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Zeit

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Zeit

Mit einem lauten, durchdringenden Schrei erwachte Julia schweißgebadet aus ihrem Traum. Sie konnte sich an nicht viel mehr als ein unbestimmtes Gefühl von Angst und ein unglaublich helles Licht erinnern. Verstört setzte sie sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Was war das gewesen, das sie so geängstigt hatte? Je länger sie über diese Frage nachdachte und je angestrengter sie versuchte sich ihren Traum ins Gedächtnis zu rufen, desto schneller entglitt er ihr. Er war wie Wasser, das man in der hohlen Hand halten wollte. Es war unmöglich ihn festzuhalten. Kopfschüttelnd schwang sie sich schließlich aus dem Bett und ging zur Tür ihres Zimmers. Draußen war es schon hell, doch dank der Rollläden war es im Haus noch angenehm dunkel. Langsam stieg sie die Treppe hinunter und betrat die Küche. "Guten Morgen," rief sie laut, doch sie bekam keine Antwort. Das war seltsam, denn normalerweise war zumindest ihre Mutter um diese Zeit daheim. Sie drehte sich einmal um ihre eigene Achse, wie um sich zu vergewissern, dass sie wirklich allein war und sah dann auf die Uhr, die an der Wand hing. Erschrocken stellte sie fest, dass sie schon viel zu spät dran war. Und ihre Lehrer würden die Ausrede: "Es tut mir leid, aber ich hatte einen Alptraum und habe den Wecker nicht gehört," bestimmt nicht gelten lassen. Also packte sie ihre Tasche und stürzte in den Flur. Sie riss die Tür auf und bekam den Zweiten großen Schrecken an diesem Morgen. Das war überhaupt nicht ihre Straße! Und die Bezeichnung Straße war außerdem vollkommen unpassend, für das, was da vor der Schwelle ihrer Haustür lag. Es war nicht mehr als eine von vielen Füßen festgestampfte Staubpiste. Und die Häuser die sie säumten sahen aus, als wären sie irgend einem alten Schwarzweißfilm entsprungen. Auch die Leute waren Merkwürdig. Es waren nicht nur die seltsamen Kleider oder Frisuren, sondern auch das Verhalten der Personen, das Julia irritierte. Autos waren den Menschen hier offenbar fremd, denn es fuhren nur einige, von Pferden gezogene Kutschen an dem Mädchen vorbei und wirbelten Staub auf, der sich sofort wie ein Schleier auf ihre schulterlangen, blonden Haare und ihre Kleidung legte. Vorsichtig setzte sie einen Fuß auf den Weg, drehte sich um und sah zur Fassade ihres Hauses hoch. Erstaunt trat sie ein paar Schritte zurück und starrte noch immer die Häuserreihe vor sich an. Sie sah ein modernes, zweistöckiges Einfamilienhaus, das zwischen zwei niedrigeren, alten Fachwerk Häusern eingeklemmt war. Ein Windstoß erfasste die Tür und warf sie zu. Geschockt beobachtete Julia das Geschehen, unfähig sich zu bewegen. Das Haus schrumpfte vor ihren Augen zusammen und passte sich äußerlich vollkommen in das Bild der Straße ein. Es verwandelte sich von dem neuen Reihenhaus in ein historisches Fachwerk Gebäude. Das war ein Traum! Es musste einfach ein Traum sein! Ein Haus konnte sich nicht einfach verändern. Das war unmöglich. Sie schüttelte ungläubig den Kopf und blinzelte, entschlossen sich beim öffnen der Augen wieder in ihrem Bett zu befinden. Doch nichts änderte sich. Das Bild blieb. Und wie um ihr zu beweisen, dass sie nicht schlief, schrie sie plötzlich Jemand an: "Aus dem Weg Mädchen! Steh hier nicht wie angewachsen auf der Straße rum!" Sie drehte sich nach der Stimme um und sah eine Kutsche auf sich zu rollen. Erschrocken sprang sie auf die Seite und lehnte sich erschöpfte gegen die Hauswand. Dann bemerkte sie, dass die Leute sie schon komisch anstarrten. Und sie konnte es ihnen nicht verübeln. Natürlich wunderten sich diese Menschen über ihre Kleidung und wahrscheinlich hatten sie noch nie eine Jeans oder ein T-Shirt gesehen. Hastig drehte sie sich um und wollte wieder ins Haus gehen, doch der Schlüssel passte nicht und die Tür gab keinen Millimeter nach. Die Leute begannen zu tuscheln und auf sie zu deuten und so zog es Julia vor, sich schleunigst aus dem Staub zu machen. Ziellos eilte Julia durch die Straßen, auf der Flucht vor etwas, dem sie nicht entkommen konnte: der gnadenlosen Realität. Nach Stunden, wie ihr schien, gelangte an eine größere Kreuzung. Anscheinend hatte sie die Hauptstraße des Dorfs erreicht. Inzwischen war sie sich sicher, dass sie sich noch immer in der selben Ortschaft befand. Seit sie am vorigen Abend, oder dem, was in ihrer Wahrnehmung dem vorigen Abend entsprach, zu Bett gegangen war, hatte sich ihr Aufenthaltsort nicht geändert. Nur die Zeit in der sie sich befand war eine Andere. Das was für sie Vergangenheit war, war für die Menschen hier noch ferne Zukunft. Jetzt interessierte sie sich natürlich dafür, in welcher Zeit sie gelandet war. Aber einfach Jemanden fragen war unmöglich. Sie hatte schon so mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als gut war. Vor einiger Zeit hatte sie ein Buch gelesen, in dem es um Zeitreisen und ihre Gefahren ging. Wenn sie auch nur ein winziges Detail in der Vergangenheit veränderte, würde die Zukunft aus der sie kam eine vollkommen Andere werden. Aber im Gegensatz zu ihr hatte sich die Hauptperson in ihrem Buch bewusst dazu entschlossen, eine Zeitreise zu unternehmen. Sie hingegen wusste weder wie sie hierher gekommen war, noch wie sie wieder von hier fort kommen sollte. Wenn sie doch wenigstens nicht alleine wäre! Aber hier gab es Niemanden außer ihr, der offensichtlich nicht in diese Zeit gehörte. Und zum andern war es diese Offensichtlichkeit, die sie ängstigte. Sie wusste immer noch nicht wann sie war. Und sie wusste nicht, was die Leute hier mit ihr anfangen würden, wenn sie sich weiterhin so seltsam verhielt. Schreckliche Bilder von dunklen Kerkern, Folterkammern und Hexenverbrennungen gingen ihr durch den Kopf. Falls sie tatsächlich im Mittelalter gestrandet war, dann musste sie sich unbedingt unauffällig verhalten. Doch mit dieser Kleidung war ihr das nicht möglich. Auch wen sie sich nicht in der Zeit der Inquisition befand, sollte sie sich am besten unauffällig verhalten. Denn in jeder anderen Zeit wäre es sicher auch von Vorteil, wenn sie nicht wie ein bunter Hund durch die Straßen rannte. Auf jeden Fall lief jeder Gedanke immer wieder darauf hinaus, dass sie sich Kleidung suchen musste, die in diese Zeit passte, herausfinden, in welcher Zeit sie sich überhaupt befand und dann eine Möglichkeit finden wieder nach Hause in die Zukunft zu kommen. Nach ein paar weiteren Minuten fand sie den Marktplatz und suchte nach einem Kleiderstand. Auch das war leichter gesagt als getan, denn hier wurde vornehmlich Essbares verkauft. Sie irrte zwischen den Verkaufstischen umher und fand sich schließlich in einer Seitenstraße neben einem Kleiderhändler wieder. Entschlossen trat sie vor den Stand und sprach den Verkäufer an. "Entschuldigen sie, ich brauche etwas zum Anziehen und ich habe kein Geld. Aber ich..." der Mann unterbrach sie unwirsch: "Ohne Geld keine Ware und jetzt verschwinde!" "Aber ich kann tauschen," fuhr Julia tapfer fort und öffnete ihren Rucksack. "Sie können sich etwas aussuchen, das sie haben wollen." Sie reichte ihm die Tasche. Argwöhnisch untersuchte er ihre Sachen und fand offenbar gefallen an den Filzstiften. Immer wieder zog er die Kappe ab und tupfte vorsichtig etwas Farbe auf seine Hand. Schließlich wandte er sich wieder ihr zu. "Ich möchte diese hier," sagte er und deutete auf den Inhalt ihres Mäppchens. "Aber ich kann dir dafür nicht viel geben. Du bekommst diesen gebrauchten Rock und die Bluse dort hinten kannst du auch haben." Dankbar nickte Julia und sammelte ihre restlichen Sachen wieder ein. In einer Dunklen Nische zwischen zwei Häusern tauschte sie ihre Klamotten und trat dann wieder ins Licht. Die Hose und das T-Shirt stopfte sie in ihren Schulranzen, bevor sie ihre neuen Anziehsachen begutachtete. Beide Kleidungsstücke waren in gedeckten Farben gehalten und der Rock war an vielen Stellen gerissen und wieder zusammengeflickt. Auch die Bluse war nicht gerade neu, doch für ihre Zwecke reichte es. Nun kam der zweite, ebenso wichtige Punkt auf ihrer Liste an die Reihe: Herausfinden in welchem Jahr sie gelandet war. So schnell sie konnte, ohne zu rennen oder anderweitig aufzufallen, begab sie sich zurück zum Markt. Vielleicht konnte sie das Datum ja herausbekommen, indem sie den Marktweibern beim Tratschen zuhörte. Leider hatte sie wenig Erfolg. Die Frauen unterhielten sich über belangloses Zeug wie die neusten Heiraten, die Kinder der einen oder anderen Nachbarin und Ähnliches. Nur eine nützliche Information konnte sie all dem entnehmen: Sie war auf keinen Fall im Mittelalter gelandet. Sie musste sich irgendwo zu Beginn des 20. Jahrhunderts befinden, denn sie hatte einen Satz über Automobile aufgeschnappt. Zu dieser Zeit hatten auch ihre Urgroßeltern gelebt. Viel half ihr das zwar auch nicht weiter, doch wenigstens musste sie sich jetzt nicht mehr vor Hexenverbrennungen fürchten. Langsam ließ ihre Aufregung nach und machte einer anderen Empfindung Platz: Verzweiflung. Wie sollte sie je wieder zurück in ihre Zeit kommen, wenn sie nicht einmal wusste, wie sie hierher gekommen war? Und um 1900 gab es bestimmt Niemanden, der ihr bei einer Zeitreise helfen könnte. Und außerdem existierte ihre Zeit, so wie sie sie kannte vielleicht schon nicht mehr. Durch ihr Auftauchen hatte sie die Vergangenheit verändert und theoretisch hätte sie ihre Zukunft schon lange zerstören können. Und wie sollte sie feststellen, was sie kaputtgemacht hatte und noch wichtiger: wie sollte sie den Riss in der Zeit reparieren? Das waren unglaublich viele Fragen und auf keine fand sie eine Antwort. Entmutigt ließ sie die Schultern hängen und lief einfach weiter. Ohne Ziel und Absicht. Wie von selbst trugen ihre Füße sie zum Dorfplatz und blieben neben dem Heimatmuseum stehen. Mit ihrer Schulklasse hatte sie das Museum erst vor zwei Wochen besucht. Doch es kam ihr wie ein anderes Leben vor. War es wirklich erst zwei Wochen her? Noch gestern hatte sie sich um nichts weiter als Schulnoten, schicke Kleidung, Jungs oder ähnlich belanglosen Kram gesorgt. Jetzt war sie allein in der Vergangenheit, ohne Hoffnung je wieder zurück in die Zukunft zu kommen. Mühsam kämpfte sie die Tränen zurück. Sie durfte jetzt nicht weinen, denn wenn sie einmal damit angefangen hätte, dann würde sie so schnell nicht mehr aufhören können. Außerdem würde sie wertvolle Energie verschwenden. Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe von einem Meter neunundfünfzig auf und strich sich einen Strang strohblonder Haare aus dem Gesicht. Sie würde jetzt nicht Kleinbeigeben! Sie würde einen Weg finden, zurückzukommen! Und das Heimatmuseum war eine hervorragende Möglichkeit, das Datum zu erfahren. Außerdem interessierte sie sich dafür was sich im Laufe der Zeit im Museum so alles verändert hatte. Oder besser gesagt: was sich im Laufe der Zeit im Museum verändern würde. Neugierig betrat sie das alte Gemäuer und atmete tief durch. Draußen auf den Straßen stank es durchdringend nach verfaulendem Gemüse, Kot und den Ausdünstungen der vielen Menschen und Tiere. Hier drinnen jedoch roch die Luft lediglich etwas muffig, wie sie das auch zu Julias Zeit tat und es duftete nach Holz. Schon nach wenigen Augenblicken hatten sich ihre Augen an das dämmrige Licht, das im innern des Gebäudes herrschte, gewöhnt und sie sah sich gespannt um. Auf den ersten Blick konnte sie kaum einen Unterschied zur Zukunft erkennen. Doch natürlich gab es in ihrer Zeit mehr Ausstellungsstücke als hier und das meiste wirkte noch älter. Ein Kalender an der Wand verriet ihr das Datum. Der 13. März 1905. Sie war auf den Tag genau einhundert Jahre in die Vergangenheit gereist. Prüfend sah sie auf ihre Armbanduhr und stellte ohne große Überraschung fest, dass diese stehen geblieben war. In ihrem Buch war dem Protagonisten genau das gleiche passiert. Im Moment der Zeitreise war seine Uhr stehen geblieben. Aus dem, was ihre Uhr anzeigte, schloss sie, dass sie mitten in der Nacht, während sie geschlafen hatte, irgendwie hierher gelangt war. Doch zunächst schob sie alle Gedanken an den Zeitensprung beiseite und schlenderte gemächlich durch die Ausstellung. Im hinteren Teil des großen Hauses, gab es einige Zimmer, die in ihrer Zeit nicht mehr existierten. Irgendwann hatte es hier gebrannt und leider konnten viele Teile der Ausstellung nicht gerettet werden. Daher war sie gebannt von den Bücherstapeln, die den Brand alle nicht überlebt hatten. Sie trat näher heran und griff nach einem der schweren Bände. Er handelte von alten Geschichten und Überlieferungen und Julia vertiefte sich in ihn. Vorsichtig blätterte sie Seite um Seite ihrer Lektüre um und bemerkte nicht, wie die Zeit verstrich. Draußen wich die Helligkeit einem unbestimmten Zwielicht. Ihre Augen fielen zu und das Buch glitt ihr aus der Hand. Kurz nach Feierabend machte der Museumsleiter einen letzten Kontrollgang durch das Haus. Normalerweise blieb er gerne länger hier, doch am heutigen Abend hatte seine Frau Gäste eingeladen und er beeilte sich nach Hause zu kommen. Flüchtig blickte er in die Räume, ohne das kleine schlafende Mädchen zu bemerken und ging zur Tür. Er schloss sorgfältig ab und machte sich auf den Heimweg.
 

Diese Nacht war genau richtig. Die Luft war trocken und es wehte ein leichter, stetiger Wind, der das Feuer anfachen würde. Einem Schatten gleich, schlich der kleine, rundliche Mann an der Hauswand entlang. In einem Beutel hatte er alles bei sich, was er brauchte. Einige Lappen, ebenso viele etwa faustgroße Steine und eine Öllampe. In Windrichtung zu dem alten Gebäude blieb er stehen. Jetzt würde er seine Rache bekommen. Dieser Narr hatte ihn einmal zu oft verspottet! Er wusste, das der Museumsleiter oft noch bis tief in die Nacht hinein in seinem Museum blieb, um Stücke zu sortieren oder vorsichtig zu säubern. Und heute Nacht würde das Haus in Flammen aufgehen. Vielleicht verbrannte sein verhasster Kontrahent mit. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, dann würde zumindest sein geliebtes Museum zerstört werden. Es würde das reinste Freudenfeuer werden! Der Brandstifter zog die Lumpen und die Lampe aus seiner Tasche und kniete sich hin. Zuerst tränkte er die Fetzen mit Öl, dann holte er die Steine hervor und knotete sie Tücher darum. Zu guter Letzt entzündete er die Lampe Mithilfe des restlichen Öls und stand dann auf. In einer Hand hielt er die Lampe, in der anderen eines der Päckchen. Er hielt den Lappen eine Sekunde lang an die Flamme und warf ihn dann zielsicher durch eines der Fenster. Schnell bückte er sich und hob ein weiteres Bündel auf. Er zündete es an und warf es durch das nächste Fenster ins Innere de Museums. So verfuhr er auch mit den restlichen Brandpaketen. Entzückt registrierte er den Feuerschein hinter den zersplitterten Fensterscheiben. Rauch stieg auf und hüllte bald das gesamte Gebäude ein. Als die Feuerglocke zu läuten begann, verschwand er in einer Seitengasse und hastete davon.
 

Vom schrillen Schellen einer Glocke wurde Julia unsanft geweckt. Hustend öffnete sie die Augen und sah in eine schwarze, undurchdringliche Wand aus Rauch. Der Qualm biss in den Augen und machte das Atmen fast unmöglich. Sofort liefen ihr brennende Tränen über das Gesicht. Sie bekam kaum noch Luft und hatte nur einen Gedanken: Raus! Wenn sie das Haus nicht bald verließ, würde sie ersticken. Sie ging auf die Knie und krabbelte auf die Tür zu. Doch sie kam nicht viel weiter als zwei Meter. Eine Welle aus Hitze erfasste sie und jedes weitere Vorankommen war ausgeschlossen. Die heiße Luft versengte ihre Lunge und der Rauch ließ sie husten. Jetzt gesellten sich zu den Tränen, die sie wegen des Qualms vergossen hatte, Tränen der Verzweiflung. Sie würde hier sterben. Weit weg von Zuhause und ihre Eltern würden nicht wissen, was mit ihr geschehen war. Das Fauchen der Feuerbrunst war inzwischen unerträglich laut geworden. Dann hörte sie etwas, das versuchte, gegen den Lärm des Feuers anzukommen. Eine Stimme schrie in die Flammen hinein: "Ist da Jemand?" Sie wollte antworte, schreien und rufen, doch ihre Stimme versagte ihr den Dienst. Nicht mehr als ein heiseres Krächzen kam aus ihrem Mund. Verzweifelt versuchte sie es noch einmal: "Hilfe," schrie sie und kämpfte gegen den Klos in ihrem Hals an. "Hilfe! Ich bin hier drinnen!" Sie wagte kaum zu hoffen, dass man ihre schwache Stimme draußen hören würde. Doch sie gab nicht auf. Immer wieder brüllte sie gegen das Getöse an. Als sie die Hoffnung schon beinahe aufgegeben hatte, formten sich im Qualm die dunklen Umrisse einer Gestalt. Ein junger Mann, der sich einen Stofffetzen über Mund und Nase gebunden hatte, erschien. Julia sprang auf und wollte auf ihren Retter zurennen, doch ein heftiges Schwindelgefühl erfasste sie und sie sank zurück zu Boden. Eilig kam der Mann auf sie zu und hob sie mit Leichtigkeit vom Boden auf. Er war Klatschnass. Offenbar hatte er sich zum Schutz gegen das Feuer mit Wasser überschüttet. Ihr Retter rannte durch den dichten Rauch und wich auf dem Boden liegenden Trümmern aus. Über ihnen krachte es laut und der Mann hechtete zur Seite. Er stürzte und Julia flog aus seinen Armen. Sie schlug hart auf dem Steinboden auf und rollte sich ab. Hinter sich hörte sie ein Stöhnen. Sie drehte sich um und sah den jungen Helfer unter einem Stück der Decke eingeklemmt. Er brüllte sie an: "Lauf!" Und riss sie damit aus ihrer Starre. Sie wandte sich um und rannte auf den Ausgang zu. Draußen empfing sie eine lärmende Menschenmenge, die mit dem Löschen des Brandes beschäftigt war. Erschöpft sank sie zu Boden. Irgendjemand gab ihr etwas zu trinken. Ihr Kopf schmerzte und ihre Lunge brannte. Zwei Männer stürzten aus dem Museum. Sie waren totenbleich. "Wir konnten ihm nicht mehr helfen," sagte der Eine. "Die Decke ist über ihm zusammengebrochen, als er das Mädchen dort gerettet hat." Er deutete auf Julia. "Er ist bewusstlos geworden und eine Feuerwand hat in vollkommen von uns abgeschnitten," teilte ihnen der Andere atemlos mit. Es krachte laut und Funken stoben in alle Richtungen davon, als die Decke vollends zusammenbrach. Einige Leute schrieen auf und wichen zurück, doch die Männer versuchten noch angestrengter, das Feuer zu bezwingen. Julia fühlte sich komisch. Irgendwie leer und leicht. Es war ein seltsames Gefühl. Langsam versank sie in einem Wirbel aus Farben. Das letzte was sie hörte war der Name des Mannes, der bei dem Versuch sie zu retten ums Leben gekommen war: Joseph Koehler. Der Name ihres Urgroßvaters. Und der Tod ihres Urgroßvaters bedeutete, dass weder ihre Großmutter noch ihr Vater oder sie selbst je geboren werden würden. Dies war der letzte, erschreckende Gedanke, der sich in ihrem Kopf formte, bevor die Umrisse ihres Körpers vollends verschwammen und sie in ein weiches, dunkles Nichts hinüberglitt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Spiegelfee
2006-12-05T22:34:27+00:00 05.12.2006 23:34
Hi
wir kennen uns zwar nicht, aber ich bin durch Zufall auf diese Story gestoßen und sehe mich jetzt dazu genötigt, dir einen Kommentar zu hinterlassen.

Zum Ersten finde ich deine Geschichte wirklich sehr gut geschrieben. Bis auf ein paar Fehler, die Groß- und Kleinschreibung betreffend habe ich keine Mängel.
Zum Zweiten ist das Thema gut gewählt und du hast die Story anschaulich rübergebracht.

Ich hoffe, es gibt bald mehr von dir zu lesen *g*

LG
Death-Fairy
Von: abgemeldet
2006-08-09T18:00:19+00:00 09.08.2006 20:00
wow! die ist echt cool!
und danke für deine Kommis!
mach so weiter und du wirst berühmt! dein Stil ich Krass!
by leon-chan
Tenshi no Yami
Von:  Chizeru
2006-08-08T15:27:38+00:00 08.08.2006 17:27
Was? Nur zwei Kommentare *drop* Das wird odch glaich mal geändert!^^
Nyau, da ich zu deiner anderen Fanfic nicht den direkten Bezug hab, soll heißen ich mich mit der Serie nicht auskenne, hab ich diese hier gelesen! Ich hoffe du schreibst bald wieder sowas!? *unheimlich gern eigene Geschichten les*

Nyo, also diese Geschichte ist echt toll und so *hust* Fehlerlos, wie machst du das nur?!^^ Egal, haste gut gemacht *patt patt* Das beste war eigentlich, das man sich alles sehr gut Bildlich vorstellen konnte!^^v Und sowas finde ich sehr wichtig bei Geschichten.

Ansonsten schließ ich mich voll und ganz meinen Vorschreibern an!^^
*dich knuddl*
Von:  Voidwalker
2006-07-12T14:11:28+00:00 12.07.2006 16:11
*lol* Das Thema der Story ist, wie schon gesagt wurde, wirklich selten und hat daher umso mehr Potenzial, das du mit deinem Schreibstil und, soweit ich das bemerkt habe, Fehlerlosigkeit hervorragend ausgelotet hast! ;)

Ich denke, aus der Story kann man noch sehr viel machen... natürlich besteht die Gefahr, das es irgendwann "ausgenuddelt" klingt, aber ich traue dir diesbezüglich eigentlich mehr zu...

Was mich persönlich an der Story reizt, ist ein Gedanke, der in deiner Geschichte unbearbeitet bleibt... das Paradoxon jeder Zeitreise dieser Art:
Du reist zurück und tötest deinen Urgroßvater. Dadurch gab es deinen Vater und dich nie.
Da du aber der Grund für den Tod deines Urgroßvaters warst, durch seinen Tod wiederrum aber nie existiert hast, wie sollst du ihn dann getötet haben?
Alles endet entweder in einer sich ewig wiederholenden Zeitschleife oder aber die Zeitreise fand nie statt...
Na, gut, genug hier rumphilosophiert... ist ne geile Geschichte! ;)
Von: abgemeldet
2006-01-18T18:42:30+00:00 18.01.2006 19:42
Also, ich weiß gar nicht wieso hier noch kein einziger Kommenter ist. Ich finde die Geschichte voll cool. Es gibt fast gar keine guten Geschichten inder man in die Vergangenheit reist und dort sich selber auslöscht. Dein Sprachstil und die Wortwahl finde ich auch sehr gut. Es sind nur sehr wenige Grammatik- bzw. Rechtschreibfehler drinnen. Du kannst auch gut beschreiben und wie bereits gesagt gefällt mir die Idee auch sehr gut. Also alles in allem bin ich von der Geschichte total begeistert.^^

Angi


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