ich mich eine wirkliche, tiefere Bedeutung einstellen konnte…
wie gesagt ich finde es schön..
vor allem die vielen Details und Kleinigkeiten die du mit einbezogen hast…
-vor allem das so im raumstehende Ende finde ich super..-
doch muss ich zugeben, mich verwirren die vielen Namen.. ich kennen deine Charakteren nicht.. und daher glaube ich, es wäre mehr für die breite Masse geeignet wenn du einfachere Charakteren genommen hättest.. aber wer weiß, vielleicht irre ich mich und es sind genau diese, die dich zu so einer Geschichte veranlasst haben....
also kann ich nur sagen. mach weiter so...^^
(^.^)v

Von: abgemeldet
2008-01-29T20:47:21+00:00 29.01.2008 21:47
Geniales Ende^-^ !
Tolle Thematik(klasse Ideen!), einfach mega toll und schön zu lesen! *In Favo Kiste pack*

Von: abgemeldet
2007-01-15T17:47:56+00:00 15.01.2007 18:47
Was? Nur ein Kommentar, sehe ich richtig? O.o
Eine tolle Fanfiction. Ich liebe alle deine FFs, aber diese ist mein persönlicher Favorit^^
Von: abgemeldet
2006-06-25T11:44:23+00:00 25.06.2006 13:44
Legst du es eigntlich darauf an, mich sprachlos zu machen?
Tolle ff, also dieses Gedicht... wusste gar nicht, dass Brecht so was geschrieben hat.


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