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Der Glasgarten

von

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Secrets

Secrets
 


 

Finn schlich müde ins Badezimmer und wusch sich sorgfältig, danach tappte er barfüßig ins Ankleidezimmer. Nur Anzüge wo das Auge hin fiel. Nach kurzer Inspektion der Kollektion musste er zugeben, dass Brad in jedem Anzug sicher umwerfend aussehen musste. Ausgehend von der ihm zugrunde liegenden Attraktivität war dies auch keine Kunst. Seine Gedanken schweiften zurück in die Vergangenheit, als er das letzte Mal in Brads Kleiderschrank geschnüffelt hatte. Er hatte damals augenscheinlich schon ein Faible für eher konservative Kleidung besessen, etwas farbenfroher zugegeben. Finn pickte sich eine Trainingshose in schwarz heraus und ein weißes Hemd. Es war ihm zwar an einigen Stellen, vor allem den Schultern zu groß, aber es war schließlich nur ein Hemd. Es würde seinen Zweck erfüllen – und es war Brads Hemd. Nichts hätte er jetzt lieber getragen. Darunter zog er ein Unterhemd an. Sein Weg führte ihn dann ins Wohnzimmer und dort steuerte er direkt den noch offenen Koffer mit den Verbandsmaterialien und Medikamenten an.
 

Er wühlte in den Döschen und entschied sich schließlich für ein Medikament, welches ihm ein Begriff war und nahm zwei Tabletten davon. Dann durchsuchte er die Schränke in der Küchenzeile und entschied sich mangels Alternative für einen Kaffee. Er warf die Maschine an und wartete geduldig bis sie ihren Selbsttest beendet hatte, bevor er sich eine Tasse herausließ. Er konnte sich nicht erinnern, wann er jemals so viel Zeit damit verbracht hatte, sich um sich selbst zu kümmern, oder das gewollt hatte. Ihm war auch schleierhaft, ob er diesen erzwungenen Müßiggang nun schätzen oder die trügerische Ruhe verteufeln sollte. Ihm blieb jedoch nichts anderes übrig und so schaltete er den Fernseher ein und machte es sich mit einer Decke davor gemütlich...
 

Nach einer Weile zog er seine Tasse wieder zu sich heran und bemerkte, dass er sie wohl geleert haben musste. Er beschloss eine weitere folgen zu lassen und erhob sich zum Zweck der Neubeschaffung. Während seiner Aufenthalte in Europa hatte er Kaffee für sich entdeckt und war seither stets auf der Suche nach einem guten Tröpfchen davon. Sein Gehör meldete ihm, dass die Sicherheitstür sich öffnete und seine Hand hielt vor der Wahltaste inne. Erst als er Crawford im Rahmen zum Wohnraum sah, betätigte er sie.

„Habe ich dir erlaubt meine Sachen zu tragen?“ hörte er die Stimme durch das Mahlgeräusch hindurch.

Finn wandte den Kopf erneut in Richtung Tür und sah Brad an. Er konnte sein Gesicht nicht wirklich gut erkennen. Finn rieb sich mit der Hand über die Augen. War er so müde?

„Nein“, hörte sich Finn antworten.

„Dann zieh sie aus.“

Warum sagte Crawford das? Was bezweckte er mit diesen Worten?

Finn ging um die Küchenzeile herum und wollte an ihm vorbei, als Crawford ihn festhielt. „Hier und Jetzt. Alles.“
 

Finn sah ihn einen Moment an bevor er sich auszog.
 

„Knie dich hin.“
 

Finn kniete sich hin. Warum tat er das? Er hatte das nicht nötig. Wehr dich gegen ihn! Es war Brad Crawford, Finn schuldete ihm Gehorsam.

Crawford packte sich seine Haare und zog ihn an seinen Schritt. „Das wird dir gefallen, Invidia. Hol dir was du willst. Du stehst drauf, du kannst doch nichts anderes.“
 

Er hob die Hände, öffnete die Hose und griff hinein. Crawfords Glied zuckte bereits vor Erregung, als er es umschloss und es zu seinem Mund führte. Er ließ ihm kaum Zeit sich daran zu gewöhnen, stieß nach vorne und in seinen Rachen. Finn würgte aber Crawford zog sich nicht zurück. Er stieß weiter in ihn. Finn liefen die Tränen die Wangen herunter. Verwundert fuhr sich Finn über die Augen, wischte sich hektisch die Tränen ab.
 

„Invidia“, er sah auf, aber Crawford war kaum zu sehen. Er blinzelte den Tränenfilm weg und versuchte Luft zu holen aber das war nicht möglich. Die Augen aufreißend kämpfte er um Atem.

„Sieh mich an.“
 

Er keuchte, zog sich zurück, sah immer noch verschwommen.

„Ich kann nicht. Ich bekomme keine Luft.“
 

„Warum?“
 

„Weil du mich mit deinem Schwanz erstickst...“ keuchte Finn, bis er einen Schlag auf seiner Wange spürte und er herumgerissen wurde. Er blinzelte.
 

Er wischte sich seine Wangen sauber und sah sich um. Brad saß vor ihm auf dem Couchtisch und hielt ihn an der Schulter fest.

„Nur... ein Traum“ stellte Finn erleichtert fest und mied den Blick des anderen. Sexuelle Folter hatte er in seinem Leben nicht nur einmal am eigenen Leib erfahren und es war stets ein probates Mittel, um ihn zu strafen und in der Rangordnung unten zu halten.

Der Traum verblasste langsam und Finn holte tief Luft, fuhr sich über das Gesicht.
 

„Kein Guter.“
 

„Nein. Kein Guter.“ Crawford würde nicht dieses Mittel anwenden um Finn an die Leine zu nehmen. Wenn er sich in vielem was diesen Mann betraf nicht sicher war so wusste er, dass dieser sich ihm nicht aufdrängen würde.

Finn sah nach draußen, seine Hand lag auf Crawfords Unterarm, dessen Hände hielten immer noch seine Schultern fest. Der Druck war angenehm, vertrieb den verlogenen Traum vollständig. Es regnete feine Bindfäden, trotzdem die Sonne schien. Finn hasste dieses Wetter, es war ebenso verlogen wie sein Traum. Es gaukelte Wärme vor wo nur unangenehme Nässe war.
 

Brad ging nicht weiter darauf ein, ließ ihn aber auch nicht los.

„Welche Rolle spieltest du beim Clan?“ Finn schluckte und schniefte noch einmal. Er konnte Brad kaum ansehen. Dieser ließ ihn endlich los und Finn nutzte die Gelegenheit, um sich aufrechter hinzusetzen, dabei griff er nach der Decke und zog sie höher.

„Sieh mich an.“
 

Finn hob das Gesicht an und zuckte mit den Schultern.

„Kindermädchen, Hure und Chefstratege“, erwiderte Finn langsam.
 

„Du hast auf die Zwillinge aufgepasst?“ fragte Crawford ruhig.
 

Finn nickte. „Ihre Eltern waren als rein biologisch zu betrachten, ohne ernsten Erziehungsauftrag. Als euer Empath Elisabeth Villard ausgeschaltet hat, wurde mein Part dabei immer wichtiger. Ich habe dir das nicht vorgespielt, das war... kein Trick, falls du das glaubst“, fühlte er sich genötigt, ihr Aufeinandertreffen im Café - vor ein paar Monaten - zu verteidigen. Doch Brad schien kein Interesse an dieser Verteidigung zu haben, denn er überging seine Worte, er hatte offenbar schon ein klares Bild von ihm.
 

„Warum Hure?“
 

Es war logisch für Finn, dass diese Frage kam, er hatte sie schließlich provoziert.
 

„Ich habe mit allen geschlafen, die es wollten, um das zu erreichen, was ICH wollte. In den letzten Jahren ging es darum, mich bei Sin zu halten und das um jeden Preis. Meine besten Kontakte in der Stadt sind so zustande gekommen.“ Er beobachtete Brad genau, um Abscheu in den braunen Augen erkennen zu können, aber dessen Gesicht blieb regungslos, keine Emotion zeigte sich darauf. Die hellbraunen Augen sahen ihn unverwandt mit Interesse darin an.
 

„Chefstratege?“

„Bis auf Neueinkäufe erledigte ich für Masahiro sämtliche Transfers, alle labortechnischen Entscheidungen und plante die Aktionen was euch betraf.“
 

„China?“
 

„Unter anderem.“
 

„Die Morde in Osaka zum Beispiel?“
 

Finn setzte sich gerader hin, schälte seine Beine unter der Decke hervor und stand langsam auf. Wer wusste schon, ob Brad sich gleich auf ihn stürzen würde, um seinem Anliegen eines Verhörs Nachdruck zu verleihen. Finn war ihm durch die Wirkung des Serums überlegen und Brad wusste nicht, dass er ihm nie schaden würde. Also waren seine Bewegungen langsam und überschaubar. Ruckartige Bewegungen mochten Raubtiere nicht sonderlich, dass weckte ihren Jagdinstinkt. Brad war ein Raubtier, so wie er ruhig dort saß und jede Regung von ihm beobachtete. Finn beugte sich vor und nahm seine Tasse vom Tisch. Er sah hinein und stellte fest, dass der Kaffee kalt war. Ein neuer musste her, also ging er hinüber zur Küche.

„Nein.“
 

„Es war aber eindeutig eine Botschaft von euch an uns.“

Crawford war ihm nachgekommen und holte sich selbst eine Tasse heraus. Er fragte sich gerade, mit wem Asugawa alles im Bett gewesen war, um seine Ziele zu erreichen, doch er verdrängte diesen aufkeimenden Gedanken rasch wieder. Er konnte daraus später vielleicht einen Nutzen ziehen.
 

„Eine Botschaft?“ Finn lachte bitter auf. Er stellte den Kaffee in den Automaten und wischte sich eine der vorderen, langen Strähnen über dem Undercut hinters Ohr. Er hielt einen Moment inne und erinnerte sich an diese Nacht.
 

„Es kam für mich aus heiterem Himmel. Ich lag im Bett, als ich das untrügliche Gefühl hatte, dass jemand in meiner Unterkunft war. Als ich das Licht anmachte lagen neben mir auf dem Tisch Präsente vom neuesten Einfall der Rasselbande. Es waren Bilder vom Tatort. Ein Opfer hatte hellbraune Augen.“

Finn suchte Brads Blick. Das helle Braun war mit nichts anderem zu vergleichen und er fragte sich jetzt, warum er damals dieser irrationalen Angst verfallen gewesen war, Brad könnte tot sein. Finn konzentrierte sich wieder darauf, weswegen er von der Couch aufgestanden war und drückte die Taste, um sich erneut dieses köstliche, warme Getränk in seine Tasse zu befördern.
 

„Aber das hatte nicht gereicht. Ira – ich vermutete, dass es er war - hat mir diese Augen, die in einem Behälter schwammen, mitgebracht. Im ersten Moment dachte ich...“

„... dass es meine sind?“
 

Finn nickte langsam.

„... dass sie mir auf der Spur sind. Dass jemand davon wusste, dass ich mich mit dir eingelassen habe. Dass mich jemand beobachtet und euren Aufenthaltsort entdeckt hat.“

Er verstummte und gestatte sich einen Moment, um über seine nächsten Worte nachzudenken.

„Sie machten ihr eigenes Ding. Und Kyoto ging auch auf ihre Kosten, Ira hat schließlich das Zeitliche gesegnet und ich habe nie herausgefunden, wie viel er wusste und ob er sein Wissen mit Gula oder Superbia geteilt hatte. Diese Morde waren weder von mir geplant, noch hatte ich im Vorfeld Kenntnis davon. Das Serum macht sie verrückt.“
 

„Was war mit Kudou gewesen?“
 

„Das war ebenfalls nicht von mir autorisiert gewesen, da hat Villard alleine mitgemischt.“
 

„Sie waren in Schuldigs Wohnung.“
 

„Wie das?“ Finns Augen weiteten sich, er fuhr herum.

„Gula hat so etwas angedeutet, aber ich hätte nicht gedacht, dass sie zum damaligen Zeitpunkt schon die offene Konfrontation suchten.“
 

„Offensichtlich doch.“
 

„Fand ein EMP bei euch statt oder andere Aktivität?“
 

„Nicht auszuschließen.“
 

„Aber wie macht Superbia das... er hat das Serum regelmäßig genommen. Seine Werte waren im Wirkbereich. Es sei denn, er hat die Daten frisiert“, grübelte Finn und sah Brad an.

„Ich weiß es nicht“, gestand er schließlich ein.
 

„Wie gut ist er?“
 

„Wie meinst du das?“
 

„Kann er die Gedanken nur lesen, oder sie manipulieren? Kann er organische Veränderungen bewirken?“
 

Brad stand vor ihm am Küchenblock und nahm einen Schluck seines Kaffees, ließ ihn dabei nicht aus dem Blick.

„Das weiß ich nicht. Ich kann das nicht differenzieren. Ich weiß nur, dass er jemanden einmal schlafen geschickt hat. Und den Jungen – Gabriel – kann er schnell beruhigen wenn er aufgeregt ist.“
 

„Dann kann er lesen und manipulieren“, resümierte Brad.
 

„Somi hat als rechte Hand sicher keinen Anfänger ins Feld geschickt“, stimmte Finn nachdenklich zu.
 

„Warst du mit ihm im Bett?“
 

Wo kam denn diese Frage jetzt her? „Warum interessiert dich das?“, fragte Finn misstrauisch.

Er bemerkte eine Bewegung in seinem Rücken und kurz darauf packte ihn eine große Hand im Nacken. Er spürte, wie sich die Finger um seine Kehle schlossen. Er gab dem Winkel nach und ließ sich umdrehen.

„Warum? Weil du mir gehörst und bis zu deinem Tod das tun wirst, was ich dir sage“, Brads Stimme war ein raues Flüstern, ein unangenehmes Kratzen in seinen Ohren. Die braunen Augen waren heller als er sie je gesehen hatte. Sie leuchteten wie wertvoller Bernstein aus seinem Gesicht heraus.
 

Finn zögerte die Antwort hinaus. Aber er ließ sich nur zu gern von dem Mann einschüchtern. Die Erregung, die sich in ihm ausbreitete, war nicht zu ignorieren und ganz bestimmt nicht von der Hand zu weisen. Er starrte wie hypnotisiert in diese Augen und spürte nur zu gern den harten Griff in seinem Nacken.

„Nein“, wisperte er und räusperte sich. „Ich hatte es vor. In dieser Nacht, als ich zu ihm gegangen bin und ihm die Bilder der Leichen aufs Bett geworfen habe. Er wirkte misstrauisch und ich fand mich plötzlich in der Defensive wieder. Er bestrafte Ira und rückte mir auf die Pelle. Ich... gebe zu, ich hatte und habe eine Scheißangst vor ihm. Ich dachte mir, wenn ich mich ihm anbiete, dann würde er vom Gedanken abkommen, dass ich ein Verräter bin. Er schickte mich weg.“

Brad ließ ihn los und machte einen Schritt zurück. Er lehnte sich wieder an die Küchenzeile, als wäre nichts gewesen. Finn griff sich seine Tasse, um etwas in den Händen zu haben, was die Kälte in der Atmosphäre etwas mildern würde.
 

„Was hat er gesagt?“ Brad sah ihn immer noch mit diesem ernsten Blick an, diesen alles durchleuchtenden Iriden. Es war nicht gerade beängstigend, aber entlarvend, als würde ein heller Strahl sein gesamtes Sein treffen und es vor ihm ausbreiten. Finn seufzte.

„Übersetzt, dass ich ihm zu missbraucht, zu schmutzig, zu gierig und zu verbraucht bin. Darüber hinaus noch ein Lügner und ich würde ihn anwidern. Im Endeffekt würde er mich nie anfassen und wenn doch, dann würde er sich wohl eher sofort danach die Hände waschen müssen.“

Finn lächelte schräg und nahm einen Schluck seines Kaffees. Er zuckte mit den Schultern.

„Aber er ist von dem Gedanken des Verräters abgekommen. Nach seiner Beschreibung meinerseits passte ich wohl in seinen Augen ganz gut zu Sin. Was nicht hieß, dass er mich nicht im Auge behalten würde, er traute mir nie ganz über den Weg.“
 

„Bist du ein Verräter?“
 

„Ich habe dich niemals verraten“, murmelte Finn mehr zu sich selbst.
 

„Was war mit China?“
 

„Das war ein... Unfall“, gab Finn kleinlaut zu.
 

Brad lachte und es war kein freundliches Lachen. „Das trifft es nicht ganz, fürchte ich.“
 

Finn hörte am Tonfall, dass er besser mit einer guten Erklärung aufwartete, wenn er nicht wollte, dass Brads unterschwellige Wut, die ihm aus jeder Pore tropfte, auf ihn niederprasselte. Und wenn er eines nicht wollte, war es, Brad dazu zu zwingen, Gewalt gegen ihn als Mittel einzusetzen. Alles in ihm sträubte sich dagegen. Er wollte, dass Brad gut über ihn dachte. In Anbetracht der Umstände ein utopisches Ziel. Er war derart in den Mann verschossen, dass er alles dafür gegeben hätte, wenn Brad stolz auf ihn wäre, wenn er ihn mögen würde. Lieben war als Wunsch zu hoch gegriffen – er wollte nicht zu viel erwarten – aber vielleicht konnte er irgendwann auf etwas Respekt hoffen.

So wie Chiyo es gehalten hatte. Es gab niemanden, der ihn in seinem Leben bisher mit echtem Wohlwollen entgegen getreten war, denn stets hatte sich hinter dem äußeren Schein des Gutmeinens eine Hinterhältigkeit oder ein Ziel verborgen. Es war nicht so gewesen, dass er darum nicht immer gewusst und diese Tatsache für sich genutzt hätte, denn so blauäugig war er nie gewesen.
 

„Sie wollten einen Beweis meiner Fähigkeiten. Meine Feuertaufe als Graue Eminenz hinter Masahiro – dem Unfähigen hier in Japan. Ich sagte ihnen, dass ich es fertig bringe und einen ersten Testlauf der Droge an euch teste. Sie planten, den PSI ihre Fähigkeiten zu nehmen, um zukünftige Kämpfe zu erleichtern. Der Kampf gegen die PSI wurde auf Dauer kostspielig.

Ich organisierte einen gefakten Auftrag an euch im Glauben daran, dass du dich im Hintergrund halten und euer Telekinet ohnehin davon nicht betroffen sein würde. Ihr hättet leichtes Spiel gehabt.“

Er sah kurz auf und ging dann zu Brad. Behutsam nahm er auf einem der Barhocker platz und stellte seine Tasse vor sich hin. Es ziepte noch an einigen Stellen und er wollte schnell wieder komplett einsatzfähig sein, denn wenn es erforderlich sein sollte, musste er Brad Schutz geben können.
 

„Ich sollte es nicht auf japanischem Boden ausführen. Fei Long war an der Droge interessiert. Wir handelten einen Deal aus, allerdings war ich nicht ganz ehrlich, was die Wirkung der Droge betraf. Er bekam die Droge und falls er Gefangene machte, sollte er sie dann für Laborversuche am Leben lassen. Ich ging nicht davon aus, dass Fei Long oder einer auf dem Grundstück überleben würde. Uns war Fei Long schon länger ein Dorn im Auge. Vor allem Sowa – die Familie kauft von ihm neue Rekruten – steht Fei Long im Weg. Ihm kam es gelegen, dass er Aussicht auf eine Expansion nach China hatte.

Der alte Clan-Patriarch Yoshio setzte mir Superbia plötzlich vor die Nase, um mein Vorgehen zu überwachen. Superbia schlug Fei Long vor, die Bewachung seines Grundstücks zu erhöhen. Ich teilte ihm dies – gehorsam wie ich war – mit.

Was Fei Long auch beherzigte, aber mit Superbia im Hintergrund wurde es mir immer unmöglicher, Einfluss zu nehmen. Zumindest konnte ich verhindern, dass Fei Long die Droge seinen Männern gab. Was ich nicht bedacht habe war, dass ihr beide alleine dort aufkreuzen könntet. Trotzdem verstehe ich bis heute nicht, warum einer von euch geschnappt wurde. Was ist schief gelaufen?“
 

„Schuldig hat sich zu stark auf mich konzentriert.“ Brad erwähnte nicht das angespannte Verhältnis, das er damals zu Schuldig und dessen Liebschaft Fujimiya gehabt hatte. Das war einer der Hauptgründe, weshalb er überhaupt mit Schuldig allein dort gewesen war. Ein fataler Fehler und es hatte ihm erneut gezeigt, wie wenig er für den Außeneinsatz taugte, aber eine Lehre daraus wollte er bis heute nicht schließen. Er wollte nicht eingesperrt von der Welt leben, denn das war der Grund, warum er als Jugendlicher davon gelaufen war.
 

„Hmm“, brummte Finn und er sah auf einen Punkt an der Wand in Erinnerung an die Nachricht, dass Schuldig tatsächlich von Fei Long gefangen genommen worden war. Es wunderte ihn, dass er ihm – obwohl sehr knapp gehalten – eine Auskunft gab, die Brad ihm nicht geben musste.
 

„Weiter.“
 

„Ich reiste sofort zurück und kontaktierte Asami, über Sowa kannte ich seine Abneigung gegen Fei Long und ich fand zuvor heraus, dass dessen, sagen wir einmal ‚neuestes Interesse’ an Fei Long übergeben worden war. Sowa hatte damals die Finger mit im Spiel, dessen bin ich mir sicher. Aber das weiß Asami nicht und ich habe keine Beweise dafür. Sowa steht auf feingliedrige, junge Männer und hält sie sich gerne zum Privatvergnügen.

Ich konnte Asami davon überzeugen, dass sein Betthäschen bei Fei Long ist und ich meinen Geliebten ebenso befreit sehen wollte. Und dann plante Asami einen Großangriff und wir holten Schuldig und Takaba raus.“
 

„Was ist mit den Bildern aus der Autopsie?“

Für Brads Geschmack mischte dieser Sowa mehr mit als anfänglich gedacht. Er wanderte immer höher auf der Unbeliebtheitsskala, die Brad führte.
 

„Darüber weiß ich nichts, dafür bin ich ausnahmsweise nicht verantwortlich.“
 

„Was hattet ihr in Shanghai vor?“
 

Finn verzog das Gesicht. „Gar nichts“, nuschelte er und sank halb in sich zusammen.
 

„Bis jetzt lief' s doch ganz gut“, sagte Brad kühl.
 

„Da war nichts“, beharrte Finn.
 

„Erzähl mir nicht du hattest gerade Zeit und wolltest mal vorbeischauen, was wir so treiben.“
 

Finn schwieg beharrlich und zog ein finsteres Gesicht, bis er herumgedreht wurde und zu Brad aufsah. „Und wenn?“ Tatsächlich hatte er das in der Vergangenheit öfter getan, um auf dem Laufenden zu bleiben, nur so nahe und so dreist hatte er sich nie herangewagt.

Finn seufzte. War seine Sehnsucht nach dem Mann so groß geworden, dass er alles, was er gelernt hatte, über Bord geworfen hatte? Vermutlich. Sie zog immer noch an ihm, obwohl er neben ihm war. Sie war zu einem immanenten Schmerz geworden, einem unangenehmen Ziehen in seinem Bauch.
 

Brad sah ihn ruhig an. „Präziser.“
 

Finn fuhr auf und bereute es schon wieder. Er zischte, weil er die Nähte mit einem grellen Schmerz protestieren fühlte und verzog das Gesicht. „Was denn präziser? Ich hatte meine freien Tage und ich... wollte sehen, was ihr so macht. Mir war langweilig. Ich habe mich an euren Auftrag rangehängt, aber ich habe nichts gemacht und da ich schon mal da war...“
 

„Da dachtest du, du könntest uns verarschen?“ Gott, der war ja schlimmer als Schuldig wenn er Langeweile hatte und das hieß etwas, dachte sich Brad und hob eine Braue.
 

„Nein... ich...“
 

„Du spielst gern mit dem Feuer?“
 

Hörte Finn da Belustigung heraus?

„Gehört zur Grundvoraussetzung in dem Job“, murmelte er mürrisch und sah Brad von unten herauf durch seine Haarsträhnen an um sicher zu gehen, dass er den Tonfall richtig interpretierte. Aber er musste sich wohl verhört haben, denn Brads Mimik blieb kühl und reserviert.
 

„Hat es dir Spaß gemacht?“ fragte Brad kühl, musste aber zugeben, dass er amüsiert war. Die Unsicherheit, die Zerknirschtheit, die der andere zur Schau trug, war belustigend.
 

Eine Fangfrage, definitiv.

„Ja, hat es bis zu dem Punkt, als ich bemerkt habe, dass ich ein Mann bin und keine Frau. Da war dann leider der Spaß vorbei.“
 

„Du hast mich heiß gemacht und mich dann fallen gelassen“, resümierte Crawford und Finn hörte jetzt definitiv Untertöne eines verletzten Egos heraus.
 

„Unter diesen Umständen ist das doch verständlich“, bastelte Finn an einer Erklärung.
 

„Wie konntest du dich an unseren Auftrag hängen?“
 

Flirten war heute wohl nicht drin, seufzte Finn. Das war ein Verhör, seit Brad hier eingetrudelt war.
 

„Haust du mir eine runter, wenn ich es dir sage?“
 

„Ich schlage keine Huren.“ Brad fragte sich, wie Asugawa mit dieser unschuldigen Masche bei ihm weiterkommen wollte. Was sollte es ihm ausmachen, wenn Brad ihn körperlich attackierte? Er brauchte ihm kaum erzählen, dass er sich nicht verteidigen könnte, das hatte er am eigenen Leib erfahren.
 

Finn wurde kurz bewegungsunfähig, nickte dann aber. „Ah, so ist das, ich verstehe. Dann habe ich ja Glück.“
 

Crawford wartete immer noch. Die Tasse war längst nicht mehr in seiner Hand und Finn die Nähe momentan definitiv zu viel. Aber er bezweifelte, dass Brad ihn gehen lassen würde.

„Ich habe euch einen Auftrag erteilt. Ihr... ihr habt für mich eine Formel gestohlen, die wir für die Modifikation des Serums brauchten. Seither bin ich in eurem Netzwerk.“
 

„Wir haben die Formel für euch gestohlen, die euch für uns unsichtbar macht?“ fragte Crawford bedrohlich leise. Finn nickte ergeben. Momentan war es besser zu schweigen, befand er. Für diese und andere Neuigkeiten war er bereit in den Tod zu springen. Aber warum? War doch alles gar nicht so schlimm. Dennoch, irgendwie schämte er sich Schwarz ... nein Brad zu erzählen, dass sie die Formel gestohlen hatten, die ihnen den eigentlichen Schaden zugefügt hatte.
 

„Wie bist du in unser Netzwerk gelangt?“
 

„Nicht ich selbst. Ein Hacker. Und nur was die Aufträge angeht, der Server wird von euch nur selten benutzt. Ich sehe nur die Anfragen an euch und prüfe schließlich, ob ihr mit dem Auftraggeber in Kontakt tretet.“
 

Brad sah ihn wütend an. Er packte ihn an der verletzten Schulter und zerrte ihn vom Barhocker hinaus aus dem Wohnraum und den Flur entlang bis ins Schlafzimmer. Er warf ihn aufs Bett und Finns Augen wurden immer größer. Sein kurzer unangenehmer Abstecher ins Traumland saß ihm noch in den Knochen. Bis die Tür hinter ihm ins Schloss fiel und abgeschlossen wurde, glaubte er fast noch daran, dass Brad nun genug von ihm hatte und seine Wut an ihm auslassen würde. „Warum sperrst du mich ein?“ schrie er nach draußen. Ein wenig naiv, wie er sogleich befand und verstummte.

„Damit ich dich nicht umbringe“, wisperte Crawford von draußen gegen die Tür.

Er lehnte sich an und kontaktierte sofort Omi.

„Jemand hat unser Netzwerk infiltriert. Naoe soll den Server für unsere Aufträge überprüfen.“

„Ich weiß, dass er das jetzt nicht kann. Erledige du das für ihn, zu irgendetwas musst du schließlich gut sein.“

Während er die Verbindung beendete bemerkte er die unangenehme Nässe an seiner Hand und befand, dass der Verband gewechselt werden musste. Entnervt lehnte er für einen Augenblick an der Tür, um sich zu beruhigen und entschied, dass es viel mehr Sinn hatte sich körperlich auszupowern, um dieses Ziel zu erreichen.
 

Brad zog sich um und trainierte eine Zeit lang bis er sich im Badezimmer frisch machte und dann die Wohnung wieder verließ. Er blieb bis Abends weg, überwachte den Umzug, hielt den Doc davon ab, seinen Sohn zu sehen indem er ihm erklärte, dass die Verbände gut ausgesehen hatten und Asugawa wohlauf war. Der Doc hatte wohl morgens mit ihm gesprochen und kaufte ihm die Information ohne Zweifel zu äußern ab.
 

Brad ließ Asugawa bis Abends schmoren, erst dann beschloss er, dass es genug war und kehrte zurück. Er hatte eingekauft und verstaute die Einkäufe in Ruhe.

Dann schloss er das Schlafzimmer auf und öffnete die Tür. Er fand den Mann auf dem Bett liegen, natürlich auf seiner Seite des Bettes, was nicht anders zu erwarten gewesen war. Brad ließ ihn in Ruhe und ging wieder in die Küche zurück. Finn kam irgendwann herausgeschlichen und ging zügig zur Toilette.
 

Brad drehte sich um und besah sich den Zustand des anderen, der ziemlich zerknittert aussah, sowohl Gesicht als auch das Hemd – sein Hemd wie ihm auffiel – trugen die Spuren eines tiefen Schlafs. Der ihm sonst anhaftende Elan fehlte und Brad wandte sich wieder ab, als Asugawa sich an den Schmerztabletten gütlich tat. Brad begann damit das Abendessen zu kochen.
 

Asugawa gesellte sich zu ihm und betrachtete sein Profil. Die Miene war wie immer verschlossen, seine Handlungen ruhig und besonnen. „Bekomme ich auch etwas?“ wagte es Finn nach ein paar Minuten zu fragen.
 

„Ich wüsste nicht, dass du es dir verdient hast“, erwiderte er mit dieser Ruhe, die Finn so magisch anzog.
 

Brad trocknete sich seine Hände ab, als ihn eine Bewegung aus dem Augenwinkel dazu brachte, sich umzudrehen. Finn kniete vor ihm.

„Bitte, bekomme ich etwas zu essen?“ Es war sicher klüger, den Ball flach zu halten und sich demütig zu geben. In Anbetracht der Lage, in der er sich befand, musste er kleine Brötchen backen.
 

Crawford starrte den Mann an. Damit hatte er jetzt nicht gerechnet.

Irritiert wandte er sich ab.

„Hast du keinen Stolz?“, fragte er mäßig interessiert und ruhiger als er sich augenblicklich fühlte. „Was soll das?“
 

„Als Schlange meines Kalibers ist das eher hinderlich“, erdreistete sich es hinter ihm.

Brad sah zu Asugawa hinüber. Er hatte sich auf die Fersen gesetzt und lehnte in der Küchenecke.
 

Brad kramte in der Einkaufstüte und wusch eine Birne ab. Er trocknete sie und warf sie ihm zu.
 

„Danke“, sagte Finn und lächelte die gefangene Frucht an.

Crawford riss sich von diesem Lächeln los, das ohnehin nicht für ihn gedacht schien und schüttelte den Kopf innerlich.

„Hast du deshalb bisher überlebt?“
 

„Meinst du mit kriechen, schleimen, prostituieren, stehlen, lügen, betrügen, intrigieren und morden?“

Brad ließ sich zu keiner Reaktion hinreißen. „Ja, so meine ich das.“
 

„Nein“, sagte Finn hart. „So hast DU bisher überlebt.“

Crawford wusste im ersten Moment nicht, was das bedeuten sollte, aber der Tonfall machte klar worauf Asugawa abzielte.
 

„Ich habe dich nicht darum gebeten, deinen Arsch für mich hinzuhalten.“
 

„Nein, das ist richtig. Ich habe dir auch keinen Vorwurf gemacht. Wie könnte ich auch?“, erwiderte Finn freundlich, biss in die Birne und leckte den hervor perlenden Saft von der Frucht. Er kaute langsam. Das schmeckte himmlisch süß.

Er hatte heute noch nichts gegessen, aber das machte ihm nichts aus. Er stand gut im Futter und es hatte schon Tage gegeben, an denen er sich nur von Nüssen ernährt hatte. Zugegeben, die Nüsse waren in Energieriegeln gewesen...

Er freute sich über die Birne und sah einigermaßen zufrieden zu seinem Gönner auf, als er die Reste verspeiste. Da fiel ihm auf...
 

„Machst du dir Vorwürfe?“, kam Finn plötzlich ein abwegiger Gedanke.

War es das? War DAS das ganze Problem? Das wäre ja... sehr untypisch für den Brad, den er bisher glaubte, zu kennen.

Dieser antwortete nicht und Finn runzelte die Stirn in Argwohn. Wie konnte er sich Vorwürfe machen? Der Anführer von Schwarz scherte sich einen Dreck um andere – so das Bild, das er sich von dem Mann über die Jahre gemacht hatte. Oder war noch ein Rest von dem fürsorglichen Jungen in ihm übrig, den SZ nicht hatte ausmerzen können?
 

Finn überlegte sich gerade, was er mit dem Rest der Birne anfangen beziehungsweise ob er den Kern gleich mit verspachteln sollte, als Crawford das Messer in das Holz des Schneidebretts rammte. Das erweckte Finns Aufmerksamkeit.

Die innewohnende Ruhe, die Brad umweht hatte, war dahin, denn seine Hand lag verkrampft um das Messer.

DAS war das Problem? Crawford machte sich Vorwürfe weil ER...
 

Finn warf den Rest der Birne in hohem Bogen in die Spüle, kam blitzschnell nach oben, fegte Crawford von den Beinen, setzte ihm nach und pinnte ihn an den Unterschränken der Küche fest. Dieser keuchte und sah ihn zornig an.

„Sag mir jetzt nicht, dass du dir Gedanken um den Umstand machst, dass ich...“ Er sah ihm in die zornig... nein, verletzten Augen. DAS war es. „Das ist ausgemachter Blödsinn. ICH habe es mir ausgesucht! Nur ICH, sonst niemand. DAS war MEINE Entscheidung.“
 

„Die Entscheidung mich am Leben zu lassen? Und wohin hat dich diese Entscheidung gebracht?“ schrie Brad ihn an. Der Mann wechselte die Emotionen... oder war er zu beherrscht, um seine Gefühle nach außen dringen zu lassen? War das ständig so? Verbarg er alles vor den Menschen um sich herum?
 

Finn hatte mit soviel Zorn nicht gerechnet und es war eine Überraschung für ihn, dass der Mann diese Emotionen so freigiebig mit ihm teilte. Finn nahm ihm die Brille vorsichtig ab, mehr als würde er eine Bombe entschärfen, und legte sie auf die Anrichte. Brad war ihm an schierer Kraft überlegen, dies hatte er während ihres kleinen Kampfes in Erfahrung bringen dürfen. Finn war zwar schneller, aber so nahe an dem Mann hatte er wenig Chancen der geballten Muskelkraft etwas Effektives entgegen zu setzen. Brad wehrte sich nicht, und Finn blieb in der trügerischen Sicherheit sitzen, dass er ihm nichts tun würde.
 

Er sah ihn lange an, sah in das wässrige Gold, das zornig und gleichzeitig verloren zu ihm aufblickte. Kannte ihn jemand so? Hatte ihn jemand von seinem Team je so gesehen? Gestattete Crawford es ihm, weil er ihm bald das Licht ausknipsen würde? Spielte es eine Rolle?

Finn seufzte unglücklich und setzte sich vollends auf Crawfords Schoß. Seine Hände waren auf die Schultern des Liegenden gestützt. Es war eine intime Nähe, die er dem anderen hier aufzwang und doch verspürte er die erdrückende Stimmung zwischen ihnen lasten und verdrängte das berauschende Gefühl der Erregung in seinem Inneren. Wie gern hätte er ihn jetzt im Gesicht berührt, seine Lippen geküsst, sich an ihn geschmiegt.

„Warum tust du mir das an?“ fragte Brad und Finn biss sich auf die Innenseite seiner Lippe, um nicht dem Wunsch zu erliegen, Brads verletzlich wirkenden Gesichtsausdruck mit einer Berührung wegwischen zu wollen.
 

„Ich sage dir jetzt etwas und ich möchte, dass du mir genau zuhörst.“ Das Gesicht des Mannes, der Finn mehr als sein Leben bedeutete, wurde bereits wieder neutraler, interessierter, kühler, auch ein wenig spöttischer als noch vor wenigen Augenblicken – zurück zum Üblichen also.

„Ich bin nicht Schuldig. Und du hast das, was aus mir geworden ist, nicht auf dem Gewissen. Mir geht’s gut. Naja momentan eher nicht so, aber das wird wieder und gut, es kann steil bergab gehen in nächster Zukunft, aber das kann jedem passieren.“ Er zuckte mit den Schultern.
 

„Warum glaubst du, dass ich dich mit Schuldig gleichsetze?“ fragte Brad.
 

„Weil du es tust. Das ist für mich offensichtlich. Deine Reaktion auf meine Provokationen und Anspielungen auf dieses Thema bringen dich auf. Was war mit Kitamura? Du hast dich halb zerfressen wegen diesem Mann. Ich habe dich in dieser Zeit beobachtet. Dir waren die Hände gebunden, du musstest tatenlos dabei zusehen, wie dieser Dreckskerl...“
 

„Sei still...“, unterbrach Brad ihn mit einer Kälte in der Stimme, die ganz und gar nicht zum Rest des momentanen Gesichtsausdrucks passten, denn dort spiegelte sich Entsetzen ab.

Crawfords Finger zitterten, als er Finns Hände von seinen eigenen Schultern pflückte. Er wollte sich frei machen, doch Finn ließ das nicht zu, er beugte sich vor bis er in das grelle Bernstein sehen konnte. Das Hellbraun seiner Augen wurde noch einen Tick heller. Finn hatte diesen erschrockenen Gesichtsausdruck noch nie bei dem Mann gesehen. Bradley Crawford schreckte nichts. Wieder ein Irrtum, wie ihm auffiel. Er wusste nichts von diesem Mann, rein gar nichts. In wen oder besser in was hatte er sich verliebt? In ein Trugbild, seinen Helden, den er sich zurechtgebastelt hatte? Hatte er überhaupt ein Anrecht auf diesen Mann?
 

„Du... warst es!“ behauptete Brad und sah ihn mit diesem stechenden Blick an, vor dem wohl die meisten Menschen davon gerannt wären, denn er sah einfach zu unmenschlich aus. Er irritierte auch ihn, aber er hatte die Neigung, davon fasziniert zu sein. Er liebte diese Augen, liebte Brads Geruch...

„Ich war... vieles...“ behauptete Finn kryptisch, noch nicht sicher, auf was der Mann hinauswollte.

„Du hast ihn enthauptet“, sagte er ungläubig. „Warum?“

Finn hatte die Hände neben Brads Kopf aufgestützt und sah ihn immer noch aus dieser kurzen Distanz in die Augen. Kleine hellbraune, fast gelbe Sprenkel bewirkten dieses helle Leuchten in ihnen. Wunderschön.
 

Finn nahm die Hände herunter und strich sich eine Strähne hinter das Ohr. Er seufzte und rang mit sich selbst.

„Du willst wissen, warum?“ Finn lächelte sein bestes zufriedenes Lächeln.

„Ich will wissen, wie du uns so nahe kommen konntest, um...“

Finn legte Brad einen Finger auf die Lippen und brachte sie damit erfolgreich zum Verstummen. Sofort verschwand der erstaunte Ausdruck aus dem Gesicht und machte Unwillen platz. Finn lächelte spöttisch und zog seinen in Ungnade gefallenen Finger zurück.
 

„Ich habe dich aus den Augen verloren, während du bei SZ warst. Ich war selbst mit meiner Ausbildung beschäftigt und mein Informant bei SZ übermittelte mir hin und wieder Informationen über Aufträge, die dir erteilt worden waren. Aber du warst immer noch zu weit weg für eine genauere Überwachung. Erst als du direkt nach Japan versetzt worden bist hatte ich dich wieder auf dem Schirm.

Ich nahm mir eine Auszeit und Chiyo gewährte sie mir, da sie den Grund dafür billigte. Ich wusste um Kitamura und seine neuen „Berater“. Ich habe euch beobachtet und festgestellt, dass Schuldig krank aussah, er baute körperlich ab. Schließlich fand ich heraus warum, zunächst jedoch mischte ich mich nicht ein.

Es war nicht meine Angelegenheit, aber... es war für mich offensichtlich, als ich euch beobachtete, dass es dich schließlich auch betraf. Ihr habt euch in die Haare bekommen und ich beschloss mir Kitamuras Machenschaften genauer zu betrachten. Dieses widerliche Schwein...“
 

Brads Blick flackerte.

„Was hast du gesehen?“ fragte er tonlos, was Finn die Augen schmälern ließ. Er legte den Kopf schief als müsse er etwas zwischen den Zeilen heraushören, was Brad nicht gesagt hatte.

Er wagte es, Brads Gesicht wieder zu sich zu drehen. „Was hat er mit dir gemacht?“ wollte er leise wissen.
 

Brad hatte diesen Tonfall bisher von dem anderen noch nicht gehört, es war fast schon ein Knurren, wenn man das so beschreiben konnte. Er sah ihn mit einem Blick an, der von altem Hass durchtränkt war. Einer Regung die gefährlich war weil sie kalkuliert und frei von Gefühlen jederzeit abrufbar in Erscheinung treten konnte – mit tödlichem Resultat bei jenen die sich ihr ausgesetzt sahen. Die dunklen Augen wurden fast schwarz und waren auf ihn geheftet und Brad spürte den unnachgiebigen Druck der Hand an seinem Kiefer. Die Ausstrahlung des Halbjapaners hatte sich von spielerischer, freigiebiger Plauderlaune in etwas Düsteres verwandelt. Er lauerte auf seine Antwort und Brad saß jetzt dem Killer gegenüber, der sich ihm bisher noch nicht gezeigt hatte.
 

Unsicherheit zog in ihm ein. Dieser Mann war kein Junge mehr, er kannte ihn aus einer Zeit, in der er ein relativ normales Leben geführt hatte. Es war ein Leben, das er hinter sich gelassen hatte und er wollte nicht daran erinnert werden, wer er einmal gewesen war, was er damals empfunden hatte. Er wollte nicht an die ohnmächtige Machtlosigkeit erinnert werden – trotz einer Gabe, die von unschätzbarem Wert war. Was nutzte die Gabe, wenn man sie nicht einsetzen konnte oder durfte, wenn man es für richtig hielt? Wie oft hatte er sich früher gefragt, was richtig und falsch war? Schon lange hatte er sich diese Frage nicht mehr gestellt. Und dieser Mann brachte all diese Zweifel von früher zurück. Seine Schwester war der erste Fixpunkt in seiner Vergangenheit, die schöne Seite daran, dieser Mann verkörperte die dunkle Seite dieser Zeit. Warum musste er sich jetzt damit auseinandersetzen?

„Das spielt keine Rolle. Du hast ihn enthauptet, nicht Schuldig wie von uns angenommen, oder irre ich mich?“, fragte er in normalem Tonfall und Asugawa schien zu überlegen, ob er noch weiter in ihn dringen oder es dabei belassen sollte. Er beließ es dabei – kluges Köpfchen, befand Brad.
 

„Oh ja, und wie ich es habe. Ich gebe zu, ich habe mich etwas hinreißen lassen, aber ich hatte genug, ich war... sauer“, sagte Finn ruhig und untertrieb maßlos. Kitamura hatte Brad Leid zugefügt und er hatte es nicht mitbekommen, eine Schande war das.

Finn lächelte sanft. Das würde nie wieder geschehen.
 

Brad sah ihn immer noch ruhig an, seine Hände hielten sich in der Zwischenzeit an seinem Hemd fest. Sie starrten sich lange an und Finn gewann den Eindruck, als würde Brad ihn jetzt erst richtig wahrnehmen.
 

„Schuldig darf das nie erfahren. Ich habe es so hingestellt, als hätte er sich selbst von diesem Mann befreit, das soll so bleiben.“

Brad fasste sich wieder. „Ist es das, was du vor ihm verbergen wolltest? Deshalb der Sprung?“
 

Finn zog ein verkniffenes Gesicht. „Unter anderem“, gab er zögernd zu. „Ich habe ihm seine Rache genommen.“
 

„Schuldig...“ Brad setzte sich auf. Schuldig hatte kein Interesse an Rache. Er sah zu, wie Asugawa die Aura des Meuchelmörders verlor und zu seinem lockeren Plauderton zurück fand.
 

„Und da waren ja auch noch die Sache mit der Formel und die China-Affäre, außerdem sind meine Gedanken noch jungfräulich im Gegenzug zu meinem Körper, der schon ziemlich durchgereicht wurde. Es gibt nichts, was mit ihm noch nicht angestellt wurde, mein Oberstübchen soll dagegen unangetastet bleiben. Und wenn ich das nur erreichen kann, indem ich eine ziemlich unrühmliche Flatter mache, dann ist es eben so. Manchmal kann auch der Abschied aus dieser schnöden Welt ein Ausweg sein, es ist zwar kein besonders tapferer, aber es ist einer. Und erzähl mir nicht, dass du dich noch nie mit diesem Gedanken beschäftigt hast.“
 

Crawfords Blick verlor für einen Moment den Fokus, bevor er sich von Finn befreien wollte. Dieser legte den Kopf schief und lächelte verstehend.

„Überleg dir gut, ob du mir nicht doch noch einen Freiflugschein gönnen willst, denn eines kann ich dir versprechen, solange ich atme kannst du dir diese Freiheit abschminken.“
 

Brad sagte nichts dazu sondern wollte aufstehen, was Finn ihm zugestand. Er blieb auf dem Boden sitzen, während Brad wieder zu seinem Brett und dem Messer ging. Er stützte sich für einen Moment ab, griff nach seiner Brille und setzte sie wieder auf, dann fuhr er schweigend fort, das Gemüse vorzubereiten.
 

Finn blieb wo er war und fing eine halbe Karotte auf, die ihm zugeworfen wurde und an der er dann genüsslich knabberte, während Brad an ihrem Abendessen feilte. Offenbar war die Fragerunde für den Moment beendet. Finn hatte dem Mann auch einiges zum Nachdenken gegeben, wie er befand.

Für Finn war es seltsam, so nahe bei dem anderen zu sein und noch seltsamer, dass dieser seine Nähe mit dieser Ruhe akzeptierte. Er gewann immer mehr den Eindruck, dass Brad nicht wusste, wie er mit ihm umgehen sollte.
 

Irgendwann schaltete Brad den Fernseher ein und berieselte sie beide mit einer Dauerschleife der Nachrichten. Finn war im Augenblick recht zufrieden mit seinem Dasein. Er fühlte einer neuen Ruhe in sich nach, die ihm unheimlich vorkam.
 

Irgendwann nahm der brennende Wundschmerz überhand und er rappelte sich umständlich auf, um zur Couch zu gehen. Er stellte die Lautstärke des Fernsehers ein wenig leiser und legte sich nieder. Das Hemd war in der Zwischenzeit feucht geworden und voller Wundsekret. Er musste es wechseln, die Verbände ebenso, aber er war zu müde. Der kleine Schlagabtausch vorhin, die ungemütliche Haltung auf dem Boden, machte das nicht besser.

Seine Verbände waren zwar zusätzlich noch mit einer Klebebinde fixiert – vermutlich weil sein Bruder wusste, dass sie sich sonst schnell lösen würden – dennoch waren sie jetzt durchweicht.
 

Er war wohl eingedöst, als da plötzlich mehr Leben als bisher in seiner Nähe herrschte und seine Aufmerksamkeit erforderte. Er ließ die Augen geschlossen und hörte Fujimiya und Schuldig, die sich unterhielten und Bericht vom Fortschreiten des Umzugs abgaben.
 

Er war zufrieden, wie alles seine Ordnung hatte. Brad fragte hin und wieder einzelne Punkte ab. Finn lächelte, denn er war zufrieden, wie die Dinge bei Schwarz liefen.

Brad hatte sein Gefolge im Griff. Das hatte Finn auch nicht anders erwartet, aber es war dennoch beruhigend, dass das so gut von Statten ging.
 

Er hörte wildes Säbelrasseln in Form von Geschirrgeklapper und fragte sich, ob er zu dem kulinarischen Festmahl geladen wurde. Naja, wenn nicht setzte er sich eben wieder auf seinen Platz in der Ecke. Mit diesem unterwürfigen Verhalten würde er Brad entweder weich kochen oder ihn aufregen. Beides hatte seinen Reiz für Finn.
 

Tatsächlich roch es sehr gut und niemand holte ihn zum Essen. Nach einer Weile schälte er sich aus der Decke und erhob sich eher gebeugt als graziös. Er ging hinüber zur Küche und faltete sich in der Ecke zusammen. Das hatte zweierlei zur Folge: Zum Einen wurde er aus violetten Augen genau verfolgt, die sich gar finster verdunkelten, als er sich auf den Boden kniete, und zum Zweiten seufzte Brad genervt, als er Rans Blick gewahr wurde.

„Was?“ fragte Finn halb beleidigt, als er die lautlose Kommunikation der Beiden beobachtete. „Ich will auch essen, ich habe Hunger“, protestierte Finn.
 

„Dann setz dich zu uns.“

Brad schien wohl erst jetzt etwas gegen seinen Platz einzuwenden zu haben, als Fujimiya seine Aufwartung gab, zuvor hatte er nichts dagegen gehabt. Finn grinste in sich hinein.

„Danke!“ gab sich Finn begeistert, kam wieder hoch und schob sich neben Brad. Er wartete geduldig, bis dieser aufstand und ihm einen vollen Teller reichte.

Finn lächelte das Essen an, bevor er nach seinem Besteck griff, kurz innehielt, im Stillen für die Mahlzeit dankte und anschließend zu essen begann. Es gab Udon Nudeln mit Gemüse kredenzt in einer schmackhaften Suppe.
 

Sie aßen schweigend und friedlich, was Finn sehr gelegen kam, denn er harrte der nächsten Frage, die da bestimmt kommen mochte. Tatsächlich jedoch blieben Fragen aus. Kein weiteres Verhör störte das scheinbar friedliche Abendessen, ein Umstand, der ihn misstrauisch machte. Bisher war er noch glimpflich davon gekommen.

Er hatte sich seinen Aufenthalt etwas schmerzhafter und irgendwie endgültiger vorgestellt.

So wie es sich gehörte, wenn man den Feind zu „Gast“ hatte. Hunger, Folter, Missbrauch... so oder so ähnlich hatte er es sich all die Jahre ausgemalt. Und jetzt war es ganz anders: sie gaben ihm etwas zu essen, verbanden seine Wunden und keiner von Schwarz folterte ihn.

Weshalb waren sie so nett zu ihm?
 

Er hätte sich früher offenbaren sollen. Innerlich seufzend sah er von seinem Mahl auf und betrachtete sich die beiden jüngeren Männer. Fujimiya war in sich gekehrt und sprach eher weniger, wie er gestern festgestellt hatte. Diesen Umstand glich Schuldig jedoch aus: er war offen und lebhaft und scherte sich nicht um Konventionen oder um Benehmen im Allgemeinen. Er war unangepasst, selbst nach all den Jahren, die er in diesem Land verbracht hatte. Finn tat sich schwer damit, ihn einzuschätzen.

Er hatte damit gerechnet, dass Schuldig sich in perfider Mordlust auf ihn stürzen würde. Seinen Beobachtungen der letzten Jahre nach hätte es so sein müssen. War das der Einfluss des Mannes, der neben ihm saß? Finn war es nur recht, aber was würde jetzt kommen?
 

Sein Leben bisher war klar umrissen gewesen, seine Aufgabe stets im Blick. Jetzt saß das Objekt seiner schlaflosen Nächte neben ihm und gebärdete sich anders als gedacht. Außerdem wusste er nicht, wie er mit ihm umzugehen hatte. Er kannte ihn nicht, auch wenn er es immer sich selbst gegenüber behauptet hatte.

Finn ließ seinen Blick von Schuldig, der gerade aufsah, zu Brad gleiten und sah ihn stumm an. Nein, er kannte ihn nicht, er war ein Fremder, den er liebte. Finn seufzte innerlich und widmete sich wieder der Suppe. Es kam ihm merkwürdig vor, eine Suppe zu essen, die Brad gekocht hatte. Finn lächelte verstohlen und konzentrierte sich darauf, seine Gedanken gefälligst für sich zu behalten.
 

Als sie mit dem Essen fertig waren erhob sich Finn, stellte seine Schale auf die Anrichte, bedankte sich artig für die Mahlzeit und ging ins Badezimmer. Er musste die alten Verbände entfernen und zwar dringend.
 

Während ihr Gast verschwand, räumte Brad das restliche Geschirr weg.

„Sieht aus, als würde er bekommen, was er will“, resümierte Schuldig in gedehntem Tonfall.

„Er ist sich für nichts zu schade“, entgegnete Brad, die Stirn in Falten gelegt. „Für wirklich gar nichts.“
 

„Das heißt nicht, dass er kein Benehmen hat, wie gewisse andere Menschen“, sagte Ran beiläufig und Schuldig fühlte sich angesprochen.

„Was soll das heißen?“, brummte der.

„Damit meine ich nicht dich. Wer sagt denn, dass ich von dir spreche?“ erwiderte Ran wieder mit diesem typisch beiläufigen, uninteressierten Tonfall.

„Das sehe ich dir an der Nasenspitze an, Pinocchio.“
 

„Hat er etwas ausgeplaudert?“ hakte Schuldig nach, um das Thema zu wechseln, denn Rans Gesichtsausdruck versprach Haue.
 

Fujimiya und Schuldig sahen Brad an.
 

„Dazu komme ich gleich. Habt ihr Nagis Zimmer vorbereitet?“
 

Schuldig verzog leidend das Gesicht. Klar, die interessanten Sachen kamen erst nach der Pflicht. Hatten sie das Thema Umzug nicht vorhin schon zur Genüge durchgekaut?

„Takatori junior hat damit begonnen, Naoes Räume herzurichten. Wir können ihn morgen abholen. Der Rest sichert das Anwesen und kümmert sich um die „wohnliche Gestaltung“ und „etwas mehr Gemütlichkeit“, sagte Schuldig, als hätte er etwas Saures gegessen.

Brad sah zu Ran, der nur die Schultern zuckte. „Eve macht es ihnen nicht leicht. Sie hat das Regiment in der Casa Schwarz übernommen und scheucht das „unnütze Pack“ – um es mit ihren Worten zu sagen – durch das Haus“, murmelte Schuldig.
 

„Was ist mit ihren Kontakten nach Langley?“ hakte Brad nach.
 

„Bisher keine neuen Informationen. Sie lassen sie in Ruhe“, erwiderte Ran.
 

„Vorläufig“, pflichtete Schuldig bei.

„Sie soll sich in den nächsten Tagen bei ihren Kollegen hier vor Ort melden.“
 

„Überwach sie weiter.“
 

Schuldig nickte.

„Und was hat er nun ausgeplaudert?“
 

Brad sah ihn lange an, bevor er nickte. „Das Serum, das Sin vor uns verbirgt, benötigte eine Formel, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, wir haben sie ihnen beschafft. Du erinnerst dich sicherlich, der Auftrag vor einigen Monaten.“
 

Schuldig stützte die Stirn in eine Hand und sah zu Ran hinüber, der nur wieder mit den Schultern zuckte – was so viel hieß wie: habt ihr euch selbst eingebrockt.

„Das hat er eingefädelt?“
 

Brad nickte und erzählte ihnen das, was Asugawa ihm gesagt hatte.
 

„Ihm war also langweilig...“ resümierte Schuldig und verzog das Gesicht skeptisch, als Brad ihm den Grund für den Auftritt von Sophie Fuchoin in Shanghai erklärt hatte.
 

„Das sagte er zumindest. Allerdings können wir auch davon ausgehen, dass er mich sehen wollte, bevor er stirbt.“
 

Ran fühlte, wie sich alles in ihm zusammenzog. Brad sagte das in einem so beiläufigen Tonfall, dass ihm innerlich kalt wurde. Er wusste um die Gefühle des Mannes? Und es interessierte ihn nicht?

„Was machen wir mit ihm?“ verlautbarte Ran dass größte Problem in der Runde, um sachlich bleiben zu können.
 

„Wir können ihm nicht vertrauen“, erwiderte Schuldig.
 

„Und ihn nicht kontrollieren“, stimmte Brad zu.
 

„Er weiß zu viel und steht auf der Abschussliste mehrerer Parteien. Ihn laufen zu lassen bedeutet früher oder eher später – gemessen an seinen Fähigkeiten – seinen Tod.“
 

„Und? Wen kümmert es?“ meinte Schuldig lapidar und Brad fühlte den sezierenden Blick aus violetten Augen auf sich gerichtet. Der Japaner las für seinen Geschmack viel zu viel und zu gut in ihm.
 

Schuldig wollte von Brad eindeutige Antworten, wie er zu Asugawa stand, wusste aber gleichzeitig auch, dass er sie nicht bekommen würde.
 

„Dich sollte es kümmern. Du schuldest ihm dein Leben, zumindest den Rest deines gesunden Verstands. Und ich... ich habe keine Ahnung, wie hoch meine Schulden bei ihm sind“, gestand er und wischte sich mit beiden Händen übers Gesicht. Es machte ihn halb verrückt nicht zu wissen, wie schwer er in der Schuld dieses Intriganten stand. Es weckte in ihm den Wunsch, ihn zu beseitigen, aber damit wäre das Problem dieser Schuld nicht vom Tisch. Ganz im Gegenteil. Er war hin und hergerissen in seinen Gefühlen, dass er nicht wusste, wie er mit ihm umgehen sollte.
 

Schuldig wurde hellhörig, er sah ihn verwirrt an. „Könntest du dich etwas genauer ausdrücken, Hellseher?“
 

Brad hörte diesen lauernden Tonfall, der Schuldigs Stimmung kippen konnte und das innerhalb eines Wimpernschlags. Sein Blick ging hinüber zu Ran, der eine Hand auf Schuldigs Arm legte.

„Asugawa hat Kitamura enthauptet und es so gedreht, dass es danach aussieht, dass du es warst.“
 

Schuldig schüttelte den Kopf. Sein Gesicht war blass geworden, die Augen waren aufgerissen, die Mundwinkel nach unten gerichtet und sie zitterten leicht. „Wie...?“
 

„Unter anderem ist das der Grund, warum er nicht wollte, dass du ihn liest. Er befürchtete, dass du ihn zur Rechenschaft ziehen würdest, weil er dir das Anrecht auf deine Rache genommen hat.“
 

„Deshalb diese übersteigerte Angst vor Schuldig?“ fragte Ran nach.
 

„Vermutlich. Er hat sich in den letzten Jahren ein Bild von uns gemacht und dazu gehörte wohl auch dieser Punkt.“
 

„Hätten wir die Rückführung gemacht wie von mir vorgeschlagen, dann hätte ich gewusst, dass nicht ich es war“, sagte Schuldig immer noch leise, aber nicht mehr ganz so schockiert.
 

Er ließ sich vom Hocker gleiten und ging in Richtung Flur. Ran wollte ihn aufhalten aber er wandte sich wieder Brad zu.

Er hob fragend eine Braue und Brad schüttelte nur den Kopf. Das war nicht seine Angelegenheit. Er war nicht bereit, Asugawa nachzugeben und dieses Geheimnis vor Schuldig zu wahren. Brads Loyalität galt Schuldig, nicht Asugawa, er hatte sie sich nicht verdient.
 

Schuldig ging den Flur entlang und hörte Wasser rauschen, Musik trällerte aus dem Radio im Bad, als er die Badezimmertür öffnete. Er fand hinter dem Wasserdampfschwaden den schlanken Mann, wie er an den Fliesen lehnte und sich das heiße Wasser über den tätowierten Rücken rinnen ließ. Asugawa hatte ihn noch nicht bemerkt, zumindest tat er so. Schuldig schüttelte über so viel Vertrauen den Kopf.

Schuldig grinste, während er sich die Schuhe abstreifte, aus seiner Kleidung schlüpfte und sich die Haare im Nacken zusammenband.
 

Asugawas Kopf wandte sich etwas, er musste ihn gehört haben. Seine Augen weiteten sich, als er Schuldig nackt vor sich sah. Die Regendusche plätscherte weiter, als Schuldig sich ihm näherte und ihn aus dem quadratischen Areal des Regenfalls drängte.
 

Schuldig musterte den Mann, der ihm stumm aber mit großen Augen entgegenblickte. Er konnte das Chaos in dem hübschen Köpfchen förmlich sehen.

„Wieso hast du ihn getötet?“ fragte Schuldig und starrte ihm in die dunklen Augen.

„Wen?“ fragte Finn vorsichtig und wandte seinen Blick von Schuldig in Richtung Fluchtweg, den dieser erfolgreich versperrte.

„Kitamura.“

Finns Gesicht ruckte zu ihm hin. Schuldig konnte in den blanken, dunklen Murmeln nichts lesen. Die Augen wirkten fast schwarz in dem diffusen Licht.
 

„Euer Hellseher hat ein loses Mundwerk“, sagte Finn langsam und seine Mundwinkel verzogen sich für den Moment trotzig.
 

Auf Schuldig wirkte das tatsächlich niedlich.

„Wir schlafen miteinander, was erwartest du, wenn du ihm eine derartige Offenbarung machst?“ Schoss Schuldig den Pfeil ab und anhand des geschockten Gesichts, das noch blasser als sonst wurde, hatte er ins Schwarze getroffen. Das Kerlchen war in Brad verschossen und die pure Verzweiflung auf dem Gesicht machte deutlich, was Schuldigs Worte in dem anderen auslösten. Eifersucht kochte in dem Mann und das nicht erst seit heute. Bisher war zwischen ihm und Brad noch nichts richtiges gelaufen, bis auf Umarmungen und leidenschaftliche Küsse war nichts drin gewesen, aber wer war er, dass er das ihrem Meisterspion auf die Nase band?
 


 

Vielen Dank fürs Lesen!
 

Fortsetzung folgt...
 

Beta-Dank geht an 'snabel'! ^__^



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Jin-A
2013-07-03T21:02:06+00:00 03.07.2013 23:02
Blubb....arg... wenn ich nicht so im pruefungsstress stehen würde, waere dieses Kommentar inhaltvoller geschrieben... aber so kommt nur ein sehnsüchtiges seufzen zustande, welches ich von mir gebe, wenn ich feststelle dass kein neues Kapitel mich vom Büffeln abhaelt ^^" sry für den schmarn xD
Von:  Inukami
2013-05-18T21:30:22+00:00 18.05.2013 23:30
Oh man,
das warten hat sich mal wider so richtig gelohnt !!!
Ich bin total gespannt wie sich die ganze Story um Brad und Finn weiter entwickelt. Finn kommt irgendwie immer sympatischer rüber obwohl ich ihn am Anfang gar nicht mochte X.X
Ich hoffe ihr findet schnell Zeit weiter zu schreiben !!!
Glg Inukami


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