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Desert Nights

von

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Der Tag der Hinrichtung

So, ich bin aus dem Urlaub zurück und kann wieder was hochladen! Nun also das zehnte Kapitel, das Aufschluss darüber gibt, ob Yami und Bakura sterben oder nicht...(nee, selber lesen, ich schweige wie ein Grab!)
 

Zehntes Kapitel: Der Tag der Hinrichtung
 

Tristan erfuhr es von Duke und Dartz wiederum von Allister, bis sich die schreckliche Nachricht im gesamten Harem verbreitet hatte: Die beiden vielgeachteten Favoriten Yami und Bakura sollten exekutiert werden! Die Sultanin-baschi hatte diese erschütternde Botschaft unlängst den drei Gemahlinnen und den Konkubinen hinterbracht und Ishizu war zutiefst entsetzt. Nachdem Leila ihr aber schweren Herzens versichert hatte, dass selbst ihre Bemühungen, für die beiden Gnade zu erwirken, auf taube Ohren gestoßen waren, obwohl sie doch die Königinmutter war, sank die Schwarzhaarige auf ihrem Diwan zusammen und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Sie empfand durchaus Zuneigung für Seto und hatte, da sie andere Seiten an ihm kannte, nie gelernt, seine Grausamkeit zu akzeptieren. Das war.... grauenhaft! Natürlich traf den Fürsten dieser Verrat besonders bitter, da er dem Japaner und dem Russen sein Vertrauen geschenkt hatte, aber deshalb konnte er doch nicht....?! Sie hob ihre Augen, in denen Tränen schimmerten und blickte der älteren Frau flehend ins Gesicht, doch diese schüttelte nur traurig den Kopf. Ja. Er konnte....und er würde.

Auch Joey wurde davon in Kenntnis gesetzt und erschrak furchtbar. Er packte Marko, der ihm alles erzählt hatte, an den Oberarmen und rüttelte ihn wie eine Puppe. „Ist das wahr? Ist das wirklich wahr!?! Der Sultan hat befohlen, sie zu töten!?! Das....das kann er unmöglich tun!! Bedeuten ihm die beiden denn gar nichts?!?!"

„Gerade das macht ihren Betrug umso schmerzlicher für ihn, mein Freund", widersprach der Italiener und löste sich aus dem Griff des Blonden. „Genau deshalb muss er ein Exempel statuieren. In drei Tagen ist es soweit und bis dahin werden sie im Gefängnis schmoren. Seine Majestät hat Yami zwar angeboten, ihn zu verschonen, wenn er sich für sein Verbrechen entschuldigen würde, aber er hat abgelehnt."

„Selbstverständlich hat er abgelehnt!! Was ist das denn schon für ein halbgarer Vorschlag?! Er soll sich für etwas entschuldigen, dass in seinen - und meinen - Augen kein Verbrechen ist, nur um seine eigene Haut zu retten, während man Bakura zum Schafott schleppt?! Er hat doch nicht ernsthaft geglaubt, dass ein Mann wie Yami, der aufrichtig und mit ganzem Herzen zu lieben vermag, sich auf diesen Handel einlässt?! Das gibt es nicht!! Wie wurden sie überhaupt entdeckt?! Ich dachte, kaum jemand wusste über sie Bescheid!!"

„Du klingst, als wärest du einer der Eingeweihten gewesen."

„Ich habe geschworen, sie nicht zu verraten!!" zischte der 22jährige gefährlich und Marko verwehrte sich sofort gegen diesen Verdacht.

„Nicht doch, ich meinte ja auch gar nicht, dass du schuld bist! Es ist wohl so, dass Odeon Farradji die beiden in flagranti erwischt hat. Das musste er natürlich dem Sultan melden, das ist seine Pflicht."

„Seine Pflicht!" höhnte der Engländer und fuhr sich hastig durch sein langes Haar. Schwerfällig setzte er sich auf sein Lager und starrte zornig die geschmackvoll bemalte Decke an. Natürlich war es korrekt, was Marko sagte, und soweit er den Oberaufseher einschätzte, war auch er betrübt über seine Entdeckung. Doch wie alle musste er sich dem Befehl des Sultans beugen. Er richtete sich wieder auf und holte das Päckchen mit dem Schmuck aus dem kleinen Kasten unter seinem Bett hervor, in dem ein Haremsmitglied seinen persönlichen Besitz - in der Regel Geschenke des Fürsten - verwahren konnte. Der Italiener pfiff bewundernd durch die Zähne, während Joseph das Geschmeide betrachtete und mit seinen Fingern leicht über das glänzende Metall strich. „Ich überlasse sie dir als Zeichen meiner Wertschätzung." Das waren seine Worte gewesen, die Worte eines Mannes, der später ein Todesurteil verhängt hatte! Er hätte die Ohrringe gerne getragen, aber nun warf er den einen, den er hochgehoben hatte, angewidert in den Stoff zurück und wickelte den Schmuck wieder ein. Nein. Nun konnte er sich nicht mehr darüber freuen.
 

„Ich will mit ihnen sprechen."

„Mit Yami und Bakura? Bist du verrückt?! Erstens wird das Gefängnis bewacht und zweitens ist es uns verboten, die beiden vor ihrer Hinrichtung zu sehen! Du wirst dir den Groll Seiner Majestät einhandeln!"

„Ich tue doch nichts anderes, seit ich hier bin. Außerdem ist seine Wut nichts, das mich erschrecken könnte. Und vor der Wache habe ich keine Angst. Ich mag zum Dritten Rang gehören, aber man sagt mir doch nach, dass ich Sultan-baschi werden könnte, nicht wahr? Ich werde also von diesem Ruf Gebrauch machen. Ich lasse mich nicht aufhalten!"

Er schlüpfte in seinen Serailmantel und seine Sandalen und lief davon. Als er den Ausgang des Bronzes-Ranges erreicht hatte, erklärte er den diensthabenden Eunuchen, er wolle ein wenig in den Gärten lustwandeln. Die Gärten waren der einzige Ort, an dem es keine rangspezifische Einteilung gab, jeder durfte sich dort frei bewegen und die Eunuchen fanden auch nichts Ungewöhnliches am Wunsch des Briten. Sie ließen ihn also passieren und Joey eilte in den Sonnenschein hinaus. Er lebte jetzt lange genug im Palast, um in etwa zu wissen, wo er die Gefängnisse suchen musste - nämlich im Ersten Innenhof, der noch zum Hauptbereich des Unteren Harems zählte. Einige von den Männern, die sich dort gerade aufhielten, wunderten sich sehr, weshalb wohl einer von den „Oberen", wie man sie nannte, zu ihnen gekommen war, aber der Blonde achtete nicht auf ihre neugierigen Blicke. Er hielt einen geschäftigen kleinen Pagen auf, der soeben ein Tablett mit Kaffee durch die Gegend balancierte und dieser wich ehrfurchtsvoll zurück, als er den dunkelblauen Mantel erkannte. Der Junge war schlichter gekleidet als die Diener des Oberen Serails und wirkte auch nicht so gepflegt.

„Was....was kann ich für Euch tun, Herr?" erkundigte er sich mit einem Fistelstimmchen, obwohl er mindestens vierzehn Jahre alt war und normalerweise hätte beginnen müssen, eine tiefere Stimmlage zu entwickeln, bis Joey einfiel, dass innerhalb des Harems natürlich auch die Pagen Eunuchen waren.

„Bring mich zu den Kerkern, Bursche. Ich will mit den Verurteilten sprechen!"

„Oh, das ist unmöglich, Herr!"

„Unsinn! Nichts ist unmöglich, wenn man es sich fest vorgenommen hat. Ich verspreche dir auch, dass du keinen Ärger bekommen wirst. Führe mich einfach hin, mit den Wachposten werde ich selbst reden. Was ist, worauf wartest du?"

Der Junge, dem es im Traum nicht eingefallen wäre, die Anordnung eines „Oberen" nicht zu befolgen, stellte sein Tablett auf einem Tischchen ab und geleitete den Engländer zu den Gefängnissen. Das Gebäude bestand aus Gemächern für die Wärter, die Zellen befanden sich im Untergrund und das Tor in die unterirdischen Gefilde wurde von zwei riesenhaften Soldaten bewacht, die grimmig dreinsahen und mit verschränkten Armen davor standen wie Statuen.

„Danke. Du kannst gehen, Kleiner." Er näherte sich den beiden Hünen und sofort versperrten sie ihm mit ihren Krummschwertern den Weg.

„Was wollt Ihr?" fragte der rechte Riese und befleißigte sich ein wenig der Höflichkeit, da er Joeys Status bemerkte. Er begriff zwar nicht, was ein Mann aus dem Oberen Harem hier tat, aber der Fremdling hatte sicher seine Gründe.

„Ich wünsche, mit Yami und Bakura zu sprechen."

„Den Verurteilten? Das ist ausgeschlossen!"

„Sagt wer?"

„Das ist die ausdrückliche Anweisung des Sultans."

„Schön. Dann teile ich euch mit, dass mich die Anweisung des Sultans herzlich wenig interessiert! Die beiden sind meine Freunde und niemand kann es mir verbieten, sie vor ihrem Tode noch einmal zu besuchen, verstanden? Tretet zur Seite!"

Als Eunuchen waren sie an das Gehorchen gewöhnt, aber trotz der Autorität, die in der Stimme des Blonden mitschwang, weigerten sie sich. „Das geht nicht, hört doch! Niemand darf zu ihnen, nicht einmal die anderen Favoriten! Da können wir bei Euch, der Ihr zum Bronze-Rang gehört, keine Ausnahme machen!"

„Mein Name ist Joseph, ihr Herren. Joseph Jay Wheeler. Ist er euch bekannt?"
 

Die Posten wechselten einen Blick. Obwohl selten etwas aus der höheren Ebene zu ihnen drang,

war dieser Name samt seines Rufes auch bis zu ihnen gelangt und ihre Sicherheit wurde erschüttert. Wenn das wirklich derjenige war, von dem man sich erzählte, er werde das Herz des Fürsten erobern, konnten sie sich ihm doch nicht widersetzen? Zumal er doch der Liebling von Odeon Farradji, des Oberaufsehers, war?

„Falls ihr eine Bestrafung fürchtet, ich werde euch nicht verraten. Bringt mich bitte zu ihnen! Diesen Wunsch könnt ihr mir nicht abschlagen."

Schließlich gaben sie nach. Der, der mit Joey gesprochen hatte, begleitete ihn in das Verlies hinunter und führte ihn zu der Zelle, in der die einstigen Favoriten schmorten. „Was immer Ihr ihnen zu sagen habt, beeilt Euch!"

Er betrat den finsteren Raum mit den dicken Wänden und die Tür flog hinter ihm ins Schloss. Es war düster, nur durch einen vergitterten Schacht, an dem man das eine oder andere Paar Füße vorbei patrouillieren sah, fiel ein schmaler Lichtstrahl auf die Männer, die auf ihrem Lager aus Stroh lagen und sich umarmten. Sie richteten sich auf, als jemand zu ihnen kam und verwundert erkannten sie den Briten.

„Joey! Wie kann das sein? Was machst du hier?"

„Ich bin gekommen, um mich selbst von dem himmelschreienden Unrecht zu überzeugen, dass man Euch zufügt, Yami. Keiner von Euch hat es verdient, für seine Liebe geopfert zu werden! Ich kann nicht fassen, dass er so etwas tut!"

„Es war uns immer klar, dass wir eines Tages einen hohen Preis für unsere Gefühle würden zahlen müssen", erklärte Bakura ruhig. „Was bleibt uns, außer, das Unvermeidliche geduldig zu erwarten? Uns kann niemand mehr retten."

„Aber es passt doch gar nicht zu Euch, Euch einfach zu....zu fügen!"

„Das mag schon sein, aber welchen Widerstand können wir einem Todesurteil entgegensetzen? Es wird vollstreckt. So ist das eben." war die nüchterne Antwort des Japaners.

„Das kann nicht Euer Ernst sein! Nein! Es ist einfach nicht gerecht, dass ihr für Eure Liebe sterben sollt! Ich kann nicht glauben, dass er so herzlos ist!"

„Du kannst es nicht glauben, weil du es nicht glauben willst. Das erstaunt mich nicht. Ich könnte diese Vorstellung auch nicht ertragen, wenn sich der Mann, den ich liebe, so verhielte."

Der 22jährige starrte ihn bestürzt an, er entschlüsselte nur langsam den Sinn dieser Worte. Auf seinem schönen Antlitz breitete sich jedoch anschließend ein solcher Ausdruck des Zorns aus, dass Yami schon befürchtete, zu weit gegangen zu sein.

„Wie könnt Ihr es wagen, das zu behaupten?! Ihr denkt, dass ich den Sultan liebe?! Ganz gewiss nicht!! Ihr irrt Euch! Wie könnte ich ihn lieben, er...."

„....er hat ein Herz, Joey. Und ich weiß, dass du dieses Herz ergründet hast, besser jedenfalls, als es je einem Mann gelungen ist. Ich kenne ihn wahrscheinlich nur halb so gut wie du, obgleich ich schon Jahre hier bin. Aber das ist nur logisch, denn ich bin nicht der Eine für Seine Majestät. Mir hat er vertraut, aber nie sosehr wie dir. Und nun ist auch dieses Vertrauen in sich zusammengestürzt. Aber ich bin nicht traurig, da ich weiß, dass er jetzt dich an seiner Seite haben wird. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass er dich liebt."

„Nein....schweigt! Ich will es nicht hören! Ich liebe ihn nicht - und er mich auch nicht! Wenn dem so wäre, würde er Euch nicht töten!"

„Weil er uns vertraut hat, ist unser Betrug noch schmerzlicher und verletzender für ihn", erwiderte der Russe überzeugt. „Persönlicher Schmerz ist etwas, dass den Sultan am schwersten trifft und dementsprechend hart fällt seine Strafe aus."

„Trotzdem....ich kann das nicht dulden! Ich kann es einfach nicht! Ich werde verhindern, dass Ihr sterbt! Ich weiß noch nicht, wie, aber ich werde es nicht zulassen! Ich verspreche, Euch zu retten!" Damit klopfte er an die Kerkertür, sie wurde geöffnet und er verschwand.

„Es ist schon seltsam...." murmelte der Bunthaarige lächelnd.

„Was meinst du?"

„Wie zuversichtlich ich mich plötzlich fühle. Joey ist wild entschlossen. Wenn es einen gibt, der unseren Tod verhindern könnte, dann ist das wohl er. Mit ihm haben wir vielleicht ein bisschen Hoffnung, Liebster. Ich glaube an ihn."
 

Seto ab-del Kaiba befand sich in seinem Arbeitszimmer und brütete über einem Handelsvertrag mit Frankreich. König Louis XIV. würde für ihn einen dankbaren Partner darstellen, denn Marokko hatte Seide zu liefern, auf welche die Franzosen absolut versessen waren. Allerdings müsste er zu diesem Zweck einen Botschafter nach Versailles entsenden und sein zuverlässigster Mann weilte zur Zeit auf dem Sklavenmarkt in Kandia (das heutige Kreta), um seinen Haushalt mit erstklassigen Sklaven zu bereichern. Außerdem war da noch die bevorstehende Exekution....Ach, das war zu bitter! Warum ausgerechnet Yami und Bakura? Bei zwei anderen wäre er enttäuscht gewesen, aber nicht so tief verletzt.

„Bedrückt Euch etwas, Euer Hoheit?" erklang die sanfte Stimme von Siegfried, der sich aus freien Stücken erboten hatte, ihn ein wenig von seinem Kummer abzulenken. Er lag in einiger Entfernung zum Arbeitstisch auf einem blauen Diwan, hatte seinen Kopf auf die im Nacken verschränkten Arme gebettet und dehnte seinen geschmeidigen Körper mit beinahe schamlos-wollüstigen Bewegungen, die Bilder einer zukünftigen Szene heraufzubeschwören schienen. Sein langes Haar umschmeichelte seine Gestalt dabei aufs vortrefflichste und der reizvolle Anblick veranlasste den Monarchen tatsächlich, sich von dem Vertrag loszureißen und die Augen zu heben.

„Es....es ist nichts." antwortete er. Wäre Joey bei ihm gewesen, er hätte ihm seinen Schmerz anvertraut, aber bei Siegfried lagen die Dinge anders. Sicher war er schön und anziehend, aber dem Vergleich mit dem Briten konnte er nicht standhalten. Der Herrscher nahm ihn als das, was er zu sein beabsichtigte: Eine Ablenkung, nicht mehr und nicht weniger.

„Ihr dürft Euch wegen Eurer untreuen Favoriten nicht so grämen, mein König. Es mag Euch quälen, aber Ihr könnt mit Euch zufrieden sein, da Ihr die richtige Entscheidung getroffen habt. Andere werden sie ersetzen und Euer Herz wird Linderung erfahren. Sorgt Euch nicht länger. Ihr seid im Recht, vergesst das nicht."

>>Warum fühle ich mich dann unerklärlicherweise dennoch im Unrecht? Yami und Bakura haben das wichtigste Gesetz des Harems übertreten und mir eine vernichtende Kränkung zugefügt. Warum sollte ich Gnade walten lassen? Es gibt keinen Grund dafür! Aber irgendetwas ist da in mir, das an mir nagt und mir keine Ruhe lässt....<<
 

Siegfried hatte sich erhoben und schickte sich an, die verspannten Schultern des Sultans zu massieren. Er war begabt darin und verstand es, durch seine verführerische Ausstrahlung und seine talentierten Hände das Begehren zu wecken, das ihm zu seinem Aufstieg verhelfen sollte. Umso überraschter war er, als Seto die Massage unterbrach und sagte: „Danke, aber das ist nicht nötig. Du kannst dich zurückziehen. Ich möchte allein sein."

„Wie....wie Ihr wünscht, Euer Hoheit."

Verärgert entfernte sich der gebürtige Schwede und kehrte zum Silber-Rang zurück. Eigentlich hatte er sich das anders ausgemalt....schließlich definierte man die Ablenkung, die der Sultan sich wünschte, in der Regel als intimes Beisammensein. Nun gut, so würde er eben auf eine andere Gelegenheit warten, die Leidenschaft des Monarchen zu entfachen! Er zweifelte nicht, dass ihm dies gelingen würde, doch als er Joey auf dem Korridor begegnete, den dieser mit stolzen Schritten durchmaß, stieg ein unklares Gefühl der Angst in ihm auf. Der Blonde kannte ihn nicht und verneigte sich daher respektvoll, wie man es von einem Rangniederen erwartete, der einem Höhergestellten über den Weg lief. Siegfried hatte bisher nicht die Möglichkeit gehabt, den Engländer so nah vor sich zu sehen und als er nun seiner ansichtig wurde, überkam ihn eine Woge der Eifersucht und des Neids. Es stimmte, seine Haltung war erhaben und unvergleichlich....und sein Körper....vollkommen und edel, von einer natürlichen Sinnlichkeit durchdrungen, die man nicht oft fand. Sein Haar leuchtete in der Farbe des Goldes und schimmerte gesund und kraftvoll. Jeder, der einen Blick auf diese Pracht erhaschte, musste das Bedürfnis verspüren, diese blonden Flechten zu berühren. Seine Lippen waren voll und makellos geformt und seine Augen loderten in einem verschlingenden Feuer, das wie dafür geschaffen schien, selbst einen heißblütigen Sultan zu unterjochen.

>>Ich habe von seiner Schönheit reden hören....aber dass er tatsächlich so schön ist, hätte ich nicht gedacht. Dieser Mann weiß, was er will und das ist eine Eigenschaft, die mir gefährlich werden könnte. Ich werde aufpassen müssen....Falls er es wagen sollte, mir in die Quere zu kommen, wird er es büßen!!<<

Der Brite ahnte nichts von diesen feindseligen Gedanken. Er suchte sein Gemach auf, das er sich mit Dartz, Marko, Raphael und Shadi teilte und ließ sich vor ihren Augen seufzend auf sein Lager sinken.

„Konntest du zu ihnen vordringen?" erkundigte sich der Rangsprecher und der Blondschopf nickte. Seine Freunde tauschten einen vielsagenden Blick, der ihre Bewunderung für ihn verriet und der Türkishaarige fuhr fort: „Wie geht es ihnen? Haben sie Angst?"

„Nein. Sie sind vollkommen ruhig. Wenn sie sich fürchten, so zeigen sie es nicht. Wie auch? Ihr kennt Yami und Bakura, sie sind großartige Männer von starkem Charakter. Sie wussten immer, dass es eines Tages so enden könnte. Dennoch....ich kann das nicht hinnehmen! Sie dürfen einfach nicht sterben! Ich will es nicht!"

„Denkst du, es spielt eine Rolle, was du willst?" mischte sich Raphael ein und seine Stimme klang resigniert. „Der Sultan ist der Herr, sein Wort ist Gesetz. Was er sagt, geschieht. Wie könnten wir seine Entscheidung ändern, jetzt, da er sie getroffen hat?"

„Ich weiß es nicht....aber ich werde es nicht akzeptieren! Wie kann er so etwas tun?! Ich dachte, ich würde ihn endlich begreifen....und doch scheint mir sein Herz immer noch verschlossen zu sein. Warum bloß....?"

Shadi machte den anderen ein Zeichen, ihn mit Joey allein zu lassen und die drei Männer entfernten sich. „He, warum sind sie gegangen?"

„Ich habe ihnen bedeutet, uns zu verlassen. Und nun sieh mir in die Augen und sage mir, weshalb dich das Verhalten des Sultans so enttäuscht?"

„Enttäuscht? Das ist wohl kaum die richtige Bezeichnung. Ich bin entsetzt, aber nicht enttäuscht. Wieso sollte ich es auch sein?"
 

Der Ägypter erhob sich und postierte sich vor dem Jüngeren, der ihn verwirrt musterte. Die saphirblauen Augen in diesem braungebrannten Gesicht riefen ihm die Augen des Fürsten ins Gedächtnis und er biss sich zornig und traurig zugleich auf die Lippen.

„Ja, du bist entsetzt, wie alle hier. Aber du bist auch enttäuscht - weil Seine Majestät erneut beweist, wie wenig er doch von der Liebe versteht. Es verletzt dich, weil er sich dir geöffnet hat und nun plötzlich wieder sein Herz hinter einer Mauer verschanzt. Ich glaube, dass es dir gelungen ist, den Menschen kennen zu lernen, der er ist, nicht einfach nur den Monarchen. Und ich glaube...." Er hielt inne, als besinne er sich, ob es klug wäre, fortzufahren. „....Nein. Ich weiß es. Ja, ich weiß es. Ich weiß, dass du ihn liebst."

„Was?! Das hat Yami bereits behauptet! Was soll dieser Unsinn! Jemanden wie ihn kann man nicht lieben! Er ist ein gefühlloser, grausamer, verbohrter...." Noch während er sprach, fiel Joey ein, dass Seto ab-del Kaiba keineswegs gefühllos war, er hatte nur nie gelernt, richtig damit umzugehen. Mit dem Prinzip der Grausamkeit war er aufgewachsen. Wer ihm zuwiderhandelte, wurde bestraft. Er kannte es nicht anders. Aber was er dafür nicht kannte, war die Liebe. Lust und Begierde waren ihm nicht fremd, aber das Gefühl, das diesen Dingen zugrunde liegen konnte, war Neuland für ihn, das er nicht zu entdecken wagte. Aus Angst? Aus Stolz? Aus Wut? Dass er selbst den Sultan begehrte, war ihm schon seit geraumer Zeit klar. Doch Liebe?

>>Meine Augen suchten ihn stets, wenn ich einen flüchtigen Blick auf ihn zu erhaschen glaubte....Ich finde ihn wunderschön und wenn ich ehrlich bin, habe ich unsere Streitereien und Auseinandersetzungen immer sehr gemocht, ganz einfach deshalb, weil er sich nie von mir einschüchtern ließ wie so viele andere meiner Verehrer. Die meisten von ihnen haben es irgendwann aufgegeben, mir den Hof zu machen, aber der Sultan....er will mich um jeden Preis zähmen, mich erobern. Ich schätze seine Beharrlichkeit durchaus. Ich hasse ihn auch nicht. Dennoch....was ist es, das ich fühle? Seine Nähe vermag mich zu berauschen, ich leugne es nicht. Ständig grübele ich über ihn nach....mache mir Gedanken, die nirgendwo hinführen und fange doch jedesmal wieder von vorne an. Die Leidenschaft seiner Küsse....und das Treffen in dem Kabinett, das viel intimer war, als es eine gemeinsame Nacht hätte sein können....die Tatsache, dass er mir anvertraut hat, auf welche Weise ihm die Liebe vernichtet wurde....sein herrlicher Gesang und der Schmuck, den er mir als Zeichen seiner Wertschätzung geschenkt hat, ohne etwas von mir zu erwarten....Gott, wenn du mich noch nicht im Stich gelassen hast, dann sage mir, was ich empfinde! Die Sehnsucht, die ich verspüre, wenn er fern von mir ist....mein hilfloser Zorn, weil ich ihn wieder einmal nicht begreife, obwohl ich es mir sosehr wünsche und ich ihm wegen Yami und Bakura am liebsten den Hals umdrehen würde....und doch hoffe und bange ich darum, mich nicht in ihm getäuscht zu haben! Ich stehe hier und glaube immer noch, dass in seinem Herzen Gnade und Mitgefühl wohnen, auch wenn er es nicht zeigen will! Ich muss wohl verrückt sein....oder dumm. Habe ich mir tatsächlich eingebildet, gerade ich könnte diesen Mann ändern?! Trotzdem halte ich eisern daran fest, dass er sein Urteil einfach nicht vollstrecken kann! Was bin ich nur für ein Narr! Wieso sollte er es nicht tun? Könnte ich bloß....ach, ich weiß es nicht. Warum vertraue ich auf sein Herz, wo es doch unglücklich und verhärtet ist? Wo es doch verwundet wurde durch den Verrat zweier Menschen, denen er vertraute und die er in seinem Schmerz töten will? Ich ertrage das nicht! Ich kann seine Entscheidung nicht akzeptieren!! Er muss ein Einsehen haben....er muss - oder alles, was ich in ihm zu erkennen meinte, ist ohne Wert....!! Und das....wäre furchtbar....!<<
 

Shadi strich ihm behutsam über den Rücken. Der 22jährige Engländer stützte sich an einer Säule ab und atmete schwer, als fechte er einen inneren Kampf aus. Sein Herz klopfte heftig und schien sich schmerzlich zusammenzuziehen, je länger er schwieg und mit sich selbst diskutierte. Es konnte unmöglich wahr sein....aber wenn diese Vermutungen wirklich....? Hatten Yami und Shadi es als Vermutung ausgedrückt? Nein, mehr wie eine Tatsache. Er schüttelte wild den Knopf, während sich in seinem Inneren eine Tränenflut aufstaute, die seit dem Eintreffen der schrecklichen Nachricht über die Exekution bereits in ihm wogte. Stur wie er war, hatte er sie heruntergeschluckt, um stark bleiben zu können, doch nun brach sich sein Kummer Bahn. Der Japaner und der Russe waren seine Freunde, er konnte sie nicht sterben lassen....am allerwenigsten durch den Befehl des Mannes, den er....liebte....!?!

>>Das kann nicht sein....!! Ich wollte mich nicht in ihn verlieben! Mein einziges Ziel war stets, einen Fluchtweg zu finden, um zu meinen heimatlichen Inseln zurückkehren zu können. Ich will es nicht glauben! Ich kann es nicht! Habe ich nicht genug Schutzwehren um mich errichtet, um mich dagegen abzuschirmen?!<<

Shadi betrachtete ihn eindringlich und sagte schließlich: „Lass mich mal raten, was du denkst. Du fragst dich, warum ich diese Gefühle in dir sehe, obwohl du dich doch dagegen verwehrt hast, tiefere Empfindungen für ihn aufkommen zu lassen. Hör zu - so etwas lässt sich nicht vermeiden. Wenn es so sein soll, kann man der Liebe nicht widerstehen. Du wolltest dich nicht an den Fürsten binden lassen und hast dein Herz dazu gezwungen, sich von ihm abzuwenden, während du das seine hervorgelockt hast. Wenn irgend jemand diese Hinrichtung verhindern kann, bist du es....wenn du bereit bist, dir deine Gefühle einzugestehen und sie zu riskieren."

„Sie zu....riskieren?"

„Wenn Seine Majestät nicht so handelt, wie du es dir erhoffst, wirst du erkennen müssen, dass du dich in ihm geirrt hast. Das wird dich schlimmer treffen als jede körperliche Pein, die er dir zufügen könnte. Der Mensch, den du in ihm entdeckt zu haben glaubst, würde in sich zusammenfallen und nichts würde übrig bleiben als deine bittere Verzweiflung."

„....Was also rätst du mir?"

„Ich rate dir: Kämpfe um das, woran du glaubst - und rette die beiden! Du kannst es!"

Joey umarmte seinen Kameraden freundschaftlich und wischte sich verstohlen ein paar Tränen aus den Augenwinkeln. Er ahnte, dass die meisten Mitglieder des Harems hinter ihm stehen würden, sollte er ihrer Hilfe bedürfen und dies verlieh ihm neue Zuversicht. Er wusste zwar noch nicht, was er tun sollte, aber er würde diese Exekution verhindern!
 

Die drei Tage bis zu dem unheilvollen Termin vergingen rasch. In den frühen Morgenstunden wurde im Ersten Innenhof die Hinrichtungsstätte aufgebaut. Seto ab-del Kaiba erschien, begleitet von Odeon Farradji, das Gesicht zu einer harten, undurchdringlichen Maske erstarrt. Die Angehörigen des Oberen Harems mussten notgedrungen bei der todbringenden Zeremonie anwesend sein, denn sonst hatte es wenig Sinn, „ein Exempel zu statuieren", das allen in Erinnerung blieb. Der Fürst nahm auf einem Diwan Platz, der eigens für ihn dorthin gebracht worden war, hinter ihm stand der Oberaufseher, rechts und links wurde er von zwei Wachsoldaten flankiert. Mit einer herrischen Bewegung wies er in Richtung Gefängnis und einer der beiden Wächter enteilte, um die Verurteilten zu holen. Unterdessen bezogen die Henkersknechte ihre Positionen. Eine gespenstische Stille lag über der großen Versammlung und das lähmende Entsetzen, das auf der Menge lastete, war fast greifbar. Als sich plötzliches Gemurmel erhob, war es klar: Yami und Bakura waren angekommen. Sie waren bleich, aber ihren hocherhobenen Häuptern war keinerlei Furcht zu entnehmen. Synchron schritten sie hinauf zu dem Podest und knieten sich nieder. Ihre makellosen Oberkörper waren entblößt, nur schäbige Tücher waren um ihre Hüften geschlungen. Ihre Hände waren auf den Rücken gedreht und gefesselt. Der Oberaufseher des Serails entrollte ein Schriftstück in seinen Händen und las vor: „Auf Befehl Seiner Majestät Seto ab-del Kaiba, des Sultans von Marokko und Beherrscher der Gläubigen, ergeht folgendes Urteil für den Betrug an seiner Person, den die Favoriten Yami und Bakura zu verantworten haben: Tod durch Enthauptung!" Seine Stimme bebte. Nur wenigen Männern war es bisher gelungen, dem hünenhaften Odeon echten Respekt einzuflößen, und nun miterleben zu müssen, wie jene auf dem Schafott starben, denen dieses Meisterstück geglückt war, überforderte sogar sein sonst so unempfindliches Wesen. Der junge Monarch beobachtete die Treulosen während der Verkündigung und fand sich fassungslos und ungläubig konfrontiert mit ihrer unerschütterlichen Ruhe und Gelassenheit. Er verfolgte, wie Bakura seinem Geliebten einen zärtlichen Blick zuwarf, den dieser mit einem Lächeln erwiderte, das sowohl Trauer als auch eine seltsame Art von Heiterkeit in sich vereinte. Hatten sie keine Angst? Waren sie glücklich, weil sie gemeinsam sterben durften, wenn ihnen ein gemeinsames Leben schon nicht vergönnt war? Glücklich, im Moment ihres nahenden Todes?

>>Ist der Grund dafür....ihre Liebe?<< fragte er sich verwirrt. >>Finden sie ineinander den Beistand, den sie für diesen finalen Schritt benötigen? Kann die Liebe wirklich so stark sein? Ich werde das wohl nie selbst erfahren....<< Er erhob sich und rief: „Vollstreckt das Urteil!!"

Die Henker zückten ihre scharfgeschliffenen Schwerter mit den langen Klingen und reinigten sie zuerst rituell mit Wasser, bevor sie sich anschickten, ihre Arbeit zu tun. Die Geräusche verstummten, selbst der Wind hatte sich gelegt, als wolle er die grauenhafte Szene nicht unterbrechen. Das Paar senkte die Köpfe, bereit, die tödlichen Schläge zu empfangen. Sie hatten die Augen geschlossen und gedachten jedes einzelnen Tages, den sie miteinander verbracht hatten. Das Sausen der Klingen war zu hören. Zischend zerschnitten sie die Luft und....
 

"NEIN!!!!"

Die Henkersknechte hielten verblüfft inne. Yami und Bakura starrten zu ihrem Retter hinauf und der Sultan schoss aus seinem Sitz in die Höhe. Zwei Hände hatten die rasiermesserscharfen Klingen gepackt [1], ehe sie herniederfahren konnten, um weißes Fleisch zu durchtrennen. Blut rann in dicken Rinnsalen an seinen Armen herunter, während er zwischen dem Paar stand, mit einem Blick, dessen Intensität einem Sturm von ungeheuren Ausmaßen zu gleichen schien.

„Joseph!" stieß der Fürst erbost hervor. „Wie kannst du es wagen, dich einzumischen?!"

„Und wie könnt Ihr es wagen, so weit zu gehen?! Was haben sie sich schon zuschulden kommen lassen?! Dass sie sich ineinander verliebt haben?! Auch wenn sie Euch damit betrügen, ich werde das niemals als Rechtfertigung akzeptieren!! Ihr könnt ihnen ihre Gefühle nicht vorwerfen! Ihre Liebe zu verurteilen, heißt, die Liebe als Ganzes zu verurteilen! Und wisst Ihr was? Genau das ist der eigentliche Grund, warum Ihr sie sterben lassen wollt!! Euch geht es doch gar nicht um den Betrug, sondern um diese Liebe! Ist es nicht Euer Neid, der Euch dazu getrieben hat?! Sie besitzen etwas, das Ihr Euer Leben lang vermisst habt - sie wissen, was wahre Liebe ist!! Beantwortet mir eine Frage: Fühlt Ihr Euch im Recht!?!"

„Selbstverständlich!" erklärte der Sultan wider besseren Wissens. „Die Gesetze des Harems müssen befolgt werden! Wer sich nicht daran hält, wird bestraft! Das ist ein einfaches und zugleich äußerst wirkungsvolles Prinzip! Die Verurteilten wussten, worauf sie sich einließen, als sie ihre verbotene Liebschaft begannen! Nun, da sie entdeckt wurden, bleibt ihnen nur noch der Tod! Dies ist keine Zeit für Schwäche und Gefühlsduselei! Scher dich weg und lass die Henker ihre Arbeit verrichten! Ich lasse keine Gnade walten!!"

Zornige Saphire und wütende Topase funkelten einander an, die Spannung zwischen ihnen steigerte sich zu einem Inferno der Emotionen. Die Menge konnte fast mit ansehen, wie die beiden stolzen Männer und ihr Wille miteinander kämpften. Joey achtete nicht auf den Schmerz, der in seinen aufgeschnittenen Handflächen brannte, denn sein Herz litt viel mehr. Er glaubte nicht, dass es Seto mit seinen Worten ernst war. Es konnte nicht sein, dass er sich so in ihm getäuscht haben sollte! >>Es ist unmöglich, dass es geschieht....Ich könnte ihm nicht verzeihen....sie dürfen nicht sterben! Ich werde mich ihm zu Füßen werfen....<<

Noch bevor irgend jemand recht begriffen hatte, was er plante, verließ das Brite das Podest und näherte sich dem königlichen Diwan. Ehe ihn der Monarch daran hindern konnte, lag er vor ihm auf den Knien und umklammerte seine Beine. Das Blut seiner Wunden sickerte in den Stoff der Hose.

„Ich flehe Euch an, schont sie, Euer Hoheit. Ich bitte Euch! Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie, die meine Freunde sind, hingerichtet würden - durch Euren Befehl. Ich habe Angst, dass diese Tat....das Gefühl verändern könnte, das ich Euch entgegenbringe. Lasst nicht zu, dass es so weit kommt! Ihr habt ihnen vertraut und ihr Verrat hat Euch verletzt, das weiß ich!"

„Dann verstehe ich nicht, weshalb du hartnäckig darauf bestehst, dich für sie zu verwenden, wenn du es ebenfalls als Vertrauensbruch betrachtest!"

„Nein, das tue ich nicht. Gewiss haben sie das Eure gebrochen, aber wollt Ihr denn nicht sehen, dass sie machtlos dagegen waren?! Wie hätten sie ihre Gefühle kontrollieren können? Sie sind auch nur Menschen! Kann man von irgendeinem Menschen verlangen, seine Empfindungen zu verleugnen? Kann man jemanden dazu zwingen, sich nicht zu verlieben?! Kann man es ihm verbieten?! Sogar ich glaubte, dass das möglich wäre....als ich Euch begegnete, Euch kennenlernte und beschloss, Euch nicht in mein Herz zu lassen, weil mein Stolz und mein Zorn auf Euch sich dagegen aufbäumten. Und jetzt liege ich hier vor Euch und kann nichts anderes tun, als meine Niederlage zuzugeben. Ich habe gekämpft....und habe gegen die Liebe verloren. Ein Herz lässt sich nicht anketten oder einsperren! Yami und Bakura haben das Risiko auf sich genommen, entlarvt zu werden, sie waren bereit, die grausame Konsequenz ihrer Beziehung zu tragen, aber sie waren nicht dazu bereit, ihre Liebe zu opfern! Beweist mir, dass ich mich nicht in Euch geirrt habe! Zeigt Gnade, Euer Majestät!!"
 

Seto hätte ihn gerne zurückgestoßen, doch Joey umfasste ihn mit verzehnfachter Kraft. Er erwiderte seinen flehenden Blick nicht, ignorierte ihn sogar, aber er vermochte es nicht, dem bebenden Klang seiner Stimme zu widerstehen. Er war der Ansicht gewesen, dass nichts ihn erschüttern könne, doch die Geste des Blonden hatte ihn angerührt und tief bewegt, denn es war ihm immer undenkbar erschienen, dass Joseph je die Waffen strecken könnte. Und nun kniete der Stolze, der Unbezwingbare zu seinen Füßen.

„Lass diese Albernheit!" antwortete er in hartem Ton. „Dieser unnötige Altruismus [2] passt nicht zu dir und steht dir schlecht! Dass du dich für zwei Verurteilte dermaßen weit erniedrigst, ist eine Schande und wird dir ohnehin nichts nützen!"

„Und wie hätte ich mich verhalten sollen, um Euch zu gefallen? Bösartig? Unversöhnlich? Wenn es meine Freunde retten kann, so will ich meinen Stolz aufgeben und demütig zu Euch sprechen, denn wie könnte ich Euch sonst erweichen? Tötet sie nicht! Was vermögen wir denn gegen die Liebe? Sie ist zu groß, zu machtvoll, um ihr zu entgehen. Ich habe unendlich viel verloren, meine Heimat, meine Familie, meinen Titel, mein Vermögen, meine Ländereien....und meine Freiheit. Nehmt mir nicht auch noch das Recht, jenen zu helfen, die mir wichtig sind! Nehmt mir nicht meinen Glauben an Euch und an den Menschen, den ich in Euch entdeckt habe! Raubt mir nicht das letzte, das mir noch geblieben ist!!"
 

Ein Schluchzen würgte sich seine Kehle herauf und er biss sich auf die Lippen. Der König zuckte zusammen und es war ihm, als ginge ein Schwert durch sein Herz. In Allahs Namen, er weinte! Barsch befahl er: „Steh auf, Joseph! Ich kann dich nicht länger so vor mir sehen!"

Der junge Engländer erhob sich schwankend und musterte ihn verzweifelt. Waren all seine Worte, all sein Flehen umsonst? Seto ab-del Kaiba betrachtete ihn, aufgewühlt bis ins Innerste seiner Seele. Das goldene Haar fiel dem Jüngeren wirr in die Stirn und glitt wie ein Fließ über seine Schultern. Seine Wimpern waren feucht und seine Wangen von Tränenspuren gezeichnet.

Er hatte das Blut seiner Hände an seinem Haremsmantel abgewischt, Blut, das er für seine Freunde vergossen hatte. Seine braunen Augen schimmerten im Silber seiner Tränen. Selbst jetzt war er schön, überwältigend schön. Wie konnte er nur in ein und demselben Moment so stark und so schwach, so demütig und so anmaßend, so tapfer und so ängstlich sein? Es war wohl das Geheimnis seines Zaubers....und er musste sich diesem Zauber unterwerfen, wenn er nicht für alle Ewigkeit der Einsamkeit anheim fallen wollte. Die Stunde seiner Niederlage war gekommen. Die Wahrheit breitete sich vor seinem Geist aus wie ein Teppich, und er fühlte plötzlich, wie wehrlos er gegen diese Erkenntnis war, die nun in ihm aufstieg.

Er liebte ihn. Er LIEBTE ihn!

Ein Zittern durchlief ihn. Sein Blick kreuzte sich mit dem des anderen Mannes. Langsam hob er die Hand und er konnte förmlich hören, wie die Anwesenden den Atem anhielten. Er machte eine Bewegung und sagte: „Zerschneidet ihre Fesseln." Die Henker gehorchten und durchtrennten die Stricke. Ungläubig, erstaunt, standen der Russe und der Japaner auf und besahen sich ihre Handgelenke, als sei das alles nur ein Traum. Dann versanken ihre Augen ineinander und das Begreifen malte sich auf ihren Gesichtern ab. Yami fiel Bakura in die Arme und dieser presste ihn fest an sich, als wolle er ihn nie mehr loslassen. Odeon lächelte dankbar und trat an Joey heran. Dieser wagte noch gar nicht, an seinen Sieg zu glauben und ihn schwindelte. Verwirrt starrte er den Oberaufseher an, der sich vor ihm verneigte.

„Allah war mit mir, als er Euch erschuf. Ihr habt allen hier bewiesen, dass Ihr würdig seid, Sultan-baschi zu werden. Erlaubt mir, Euch meinen Respekt zu zollen, Goldjaspis."
 

Er verbeugte sich ein weiteres Mal, und der Engländer war überrascht, dass Farradji ihn ehrerbietig mit „Ihr" angesprochen hatte. Er hatte es geschafft....? Er hatte es wirklich geschafft, sie zu retten? Eine Welle des Glücks und der Erleichterung erfüllte ihn, als der Sultan eine Frage an ihn richtete: „....Du hast mir wieder einmal getrotzt, Schönster. Diese Dreistigkeit verdient wahrhaft eine Belohnung. Ich erlaube dir also, einen Wunsch zu äußern, der dir auch ohne Zögern gewährt werden wird. Was ist dein Begehr?"

„Einen....einen Wunsch?"

Seto räusperte sich und bemühte sich um eine gleichgültige Haltung, doch Joey bemerkte, dass sein ganzer Körper bebte, als wäre er im Begriff, etwas zu tun, dass all seine Kraft kosten würde. „Wie genau meint Ihr das, mein Fürst?"

„Sehnst du dich nicht nach deiner Heimat? Wolltest du nicht fort von hier? Wenn es dein Wunsch ist, so will ich...." Er unterbrach sich kurz und jeder konnte erkennen, wie er mit sich selbst rang, das erste Mal in seinem Leben bezwungen von seinen Gefühlen. „....so will ich dir die Freiheit schenken und dich zum Hafen bringen, damit du dich einschiffen kannst."

Es war mucksmäuschenstill nach dieser Ankündigung. Der Brite war unfähig, irgendwie auf dieses Angebot zu reagieren, es schien, als wäre er gelähmt. Sein Herz begann, rasend zu klopfen. >>Er würde mich freigeben? Er bietet mir die Möglichkeit, nach England zurückzukehren? Er will....er will, dass ich glücklich bin. Nichts anderes können seine Worte bedeuten! Aber das....er würde das nie tun....niemals! Es sei denn....oh Joey, was bist du für ein Narr!! Es sei denn, er liebt mich! Weshalb sonst würde er dieses Opfer bringen? Für ihn wäre es eines....das schwerste Opfer überhaupt! Er ist bereit, mein Glück über das seine zu stellen! Das nimmt doch kein Mann auf sich, wenn er nicht von Herzen liebt!<<

„Euer Hoheit....tatsächlich habe ich einen Wunsch. Gebt Yami und Bakura ihren alten Status zurück und nehmt sie wieder im Harem auf."

„....Was? Du entscheidest dich für sie und nicht für deine Freiheit? Aber war das nicht das, was du wolltest? Wonach du dich sehntest?"

„Doch. Aber da ist noch etwas, nach dem ich mich sehne. Ich weiß es - jetzt. Hätte ich nicht verstanden, so wäre ich vielleicht gegangen. Nun nicht mehr. Ich kann....Euch nicht verlassen. Gestattet mir bitte, mich zurückzuziehen. Ich bin erschöpft."

„Gewiss, natürlich. Odeon wird dich begleiten und dir einen Arzt schicken, der sich um deine Wunden kümmert." Joey vollführte eine Reverenz und Odeon geleitete ihn zum Eingang des Palastes. Das ehemals zum Tode verurteilte Paar war von dem Podest heruntergestiegen und eilte auf den Blondschopf zu. Er konnte in ihren Gesichtern ablesen, dass sie ihm unendlich dankbar waren und er schenkte ihnen ein zufriedenes Lächeln.

„Na? Habe ich Euch nicht versprochen, dass ich Euch retten würde?"

Sie fanden keine Worte. Statt dessen umarmten sie ihn gleichzeitig, und er drückte sie an sich. Yami flüsterte ihm ins Ohr: „Wir können das nie wieder gutmachen, mein Freund. Du hast nicht nur unser Leben bewahrt, sondern auch unseren Status für uns zurückgewonnen, obwohl du die Freiheit hättest wählen können! Ich danke dir....ich danke dir....!"

Bakura sagte nichts, seine Umarmung war beredt genug. Es war untypisch für ihn, bei anderen als seinem Geliebten auf Körperkontakt zu setzen, um seine Empfindungen zu vermitteln, aber in Anbetracht der besonderen Situation....Da kamen Duke und Marik auf sie zugelaufen. Sie fielen abwechselnd dem Weißhaarigen und dem Asiaten um den Hals und der Amerikaner erklärte schließlich, klar vernehmbar: „Du hast uns einen Dienst erwiesen, für den es keine Beschreibung seines Wertes gibt. Keiner von uns war mutig genug, um zu tun, was du vollbracht hast. Du hast dir unsere Treue, unsere Bewunderung und unseren Respekt erworben, vergiss das nicht. Nicht du bist es, der sein Haupt beugen muss."
 

Die vier Favoriten verneigten sich vor ihm und Joey wusste kaum, wie ihm geschah. Zutiefst bewegt durch diese Geste, ließ er sich von Farradji fortführen, um seine Verletzungen versorgen zu lassen. Der Sultan blickte ihm nach. In seiner Seele brannte dieser eine Satz, den der Jüngere geäußert hatte: „Ich kann Euch nicht verlassen." Er blieb um seinetwillen. Er blieb um seinetwillen....! Schwerfällig sank er auf seinen Diwan und bettete eine Hand auf seiner Brust, in der sein Herz pochte, schnell und hastig, als müsse er jede Sekunde um sein Leben rennen.

>>Oh Allah, hast du ein Einsehen? Lässt du mich endlich jene Liebe erfahren, die mir bisher versagt geblieben ist?<<

Von einem Balkon aus hatte Leila-Satis das gesamte Spektakel beobachtet. Tränen hingen in ihren Wimpern und sie betete voller Inbrunst zu Allah, dass er Joseph zu ihnen gesandt hatte. „Mein Sohn", murmelte sie versonnen, „....ich hatte einst befürchtet, du würdest für immer der Liebe nachjagen, ohne sie in ihrer wahren Natur kennen zu lernen. Ich dachte, dein Herz würde sich weiter verhärten, bis nichts dich mehr berühren könnte....Ich war nie glücklicher, mich geirrt zu haben."
 


 

[1] Nicht, dass Ihr meint, Joeys Hände müssten durchtrennt sein, wenn er die scharfen Schwerter anfasst. Er fängt sie am Schwertschaft ab, das ist die stumpfste Stelle einer Klinge. Wenn man dort zupackt, schneidet sie nicht bis auf die Knochen.

[2] Altruismus: Selbstlosigkeit



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Kommentare zu diesem Kapitel (22)
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Von:  jyorie
2013-07-19T23:15:37+00:00 20.07.2013 01:15
Hey ^_^

Das war cool, wie Joey so forsch in den Kerker eingedrungen ist und mit yami und Bakura reden wollte :)

Ich hatte ja vermutet, nachdem er Begriffen hat, das er den Sultan liebt, das er sich selbst auf den Podest stellt und sagt, wenn man wegen dem Verbrechen "liebe" sterben muss, das sie ihn dann als erstes enthaupten müssten ... Aber deine Version war eindrucksvoller >.<

Schön, das die beiden gerettet sind :)

CuCu Jyorie

Von:  Swaja
2007-02-05T14:43:59+00:00 05.02.2007 15:43
Ach, verdammt. Ich hasse es in solchen Momenten zu heulen! Macht sich vor allem dumm, wenn man gerade in der Schule sitzt und gleich zur Nachhilfe muss. Aber meine Vorhersehungen haben sich zum Glück bestätigt. Joey hat sie gerettet. Ein wunderschönes Kapitel, das Beste. Joey hat Seto seine Liebe gestanden, Yami und Bakura sind gerettet. Nun muss man nur sehen, wass Seto und Joseph aus der ganzen Sache machen.
Von: abgemeldet
2006-09-29T22:53:11+00:00 30.09.2006 00:53
Schande......Schande über mich
*kopf auf tischplatte hau*

Wie kann ich so eine ff übersehen??
*nochmal kopf auf tischplatte hau*
Ich meine die is so.............mir fehlen die Worte ich weiss echt kein wort wie ich das beschreiben soll!!
*überleg*
Supimegahammergeil ist da noch untertrieben!
Also ich muss ehrlich sagen deine ff hat mich bis jetzt am allermeisten gefesselt und nebenbei auch zum heulen gebracht und allein das is schon ein wunder
*smile*

Du beschriebst die Gefühle so toll und dein plot....... hör mal der is auch nich von schlechten eltern. Mal ehrlich du hast da was super tolles geleistet mach bloss weiter so ich find deine FF so toll dafür gibst keine worte mehr.
Tut mir leid is glaub ich ein sch****+ Kommi aber wie gesagt ich weiss nich was mein Hirn nach so ner tollen ff noch zur stande bringt^^

Bis zum nächsten Kappü

Ryuichi
Von:  DrayDray
2006-09-20T19:53:00+00:00 20.09.2006 21:53
ich habe zwar nicht viel zeit zum lesen aber endlich bin ich dazu gekommen das zehnte kapi zu lesen und soll ich dir was sagen: ich weine! ich eine junger mann mit 18 jahren weine! die geschichte ist einfach einsame spitze und dein schreibstil natürlich auch! dickes fettes lob von meiner seite. mach weiter so!

LG
Cloud__Strife
Von:  Padackles
2006-09-15T10:07:28+00:00 15.09.2006 12:07
Hi du,

ich war einer der ersten die diese geschichte gelesen hat und ich lese sie immer und immer wieder 1. weil ich sie soooo unentlich schön finde und 2. damit ich nicht den anschluss verpasse (ich schau jeden tag) wenn es weiter geht außerdem finde ich diese geschichte ...*mir fehlen die worte* super... nein wart atemberaubend passt eher

Bitte schreib schnell weiter.

dich knuddel

bye
Von: abgemeldet
2006-09-12T15:22:01+00:00 12.09.2006 17:22
woah geil, ich liebe dich! ich könnte dich so abknutschen, mein herz pocht immer noch wie verrückt...das hat mich so berührt, echt...das war so spannend und ich hatte so angst...und ich bin so heilfroh, dass die beiden überlebt haben...das waren jetzt wirklich ....emotionen pur ich sags dir, das war so klasse....ich kenn echt kein wort, dass die richtige bezeichnung dafür war...eirnach nur wunderschön... echt,...ich freu mich schon auf das nächste kapitel...muss aber erst mal das noch verarbeiten XD
michelle....
Von: abgemeldet
2006-09-08T15:41:20+00:00 08.09.2006 17:41
Oh. Mein. Gott! *schluchz*
Ich habe so mitgefiebert! Das kannst du dir gar nicht vorstellen. Das Kapitel war einfach nur ... Wow ... Wie du die ganzen Emotionen rübergebracht hast (und diese waren in dem Kap ja wirklich so geballt ...) war absolut der Hammer. Meiner Meinung gibt es Schriftsteller (jedenfalls denken sie welche zu sein), die sich an deiner Kunst mit Worten zu jonglieren wirklich etwas abschneiden können ...
Wirklich gigantisch, wie du das machst!
Ich bin immer noch total aufgelöst und weiß eigentlich gar nicht mehr so recht, was ich schreiben soll ... Ich freue mich schon auf das nächste Kap!

CU -Raziel-
Von:  LindenRathan
2006-09-07T18:41:19+00:00 07.09.2006 20:41
Eine wunderschöne FF.
Habe sie gerade komplett gelesen
und bin begeistert.
Von:  Darina
2006-09-04T16:28:57+00:00 04.09.2006 18:28
Hi!
Ich kann mich meinen Vorredner/innen auch nur anschließen! Das Kapi war einfach spitzenklasse! Und ich bin so froh, das Yami und Baku noch leben! Ohne die hätte einfach was gefehlt!
Jetzt haben die zwei es also geschafft (Seto und Joey). Sie wissen endlich, was sie füreinander fühlen. Hat ja auch lange genug gedauert! Bin auf jeden Fall gespannt, wie es weiter geht!
Mach bitte schnell weiter!
~ Rina
Von:  Feainn
2006-09-01T16:36:46+00:00 01.09.2006 18:36
Das ist...das ist...ok ich bin sprachlos...
einfach beschrieben wunderwunderschön
*schluchz*
So dramatisch, romantisch und so weiter.
Also, oh je, ich kann das kappi gar net beschreiben^^
Kann mich immer besser in die Lage da reinversetzen. Ich war dieses Jahr auch in einem Nordafrikanischen Land im Urlaub. War einfach nur cool. Das alles find ich ernsthaft in der FF wieder.
Mach auf alle Fälle schnellst möglich weiter!
MfG Dat ChibiSeth


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