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Sergej Lukianenko - Wächter des Tages

Autor:  DerkhanBlue
..oder so etwas wie eine Buchrezension á la Schatten [Klappe, die erste].

Hm, wer eine richtige Rezi erwartet, ist hier vermutlich an der falschen Adresse - nur, um das vorab schon mal klar zu machen. Ich rede drauflos über das, was mich zum jeweils behandelten Buch bewegt und was ich gut oder schlecht fand und und und... Mir geht es nicht darum, das Buch irgendwem schmackhaft oder schlecht zu machen. Wer das folgende liest, sollte sich vor möglichen Spoilern ich Acht nehmen. Der Lesefreundlichkeit zuliebe mache ich die Stelle aber, ab der Spoilergefahr besteht, mit diesem hier kenntlich - dies dient allerdings nur dem Experiment, sollte ich es als unpraktikabel empfinden, wird das wieder abgeschafft [mal davon abgesehen, dass das hier eh niemand liest.]

<<Und das Paradies ist demnach nicht zu erreichen, wenn man sich vorher nicht ausgiebig in der Hölle herumgetrieben hat. Nur hat jeder sein eigenes Paradies und seine eigene Hölle.>>
[<<Wächter des Tages>>, Sergej Lukianenko, S. 244]

Hm... Ja, <<Wächter des Tages>>.. Sehnsuchtsvoll erwartet, leider erst spät in die Finger bekommen, doch erwartet...
Entgegen aller Gruselgeschichten ist dieses Buch KEINE Neuerzählung der Eriegnisse aus <<Wächter der Nacht>> aus der Perspektive der Dunklen. Es ist im Gegenteil eine Fortführung der Ereignisse und setzt etwa ein Jahr nach dem ersten Band ein - soweit ich das verstanden habe, denn ich gebe zu, es ist eine Weile her, dass ich <<Wächter der Nacht>> gelesen habe.
Es gibt wieder nach bekanntem Schema drei Geschichten: <<Zutritt für Unbefugte erlaubt>>, <<Fremd unter Anderen>> und <<Eine Andere Kraft>>.
Die erste Geschichte wird erzählt aus der Sicht von Alissa Donnikowa, einer Dunklen Hexe. Die zweite aus der Sicht von Witali Rohosa, offenbar eines Dunklen Magiers - natürlich steckt da mehr dahinter, wär ja aonst langweilig. Und die dritte wechselseitig aus der Sicht von Edgar, eines Dunklen Magiers zweiten Grades und eines alten Bekannten, nämlich Anton Gorodezki, eines Lichten Magiers dritten/zweiten Grades [? - irgendwie kann ich mir das nicht merken..]. Ach ja, genau, die Inquisition mischt wieder mal munter mit.
Viel neues über die Anderen und die Anderen Moskaus im Speziellen erfährt man nicht, das meiste kennt man aus <<Wächter der Nacht>>. Bzw. wenn ich genauer darüber nachdenke, doch. Beleuchtet werden die in meinen Augen interessanten Punkte der Dematerialisierung [und entsprechend der angeblich unmöglichen Rematerialisietung], ein wenig von der Geschichte der Anderen in Hinblick auf genannte Themen [Es erschien mir doch ein wenig absurd, Siegfried den Drachentöter als Anderen - Lichten - hinzustellen, aber letztlich passt es in die 'Welt' der Anderen..] und - mMn sehr interessant - die Inquisition. Hätte nicht erwartet, dass Lukianenko so bereitwillig mit Infos darüber rausrückt, woraus sich diese zusammensetzt und warum ihr ihre Mitglieder so treu ergeben sind. Auch wird der geneigte Leser zweimal Zeuge eines Tribunals der Inquisition.
Tja, was soll ich sagen? Das Buch fängt beschissen an. Ich konnte Alissa auf den Tod nicht ausstehen. Elende Speichelleckerin Sebulons [ich sag jetzt mal nichts zu den ganzen Anmerkungen zu Alissa und Sebulon in Zwielichtgestalt.. *Kopf schüttel*]. Dazu verläuft auch noch die ganze erste Geschichte gradlinieg und extrem voraussehbar, was auch Lukianenkos Schreibstil nicht wettzumachen vermag. Die erste Geschichte ist langweilig, sinnlos und leitet endlos ein, obwohl man das vielw eniger langweilig und fadenlos - und vor allem kürzer! - hätte schreiben können.
Ich war schlicht und einfach kurz davor, das Buch zu schließen und zur Seite zu legen, vor allem da man nicht gerade den Eindruck bekommt, Igor - ein Lichter Magier - hätte im Fortgang des Buches etwas zu melden. Kurzum: Sinnlose Geschichte, die nicht so recht an Fahr gewinnen will.
Warum ich weitergelesen habe? Ich lege selten ein Buch unausgelesen weg.
Zumindest nimmt das ganze zum Glück in der zweiten Geschichte - <<Fremd unter Anderen>> - langsam aber sicher an Fahrt auf. Viel besser wird es auch gegen Ende nicht, aber an sicht ist es dann schon wirklich klasse. Obwohl ich Witali Rohosa auch nicht grad sympatisch fand, hatte dieser doch wenigstens einige nette Kommentare auf Langer - im Gegensatz zu Alissa, über deren Dummheit und überhaupt ich mich stundenlang aufregen könnte.
Außerdem war dies die Geschichte mit den meisten Songtexten, was ich bei Lukianenkos Romanen ja nun wirklich vergöttere. Manchmal frage ich mich wirklich, ob er nun die Songtexte passend zu seinen Geschichten sucht oder doch die Geschichten den Songtexten angleicht... Einfach wunderbar. Passenderweise hört mein bruder ganz gerne die Bands, deren Texte Lukianenko verwendet, so dass ich mir einen Großteil der Songs beim Lesen auch tatsächlich zu Gemüte führen konnte. Wunderbar :)
Und obwohl die Idee des Spiegels nicht neu ist, überträgt Lukianenko sie wikrlich gut in 'seine' Welt, in die Welt der Anderen.
Leider ist nun eine meiner liebsten Personen tot - Tigerjunges. Auf dass sie für immer in Ehren gehalten wird, sie war einmalig. Impulsiv, selbstbewusst und doch beherrscht, eine herausragende Kampfmagierin und Gestaltwandlerin.
Allein dafür hätte ich diesen verdammten Witali töten können.
Ich stelle es mir echt grausig vor, für immer im Zwielicht herumgeistern zu müssen, denn es heißt ja, Andere sterben nicht, sondern gehen ins Zwielicht ein - daher auch die Sache mit der Dematerialisierung und dem Versuch der Rematerialisierung. Ersteres ist übrigens eine beliebte Strafe der Inquisition. Zweiteres angeblich unmöglich und wurde nur wenige Male vorgenommen - von der Inquisition, versteht sich. Ach ja, Maxim begegnen wir wieder. Ist aber an sich egal, genauso wie dem alles egal ist, wie Lukianenko einen glauben lassen will.
Wirklich putzig finde ich Edgars Hirngesprinste in der dritten Geschichte. Ist doch klar, dass Sebulon da seine Finger im Spiel hat. Es ist allzu offensichtlich. So offen würde der Große Dunkle Magier doch nie und nimmer handeln. Alles Humbug. Aber typisch für die Dunklen wie es scheint, dass sie sich selbst als den Mittelpunkt der Welt sehen. Die Idee an sich ist echt klasse, auch dass das letztlich nur eine Intrige Sebulons ist - den ich übrigens ebenfalls nicht leiden kann, kein Stück. Geser übrigens auch nicht. Allerdings sind mir die Lichten im Großen und Ganzen sympatischer als die Dunklen. Das liegt garantiert nicht daran, dass sie 'die Guten' sind. Sie sind einfach cooler. Anton sowieso. Und Swetlana geht mir immer noch auf die Nerven. Sie ist zu allgegenwärtig. Okay, okay, sie ist die Große Lichte Zauberin außerhalb jeder Kategorie... Na und?! Die soll sich hinten anstellen.
Aber so richtig eins ausgewischt bekommen hat sie ja. Von wegen, Mutter des neuen Messias.. Wirklich überrascht hat mich in der ganzen Sache Igors Rolle. Man rechnet ja echt mit so ziemlich allem - aber nicht mit so etwas simplem. Und dann erliegt der auch noch seinen Banden der Liebe zu dieser blöden Schl.. äh, Hexe, meine ich. Da gibt es quasi als Entschädigung für Tigerjunges einen coolen Typ und was macht der..? Ach, ich enthalte mich jetzt lieber aller unangemessenen Worte. Nicht jugendfrei.
Eine des besten Szenen war mMn das Besäufnis von Igor und Anton inklusive sbstruser Theorien über Fafnir, den Zwielichtdrachen, den Messias, den Antichrist, die Verwicklungen Sebulons und Gesers in die ganze Sache etc... Und die anschließenden gegenseitig gewirkten Ernüchterungszauber. Ich hab mich 'ne Weile nicht mehr einkriegen können, zu köstlich die Vorstellung!
Hm, die an- und das Buch abschließende Verhandlung beim Tribunal in Prag hat <<Wächter des Tages>> wirklich würdig abgeschlossen und man lechtzt wirklich nach mehr - ich zumindest. Auch wenn ich befürchten muss, nochmal so etwas wie die Sache mit Alissa lesen zu müssen...


Okay, letztlich bekommt das Buch aufgrund der wirklich lieblosen [im übertragenen Sinne, im wörtlichen sieht das da ja anders aus...] ersten Geschichte nur
**** von ***** Sternen.
Mein geklautes persönliches Bewertungssystem.
Mir fällt nachher bestimmt noch was ein, was ich zu dem Roman zuzufügen hätte, aber für den Augenblick reicht's. Einen schönen Abend noch, ich vertiefe mich dann mal in mein nächstes Opfer.
Ach ja, warum mich ausgerechnet heute die Lust gepackt hat, dies alles zu schreiben... Keine Ahnung, ist mir auch egal, liest eh keiner, aber Schreiben macht Spaß ;)


Zu guter letzt noch einiges, was ich nicht widerstehen konnte, herauszuschreiben:

<<Nichts als Stille um mich her
Und der Himmel regenschwer;
Regen peitscht, durchdringt mich quer,
Die Schmerzen gehn vorbei.
Unterm kalten Sternenschein
Reißen wir die Brücken ein,
Alles stürzt ins bodenlose Weite.
Und ich werd von allem frei,
Gut und Böse - einerlei.
Meine Seele stand auf Messers Schneide.

Ich bin frei! dem Vogel gleich am Firmament.
Ich bin frei! gleich dem, der keine Angst mehr kennt.
Ich bin frei! ein wilder Sturm im Raum.
Ich bin frei! im Wachen, nicht im Traum.

Nichts als Stille um mich her,
Himmel wie ein Flammenmeer,
Und das Licht durchdringt mich quer,
Nun bin ich wieder frei.
Frei von Liebe bin ich jetzt,
Frei vom Hass und vom Geschwätz,
Dass das Schicksal mir nie mehr befehle.
Frei von aller Erdenqual,
Gut und böse sind egal.
Es ist kein Platz für dich in meiner Seele.

Ich bin frei! dem Vogel gleich am Firmament.
Ich bin frei! gleich dem, der keine Angst mehr kennt.
Ich bin frei! ein wilder Sturm im Raum.
Ich bin frei! im Wachen, nicht im Traum.>>
[S. 255ff., Sänger: Kipelow]

<<Durchs offene Fenster fegt eisig der Wind,
Nacht, die zu langen Schatten gerinnt,
Geheimnisvoll komm ich im Silbergewand,
Wozu ich gekommen bin, ist dir bekannt.
Will Macht dir geben,
Verborgene Kraft,
Den Hals dir küssen
Voll Leidenschaft.>>
[S. 305, Sänger: Butussow]

<<Erfahrung - das ist in erster Linie die Fähigkeit, kurzzeitige Impulse zurückzuhalten.>>
[S. 308]

<<Alles war prächtig. Alles war richtig. Kinder sollen nicht mit Atombomben spielen.>>
[S. 310]

<<Anton, ich bin überzeugt, dass alles genau so geplant ist. Urteil doch selbst: Weltweit flammen religiöse Glaubensvorstellungen auf, alle erwarten auf die eine oder andere Weise gleichermaßen das Ende der Welt und die Wiederkehr eines Heilands... Was übrigens das selbe ist.>>
[S. 465]


Schatten


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