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Zerbrochene Freundschaft

Kapitel 51
von

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Chopper: Family

Tot – kein anderer Begriff umschreibt das derzeitige Leben auf der Flying Lamb treffender als dieses eine kleine Wort. Ich erinnere mich an Zeiten, da herrschte ein heilloses Durcheinander und reges Treiben. Unsere Stimmen hallten lachend, brüllend, schreiend, fröhlich oder missmutig über Bord. Wir spielten irgendwelche Spiele oder erzählten uns Geschichten, wenn wir nicht gerade unseren täglichen Beschäftigungen nachgingen. Lysop bastelte an irgendwelchen Erfindungen oder nahm Reparaturen an der Lamb vor. Nami zeichnete an ihren Karten oder kümmerte sich um das Steuer. Zorro trainierte eifrig mit seinen Schwertern oder seinen Gewichten oder lag irgendwo schlafend an Deck. Sanji kümmerte sich ums Essen oder stritt sich mit Zorro. Robin las irgendein Buch oder ging ihren Studien nach. Ruffy saß träumend auf dem Kopf der Lamb oder ging Sanji auf die Nerven. Und ich experimentierte mit meinen Forschungen oder führte mit Robin tiefgründige Diskussionen über alles Mögliche.

Heute jedoch ist alles anders. Heute herrscht eine bedrückende Stille an Bord. Der eisige Wind pfeift durch die Spalten und Ritzen in den Wänden. Das dunkle Holz um uns herum knackt und knarrt bei jedem Senken und Heben des Schiffes. Das Feuer im Heizofen prasselt leise vor sich hin. Hin und wieder ist dann das zarte Streichen von Papier zu hören, sobald ich eine Seite meines Tagebuches umschlage, in denen ich sämtliche meiner bisherigen Forschungen niedergeschrieben habe. Es ist irgendwie so, als sei mit dem Streit sämtliches Leben auf der Lamb verschwunden.

Leise seufze ich auf, während meine Augen zu Nami wandern, die, eingerollt in ihrer Decke, in der Nähe des Ofens schläft. Trotz des großen Schmerzes und der abgrundtiefen Sorge in ihren Augen, versucht sie weiterhin stark zu sein … für sich … für uns. Aber sehr bald schon werden ihre Kraftreserven aufgebraucht sein. Das erkenne ich an ihrer fahlen Haut und den tiefen dunklen Ringen unter ihren geröteten Augen. Doch helfen kann ich ihr nicht. Meine Medizin hilft nur gegen körperliche Beschwerden, nicht aber gegen die seelischen Probleme. Dies ist eine Sache, bei der ihr nur Sanji helfen kann.

Aber auch ihm ergeht es nicht anders – wie eigentlich keinem von uns. Ace´ Unbeschwertheit ist seit Ruffys Gefühlsausbruch vor zwei Tagen wie weggeblasen. Die meiste Zeit hält er sich seitdem immer irgendwo an Deck auf. Und wenn er sich dann doch mal zu uns gesellt, so läuft er wie ein eingesperrtes Raubtier durch die Kombüse. Ab und zu ist mir dabei aufgefallen, dass er, wenn er sich unbeobachtet fühlt, seinen Bruder dabei nachdenklich mustert. Ich glaube, dass er sich um Ruffys Seelenheil Sorgen macht – und das kann ich gut nachvollziehen.

Ich habe die etlichen verheilten und unverheilten Verletzungen an seinem Körper gesehen, wodurch ich eine ungefähre Vorstellung davon bekommen habe, wie die Zustände im Gefängnis auf Winters Island aussehen. Doch diese Wunden werden mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Die seelischen Wunden dagegen bereiten mir größere Sorgen, da mich das Gefühl nicht loslässt, als hätte der Aufenthalt im Gefängnis und Lysops Worte Ruffys Geist gebrochen. Seine Worte bestätigen dies, da er das Vertrauen in sich selbst, aber auch in uns verloren hat. Ich wage es nicht darüber nachzudenken, was mit ihm geschieht, sollte jede Hilfe für Lysop zu spät kommen … oder wir alle wieder unseren eigenen Weg gehen.

Meine Ohren spitzen sich, als dumpfe Schritte vor der Kombüse ertönen. Diese Laute wirken in der sonstigen Stille irgendwie Fehl am Platze, weshalb sie mich auch sofort aus meinen Gedanken reißen. Neugierig blicke ich daher zur Tür, als Sanji, die Kapuze vom Kopf streichend, den Raum betritt. Kalter Wind fegt kurz durch die Kombüse und lässt das Feuer im Ofen aufgeregt prasseln und knacken, während ich von einem kurzen Frösteln erfasst werde.

Ohne ein Wort des Grußes oder dergleichen, zieht Sanji seine Handschuhe aus und entledigt sich seiner Jacke, von deren Schultern pulveriger Schnee zu Boden fällt und dort langsam schmilzt, bevor er sich dann zu mir an den Tisch setzt. Mit ungelenken Fingern, die vermutlich vor Kälte recht klamm sind, greift er nach dem Henkel der Teekanne, deren Inhalt ich mit Hilfe eines Stövchens auf dem Tisch warm halte. Graue Dampfwölkchen steigen auf, als Sanji den Tee in eine Tasse einschüttet. Ein wohliger Seufzer entringt sich seinen bläulich verfärbten Lippen, als er seine Hände wärmend um die Tasse legt.

„Wie sieht es draußen aus?“, frage ich mit leiser Stimme, obwohl mich die Antwort keineswegs interessiert. Das elendige Wetter mit seinem Schnee, dem kalten stürmischen Wind und dem dichten Nebel wird wahrscheinlich niemals mehr aufhören, so habe ich das Gefühl. Jeden Tag habe ich das gleiche Bild vor Augen, wenn ich einen Blick aus einem Bullauge werfe. Grau und trostlos ist die Welt dort draußen, in der kein Leben zu existieren scheint.

„Der Wind nimmt wieder zu“, antwortet Sanji ebenfalls leise und zwischen zwei Schlucken aus seiner Tasse. „Ich habe Ruffy und Ace angewiesen den Anker auszuwerfen.“

Wieder einmal, geht es mir durch den Kopf und grimmig presse ich die Lippen fest aufeinander. Wieder einmal müssen wir unsere Fahrt unterbrechen, weil das Wetter zur Nacht hin schlechter wird. Ich kann mich an Augenblicke erinnern, in denen das Meer und das Wetter uns schon mehr als einmal vor einer Herausforderung gestellt haben, aber noch nie war es so … so mühselig … so entmutigend. Es ist beinahe so, als würden wir nur auf der Stelle treten. Und dabei rennt uns die Zeit davon – tick-tack, tick-tack. Wir müssen Winters Island erreichen – und das so schnell wie irgend möglich. Denn wenn wir dort ankommen und die anderen sind nicht mehr da …

Wir haben am vergangenen Abend über diese Möglichkeit gesprochen, aber keine Lösung gefunden. Alles spricht dafür, dass wir sie verpassen werden … dass der Vorsprung der Red Force einfach zu groß ist … dass wir ungesehen aneinander vorbei fahren werden. Die Lamb mit dem Ziel Winters Island und die Red Force auf dem Weg nach Mary Joa, denn die anderen wissen ja nicht, dass sich Ruffy bei uns befindet. Und selbst wenn wir im Besitz eines Eternal-Ports nach Mary Joa wären, hätten wir immer noch keine Garantie dafür, dass die anderen ebenfalls dorthin unterwegs wären. Es gibt einfach zu viele ‚Wenn´s’ und zu viele ‚Vielleicht´s’. Und das ist einfach nur niederschmetternd … nicht zu wissen, wann wir unsere Freunde endlich wieder sehen.

„Geht dir diese Stille auch auf die Nerven?“

Blicklos starrt Sanji auf die Tischplatte, während er nach wie vor seine Tasse mit beiden Händen umfasst hält.

„Wir unterhalten uns ja auch nicht“, antworte ich eher lakonisch, woraufhin Sanji augenblicklich seinen blonden Haarschopf leicht schüttelt.

„Diese Stille meine ich nicht. Ich meine diese schwere, trostlose Stille zwischen uns. Noch nie zuvor ist mir die Kombüse so … leer vorgekommen … so einsam. Verstehst du, was ich meine?“

„Oh, ja“, meine ich mit leiser inbrünstiger Stimme, da ich anscheinend doch nicht der Einzige bin, dem diese Art von Stille aufgefallen ist. „Die Fröhlichkeit fehlt.“

„Was wirst du tun, wenn alles vorbei ist?“, fragt Sanji mich und blickt mir fest und ernst zugleich in die Augen. Lange kann ich seinem Blick aber nicht standhalten, so dass ich tief aufseufzend auf mein Tagebuch hinabschaue. Mehrere Passagen auf den beiden aufgeschlagenen Seiten wurden dick mit Bleistift unterstrichen. Darin geht es um Versuche, die mir einst misslungen sind. Unzählige Gedanken gehen mir dabei durch den Kopf – mögliche Gründe für das Scheitern der Experimente. Vielleicht habe ich die falschen Komponenten miteinander gemischt oder die Tinkturen bei zu hohen oder zu niedrigen Temperaturen gelagert; vielleicht zu viel oder zu wenig Wasser, Säure oder Kochsalzlösung dazugegeben oder zu einer falschen Konsistenz verarbeitet. Dieses oder noch vieles mehr fallen mir an Ideen ein, so dass ich eine unendliche Liste erstellen könnte. Und ich muss auch zugeben, es juckt mir gewaltig in den Fingern diese unzähligen Theorien auszuprobieren. Innerlich sprühe ich nahezu vor Tatendrang mich in mein Labor zurückzuziehen, den Saft von meinen bisher gesammelten Pflanzen auszupressen oder den Blütenstaub in Wasser aufzulösen, um damit herum zu experimentieren. Doch ich habe ein Versprechen gegeben! Und wenn ich es einhalten will, dann kann ich meine Forschungen unmöglich weiter betreiben.

„Du wartest darauf, wie Zorro sich entscheiden wird, nicht wahr?“

Im leichten Kopfnicken erkenne ich, dass ich nichts sagen brauch, da Sanji scheinbar meine Antwort von meinen Augen ablesen kann. Er hält meine Forschungen für ungemein wichtig – was sie ja auch sind -, und er hatte mir auch dazu geraten, denen weiter nachzugehen. Doch vermag ich weder in seinem Gesicht noch in seiner Stimme zu erkennen, wie er über meine Antwort denkt. Verurteilt er mich nun, weil mir eine Freundschaft wichtiger ist als mein Traum?

„Du machst deine Entscheidung auch von Robin abhängig“, kontere ich ein wenig kleinlaut, um mich trotz allem zu rechtfertigen. Überrascht bemerke ich den dunklen Schatten, der sich daraufhin für einen Moment über Sanjis Augen legt, während sein nun nach innen gerichteter Blick zu einem Punkt an der Wand hinter mir wandert. Mein Herz presst sich qualvoll zusammen, als mich eine fürchterliche Vorahnung beschleicht. Kann es sein …? Ich wage es nicht, weiter über diese Frage nachzudenken, denn die Antworten darauf könnten das endgültige Scheitern der Strohhutbande zur Folge haben. Unwillkürlich wandert mein Blick zur schlafenden Nami hinüber, während sich einzelne Tränen in meinen Augen sammeln.

„Ich kann dir nicht sagen, wie Robin sich entscheiden wird“, antwortet Sanji schließlich nach einigen Minuten der Stille, ohne dabei seine Augen von der Wand zu nehmen. Sein entrückter Blick verrät mir, dass sein ganzes Sein auf irgendein Ereignis in der Vergangenheit gerichtet ist, das sich mir jedoch nicht erschließt.

„Doch wenn es zu keiner Versöhnung kommen sollte zwischen ihr und Zorro, wird sie alleine ihrer Wege ziehen. Dann wird sie nicht einmal mehr mich dabei haben wollen – und das nur wegen eines dämlichen Streites zwischen uns.“

„Wieder ein Streit?!“, entfährt es mir fassungslos, und niedergeschlagen senken sich meine Schultern. Gleichzeitig jedoch spüre ich auch eine leise Wut in mir aufsteigen – Wut auf meine Freunde, die es scheinbar darauf angelegt haben sich gegenseitig zu zerstören. Haben sie alle allmählich den Verstand verloren? Wissen sie denn nicht, was sie alle mit ihren dummen Streitereien kaputt machen? Grimmig beiße ich die Zähne aufeinander, im vergeblichen Versuch diese brodelnde Wut in mir unter Kontrolle zu halten.

„Ihr seid alle Idioten!“, fange ich lautstark dann doch an zu schimpfen, nicht mehr länger an mich haltend. Dass ich damit aber Nami aus ihren Schlaf reiße, bekomme ich nur am Rande meines Bewusstseins mit, die mit erschreckten Augen verwirrt um sich schaut. Stattdessen aber lasse ich Sanji meine ganze Wut sehen.

„Wir waren mal mehr als nur Freunde. Wir waren mal eine Familie, vereint durch unsere Träume. Wir waren mal eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig ihr Leben anvertraute. Und ihr habt nichts Besseres zu tun, als all das zu zerstören!“

„Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“, knurrt Sanji mit leiser Stimme zurück und erschreckt fahre ich zurück. Zwar ist es nicht so, dass ich ihn nicht das eine oder andere Male wütend erlebt habe – sogar auch auf mich. Aber noch nie war er dabei so! Eine eiskalte Wut blickt mir aus seinen nun stahlblauen Augen entgegen und jagt mir einen Schauer über den Rücken. Meine Kehle ist wie ausgetrocknet, während ich aufmerksam, aber voller Furcht zugleich seinen zum Zerreißen gespannten Körper beobachte. Ein leises, fast kaum wahrnehmbares Knacken und Reißen lässt mich zu seiner Tasse blicken, an dessen oberen Rand sich langsam mehrere Risse bilden, so fest packen seine Hände zu. Völlig entgeistert muss ich erkennen, dass mir ein Fremder gegenüber sitzt.

„Glaubst du vielleicht, wir haben Spaß daran uns Gemeinheiten an den Kopf zu werfen? Dass wir uns Dinge gesagt haben, die wir hinterher bereut haben und noch immer bereuen? Dass wir Sachen getan haben, die mit nichts zu entschuldigen sind? Ich habe nie mehr gewollt, als für Robin ein Freund zu sein. Denn nichts anderes hat sie sich ganz tief in ihrem Inneren mehr gewünscht – einen Freund, mit dem sie über alles reden kann. Und genau das ist es, was uns zum Verhängnis wurde, weil gewisse Leute mehr in diese Freundschaft hinein interpretiert haben als in Wirklichkeit existierte. Was blieb uns am Ende anderes übrig als zu gehen, als selbst Reden nichts mehr brachte? Glaubst du vielleicht, die Entscheidung ist uns leicht gefallen? Glaubst du vielleicht, dass wir nicht genauso empfunden haben wie du? Dass ihr für uns nicht ebenfalls wie eine Familie seid? Diese ewigen Streitereien haben wir niemals gewollt – zu keinem Zeitpunkt. Aber unsere Freundschaft wollten wir auch nicht aufgeben, dafür bedeutet sie uns einfach zu viel. Und ich lasse sie mir auch von niemanden kaputt machen – von keinem, selbst wenn ich darum kämpfen muss.“

Abwartend blickt Sanji mich einige Sekunden an, bevor er schließlich von seinem Platz aufsteht. Mit einem leisen Rascheln nimmt er seine Jacke vom Haken neben der Tür und verlässt lautlos die Kombüse. Ich bin dagegen viel zu eingeschüchtert, als dass ich ihn mit nur einem Wort hätte aufhalten können. Doch was soll ich auch schon auf seine Wutrede entgegnen? Die Situation war damals ja wirklich ziemlich verfahren. Und ich glaube auch nicht, dass sich auch nur einer über die begangenen Fehler im Klaren war, an denen eine Versöhnung schlussendlich gescheitert ist. Dagegen sieht es heute anders aus … wenn da nur nicht die Veränderungen wären, die wir alle durchgemacht haben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Stoechbiene
2013-01-05T17:23:49+00:00 05.01.2013 18:23
Sanji hat mir am besten gefallen. Er hat endlich mal Klartext gesprochen und sich nicht länger die Rolle des, ich sag es jetzt mal etwas plumb, "Ehebrechers" aufdrücken lassen. Er zeigte klar und deutlich, dass ihm die Freundschaft zu Robin am Herzen lag und dass er und Robin nicht die alleinige Schuld am Ende dieser großen Freundschaft hatten. Ich finde, dass es wichtig war, dass Sanji gerade jemandem wie Chopper die Kehrseite der Medaille gezeigt hat.

Ich lese mal weiter
Von:  fahnm
2012-11-12T20:24:00+00:00 12.11.2012 21:24
Super Kapi


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