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To be forgiven

Zeig mir das Licht
von

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No other way out

Seitdem waren fast zwei Wochen vergangen. Cognac war heil aus dem Krankenhaus raus gekommen, was aber nicht hieß, dass man ihn verschonen würde. Es machte nur sehr viel mehr Spaß, wenn er nicht halbtot im Krankenhaus lag, wo es ein leichtes gewesen wäre, ihn zu töten. Und er würde ja sowieso wiederkommen. Mörder trieb es immer wieder an ihren Ort zurück. Aber nicht nur das – er hatte Freunde. Leute, für die er sein Leben opfern würde. Und er hatte das Druckmittel. Mal sehen, was dem Mann wirklich wichtig war. Vermouth hatte er zu einem Auftrag geschickt – schön weit weg, auch wenn es nicht Amerika war, das Land war ihm dann zu weit weg gewesen.

Sein Jami war tot, die beste Laune hatte der Boss wahrlich nicht – nun war es sein Ziel, einen anderen Mann zu Jamis Schatten zu machen, er brauchte so einen Mann, auch wenn er Valpolicella hat, und wer hätte ihm da mehr Freude bereitet, als ER? Wenn er es richtig anstellte, dann würde er alles für ihn tun, so war sein Plan. Und Cognac würde er dafür benutzen, um sein Ziel zu erreichen...
 

Es war sehr ironisch, dass Cognac sich nun als Gast bei dem Boss befand, er hatte eigentlich gedacht, dass man ihn im Krankenhaus, wenn er schwach war, gleich erledigte, doch hatte er leben dürfen. Eindeutig war etwas im Busch, das spürte Sêiichî förmlich.

Der Boss hatte ihm den Rücken zugedreht, nicht mal sein Gesicht gönnte ihm der Mann.

„Du hast sicher schon davon gehört, nicht wahr, Cognac? Jami ist tot... Und Vermouth hat mich betrogen... Weißt du, wie ich mich fühle?“

Betrogen hatte sie ihn – betrügen konnte man nur Leute, mit denen man zusammen war, sie war nicht mit ihm zusammen, aber das durfte Sêiichî dem Mann ja nicht sagen, dann kam er niemals lebend hier raus... Aber was sollte dieses Gerede? War das ein armseliger Versuch, sein Mitgefühl zu erlangen?

„Dieses Kind ist wie ein Albtraum für mich, Cognac... Am liebsten würde ich diesem Balg den Hals umdrehen.“

Für einen Moment weiteten sich die Augen des 25-jährigen, er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, immerhin war ihm bewusst, dass es nicht nur Vermouths Kind, sondern auch seines war.

„Dafür kann dieser Junge doch überhaupt nichts... Sie ist eben so, machen Sie sich nichts daraus.“

„Willst du mich gerade verarschen, Cognac?!“ Hastig hatte der Drehstuhl des älteren Mannes sich zu Cognac herumgedreht und man hörte den Schlag der Faust auf den Schreibtisch. „Das sagst ausgerechnet du? Du bemitleidest mich?!“ Die Wut war nicht zu überhören und auch nicht zu übersehen, der Boss fauchte wie ein wilder Tiger, oder wie ein Löwe, der sein Weibchen vor Eindringlingen in sein Reich beschützte.

„Denkst du, ich weiß nicht längst, wer der Mistkerl war?!“

„Davon gehe ich aus...“ Nur nichts anmerken lassen, dass man Angst hatte, Angst vor der Wahrheit, die ans Tageslicht kam.

Doch sah der Boss sie, er musste nur in Cognacs Augen sehen, selbst wenn er Kontaktlinsen trug. „Du hast immer noch nicht verstanden, Kleiner... Denkst du wirklich, ich bin dumm?“

Ein Albtraum, es war ein Albtraum – er hatte immer gedacht, man würde ihm einen grauenvollen Tod bescheren, wenn jemals herauskommen sollte, dass er mit dem Liebling vom Boss zusammen war. Und er wusste es, der Boss wusste es todsicher, so wie er ihn angrinste. Gleich würde etwas Schlimmes kommen – nicht der Tod oder so etwas, nein irgendetwas, was viel schlimmer war.

„Ich habe dein Kind, Cognac und ich sehe an deinen unschuldigen, blauen Augen, dass es dir sehr viel ausmachen würde, wenn ich es erwürge, oder mit einem Messer verunstalte...“ Ein Spiel war es, das der Boss mit seinem Untertan spielte, es war seine Art ihm zu drohen. „Aber das muss ja nicht sein...“ Hinterhältig blickte er in die Augen des Mannes, dem der Schweiß nicht nur im Gesicht ausbrach, sondern auch im Nacken- und Rückenbereich, er wusste es, sein Killer hatte Angst bekommen – er kannte ihn...

„Ach, muss es nicht? Welche grausame Tat darf ich begehen, um Sie davon abzuhalten?“

„Ein Detektiv – seine kleine Freundin ist schon außer Gefecht – man muss sie nur noch holen. Du jedoch darfst ihrem Freund das Licht ausblasen... Es ist ganz freiwillig, Cognac, du musst nicht.“ Nur mit der Konsequenz, dass Shawn etwas Schreckliches zustoßen würde, wenn er es nicht tat...

„Wer ist es?“ Wenn er einen Detektiven töten sollte, dann konnte es nur einer sein, es war eine Person, die ihm viel bedeutete, nun sollte er sich zwischen seinem Sohn und ihm entscheiden.

„Das weißt du nicht? Ich kann es nicht glauben...“ Der Boss lachte laut auf, lachte über Cognacs Naivität, welche reine Neugierde war, natürlich wusste der ehemalige Polizist, dass der Boss sich eine bestimmte Person herausgepickt hatte.
 

„Ich gehe davon aus, Valpolicella, dass Carpano seinen Bruder rettet und uns Cognac vom Leib hält, wenn er es wagt, ihn anzurühren... Damit schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe. Cognac ist Geschichte und Carpano machen wir ein bisschen böse... Wütend mag ich ihn am liebsten. Und dann, wenn die Zeit reif ist, machen wir ihn zum Versager, dann dreht der Gute durch und endet wie Jami... Und er wäre dein Partner, der Plan gefällt dir, nicht wahr?“ Er grinste durchtrieben, natürlich wusste der Boss, dass sich Valpolicella über Carpano als ihren Partner mehr als freuen würde.

„Und wir finden sicher auch eine Lösung für das Problem Kir...“ Eine Lösung für Valpolicella war gemeint, sie misstraute Kir derbst. Nicht nur, weil sie Carpano anscheinend nachstieg, sondern auch, weil sie ihrer Meinung nach Dreck am Stecken hatte.
 

In den Nachrichten kam ein Bericht über einen Arzt namens Kikuhito Ayugai, der in einem Hospital als bester Arzt galt, er war eines grausamen Todes gestorben – mit einem Messer hatte man dem Mann die Halsschlagader aufgeschlitzt, bevor er auf dem Asphalt verblutet war.

Er hatte einen großen Fehler begangen, hatte die falsche Person verraten und musste nun dafür büßen, wie er das Leben desjenigen und von anderen versaut hatte.

Als Ryochi Sêiichî davon erzählt hatte, war der 25-jährige leichenblass geworden; der Detektiv fürchtete, dass er den Grund für den Mord und wohl auch den Täter, oder mehr die Täterin, kannte... Und doch schwieg er und sagte nichts dazu. Der Grund war Sêiichî selbst, so viel war auch Ryo klar, sein Freund war regelrecht geschockt.

„Der gehörte hinzu“, stellte Ryochi fest, sagte es laut, um Sêiichî zu zeigen, dass er nicht dämlich war. Er animierte Sêiichî damit, eine Stellungnahme abzulegen, aber auch nur, weil es nicht stimmte.

„Nein, ein Freund von ihm, ein sehr enger Freund und Bekannter, du verstehst... Der lässt ja auch seine Leute killen, Freund hin oder her...“

Der 24-jährige schüttelte den Kopf. „Ich weiß es längst, ich weiß, dass er es war, der heraus gefunden hat, was deine Freundin versucht hat, zu vertuschen“, flüsterte Ryochi seinem Freund zu, er zog ihn von den anderen Polizisten weg, Wataru und Miwako waren nicht da, ansonsten waren hier nur Polizisten, die sich einfach so einmischen wollten, unter anderem auch Hiroya Tokorozawa, wenn das nicht Ärger bedeutete, dann wusste er auch nicht. Er hatte nicht gerade die beste Laune, aber die hatte er nie wirklich...

„Warum meidest du den Typen eigentlich so?“ wollte Sêiichî von seinem besten Freund wissen, ohne ihn dabei anzusehen, nein, er blickte zu Hiroya, der komischerweise noch nicht auf die Idee gekommen war, Sêiichî zu beschimpfen, anders gesagt, er ignorierte ihn förmlich, das war nicht mehr normal, anscheinend hatte er Besseres zu tun, als den Exfreund seiner kleinen Schwester zu ärgern und das, obwohl er wusste, dass er Cognac war.

„Ich meide ihn nicht, ich tue so, als wäre er nicht da und beobachte ihn heimlich... Ich will nicht den Eindruck machen, dass ich ihm misstraue... Schon seit längerem habe ich das Gefühl, dass er ziemlichen Dreck am Stecken hat... Ein normaler Ermittler, das ist er nie und nimmer... Er benimmt sich fast so wie du, als wenn er was zu verbergen hat... Wenn es nicht so absurd wäre, würde ich sagen, der gehört zu euch.“

„Das kann’ste knicken“, lachte Sêiichî, „er verachtet mich zutiefst für mein Doppelleben. Er selbst bekämpft diese Leute seit Jahren mit allen Mitteln, die ihm gegeben sind. Man wollte ihn zwingen einzusteigen, der Boss hatte eine Zeit lang großes Interesse... Hat nur leider nicht so geklappt... Lass uns ins Auto!“ Sêiichî war es nun, der seinen Freund mit zog und mit ihm ins Auto stieg, da er sich beobachtete fühlte, allerdings nicht von Hiroya.

Als sie dann so saßen, machte er absichtlich das Radio an. So fiel es außen stehenden noch schwerer etwas zu hören.

„Also, was willst du mir heimlich erzählen, Sêiichî?“ Normalerweise nannte er ihn bei seinem Spitznamen Sêi-chan, doch im Moment schien ihm das nicht so passend zu sein, seinen Freund bedrückte etwas, das spürte man, als dann sein heißer Atem in Form eines Stöhnens aus dem Mund des Schwarzhaarigen kam, noch extremer.

„Weißt du... Ich hätte Jami töten sollen, statt Mitleid mit ihm zu haben und ihn in Schutz zu nehmen... Dass er Verräter oder Leute, die ihm in die Quere kommen, skrupellos ermordet, das wusste ich schließlich. Aber ich bin nicht besser, ich mache es nicht anders... Seit Jahren nicht... Hiroya hingegen, er hat noch niemals jemanden erschossen, wie mir bekannt ist, trotzdem bekämpft er uns mit allen Mitteln, er zögert nicht und hat bisher immer gewonnen... Aber mit Jami, mit dem hatte er massiv Probleme, sie hätten sich am liebsten gegenseitig zerfleischt. Hiroya hat mal etwas Schreckliches erlebt und hasst seitdem Musiker, seine Schwester demnach auch. Als man ihm drohte, ihr wehzutun, hat er blöd gelacht... Ich hätte ihn erwürgen können, Jami fand das anscheinend sehr lustig. Hiroya hat einfach so zugesehen, wie man seine Schwester in die Sache hineinzog. Außer seiner Freundin war da nur seine Familie, die er hätte beschützen müssen. Sein Vater und seine Mutter... Die sind alle tot. Er tut mir Leid, Ryo...“

Das war typisch für seinen Freund, er hatte manchmal zuviel Mitgefühl. Ob Hiroya das wirklich verdient hatte? Ryochi wusste nicht so wirklich.

„Yuichi kann ihn kein Stück leiden, er findet, dass er ziemlich abgehoben ist und sich für den Gott hält, der mal die Organisation stürzt. Er denkt nur an sich, hat er zu mir mal gemeint. Und dass er wie dieser Jami ist, aber nur ein Pseudoheld ist.“

Ein Pseudoheld - Sêiichî schüttelte mit dem Kopf, seiner Meinung war er das nicht nur zum Schein.

„Er ist eine Ratte... Jami hat er einfach so Mord verüben lassen. Dieser Vollidiot hat zugelassen, dass die Polizei ins offene Messer läuft. Du weißt doch, in der Nacht, in der er dich töten lassen wollte, hat irgendwer die Polizei gerufen... Hiroya wusste genau, dass es Jami ist und doch hat er nichts unternommen, um seine Kollegen vor dem Tod zu bewahren. Sie waren zu zehnt... Keiner von denen lebt noch, Hiroya ist nicht mitgefahren... Mir kam es vor, als wenn er Jami damit auch noch einen Gefallen getan hätte. Und so einer hetzt über Stars, weil die sind ja alle schlecht, ich glaube, jetzt wird mir schlecht. So ein aalglatter Mistkerl. Nein, den kann ich nicht bedauern, er hat nicht mal seine Schwester beschützt. Solche Brüder sind doch echt eine Schande, und nun widersprich mir bloß nicht, du weißt genau, dass ich Recht habe.“

Nun wagte Sêiichî nicht zu widersprechen, immerhin hatte sein Freund das nicht nur so daher gesagt. Dass er anders über Hiroya dachte und sich sicher war, er hätte seiner Schwester geholfen, wenn er gekonnt hätte, das musste er ja nicht an den Mann bringen. Man würde ihm ohnehin nicht glauben.

„Ich frage mich, wer es war, der Jami an die Polizei verpfiffen hat, er hatte ja ganz schön zu kämpfen, hat man mir gesagt, er wäre nicht unverletzt aus der Sache gekommen... Nun ja, jetzt ist er tot, jedoch habe ich das Schlimmste nicht verhindern können. Hätte ich ihn an dem Tag doch nur erschossen, dann...“ Die Polizisten würden noch leben. Der Gedanke schmerzte ihn wirklich, und das nur, weil er Jami als seinen Freund angesehen hatte, trotz allem.

„Es war ein Gemetzel wie im Krieg, Sêiichî...“ Ryochi hatte das Blutbad gesehen. Jami hatte wie ein Soldat gehandelt, einfach alle abknallen, die im Weg waren...

„Er hat sich bedroht gefühlt“, erwiderte Sêiichî leise und mit gesenktem Blick. „Das soll jetzt keine Verteidigung sein oder so etwas, nur eine Aussage, okay?“ Er wollte hier bestimmt keinen Mörder verteidigen.

„Ich könnte echt kotzen“, meinte Ryochi, es war eigentlich gar nicht seine Art, solche Äußerungen zu machen. „Tokorozawa regt mich echt auf! Ihm stirbt die Familie und die Freundin weg und was tut er? Es juckt ihn nicht im Geringsten... Der Kerl kann doch unmöglich ein Herz besitzen.“

‚Oder ein sehr verschlossenes, Ryo. Du kannst unmöglich denken, dass es ihm total egal ist, dass alle tot sind... Jetzt ist er wirklich alleine, weil er immer dachte, er käme alleine klar.’
 

Das Zimmer befand sich im 100. Stock eines gigantischen Hochhauses. Der Mann, welcher die größte Macht in der Firma hatte, war gerade bei einem wichtigen Meeting, er hatte auch eine Frau mit rotblonden Haaren bei sich, die elegant gekleidet wie sie war, sehr gut zu ihm passte. Sein Liebling war in einen Fall verwickelt und war gerade verhindert, also musste er sich mit ihrer Anwesenheit zufrieden geben. Sie hatte sein höchstes Vertrauen und sah auch noch dementsprechend gut aus, dass er sie mitgenommen hatte. Cencibel musste arbeiten, Baileys sollte das Kind zu ihr bringen, damit sie auf dieses aufpasste. Sie war gerade auf dem Weg in die Tiefgarage, als sie Geräusche hörte und mit dem Kind, das in einem Babykorb, den die Frau trug, lag. Eigentlich war um diese Uhrzeit hier unten nichts los, die meisten hier beschäftigen Leute waren ihrer Arbeit nachgegangen und die Mittagspause war längst vorüber. Leute wie sie hatten hier eigentlich nicht sehr viel verloren. Sie war auch nur gekommen, weil man ihr aufgetragen hatte, das Kind zu Cencibel zu bringen. Am liebsten hätte sie dem armen, hilflosen Würmchen seinen hübschen Hals umgedreht, alleine der Gedanke daran, wer er war, ließ sie vor Hass zittern...

Sie hätte das Baby sofort an sich gerissen, wenn es dem Boss nicht so wichtig gewesen wäre. Und sie mochte den Gedanken daran, dass dieses Kind eine Killerin wie Vermouth weich machte, so dass sie sich alles gefallen ließ. Der Boss sollte sie nur ordentlich quälen, ja, das gefiel ihr und hielt sie davon ab, den Mann zu verraten, der ihr so viel Verantwortung aufgetragen hatte. Natürlich war ihr klar, dass er Valpolicella nicht behelligen wollte, da sie Wichtigeres zu tun hatte, als auf sein Kind aufpassen zu lassen.

„Du verdammter Bengel siehst aus wie dein Vater, wie dieser Versager! Dass sie dich bekommen hat, wird ihn in ziemliche Schwierigkeiten bringen, so ähnlich wie du ihm siehst. Wenn sie nicht so von ihren Gefühlen geleitet wäre, wäre sie so vernünftig gewesen, abzutreiben. So eine dumme Frau, aber das war sie immer...“

Schon jetzt, da er Haare hatte, sah dieses Kind Cognac mehr als ähnlich, er hatte dieselbe Nase, seine Gesichtszüge waren ähnlich, man sah es einfach, dass es unmöglich das Kind ihres Arbeitgebers war.

Baileys grinste teuflisch. Diese Frau würde bitter bereuen, sich darauf eingelassen zu haben. Man würde nicht nur sie erpressen, man würde ihrem kleinen Freund das Herz brechen, er war bei weitem nicht so robust, wie er anderen Glauben machte, das wusste die Schwarzhaarige einfach. Sie freute sich schon darauf, diese beiden leiden zu sehen. Ihn hasste sie, da er derjenige war, der sie immer wegen dieser Frau abwies und diese so abgöttisch liebte, dass er sich sogar mit Plavac angelegt hatte, um ihn zu stoppen – beziehungsweise Plavacs Gespielin, die niemand geringeres als Baileys selbst war. Mit dem Mundwerk war er eindeutig am besten und mit der Waffe. Seelisch war er sehr schwach, fand sie. Am besten konnte man ihm wehtun, indem man denen Schmerzen zufügte, die er liebte. Jemanden auf Carpano zu hetzen, war eines von den Dingen, die Cognac sehr zusetzten, deswegen hatte Baileys ihren Neffen auch darum gebeten, dem Mann etwas das Leben zu erschweren, was Teran natürlich äußerste Freude machte, solche Dinge vorzubereiten. Deswegen war er so frech gewesen, Freunde von Cognac beim Boss anzuschwärzen. So war der Mann auch erst auf die Idee gekommen, diesen Akaja anzugreifen. Und er würde Cognac selbst auf ihn losgehen lassen, da konnte man nur vor sich hingrinsen. Sie fand den Plan jedenfalls sehr interessant. Es war jedoch am besten, ihr nicht zu begegnen, wenn sie alleine mit dem Kind war, der Irren war zuzutrauen, dass sie sich das Kind schnappte und dann verschwand. Da Vermouth aber gerade zu tun hatte, sah sich Baileys auf der sicheren Seite... (sehr großer Fehler >D)

Wohl hatte sich die Schauspielerin geirrt, da war doch kein Geräusch, sie hatte es sich anscheinend nur eingebildet, also ging sie weiter ihres Weges bis zu ihrem bescheidenen Auto. Das war es wirklich, recht klein für eine prominente Frau, was nur darauf schließen ließ, dass sie bei weitem nicht so gefragt war, wie ihre Kollegin Chris Vineyard.

Bei diesem angekommen, schloss sie mit der linken Hand die Fahrertür auf und klappte den Sitz nach vorne, um den Korb hinten abzustellen.
 

Endlich hatte Baileys den Korb aus den Händen gegeben, es wurde Zeit...

Man sah und hörte sie nicht, als sie sich auf die Frau mit den schwarzen, langen Haaren zu schlich und ihr schließlich von hinten einen Schlag direkt auf die Schläfe verpasste, der die Japanerin niederstreckte. Sie fiel in ihr eigenes Auto hinein mit dem Kopf voran, ihr rechter Arm hing auf den Boden hinab, während ihr rechter auf dem Sitz gelandet war. An der Schläfe bildete sich sofort ein Blutrinnsal.

Die Frau mit den blau-grünen Augen war schockiert von sich selbst, dass sie so fest hatte zuschlagen können, das wurde bestimmt eine Gehirnerschütterung. Es war auch gar nicht so ihre Art, Leute so aus dem Hinterhalt anzugreifen, aber da sie das Kind schon mit solch gierigen Blicken bestaunt hatte, war ihr jedes Mittel recht, um es zu befreien...

Über Baileys Kopf hinweg hob sie den Korb hoch und schaute hinein – er schlief und bekam von allem nichts mit. Der Junge hatte wirklich einen außerordentlich tiefen Schlaf, er schien auch selten wirklich zu schreien, das erzählte der Boss jedenfalls jedem, was für einen braven Jungen er da ja hatte. Und so stolz war er – was spielte sich bloß in seinem Kopf ab? Er wusste doch, dass es nicht sein Kind war und ihn seine ach so tolle Gefährtin mit einem anderen betrogen hatte. Und dann hatte sie auch noch gewagt, ein Kind von einem anderen zu bekommen. Dass er das Kind liebte, war ausgeschlossen. Die Blondine mit den langen, glatten Haaren lächelte nun jedoch, er sah so niedlich aus, wie er da so mit dem Kopf zur Seite lag und ganz friedlich war. Vor lauter Träumereien bemerkte sie erst gar nicht, dass Baileys sich bewegte, erst als sie sie stöhnen hörte, sah die Sängerin erschrocken zur Seite und stellte den Korb ab, die Waffe, die sie hatte, hielt sie fest umklammert, Baileys nun den Rücken zuzudrehen, während sie aufwachte, das kam überhaupt nicht in die Tüte. Es gehörte zu ihren Hobbies, einfach so Leute von hinten zu erschießen, sie war eine sehr feige Person, anders als die Blonde.

Die Schwarzhaarige hielt sich die Schläfe und sah Blut in dem Moment, in dem sie ihre Hand von dieser wegnahm. Mit einem Blick zur Seite entdeckte sie diese Frau, die man aus den Schlagzeilen kannte, jedoch war es keine negative Publicity, wie man sie von Baileys und Vermouth sonst kannte.

„Was zum Teufel willst du? Willst du Ärger, mein Kind?!“

Der Angesprochenen war schlecht, ihr Blick war eiskalt, als sie ihre Waffe auf Baileys richtete, die ihre eigene noch nicht einmal hatte ziehen können.

„Ich bin nicht dein Kind, sag das doch zu Mistelle, aber nicht zu mir, Miststück!“ warf sie ihr verärgert entgegen, nahm den Babykorb an sich und ging langsam rückwärts.

„Du bist doch das Miststück, das dem Boss nicht gehorcht! Pass auf, was du da sagst! Valpolicella kann dich ohnehin nicht leiden...“ Es war indirekt eine Drohung und Baileys blickte der Jüngeren mit einem wahnsinnigen Gesichtsausdruck in die Augen.

„Sei lieber froh, dass du noch am Leben bist, statt so große Töne zu spucken, du hast keinen Einfluss auf Valpolicellas Entscheidungen, das hat, wenn überhaupt der Boss und auch Carpano. Du stehst zu weit unten, um mit entscheiden zu dürfen, Herzchen, also sei vorsichtig. So was kann ins Auge gehen“, gab die Blondine zurück, die weiterhin rückwärts ging. Ja, es war schon wie ein Geschenk sie leben zu lassen – die Frau war einfach nur boshaft. Es gab weniges, was ihr etwas bedeutete, aber es schien da so einen Mann zu geben, den Vermouth mal angebaggert hatte, seitdem war sie noch schlimmer. Ihr das Kind überlassen, das konnte sie nicht, dafür war sie zu gerecht. Baileys würde den armen Jungen mit Sicherheit quälen...

Aber das war bei weitem nicht der einzige Grund für ihre Tat. Verrat beging sie nicht zum ersten Mal, doch war dieser hier direkt gegen den Boss – also eine Todsünde für Organisationsmitglieder, aber es stellte auch klar, auf welcher Seite die 27-jährige stand.

Heute sollte etwas ganz Furchtbares passieren, jedenfalls plante der Boss etwas, wovon sie erfahren hatte. Sie musste irgendwie Cognac erreichen, ihn finden oder Derartiges, damit er wusste, dass sie das Kind hatte. Dann konnte man vieles vermeiden, hoffte sie. Er musste doch schrecklich verzweifelt sein mit diesem Auftrag. Sie glaubte nicht, dass Cognac jemals seinem besten Freund verletzen oder gar töten könnte, aber sie wollte ihn von Verzweiflungstaten abhalten...

Sich hinter den nächsten Autos bewegend, konnte sich die Frau endlich herumdrehen, um zu ihrem Auto zu laufen, allzu lange wollte sie sich hier nicht aufhalten, wenn man sie dabei erwischte, war das nicht sehr von Vorteil. Eigentlich hätte sie Baileys auch töten müssen, um sie vom Reden abzuhalten, doch war sie nicht so sehr mit Macht versehen, dass man ihr alles glaubte. Und sich mit jemandem wie Cencibel anlegen, würde sie ohnehin nicht, diese Frau würde sich Baileys sicher zur Brust nehmen, wenn sie ihrem Schützling etwas antat, das wusste diese natürlich. Also war es unnötig, sie gleich zu erschießen. Dazu musste sie ihr schon noch bessere Gründe liefern...

Auf halber Länge hörte sie jemanden schnell atmen und sah zur Seite. Es war dunkel in der Ecke, da die Autos vor allem zu dicht aneinander standen und das wenige Licht auffraßen. War ihr jemand gefolgt? Hatte sie jemand gesehen, der es wagen würde, sie zu verraten?

Als sie dann aber diese Frau erblickte und ihren gequälten Gesichtsausdruck ging ihr Blick langsam tiefer. Sie erblickte Blut, das sich über der Kleidung dieser Person verteilt hatte.

Ihr Anblick rüttelte Erinnerungen von vor einem Monat in der Frau wach. Das ganze Blut, das sie gesehen hatte, als sie zu spät dort aufgetaucht war... Ihre Augen weiteten sich augenblicklich. In der Dunkelheit sah das Gesicht der Frau gerade so wie sie aus, ihre blonden Haare sah man kaum, man konnte nur Locken sehen, so wie ihre Freundin sie an diesem Tag gehabt hatte...

Den Schockmoment überwunden, bemerkte sie auch, dass es Vermouth war, die hier im Dunklen mit Blut befleckt begegnet war – die 27-jährige schüttelte kurz den Kopf, um die Gedanken loszuwerden.

„Shawn...?“ Es war lediglich ein Krächzen, bevor die blonde Schauspielerin verdächtig schwankte.

„Ja, dein Zustand sagt mir, dass an dir irgendjemand klebt. Unter anderen Umständen würde ich dich mitnehmen, aber ich habe ein Kind bei mir, eine Flucht habe ich nicht eingeplant...“ Sie wandte den Kopf etwas zur Seite – nicht hinsehen und auch nicht dem Mitleid verfallen. Wer auch immer schon wieder gewagt hatte, auf Vermouth zu schießen, war kein Organisationsmitglied. Es gab nicht sonderlich viele, die so etwas wagten. „Ich nehme den Jungen mit, an deiner Seite hätte er es im Moment nicht so gut, da gibst du mir doch Recht, oder? Außerdem werde ich verhindern, dass Sêiichî Unfug macht! Wenn es sein muss, halte ich ihn höchstpersönlich davon ab.“

Vermouth stutzte, als die 27-jährige flüsterte – es war noch jemand hier – das schlussfolgerte sie daraus, aber wieso nannte sie ihn Sêiichî? Kannten sie sich besser? Und wieso interessierte sie sich so sehr für sein Wohl?

„War oder ist da irgendwas zwischen euch?“

Die Frage strotzte gerade nur so vor Eifersucht, das hatte sie durchaus mal verdient, immerhin war der Großteil scharf auf sie, weil sie es herausforderte. Wenn sie bei Sêiichî Angst haben musste, dass er sie verließ, dann hatte sie einfach Pech gehabt.

„Und das trotz des Kindes... Nur mal zu deiner Information, Vermouth, du verlierst Blut, du solltest dich nicht von so etwas wie Eifersucht aufhalten lassen. Schon gar nicht, wenn eine wütende, fast unverletzte Baileys hier herum streunert.“ Es war lächerlich, Sêiichî war ein Baka, der immer wieder zu dieser einen Frau zurückkehren würde, und diese misstraute ihm, was aber auch nachvollziehbar war...

Er hatte wohl einiges angerichtet mit seiner elenden Fremdgeherei. Aber anders wäre es Vermouth wohl auch zu öde gewesen, sie wollte ihn erziehen, das lag für sie klar auf der Hand. Wieso sonst hätte sich eine Frau wie sie Jahre lang einfach betrügen lassen? Es hatte ihr doch gefallen, mit Strafen um sich zu werfen und ihn immer wieder in diesen Teufelskreis hineinzutreiben.

Ja, es war etwas zwischen ihnen gewesen, aber das musste man ihr nicht gleich auf die Nase binden. Sie musste nicht wissen, wie sehr sie ihn damals gequält hatte und dass er sich bei einer anderen ein paar Zärtlichkeiten abgeholt hatte, was sie nicht gewillt gewesen war, zu geben.

Der Sarkasmus in der Stimme ihres Gegenübers ließ Vermouth zunächst ein klein wenig wütend werden, doch musste sie zugeben, dass Eifersucht gerade nur hinderlich war. Dass man sie gewarnt hatte, war ihr klar, auch wenn es etwas versteckt gekommen war. Wenn Baileys sie so sah, roch sie noch eine Chance, das wollte man wenn möglich verhindern.

„Arigatou.“

Belustigt sah die Frau mit den glatten Haaren zu ihr – Vermouth musste wirklich verdammt verzweifelt sein, wenn sie schon jedem dankte, der sie mal nicht hasste und sie ans Messer liefern wollte.

„Es gibt nichts zu danken“, erwiderte die junge Frau und drehte der älteren den Rücken zu, woraufhin sie mit dem Babykorb in ihrem Auto verschwand, auch wenn es hieß, sie hier zu lassen, wie sie ihr ja mitgeteilt hatte. Es war also in dem Sinn keine Hilfe, also gab es auch nichts zu danken.

Wenig später hörte man das Klappern von Schuhen, jemand versuchte dem wegfahrenden Auto zu folgen, was niemand anderes als Baileys war. Doch Vermouths Gehirn war von der Verletzung zu vernebelt, um dahinter zu kommen, weshalb sie dem Auto folgte, sie war kurz davor, umzukippen, was sie natürlich nicht würde, sie hatte viel Durchhaltevermögen, das sie sich mit der Zeit angeeignet hatte, nachdem sie so oft mit dem FBI zu tun gehabt hatte. Flüchten war wichtiger als vor Schwäche einfach umzukippen. Sie war ganz ruhig und machte sich nicht bemerkbar. Im Moment war es ihr wirklich lieber, wenn ihre Feindin anderen Tätigkeiten nachging, als auf sie loszugehen. Was man diesmal wohl Sêiichî aufgetragen hatte, dass jemand wie Cinzano davon redete ihn von Dummheiten abzuhalten? Und sie selbst war hier, wusste ja nicht einmal, was gespielt wurde. Es war eine ganz bittere Erkenntnis, etwas nicht zu wissen, was vielleicht im Begriff war zu geschehen...
 

Der Himmel war ganz dunkel geworden – irgendwie passte das sehr gut zur Stimmung des Schwarzhaarigen. Er hatte seinem Kollegen Carpano längst Bescheid gegeben, dass er auch ja hier auftauchen würde. Und er würde es durchziehen, so, wie er es schon vor langer Zeit geplant hatte. Sêiichî hoffte nur, dass Yuichi ihn diesbezüglich nicht enttäuschte, sonst ging es ihnen wohl allen beiden an den Kragen.

Der dunkelgraue Himmel und der triste Friedhof, auf dem sie den Pfad zu einem Grab beschritten, es passte so gut zusammen. Da Sêiichî sehr gläubig war, hatte er sich erst geweigert, auf einem Friedhof zu morden, aber da er sowieso abgehalten werden wollte, musste er das jawohl auch gar nicht. Darum war er froh, egal was mit ihm passieren würde. Wenigstens würde er so nicht seinen Gott verraten, der ihn stets begleitet hatte. Sêiichî glaubte so sehr an ihn, dass er glaubte, von ihm geführt worden zu sein – dass alles von Gott ausgegangen war.

Das Leben war eine einzige Prüfung, das stimmte sogar. Derjenige, der das gesagt hatte, war im Recht. Für Sêiichî war es das immer gewesen. Ein Test, wie viel er ertrug, ohne selbst in die bösen Abgründe des Teufels abzurutschen. Und sein Herz, ohne zu brechen oder schlichtweg zu erkalten. Bisher hatte er es immer geschafft, gegen das Böse anzukämpfen, es war immer da, auch jetzt. Es begleitete ihn, wie der Schatten das Licht.

Heute, am 10. Februar, der Tag, an dem er bei einem guten Freund sein sollte, wollte der Boss ihm das schlimmste antun, was man ihm wohl antun konnte – einen Freund töten.

Es war sein Kindheitsfreund – jemanden, mit dem er als kleiner Knirps schon durch dick und dünn gegangen war. Er saß in der Falle, er war die Maus, die den Speck gefressen hatte und nun eigentlich besser um sein Leben rennen sollte. Sie wussten alles über ihn, einfach alles schienen sie zu wissen, woher das war ihm nicht wichtig, weil es ihn vielleicht in die Rachsucht getrieben hätte – er wollte es gar nicht wissen – es gab ohnehin keinen Weg zurück. Er, der einst zur Polizei gehört hatte, musste spuren, sonst war sein Leben für diesen Mistkerl nämlich rein gar nichts mehr wert, auch wenn es hieß, benutzt zu werden.

Die Glocken hatten für ihn eigentlich schon geläutet, sein Tod war entschieden. Ein Fehler, ein falsches Wort reichten wahrscheinlich schon, damit man ihn endgültig umbrachte.

Sêiichî kniete sich vor das Grab, auf dem mit schwungvoller Schrift ein Satz stand, der mit Liebe Schwester... begann. Ihm standen jetzt schon beinahe Tränen in den Augen. Es war nicht Yurikos Grab, auch wenn sie fast zur gleichen Zeit begraben worden war, es war das Grab von Hiroyas kleiner Schwester, die Sêiichî nun hier besuchte, da er die Beerdigung nicht mitbekommen hatte. Zu der Zeit war er außer Gefecht gewesen.

„Weißt du... Der Satz klingt für dich vielleicht total ironisch, aber ich denke, das war sein Ernst.“

Ryochi zog tief Luft in die Lunge, als Sêiichî das sagte.

„Meinst du, ja? Ich hingegen denke einfach nur, dass du immer versuchst das Gute in den Menschen zu sehen, selbst wenn es offensichtlich ist, dass sie schlecht sind. Ich denke nämlich, dass der Satz nur auf ihrem Grab steht, damit Hiroya gut dasteht. Das gehört sich eben für einen Bruder. Dass er sie überhaupt hat beerdigen lassen, ist ein großes Wunder. Dass er dafür Kosten in Kauf nimmt, er hat sie immer gemieden und sie schlecht gemacht... Wenn man ihn versuchte zu belehren, war sie immer eine Versagerin, und der selbe Kerl lässt auf ihr Grab schreiben: Liebe Schwester, du bist viel zu früh von uns gegangen. Mögest du in Frieden ruhen...“

„Du solltest ihn nicht so verurteilen, er muss sehr einsam sein. Erst wird seine ältere Schwester ermordet, dann seine Freundin, und weil das ja noch nicht reichte, gleich noch im Anschluss seine Eltern und seine kleine Schwester. Denkst du, das ist ihm total egal gewesen? Das bezweifel ich doch sehr stark. Er ist mir sehr ähnlich, Ryo. Wenn er eiskalt ist, das ist das Selbstschutz.“

Sêiichî war heute wohl besonders sensibel, oder wie hatte Ryochi das zu verstehen? Er konnte Hiroya nichts Gutes abgewinnen, seit damals in Kyoto seine Freundin ermordet worden war, hatte er sein Herz an diese Organisation verloren. Sêiichî dachte ja auch, dass sein Halbbruder Takeshi Gutes in sich trug – das konnte Ryochi nicht mehr so ganz nachvollziehen, selbst wenn es Sêiichîs Bruder war. Wo sah er da bitte etwas Gutes an diesem Monstrum, das Frauen vergewaltigte und skrupellos eine Gruppe Leute auf den jüngeren Bruder hetzte, weil es so viel Spaß machte, ihn zu quälen. Ryochi zweifelte sogar an dem Verstand des Mannes. Er war einfach krank im kopf.

„Ein anständiger Bruder hätte sich anders verhalten, er war so drauf aus, seine Yuriko zu beschützen, dass Kimiko auf der Strecke blieb, deswegen war sie immer alleine. Er hätte sie davon abhalten können, aber er war nie da, er hatte immer nur seine Organisation im Kopf, er ist besessen. Alles, was für ihn zählt, ist der Erfolg. Ich weiß nicht, ob ihm bewusst ist, was er dadurch verloren hat... Er war bei meinem Vater an diesem Tag... Er wollte doch wirklich, dass wir auf seine Schwester und seine Freundin etwas Acht geben. Und dann hat er noch gesagt...“ Ryochi senkte seinen Blick, er wollte eigentlich nicht daran denken, aber er erinnerte sich noch ganz genau. „Er kam ursprünglich her, um uns aufzuklären, dass du Polizisten ermordest. Er hat uns Tipps gegeben und meinte wohl, dass wir als Gegenleistung auch etwas für ihn tun... Er war so widerlich arrogant, ein richtiger Kotzbrocken, er meinte tatsächlich, dich besser zu kennen, als ich. Er meinte, eines Tages wirst du auch auf mich deine Waffe richten...“

Sêiichî stand mit dem Rücken zu Ryochi – als er diese Worte hörte, musste er lachen. Nur sehr schwer verkniff er sich zu sagen, dass Hiroya damit jawohl den Nagel auf den Kopf getroffen hatte – es stimmte, er würde seine Waffe auf Ryochi richten, deswegen sollte dieser besser nicht so daher reden.

„Scherzkeks, wieso lachst du jetzt?“ Ryo verstand es erst nicht, das dunkle Lachen gefiel ihm gar nicht, Sêiichî veralberte sich doch sicher wieder und sah sich als schlechter Mensch an. „Er ist der Auffassung, dass du zu den Bösen gehörst, warum lachst du dann? Weil du dich veralbern willst?“

„Nein, weil er anscheinend die Zukunft voraussehen konnte, vielleicht hat er sich deswegen so viele Leute schnappen können und kam ständig damit durch... Er wusste auch, dass man auf seine Schwester losgehen wird... Er wusste, dass ich eines Tages Polizisten töten würde... Und er wusste, dass ich dich mit einer Waffe bedrohen werde.“ Der ehemalige Polizist holte seine neue Waffe hervor, drehte sich mit dieser herum und richtete sie auf seinen besten Freund.

„Ja, ich wollte Kimiko besuchen. Ja, ich wollte nicht alleine herkommen, weil ich mich so geschämt habe... Aber ich habe dich heute mit hierher genommen. Hier soll heute ein Detektiv ermordet werden. Das hat der Boss so beschlossen... Weißt du, Ryo, der Boss hat bemerkt, dass ich Shawns Vater bin – er erpresst mich mit dem Kind. Er will dem armen Jungen Schmerzen zufügen, wenn ich es nicht tue. Sei nicht böse auf mich, ich mache es kurz und schmerzlos.“

Ryo hatte ein bitteres, aber doch unbeeindrucktes Lächeln im Gesicht, als er in die Waffe blickte. Es war nicht das erste Mal, dass man ihn so bedrohte und er glaubte Sêiichî kein Wort. Er hatte gerade versprochen, es kurz und schmerzlos zu machen. Allerdings, es würde schmerzlos sein, weil er nämlich nicht abdrücken konnte, das wusste er. Wem wollte er was vormachen? Wollte er ihn vielleicht wütend machen, so dass er selbst zur Waffe griff? Der Kerl war echt ein unbezahlbarer Baka. Nichts konnte ihn dazu bringen, seine Waffe gegen ihn einzusetzen. Angst, so etwas verspürte er gerade ebenfalls nicht, er war ganz ruhig – es war schließlich Sêiichî, sein bester Freund. Er war ein treuer Freund, der seine Leute niemals verraten würde, eher brachte er sich selbst um, als das zu tun.

„Du hast als ihr Gefährte versagt, was? Du dachtest doch immer, du hältst bei ihren schauspielerischen Künsten mit, Sêiichî Iwamoto. Er will dich fertig machen, weil er weiß, dass du mit der Frau zusammen bist, die er sein Eigentum nennt. Er weiß, dass du labil bist.“ Nur ganz leise sagte Ryochi es und wollte näher an Sêiichî heran gehen, doch dieser erhob drohend die Waffe,

„Noch nicht, wenn ich das nämlich schaffe, schaffe ich alles... Carpanos Freundin tut auch alles für ihren Erfolg. Wieso also nicht ich?“ Er hatte schließlich auch einen Plan, der scheitern würde, wenn er versagte. Aber es war zu spät, sein Plan war ihm nicht so viel wert, dass er zulassen würde, dass Ryochi etwas passierte.

Unauffällig schaute Sêiichî auf die Uhr, ihm lief die Zeit davon – man erwartete von ihm diesen Schuss.

„Bist du nervös?“ stichelte Ryochi ihn, er wollte ihn gerne besser kennen, als der Rest und Recht haben, das würde er ihm auch beweisen. „Worauf wartest du? Du hast doch keine Zeit, nicht wahr?“ Auf was wartete Sêiichî, dass er doch seine Waffe zog und sich ordentlich wehrte, oder auf was?

In seinem Ohr hörte er die Worte, die wie eine Drohung klangen und Sêiichî gerade wahnsinnige Angst machten.

~Schieß endlich, oder der Boss kümmert sich erst so richtig um dein Kind, hast du gehört? Hast du gehört? Und jetzt bring den Kerl um, Cognac! SOFORT! Oder er dreht ihm den Hals um, er bricht ihm das Genick, das willst du doch nicht, oder doch? Kannst du gerne haben!~

Die Stimme klang wahnsinnig, geradezu davon besessen, dass der Boss es tat, er würde diesem auch sagen, dass Cognac zauderte. Das bekam Shawn garantiert nicht. Der Schweiß breitete sich in Sêiichîs Gesicht aus. Je länger er wartete, umso zahlreicher wurde das Feuchte in seinem Gesicht, das allmählich über seine Wangen rann. Es war der pure Angstschweiß.

~COGNAC!~

Sein geschrieeer Name ließ ihn zusammen zucken. In dem Moment fiel ein Schuss, der einige Vögel aufschreckte und aufgeregt davon fliegen ließ.

Der Schuss war völlig ungewollt gewesen und ließ Sêiichî tödlich blass anlaufen. Man hätte meinen können, er kippte jeden Moment um. Wer war das gewesen? War er nun endlich gekommen?



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