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Love of an angel

(an Angel Sanctuary Fanfiction)
von

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Part 05 - Coffin in the dark

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Love of an angel

Part 05
 

Coffin in the dark
 

Die Reaktion ist mehr als einfach auszurechnen und als ich den Blick hob, bestätigte sich meine Vermutung. Sie sind alle drei entsetzt. Man sah ihren Gesichtern an, für wie unmöglich sie das gerade eben gehörte hielten. Keiner von ihnen hat auch nur im Ansatz an diese Möglichkeit gedacht, geschweige denn sie überhaupt in Erwägung gezogen. Warum habe ich es ihnen überhaupt erzählt? Jetzt ist es allerdings auch etwas spät, um sich darüber noch Gedanken zu machen. Also, was soll's?

"Was ist los mit euch? Kam das wirklich so überraschend?" Aus ihren Gesichtern war mittlerweile jegliche Farbe gewichen und es gelang mir nicht mehr ein leichtes Lachen zurück zuhalten.

"Meine Güte, ich sagte doch schon, das ich meine Gründe habe, warum ich niemals in den Himmel kommen würde beziehungsweise jemals dorthin wollte. Sag mir nicht, daß du dich nie gefragt hast warum das so ist Rociel-chan." Meine Hand spielte mit dem Pfeil. Dieses Mal werden sich die Hunter noch wundern. Die Flucht ist nun endgültig vorbei und mir bleibt nur noch eines übrig, sie zuerst zufinden.

"Wieso?" Raziels Stimme war fast nicht mehr zu hören und er wirkte so, als habe man ihm so eben den Boden unter den Füßen weggezogen. Er tut mit leid, es ist wohl zu viel für ihn gewesen.

"Weshalb solltest du so etwas tun?" Er kam damit offensichtlich nicht zu recht und stützte sich auf Zaphikel, da seine Beine langsam aber sicher ihren Dienst aufgaben. Wie hätte ich wohl an seiner Stelle reagiert? Wäre ich wütend gewesen, weil man mir die Illusion eines Vorbildes raubte; traurig, weil man mich schwer enttäuscht hat oder verzweifelt, da nun nichts mehr da war, an das man überhaupt noch glauben konnte?

"Das ist nicht wichtig! Ich habe es getan und daran kann niemand etwas ändern!" Ich hob den Pfeil vor meine Augen und studierte ihn sorgfältig. Ja, es ist notwendig gewesen sie zu töten, andernfalls hätten sie mich und alle Menschen, die mir etwas bedeuteten gnadenlos niedergemetzelt und dieses hier ist zweifelsohne einer ihrer Pfeile. Er besteht voll und ganz aus diesem silbrigen Material, das zugleich hart und weich ist. Selbst die Federn am Schaft sind daraus gefertigt. Es ist ihr Zeichen und wie lange ist es her, das ich so einen Pfeil das letzte Mal gesehen habe?

"Nichts ist ohne Bedeutung, also was war der Grund?!" Rociels kalte Stimme riß mich aus meinen Gedanken und ich ließ den Pfeil wieder sinken.

"Das geht dich rein gar nichts an!" Fauchte ich zurück, doch ich wußte genau, daß es ihn nicht daran hindern würde mir weiterhin solange auf den Keks zu gehen, bis er eine Antwort hatte, die ihn zufrieden stellte. Ein brutaler Schlag traf mich in der Magengegend und ich sackte zu Boden.

"Du Mistkerl!" Ich kann seine Methode Leute zum Reden zu bringen auf den Tod nicht ausstehen!

"Rede, wenn du auch weiterhin am Leben bleiben willst!" Wütend sah ich ihn an. So nicht! Schließlich hat er mich hierher geschleppt und dafür gesorgt, das ich vorläufig keine Chance zum Abhauen habe und jetzt will er mich umbringen. Typisch für ihn! Der Knabe ist wirklich nicht mehr ganz sauber im Oberstübchen.

"Shao-san!" Raziel wollte dazwischen gehen, als Rociel mich brutal hochzerrte. (Fast könnte man meinen er hat meine Gedanken erraten.) Doch Zaphikel hinderte ihn daran. Er schien zu wissen, daß dies eine Sache allein zwischen mir und Rociel ist. Zum wie vielten Male ist das jetzt eigentlich schon der Fall?

"Du wirst mich wohl nicht in Ruhe lassen, bis ich antworte oder?" Ein Blick in seine funkelnden Augen bestätigte meine Vermutung. Lächelnd lehnte ich mich an die Wand, als er mich wieder losließ. Er wußte, das ich ihm antworten würde. Was bleibt mir auch anderes übrig? Schließlich habe ich heute auch noch was anderes vor.

"Eines wollen wir gleich mal klar stellen, ich töte niemals ohne Grund egal, um wenn es sich dabei handelt und das weißt du genauso gut wie ich! Warum fragst du überhaupt noch?" Dieses Mal blieb eine weitere Reaktion von ihm aus, da er bemerkt hatte, das ich mich geschlagen gab und lächelte zufrieden vor sich hin. In solchen Momenten muß ich neidlos zugeben, das er wunderschön aussieht, aber das werde ich ihm niemals sagen. Warum sollte ich auch, wo wir doch so eine wunderbare Beziehung haben, in der jeder weiß, das der Andere nur darauf wartet einem eins auswischen zu können. Ehrliche und offene Feinde sind etwas herrliches. Obwohl ich mir nie hätte träumen lassen, das auch mal ein Engel dabei sein würde. Nach meiner Erfahrung sind die alle ziemlich link.

"Ich war damals noch sehr jung, als einige Engel zu uns kamen und mich wegen meiner Begabung mitnehmen wollten. Du weißt ja inzwischen, wie meine wirkliche Stimme klingt, das war ihnen Grund genug. Doch als meine Familie und ich uns weigerten ihrer Forderung nachzugeben begannen sie Gewalt anzuwenden." Mühsam bekämpfte ich die aufsteigenden Tränen in mir. Meine Erinnerung an damals mag zwar nicht mehr vollständig sein, aber sie ist immer noch schlimm genug. Allerdings muß etliches mehr passiert sein, an das ich mich zu meinem Glück nicht mehr erinnere.

"Es blieb uns keine andere Wahl mehr, als uns notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen. Alles ging so furchtbar schnell... irgend wann hatte auch ich eine Waffe in der Hand und dann färbte zusätzliches Blut die Erde rot. Es war das Blut eines Engels, der mich angegriffen hatte. Ich weiß nicht mehr, was danach noch alles geschah. Scheinbar habe ich irgend wann das Bewußtsein verloren und als ich wieder zu mir kam war ich allein auf einem Feld voller Leichen, durchtränkt von deren Blut. Bis heute weiß ich weder, wie ich dorthin gekommen bin, noch wer mich gerettet hat und das wird sich wohl nie ändern. Nur eines ist sicher, seit diesem Tag verfolgen mich die Hunter und viele meiner Freunde sind schon gestorben, weil sie sich weigerten ihnen zu helfen mich zu finden. Versteht ihr? Aus diesem Grund kann ich niemanden mehr die volle Wahrheit über meine Vergangenheit sagen, es ist zu gefährlich. Ich darf gar nicht daran denken, wie viele deshalb schon gestorben sind... viel zu viele... Ihr wißt hoffentlich, was das für euch bedeutet." Viel konnte ich von ihren Gesichtern ohnehin nicht mehr erkennen, um eine Reaktion abschätzen zu können, alles war total verschwommen, durch die Tränen, die schon seit geraumer Zeit an meinen Wangen hinabflossen. Ich hatte gehofft sie zurückhalten zu können, aber es ist mir schon wie so oft nicht mehr möglich gewesen, wenn ich beginne mich an die Vergangenheit zu erinnern. Durch diesen Schleier erkannte ich wage, das auch Raziel weinte und Zaphikel sah auch nicht gerade aus, als würde er im nächsten Moment einen Freudentanz aufführen. Wogegen Rociel einfach nur still da stand und überhaupt keine Regung zeigte. Was habe ich erwartet? Das er zeigt, was er wirklich fühlt? Scheinbar läßt ihn tatsächlich alles kalt.

"Du meinst, sie könnten jetzt auch hinter uns her sein?" Zaphikel hatte das Schweigen gebrochen und riß uns alle in die Gegenwart zurück. Ich schüttelte den Kopf.

"Nein! Ich weiß es. Sie werden hinter euch her sein. So ist es schon immer gewesen und wird es auch so bleiben, wenn nicht..." Nachdenklich wog ich den Pfeil in der Hand.

"Du wirst doch wohl nicht vorhaben?!" Entsetzt starrte mich Raziel an. Wieder mußte ich lachen. Denkt er wirklich, ich würde mich als Einmann-Selbstmordkommando versuchen?

"Mach dir darüber keine Sorgen. Aber ich werde nicht noch länger weglaufen! Wenn sie mich unbedingt haben wollen, dann sollen sie es nur versuchen! Dieses Mal werde ich mich ihnen stellen. Die nächste Begegnung wird die Letzte sein und es endgültig beenden!" Das Metall in meiner Hand war immer noch kühl. Auch eine Eigenart der Hunterpfeile, sie werden niemals warm. Sie symbolisierten in einem gewissen Sinne die eiskalte Vorgehensweise ihrer Besitzer.

"Shao-san, deine Hand!" Huh, was soll damit sein? Ich verstand Raziels plötzliche Aufregung nicht. Da ist doch nur dieser verdammte Pfeil.

"Gib mir den Pfeil!" Der Ton von Rociel ließ keinerlei Widerspruch mehr zu und so reichte ich ihm das Teil entnervt rüber. Jetzt wird mir auch klar, warum Raziel so entsetzt ist. Der Pfeil war zerbrochen und die Enden bohrten sich tief in meine Handfläche. Ist mir gar nicht aufgefallen. Bin doch stärker, als ich dachte. Das silbrige Material war von etlichen roten Schlieren überzogen und als Rociel die beiden Pfeilhälften herauszog, verstärkte sich die Blutung noch zusätzlich. Für seine ausgesprochene Rücksichtnahme auf meinen Schmerzpegel hätte ich ihn schon wieder...

Allerdings zog das Blut, das sich nun an meinem immer noch ausgestrecktem Arm ausbreitete, daran herunterlief und letztendlich zu Boden tropfte, meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Überzogen von Blut, das die Erde und alles um sich herum rot färbt. Es breitet sich aus, wie ein Teppich... Ich erinnere mich an etwas...

Mein Blut, das Blut meiner Gegner, Blut meiner Familie... alles und jeder versinkt in einem Meer aus Blut. Die gesamte Erde verfärbt sich rot und in der Ferne sehe ich Flammen auflodern, die jegliches Leben vernichten. Gequälte Schreie dringen an meine Ohren. Familie, Freunde, Feinde alle rufen durch die Feuerwand hindurch. Sie versuchen zu entkommen, doch das Feuer verzerrt sie und wenn nicht, so finden sie einen anderen Tod. In meiner Nähe klingt Waffengeklirr auf und im nächsten Moment rennt eine Frau auf mich zu. Ich kenne sie nicht und doch stelle ich mich ihrem Verfolger entgegen. Warum? Warum kämpfe ich hier? Ein gellender Schrei läßt mich herumfahren und im nächsten Moment trifft sie ein tödlicher Schlag. Mein Herz empfängt einen Stich und für einen kurzen Augenblick vergesse ich meinen Gegner und verfolge ihren Fall. Aus ihrer Brust ragt ein silberner Pfeil.

Bevor ich Zeit habe mir darüber Gedanken zu machen wird mir die Waffe aus der Hand geschlagen und ich sacke getroffen zu Boden. Von meiner Schulter bis hinunter zur Hüfte klafft eine riesige Wunde quer über meinen Körper. Ich versuche den Sturz mit einer Hand abzufangen, doch als ich mich auf sie stütze, fährt ein gellender Schmerz von meiner Hand bis in meine Schulter hinauf. Wie kann das sein? Die Hand ist doch unverletzt mit ihr hielt ich meine Waffe...

Irgend jemand versetzt mir von hinten eine Stoß und dieses Mal muß ich mich voll abstützen. Der Schmerz wird unerträglich und ich schreie auf.

"Shao-san, alles in Ordnung?" Um mich herum war alles vernebelt, unmöglich etwas zu erkennen. Wer spricht da mit mir? Langsam hob sich der Nebelschleier vor meinen Augen und ich erkannte Raziels verschwommenes Gesicht. Weine ich etwa schon wieder? Ich konnte ihm nicht antworten meine Stimme gehorchte mir nicht. Was ist das vorhin gewesen? Warum nimmt es mich so sehr mit?

"Du bist einfach zusammengesunken." Was meint er? Ich kann mich nicht daran erinnern und doch, liege ich auf dem Boden. Mit einer Hand wischte ich mir den Schweiß aus dem Gesicht. Es brannte wie Feuer. Entgeistert starrte ich meine Hand an. Blut, so viel Blut! Wo kommt diese Wunde her? Ich weiß es nicht und doch ist sie da. Ist das alles nur ein Traum? Eine Schmerzenswelle, die sich über meinen gesamten Oberkörper erstreckte, drehte mir fast den Magen um. Ich bekam keine Luft mehr und begann zu husten. Diese Schmerzen erkenne ich wieder und als ich Blut in meinem Mund schmeckte, weiß ich auch weshalb. Ich spürte, wie es durch meine Finger quoll und zu Boden tropfte. Ist das wirklich mein Blut?

"Shao-san?!" Müde hob ich den Blick und ließ die Hände wieder sinken. Rociel starrte mich entsetzt an und näherte sich mir langsam. Etwas in mir verkrampfte sich plötzlich und ich begann entsetzlich zu zittern. Entsetzt stützte ich mich mit einem Arm auf dem Boden ab, während ich mir mit dem anderen die linke Schulter festhielt. Was ist das bloß? Wovor habe ich solche Angst?

"Bleib wo du bist! Wage es nicht mich anzufassen!" Meine Stimme war ein kaum hörbares Zischen, doch er blieb augenblicklich wie angewurzelt stehen. Würde er mich jetzt berühren könnte ich für nichts garantieren. Etwas stimmt nicht mit mir, aber was? Müde hob ich den Blick noch einmal zu Rociel. Was ist das in seinen Augen? Bedauern? Schrecken? Sorge?

"Halt still!" Jemand hatte nach meiner Hand gegriffen und ich zog sie instinktiv zurück, doch er erwischte sie trotzdem und verband sie. Jetzt erkannte ich ihn.

"Raziel?! Was ist passiert?" Keine Antwort, doch der Schmerz in meiner Hand ließ langsam nach. Wo bin ich? Wer bin ich? Ein Aufschrei brachte mich dazu wieder halbwegs klar zudenken. Ich fange an mich an damals zu erinnern und das ist selbstverständlich nirgendwo gefährlicher, als in Yetzirah. Shit! Die Quelle des Aufschreis entpuppte sich als Raziel, der mich mit großen, in Panik geraten Augen ansah. Seine Hände, Arme, Kleidung alles ist voller Blut! Meinem Blut! Jetzt bin ich mir ganz sicher, wenn ich nichts unternehme, dann wird das Siegel anfangen zu zerbrechen. Nein, das darf ich nicht zulassen! Nicht hier! Mit aller Macht stemmte ich mich gegen den aufkeimenden Bilderfluß und schloß ihn aus meinen Gedanken aus. Es klappt! Ich spürte, wie der Druck allmählich nachließ und ein Blick auf das Kreuz beruhigte mich völlig. Es ist zwar voller Blut, aber ohne jegliche Risse. Puh, das Siegel ist also nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Warum fange ich überhaupt an mich zu erinnern? Hier gibt es doch nichts, was einen Grund darstellen könnte. Erleichtert schloß ich die Hand um das Kreuz. Es ist angenehm zu spüren, wie sich das Metall langsam erwärmt und sich allmählich der Körpertemperatur anpaßt. Ich schloß die Augen und Dunkelheit breitete sich vor mir aus.

*Wer?* Bitte nicht schon wieder! Warum ich und warum heute? Ist der Tag denn noch nicht streßig genug gewesen? Vor mir tauchte ein Lichtschein auf, der langsam Konturen gewann. Na klasse, der heilige Geist, auch das noch!

*Wer bist du?* Hallo, du wiederholst dich! Dummerweise bin ich gerade unfähig mich zu bewegen und so muß ich wohl oder übel abwarten, was das Ding denn nun von mir will. Habe ich diese Stimme nicht schon mal irgend wo gehört?

*Wo bin ich? Mir ist so kalt.* Diese Probleme möchte ich haben. Stattdessen muß ich mich mit Engeln rumschlagen, die versuchen mich umzubringen. Wenigstens hatte das Ding inzwischen eine halbwegs erkennbare, menschliche Form angenommen nur, das es unaufhörlich flackerte.

"Hey, hör endlich mit dem Gewackel auf! Ich habe schon Kopfschmerzen und schlimmer müssen die nicht unbedingt werden!" Für einen kurzen Augenblick erstarrte es tatsächlich, trotzdem blieb alles verschwommen.

*Shao-san? Bist du das, Shao-san?* Muß ich jetzt wissen, warum das Teil mich kennt?

"Äh... ja?" Bitte nicht noch ein Engel, das wäre wirklich zu viel für einen einzigen Tag.

*Shao-san!* Hoppla, das klingt doch eher nach einer Mischung aus Freude und Tränen, dazu auch so vertraut...

Weshalb nur? Ein greller Lichtblitz blendete mich für einen kurzen Augenblick und als ich endlich nicht mehr halbblind war, fiel ich vor Freude erst mal auf meinen Hintern. Vor mir schwebte doch tatsächlich Sara oder etwas, das ihr verflucht ähnlich ist. Allerdings konnte ich halb durch sie hindurch sehen und bei genauerer Betrachtung stellte ich auch fest, weshalb. Sie besteht vollständig aus Wasser!

"Sara-chan?!" Endlich ist es mir gelungen meine Sprache wiederzufinden.

"Bist das wirklich du?" Ah, Trottel dir hätte nichts blöderes einfallen können. Das da ist zweifelsohne Sara, nur eben ein bißchen flüssig. Sie nickte und kurz darauf lag sie in meinen Armen und weinte herzzerreißend an meiner Schulter. Warum haben heute nur alle das Bedürfnis sich bei mir auszuheulen? Beruhigend strich ich über ihre Haare. Keine Frage, das ist Wasser, aber in einer recht merkwürdigen Zusammensetzung.

"Hey, Sara-chan. Wie bist du eigentlich hierher gekommen?" Ihr Schluchzen verstummte und kurz darauf bekam ich eine Antwort.

*Ich weiß gar nicht, wo ich bin. Das Letzte, an das ich mich erinnere ist, das ich in Setsunas Armen fiel und meine Augen schloß. Shao-san...* Sie brach erneut in Tränen aus. Ja, ja Tante Shao hatte heute ihren sozialen Tag und gewährt jedem mindestens eine halbe Stunde ausheulen an ihrer Schulter und das völlig umsonst. Hoffentlich schadet das meinem Image nicht zu sehr. Mike würde sich die Haare ausraufen, wenn er hiervon wüßte.

*Jetzt werde ich dafür bestraft, daß meine Liebe sich erfüllt hat. Wir haben eine schwere Sünde begangen! Meine Seele wird niemals Frieden finden...* Argh, wer hat ihr nur so einen Schwachsinn eingeredet? Ja gut, es ist angeblich Sünde seinen leiblichen Bruder zu lieben. Na und?! Der Schwachsinn stammt doch bestimmt wieder von irgendeinem dieser größenwahnsinnigen, männlichen Engel. Sie hat doch schon bei Weitem genug gelitten.

"Beruhige dich. Glaub mir, deine Seele findet ihren Frieden, aber dafür ist es zu früh." Ungläubig sah sie mich an.

*Aber ich bin doch...* Sie brachte es nicht fertig weiterzusprechen.

*Du doch auch... ich meine sonst wärst du nicht hier...* Äh, wie jetzt? Soweit ich mich entsinne weile ich immer noch unter den Lebenden und daran wird vorläufig auch niemand etwas ändern. Sie hatte meine Überraschung bemerkt und die richtigen Schlüsse daraus gezogen.

*Du meinst du bist nicht?!* Wieder vermied sie ein bestimmtes Wort. Kann ich gut verstehen, es hat so etwas endgültiges. Zufrieden lächelte ich sie an.

"Yes, erfreue mich bester Gesundheit!" Das ist zwar gelogen, aber egal. Sie muß sich nicht noch mehr aufregen.

*Wie kann das sein?* Ich zuckte ratlos mit den Schultern. Momentan gebe ich es auf nach irgend einer Logik zu suchen. Ist eh alles viel zu verrückt.

*Shao-san, weißt du was mit Setsuna passiert ist?* Sie sah mich flehend an und ich antwortete ihr so gut ich konnte.

"Nachdem du fort warst..." Interessant, wie man dieses Wort ignorieren kann. Klappt das vielleicht auch mit Rociel?

"...erwachte Alexiel und seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört." Bin ja außer Gefecht gewesen. Wieder begannen Tränen ihre Wangen entlang zu rollen und sie drückte sich an mich.

*Heißt das, er ist... und unsere Welt zerstört?* Sie zitterte am ganzen Körper, allerdings nicht vor Kälte. Sie trauerte um die größte Liebe ihres Lebens.

"Poor Sara-chan beruhige dich. Das heißt gar nichts. Es bedeutet nur, das ich es nicht weiß. Wirklich, ich bin mir sicher, daß er noch lebt und nach dir sucht. Was Assia angeht, so existiert eure Welt immer noch." Uno Momento! Woher weiß ich das denn jetzt? Na ja obwohl, wenn Alexiel wirklich erwacht wäre, dann hätten die Engel in Yetzirah nicht so die Ruhe weg und es würden schon längst Kämpfe stattfinden. Rociel hätte dann bestimmt auch besseres zu tun, als mir auf die Nerven zu gehen. Es ist also gar nicht mal so unwahrscheinlich, das Setsuna noch unter den Lebenden weilt.

*Bist du dir da sicher?* Ihre Stimme klang völlig verzweifelt.

*Ich könnte ein Leben ohne ihn nicht ertragen.* Nein, diesen Kommentar verkneife ich mir jetzt. Das wäre zu viel für sie.

"Ganz sicher. Hör mal Sara-chan, anstatt hier in Selbstmitleid zu zerfließen, solltest du dir überlegen, wie du ihn finden könntest." Okay, einer mußte es ja heute unbedingt noch sein, aber in Anbetracht der Situation ist das Niveau nicht gerade das Gelbe vom Ei.

*Das habe ich schon, aber ich komme nicht weg von hier. Ich habe das Gefühl, als sei ich eine Gefangene der Dunkelheit und nur meine Erinnerung an Setsuna schafft es sie eine Zeitlang zu erhellen.* Hilflos sah ich mich um, doch es stimmte dort herrschte nur gähnende Leere. Kein Hinweis auf den Ort, an dem wir uns befinden oder eine Chance ihr Hoffnung zu machen.

"Ich habe zwar keine Ahnung wie, aber ich verspreche dir, das ich eine Möglichkeit finde dich hier rauszuholen." In ihren Augen spiegelte sich ein Fünkchen Hoffnung wieder, doch sie schüttelte den Kopf.

*Das ist lieb gemeint Shao-san, aber ich habe das Gefühl trotz allem sicher zu sein. Bitte sei mir nicht böse, aber ich würde dich lieber darum bitten Setsuna zu suchen. Er ist in weit größerer Gefahr als ich.* Das darf doch nicht wahr sein! Aber wie heißt es so schon, Liebe macht Blind? Dagegen ist einfach kein Kraut gewachsen und seltsamerweise wußte ich, das sie Recht hatte.

"Okay, dann suche ich ihn eben und bringe ihn zu dir." In den nächsten Minuten bekam ich fast keine Luft mehr, da sie mich stürmisch umarmte.

*Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll Shao-san! Du hast schon so viel für uns getan!*

"Mir kommt da so eine Idee, laß mich wieder atmen." Zwei Sekunden später war der Druck auf meinen Lungen verschwunden und Sara sah mich schuldbewußt an.

*Es tut mir leid. Ich war nur so froh wieder jemanden zu sehen, dem ich vertrauen kann.* Fast hätte ich einen Lachanfall bekommen, sie entschuldigt sich für meinen Geschmack definitiv zu oft.

"Ist okay. Langsam verstehe ich ja, was du an ihm findest." Ihr entgleisten sämtliche Gesichtszüge.

"Nicht das, was du denkst!" Erleichtert lachte sie und sah mich überglücklich an.

*Es tut mir leid Shao-san, aber etwas zieht mich weg. Ich werde nicht mehr lange hierbleiben können.* Mich wundert überhaupt nichts mehr und so nickte ich nur kurz. Ihre Konturen lösten sich allmählich auf.

"Wir werden uns wiedersehen Sara-chan und wenn es soweit ist, dann wird Setsuna bei mir sein. Das verspreche ich dir." Sie warf mir ein letztes dankbares Lächeln zu.

*Sag ihm, das ich auf ihn warten werde.* Und löste sich endgültig auf.

"Ich sage es ihm, das verspreche ich dir Sara-chan." Sie war komplett verschwunden und ich saß allein in der Dunkelheit. Langsam wiederholte ich meine letzte Worte, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie sie überhaupt noch hören konnte. Wo immer sie jetzt auch sein mochte ich hoffe, daß sie mich noch hört.

"Ich verspreche es Sara-chan... ich verspreche es dir..."

"Wem versprichst du was?" Mühsam öffnete ich meine Augen und versuchte nebenbei meine Gedanken zu entwirren. Seit ich mich in Yetzirah befinde passieren lauter merkwürdige Dinge. Warum aber ausgerechnet mir? Hat mir jemand die Aufschrift 'Tritt mich' verpaßt? Ich wußte, das Rociel auf eine Antwort wartete, die ich ihm garantiert nicht geben würde. Vorsichtig setzte ich mich auf. An Aufstehen ist nicht zu denken, meine Knie fühlen sich an wie Pudding! Okay, das ist jetzt garantiert schon das dritte Mal des heutigen Tages, daß ich aus irgend einem total blödsinnigen Grund bewußtlos zu Boden gehe. Wenn das so weitergeht kann ich irgendwann auch direkt liegen bleiben. Zu meinem größten Erstaunen stellte ich fest, das ich nicht auf dem Fußboden gelegen hatte, sondern auf einem Haufen bunt zusammen gewürfelter Kissen und wir befanden uns auch nicht mehr draußen. Diese Gedächtnislücken sind echt ätzend! Wer hat mir eigentlich die Haare geflochten? Ein prüfender Blick auf meine Kleidung führte bei mir fast zu einem Schreikampf.

"Wer hat mich in dieses Kleid gesteckt?!"

"Das war ich." Oh super, hätte ich mir ja auch direkt denken können! Nur ein Engel kann einen so abartigen Geschmack haben! Giftig musterte ich abwechselnd das Kleid und Rociel. Es darf einfach nicht wahr sein! Womit habe ich das verdient?! Besser, wo hat der Typ das überhaupt her? Bis jetzt dachte ich immer seine bevorzugte Farbe sei schwarz, schließlich trägt er das auch jetzt. Argh und jetzt hat er mich in ein schneeweißes Rüschenkleid gesteckt, das auch noch bei jeder Bewegung babyblau schimmert! Ich dreh ihm den Hals um!

"Was hast du? Ich finde es steht dir." Für diese Bemerkung hätte ich ihn am Liebsten...

"ROCIEL!" Sein völlig unbeteiligtes und auch noch so zufriedenes Lächeln sorgte dafür, das sich mein Frust noch weiter steigerte. Immer noch sauer machte ich ein paar Schritte vorwärts und wäre fast schon wieder zusammen geklappt, da meine Knie unter mir nach gaben und der Rocksaum ein übriges tat. Allerdings hinderte mich Rociels Arm daran völlig zu Boden zu gehen. Das darf doch nicht wahr sein! Spitzenhandschuhe! Wie alt bin ich? Zwölf?!

"Schön vorsichtig! Du warst ziemlich lange weggetreten." Seine klugen Kommentare kann er sich meinetwegen sonst wohin stecken! Ich habe genügend andere Probleme. Das dringlichste ist aus diesem Kleid rauszukommen. Er quittierte meine Angriffslust mit einem Lächeln.

"Du solltest mir wirklich dankbar sein. Es war nicht gerade einfach dich hierher zu bringen." Ich habe zwar absolut keine Ahnung, was er damit meint, aber inzwischen hatte ich auch festgestellt, daß weder Zaphikel noch Raziel sich in der Näher befanden und so wieso war mir dieser Raum bis jetzt völlig unbekannt.

"Wo hast du mich hingebracht?" Er drückte mich fester an sich und ich bin zu schwach um mich dagegen zu wehren. Verdammt noch mal, er nutzt das mal wieder schamlos aus! So wie er sich benimmt könnte jemand, der nichts von unserer feindseligen Beziehung weiß die komplett falschen Schlüße ziehen! Es fehlt nicht viel und ich fange an zu schreien! Seine plötzliche Nähe macht mich völlig konfus! Kann er sich nicht einfach einen Teddy zum Schmusen nehmen? Warum muß ich dafür herhalten? Sobald ich wieder fit bin geht so wieso das alte Spielchen er versucht mich umzubringen und ich versuche es zu verhindern von vorne los. Ich freu mich ja schon so unheimlich darauf.

"Nach Yetzirah, das weißt du doch." Lachend schüttelte ich den Kopf.

"Nein, du hast mich in die Hölle gebracht!" Er zwang mich den Kopf zu wenden und zum ersten Mal scheint es fast so, als würde er mich ernst ansehen. Etwas in seinem Blick beginnt mich zu beunruhigen. Wieviel weiß er wirklich über mich?

"Warum sagst du das? Hier bist du sicher." Wieder schüttelte ich den Kopf. Er hat doch nicht die geringste Ahnung um was es wirklich geht.

"Du begreifst es nicht. In Assia war ich sicher, aber hier niemals! Hast du schon vergessen, das die Hunter hinter mir her sind?" Sein klarer Blick verhärtete sich.

"Hat er es gewußt?" Im ersten Augenblick wußte ich nicht, wen oder was er meinte, doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Er spricht von Katan! Ich sank unter seinem Griff etwas zusammen, doch er hielt mich weiterhin aufrecht. Erstaunlich, wieviel Kraft sich in ihm verbirgt.

"Nein, er wußte nichts davon. Er kennt zwar etwas von meiner Vergangenheit, aber ich habe es nie fertiggebracht ihm alles zu erzählen." Und das entspricht ausnahmsweise mal der Wahrheit. Ich hatte es zwar vorgehabt, aber er ist ein Engel! Das Risiko ist mir einfach zu hoch gewesen. Alles zu riskieren, nur damit er mich verstehen würde? Nein, das konnte ich nicht. Ich hätte zu viel dabei verloren und doch schmerzte mich der Gedanke, das ich nicht ehrlich zu ihm gewesen bin. Bevor ich mich versah hatte Rociel mich hochgehoben und trug mich zu einem Sessel, in den ich mich zurück sinken ließ. Das Ding ist super bequem! Er setzte sich neben mich auf die Lehne. Das ist das erste Mal, das wir eine halbwegs normale Unterhaltung führen, ohne das wir kurz davor stehen uns gegenseitig an die Kehle zu gehen. Seltsam, das wir uns vertragen. Wir schwiegen beide eine ganze Weile und ließen dem Anderen Zeit seine Gedanken zu ordnen. Diese Situation gefällt mir und sorgte gleichzeitig dafür, das ich ein ziemlich mulmiges Gefühl in der Magengegend bekomme.

"Warum? Warum hast du ihm nichts davon erzählt?" Sein Blick richtete sich in weite Ferne und es scheint, als würde er sich an etwas Bestimmtes erinnern. Vielleicht war das auch einer der Gründe, warum ich ihm antwortete.

"Hast du vorhin nicht zugehört? Jeder hat seine eigenen Probleme. Weshalb also irgend jemanden noch zusätzlich belasten?" Mich schauderte beim dem Gedanken, das er doch mehr über mich weiß als er zu gibt. Was hat er wirklich herausgefunden, als er das Kreuz untersuchen ließ? Danach fragen kann ich ihn nicht, aber wird dieses Katz und Maus Spiel auf Dauer gutgehen?

"Probleme?" Er schien sichtlich verwundert und mein Blutdruck stieg wieder. Soviel zur entspannten Atmosphäre. Hitzig antwortete ich ihm.

"Natürlich! Meinst du es wäre einfach für ihn gewesen dich zu befreien? Hast du auch nur die geringste Vorstellung davon, was ihn das gekostet hat?" Vorwurfsvoll sah ich ihn an. Verdammt, ich habe mich hinreißen lassen. In seinen Augen stand plötzlich ein verräterisches Glitzern.

"Was weißt du eigentlich darüber?" Ohne zu überlegen wandte ich mich abrupt von ihm ab und starrte das Mosaik auf der gegenüberliegenden Wand an.

"Nichts!" Das ist ein Fehler gewesen! Jetzt hat er Lunte gerochen! Er drückte mich in den Sessel und stand drohend über mir. In seinen Augen zeigte sich wieder ein kurzes Glitzern.

"Aber ich! Willst du wissen, was es ist?" Er ist dabei mir allmählich Angst einzujagen und wenn das so weitergeht werden meine Nerven irgend wann reißen. Damit wäre dann alles zu spät. Verzweifelt suchte ich nach einem Weg, um von ihm wegzukommen. Seine Nähe und seine ständig stärker werdende Aura, die für jeden Engel kennzeichnend ist drängten mich immer weiter in den Sessel zurück. Bald wird mir der Platz zum Ausweichen fehlen. Krieg dich wieder in den Griff! Er macht das nur um dir Angst einzujagen! Trotzdem fiel es mir schwer die aufwallende Panik niederzukämpfen.

"Antworte! Weißt du was mit ihm passiert ist?" Seine Stimme klang verzweifelte und ich suchte wieder seinen Blick. Vollkommen unmöglich! In seinen Augen glitzern Tränen! In mir stieg eine furchtbare Ahnung auf. Mit einem Mal war alles andere unwichtig.

"Was ist mit ihm?" Keinen Dunst, was auf einmal so amüsant ist, aber er brach in schallendes Gelächter aus. Trotzdem konnte es nicht über seine Verbitterung hinweg täuschen.

"Verdammt Rociel! Was mit Katan passiert? Sag es mir!" Ohne es zu wollen hatte ich mich in seiner Uniform festgekrallt. Die dunklen Zweifel nagten schwer an mir. Er zuckte noch nicht mal mit der Wimper, als er mich hochzerrte und hinter sich herschleifte. Ich hatte echte Probleme damit auf den Beinen zu bleiben. Sein Tempo hat was für sich! Ohne Vorwarnung stoppte er und wies auf eine Tür neben sich.

"Du willst wissen, was mit ihm passiert ist?! Dann geh!" Kann dieser Kerl mir nicht ein einziges Mal eine gescheite Antwort geben?! Eine innere Stimme warnte mich davor die Schwelle zu überschreiten, aber meine Sorge um Katan war größer als alle momentanen Zweifel. Zögernd schob ich die Tür auf und erstarrte. Durch das einfallende Licht wurden in der Dunkelheit die Umrisse eines Sargs sichtbar.

"Nein! Das ist nicht wahr!" Es war, als lege sich plötzlich eine eiserne Klammer um mein Herz. Das kann nicht sein! Weinend sank ich zu Boden. Er kann nicht dort drin sein! Ich habe ihn doch noch lebend in Assia gesehen. Obwohl, so wie ich mich gefühlt habe...

Wie ist die Reaktion bei jemanden, der nicht über solche Kräfte verfügt? Schluchzend lehnte ich meinen Kopf gegen den Türrahmen.

"Das ist nicht wahr! Er ist nicht tot!" Immer wieder schüttelte ich den Kopf. Der Schock war einfach zu groß. Er wäre niemals so einfach gestorben!

"Ein wahres Wort! Er lebt, aber sein jetziger Zustand ist auch nicht gerade viel besser." Irritiert sah ich zu Rociel auf. Er zeigte fast keine Regung und ging an mir vorbei auf den Sarg zu.

"Komm, damit du siehst, was aus einem Engel werden kann, der nicht hören will!" Immer noch unter Schock stehend stand ich wieder auf und näherte mich ihm mechanisch. Als er den Sargdeckel zurück schob stieß ich einen schrillen Schrei aus. Das ist unmöglich! Das soll Katan sein?!

"Sieh nur genau hin, was aus ihm geworden ist! Es wäre niemals so weit gekommen, wenn er einfach meine Befehle befolgt hätte!" Ich warf ihm einen giftigen Blick zu. Er ist ungerecht, das hat niemand ahnen können. Im Inneren des Sargs bewegte sich die fleischartige Masse, die nur noch die äußeren Umrisse einer menschlichen Gestalt darstellte. Vorsichtig kniete ich mich vor den Sarg.

"Katan?" Zögernd streckte ich meine Hand nach dem fleischlichen Etwas aus, daß sofort zurück wich, als hätte es sich verbrannt. In dem, was man noch als Kopf erkennen konnte sah ich für einen kurzen Augenblick zwei flehende Augen, bevor es ihn wieder vor mir verbarg.

"Bitte hab keine Angst. Ich tue dir nichts." Hinter mir klang leises Gelächter auf.

"Er hat keine Angst vor dir. Er hat Angst vor dem, was er dir antun könnte. Selbst, als er kaum noch lebte sorgte er sich mehr um dich, als um sich selbst. Es wäre interessant zu sehen, was passiert wenn er dir hungrig begegnet. Weißt du, er ist jetzt ein Ghoul." Ich drehte mich nicht um. Rociels Worte hatten auch so die Schärfe von Rasierklingen. Ich konnte sehen, wie Katan unter ihnen zusammen zuckte und auch mir erging es kaum besser. Ein Ghoul? Ein Leichenfresser? Wie ist es bloß soweit gekommen?

"Warum tust du ihm an das an?!" Er zögerte etwas, bevor er mir antwortete. Ich nutzte die Gelegenheit um mich etwas weiter vorzubeugen. Es wäre doch gelacht, wenn ich nicht dazu bringen könnte mich anzusehen.

"Er bat mich dich statt seiner zu retten, aber vielleicht wollte ich ihn ja auch nicht verlieren." Es traf mich wie ein unerwarteter Hieb und ich sank tränenüberströmt zusammen. Er ist es also gewesen, der mich hierher bringen ließ. Warum nur? Warum war er so dumm? Er weiß doch am Besten, warum ich Engel so gut es geht meide. Habe ich ihm etwa alles umsonst erzählt?

"Katan bitte! Ich weiß, du würdest mir nie etwas tun! Zeig mir dein Gesicht!" Flehend streckte ich ihm meine Hand entgegen und im nächsten Augenblick umschloß sie dieses merkwürdige Fleisch.

"Ich wünsche guten Appetit!" In Rociels Stimme schwang deutlich der Triumph mit, als Katan mich immer fester an sich drückte. Ich entdeckte die Überreste einiger Leichen, die hinter dem Sarg verstreut lagen, doch ich hatte keine Angst. Vor ihm werde ich niemals Angst haben müssen, das weiß ich. Sanft zeichnete ich die noch übriggeblieben Konturen seines Gesichtes nach.

"Hab keine Angst. Ich werde dich nie allein lassen." Doch seine Augen schenkten mir keinen Glauben. In ihnen sah ich nur Pein und Leid. Würde er noch länger in diesem Zustand bleiben, dann würde er beginnen verrückt zu werden. Diese Erkenntnis nahm mich mehr mit als alles andere. Es ist fast unmöglich einem Ghoul seine ursprüngliche Gestalt zurück zu geben, fast... Nur was verbirgt sich noch mal hinter dem Fast?

Er löste sich von mir und ich verstand. Sein Hunger begann die Überhand zu gewinnen und wenn er mich nicht freigeben würde, dann wäre ich seine nächste Hauptmahlzeit. Zum Abschied gab ich ihm einen Kuß auf die Stirn.

"Vertrau mir, es wird alles gut werden." Für einen kurzen Augenblick glaubte ich etwas wie einen Hoffnungsschimmer in seinen Augen zu erkennen, doch es dauerte nicht lang genug um sicher zu sein. Langsam ging ich aus dem Raum heraus und als die Tür wieder geschlossen wurde brach ich zusammen. Das ist eindeutig zu viel gewesen! Der Einzige, der mir seit langer Zeit wieder sehr viel bedeutet ist zu einem Ghoul geworden! Fassungslos starrte ich den Boden an. Genügt es denn noch nicht, das ich keine Familie mehr habe? Muß ich immer noch mehr Leid ertragen und hinnehmen? Hat das denn nie ein Ende?

"Du lebst noch?" Rociels erstaunte Stimme brachte mich dazu hoch zusehen. Man konnte ihm ansehen, das er wirklich überrascht war.

"Wieso? Wieso hast du das getan?!" Ich wußte selber nicht genau, was ich meinte. Plötzlich gewann mein Kummer die Überhand. Ich begann am ganzen Körper zu zittern.

"Er hat mich darum gebeten." Es traf mich wie ein unerwarteter Schlag.

"Das ist nicht wahr! Er hätte niemals zugestimmt so etwas zu werden!" Entsetzt wies ich auf die Tür hinter mir. Niemals! Niemals wäre er freiwillig bereit dazu gewesen! Es paßt nicht zu seinem sanften Wesen. Er leidet darunter!

"Das war auch nicht beabsichtigt, aber er hat sich gegen die Heilung gewehrt!" Erstaunt sah ich ihn an.

"Heilung? Das nennst du Heilung?!" Er biß sich auf die Lippen und erschrocken stellte ich fest, das ich ihm unrecht tat. Er liebt Katan fast so sehr wie ich, wenn nicht sogar noch mehr (auch wenn er eine recht merkwürdige Art hat das zu zeigen). Es ist wirklich nicht beabsichtigt gewesen. Langsam zog ich mich an der Wand wieder auf die Beine.

"Laß gut sein. Ich bin müde und habe zu großen Hunger um noch klar zu denken. Streich einfach die letzten Worte." Erstaunt sah er mich an und wieder lag ich auf seinen Armen, ohne zu wissen, wie er das so schnell geschafft hatte. Erleichtert, das er mir meine Worte nicht übel zu nehmen schien ließ ich meinen Kopf gegen seine Brust sinken. Seltsam, seine Nähe ist jetzt fast angenehm und er duftet leicht nach Rosen, daß habe ich vorher noch nie bemerkt. Die Müdigkeit überkam mich und ich schloß die Augen. Dieses Mal wirkt seine Nähe auf mich beruhigend. Ein abrupter Ruck und ein kurz darauf folgender Fall brachten mich dazu sie wieder zu öffnen. Er hatte mich auf ein Bett geworfen und kehrte mir den Rücken zu. Wirklich die Sanftheit in Person! Um so erstaunter war ich, als ich feststellte, das er mit einigen Sisters sprach und ihnen Anweisungen für ein Abendessen gab. Wieso ist er plötzlich so nett zu mir? Das ist ein triftiger Grund mißtrauisch zu werden! Suchend sah ich mich in dem Raum um, ob er mir in irgend einer Weise bekannt vorkam. Verblüfft stellte ich fest, daß dies der Raum war in dem ich zum ersten Mal in Yetzirah aufgewacht war. Dieses riesen Bett würde ich einfach überall wiedererkennen! Jetzt ist der Raum allerdings hell erleuchtet und ein Symbol an der Wand irritiert mich. Ich kenne es! Vorsichtig kletterte ich aus dem Bett und ging darauf zu. Zweifelsohne, das ist das Symbol, das ich mich in jedem meiner Träume verfolgt. Katan hat mich einmal gebeten es für ihn zu zeichnen. Er war der Meinung, es würde mir helfen meine Träume besser zu verstehen und er ist der Einzige außer mir, der es kennt. Was macht es also hier? Es war als Verzierung auf die Wand aufgesetzt und langsam ließ ich meine Fingerspitzen darüber gleiten. Etwas stimmte damit nicht und ich merkte schnell, was es war. Es steht auf dem Kopf! Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, das sich das Ganze ohne Probleme drehen ließ. Endlich stand es wieder richtig herum und mit einem leisen Klicken öffnete sich darunter ein Geheimfach, das in einem der Steine eingelassen war. Neugierig zog ich den Inhalt heraus. Es war nur eine Minidisk ohne Beschriftung. Etwas enttäuscht hielt ich sie ins Licht. Irgend wie habe ich mehr erwartet.

"Was ist das bloß?" Ich wendete sie bestimmt drei dutzend Mal hin und her, aber sie veränderte sich nicht im geringsten.

"Ein Hologramm." Erstaunt sah ich zu Rociel. Ich hatte nicht damit gerechnet, das er mich überhaupt noch beachten würde.

"Hologramm? Meinst du?" Die Disk erscheint mir doch etwas klein dafür. Lächelnd nahm er sie mir ab. Für meinen Geschmack gibt er sich zu freundlich. Was hat er bloß vor?

"Paß auf, ich zeig es dir." Da er sich zu keiner weiteren Erklärung herabließ trabte ich hinter ihm her. Neugierig bin ich ja schon ,was es mit dieser Disk auf sich hat. Er legte sie in ein entsprechendes Laufwerk und plötzlich begann die Luft zu zittern. Allmählich begann sich ein Bild zu Formen und vor Schreck blieb mir der Mund offen stehen.

"Ne-chan, wenn du das hier siehst wird Alexiel bereits erwacht sein." Völlig entgeistert starrte ich auf das halbdurchsichtige Abbild Katans, das soeben erschienen war. Es will mir einfach nicht in den Kopf, warum er mir diese Botschaft zukommen läßt. Es ist klar, daß sie niemand außer mir je gefunden hätte.

"Du fragst dich jetzt sicherlich warum ich dir diese Nachricht hinterlassen habe, stimmst?" Zögernd nickte ich und das Hologramm lächelte.

"Es wäre einfach nicht deine Art die Sache so einfach hinzunehmen vor allem nicht, da du dich jetzt in Yetzirah befindest. Sei mir bitte nicht allzu böse, es war die einzige Möglichkeit dein Leben zu retten. Ich habe Rociel gebeten sich darum zu kümmern, das du sicher hierher kommst, da er sich durch nichts und niemanden daran hindern lassen wird. Um ehrlich zu sein ich glaube mir hätte der Mut gefehlt dich gegen deinen Willen hierher zu bringen. Manchmal kannst du einem ganz schön Angst einjagen." Er lachte leicht.

"Ich wünschte ich könnte es dir persönlich erklären, was mich zu diesem Entschluß gebracht hat, aber das ist jetzt wahrscheinlich nicht mehr möglich. Du hast mich einmal gefragt, warum ich dich nicht einfach in dem Park hab liegen lassen, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Weißt, du eigentlich hatte ich es auch vor, denn schließlich warst du ein Mensch wie jeder andere und ich verfolgte andere Pläne, als mich in das Leben eines einzelnen Menschen einzumischen, aber dann fiel mir etwas auf. Du hast im Schlaf geweint und immer wieder gemurmelt man solle dich endlich in Frieden lassen. Das war es, was mich daran gehindert hat einfach nur so vorbei zugehen. Ich habe mich gefragt, was eine solch schöne und berühmte Frau wohl dazu bringen könnte so verzweifelt zu sein, das sie im Schlaf weint. Mir wurde es erst klar, als du mir von deinen Träumen erzählt hast." Fassungslos sah ich in sein lächelndes Gesicht. In all der Zeit habe ich niemals vermutet, das er von Anfang an etwas geahnt hat. Ich bin immer der Meinung gewesen, das es nur ein dummer Zufall gewesen ist, der dafür gesorgt hat, das sich unser Wege kreuzten. Wie sehr man sich doch irren kann...

"Dieses Hologramm habe ich für dich aufbewahrt, für den Fall, das mir etwas zustoßen sollte. Nur unter dieser Voraussetzung hast du es finden können. Das Versteck war mit Absicht so gewählt, das es nur dir auffallen würde, jeder andere wäre nie auf die Idee gekommen, das etwas an dem Symbol nicht stimmen könnte. Aber ich schätze, das Rociel trotzdem neben dir steht. Du wirst es ihm garantiert nicht leicht gemacht haben dich davon zu überzeugen hierzubleiben. Nein, bestimmt nicht. Eher wirst du ihm einen Vortrag darüber gehalten haben, warum du nicht vorhast genau dies zu tun." Wieder lachte er kurz, bevor sein Blick erneut ernst wurde.

"Vertrau ihm!" Seine Stimme wurde beschwörend.

"Er wird auf dich aufpassen!" Das ist ja wohl ein schlechter Scherz! Ich soll diesem Kerl da vertrauen?! Sonst noch Wünsche? Sehe ich aus, als wäre ich lebensmüde? Eigentlich habe ich ja immer geglaubt, das Katan ein vernünftiger Engel ist, aber das?!

"Du glaubst mir nicht, oder? Trotzdem bitte ich dich es zu versuchen. Er ist der Einzige, der dich jetzt noch beschützen kann." Seine Stimme nahm einen bitteren Klang an.

"Es tut mir leid, das ich mein Versprechen nicht halten kann. Ich wollte dich nicht allein lassen, aber mir blieb keine andere Wahl. Ich bin mir sicher, daß du mich verstehen wirst. Auf dieser CD sind noch einige Daten, die dich interessieren dürften. Ich habe ein paar Nachforschungen betrieben, um dir zu helfen deine Träume besser zu verstehen. Vertrau auf Rociel, er weiß, was zu tun ist. Du wirst ihn brauchen und er dich ebenfalls. Auch wenn ihr es noch nicht bemerkt habt, aber ihr seid euch sehr ähnlich." Er setzte ein absolut entwaffnendes Lächeln auf und mit einem kurzen Flackern verschwand er. Fassungslos starrte ich auf den Fleck, wo er bis vorhin noch gestanden hatte. Er hat es von Anfang an gewußt! Verdammt er hat gewußt, das er nicht mehr in der Lage sein wird mit mir zu sprechen! Warum? Warum nur hat er mir nichts davon gesagt? Wütend ließ ich meine Faust gegen die Wand sausen. Der Schmerz war fast sofort da und verband sich mit dem in meinem Herzen. Mir ist, als hätte man mir so eben einen Teil meines Herzens genommen. Und dann hat er noch den Nerv zu behaupten ICH sei Rociel ähnlich! Es ist zuviel! Einfach zuviel für einen Tag! Ich sackte auf dem Boden zusammen und begann hemmungslos zu weinen.

"Was meint er mit wir wären uns ähnlich?" Langsam hob ich den Blick zu Rociel. Diese Nachricht schien ihn ebenfalls mitgenommen zu haben, auch wenn er es nicht so deutlich zeigte wie ich.

"Keine Ahnung! Warte das heißt... ach, vergiß es!" Nein, ich kann ihm nicht sagen, was Katan damit andeutet. Ich bin mir sicher, daß er unsere Einsamkeit gemeint hat. Mit einer Hand wischte ich mir die Tränen aus den Augen und setzte mich vor den Computer. Ich sollte ihn lieber ablenken, sonst würde er noch von selbst dahinter kommen und das muß ja nicht sein. Die CD befand sich immer noch im Laufwerk und so schnell es ging rief ich die vorhandenen Dateien auf. Neben dem Hologramm gab es noch etliche Unterverzeichnisse, die man aber über eine Haupdatei öffnen konnte. Die Kiste begann zu arbeiten und nach knapp zwei Minuten erschienen reihenweise Zeitungsausschnitte, die wie schon vorher das Hologramm einfach in den Raum projiziert wurden. Erst sah ich zwischen ihnen keinen Zusammenhang, da es sich um verschiedene Jahrzehnte handelte, aber dann entdeckte ich ihn. Es ist das Kreuz! Er hat alles darüber zusammengetragen. Verdammt! Ich bin mir so sicher gewesen alle meine Spuren verwischt zu haben. An das Kreuz habe ich beim besten Willen nicht mehr gedacht, aber genau das ist es, was man zurückverfolgen kann. Wie lange hat er dafür wohl gebraucht? Und vor allem, was hat er eigentlich über mich herausgefunden?

"Interessant. Ich hatte keine Ahnung, das sich dieses Kreuz schon solange in Assia befindet. Es muß so etwas wie euer Familienschatz sein." Bei Rociels kalter Stimme liefen mir Schauer über den Rücken. Er läßt deutlich durchblicken, das er das nicht glaubt. Etwas stimmt bei den Artikeln nicht und er scheint zu ahnen, was es ist. Zum Glück gibt es keine Großaufnahmen oder deutliche Fotos von den jeweiligen Besitzern. Er hätte bestimmt bemerkt, das sie mir alle verdammt ähnlich sahen, da es sich ja auch jedesmal um mich handelt. Nur suche ich mir nach einiger Zeit immer wieder ein neues Image und lasse den Vorgänger auf irgend eine nicht zu auffällige Art sterben. Eine Zeitlang geht die Sache mit dem wieder auf der Bildfläche erscheinen immer gut, aber dann fangen die Leute an neugierig zu werden und ich muß wieder verschwinden, damit sie nicht herausfinden, das ich nicht mehr äußerlich altere. Rociel überrascht mich allerdings in dem er das Thema einfach nicht weiter verfolgt. Ist doch sonst nicht seine Art...

"Komm, du mußt dich ausruhen." Irritiert sah ich die Hand an, die er mir entgegen hielt. Warum ist er so verdammt freundlich? Das kann doch nicht allein an der Tatsache liegen, das Katan ihn gebeten hat sich um mich zu kümmern. Zögernd griff ich zu und ließ mir von ihm auf die Beine helfen. Meine Güte, was bin ich plötzlich wackelig. Ohne etwas zu sagen stützte er mich und führte mich zurück in den Raum, wo ich vorhin aufgewacht war. Dankbar ließ ich mich auf das Bett sinken und verdrückte erstmal etwas von dem bereit gestellten Essen. Mir ist gar nicht aufgefallen, wieviel Hunger ich inzwischen habe...

"Hast du gar keine Bedenken, das es vergiftet sein könnte?" Fast hätte ich mich verschluckt.

"Hättest du das nicht mal früher erwähnen können? Jetzt ist es ein bißchen spät dafür!" Demonstrativ leerte ich meinen Teller bis auf den letzten Bissen, während er mich nur fortwährend anlächelte. Irgend etwas hat er vor, soviel steht schon mal fest. Die Frage ist nur was? Bleierne Müdigkeit überfiel mich und sein Lächeln wurde immer zufriedener.

"Du verdammter Mistkerl! Du hast Schlafpulver ins Essen gemischt!" Er nickte anerkennend und sah genüßlich zu, wie ich versuchte gegen die Wirkung anzukommen, aber letztendlich doch scheiterte. Meine Bewegungen wurden immer schwerfälliger und irgendwann spürte ich die weichen Laken unter meinem Gesicht. Nur nicht einschlafen! Du bist in Gefahr! Du darfst nicht einschlafen! Es klappte gerade noch so, aber dann vernahm ich die Melodie eines Schlaflieds und mir fielen allmählich die Augen zu.

"Schlaf jetzt, ich werde über dich wachen." Ich bekam gerade noch mit, wie Rociel sich über mich beugte, bevor ich endgültig in tiefen Schlaf fiel.

Ein innerer Drang weckte mich. Es gibt etwas, das einem Ghoul seine ursprüngliche Gestalt zurück gibt! Ich weiß vielleicht nicht mehr was es ist, aber mir ist eingefallen, wie man es heraus finden kann! Die alte Eden Bibliothek! Sie befindet sich ebenfalls in Yetzirah! Bleibt die Frage wo? Seitdem ich zum letzten Mal hier gewesen bin hat sich so viel verändert. Das Einfachste ist es wahrscheinlich sich die Grundrisspläne an zusehen. Sie müßen irgendwo in der Datenbank zu finden sein. Leise schlich ich mich aus dem Raum und kehrte zu dem Computer zurück. Ein Glück, das ich mich so gut im Dunkeln orientieren kann. Nach einigem Suchen fand ich den Hauptschalter und warf die Kiste an. Der Bildschirm blinkte auf und tauchte den Raum in leichtes bläuliches Licht. Natürlich erschien als Erstes die Anzeige:

BITTE PASSWORT EINGEBEN

Na toll, auch das noch! Dann wollen wir doch mal sehen, ob meine Zugangsberechtigung noch aktuell ist. Ich tippte mein Paßwort ein und war drin. Klasse, niemand hat es gefunden und gelöscht! Wäre auch ziemlich unwahrscheinlich gewesen. Allerdings bremsten die Unmengen an Daten meine anfängliche Freude. Es wird entschieden länger dauern als erwartet. Nach fast anderthalb Stunden hatte ich endlich Zugriff auf die richtigen Pläne. Warum sind die nur so gut versteckt worden? Selbst die Dateien der Anima Mundi sind leichter zu finden gewesen! Über die bin ich rein zufällig beim Suchen gestolpert, aber sie interessierten mich nicht weiter. So gut es ging prägte ich mir die Pläne ein und verließ den Raum lautlos wieder. Okay, jetzt noch ein paar Stunden schlafen und dann frisch ans Werk! Es wäre doch gelacht, wenn ich Katan nicht helfen kann! Vorsichtig kroch ich zurück ins Bett und stellte zu meiner größten Verwunderung fest, das dort drin schon Rociel lag. So wie das aussieht habe ich in seinen Armen geschlafen. Buäh, das ist ja wohl das Letzte! Allerdings muß das Schlafmittel eine durchschlagende Wirkung gehabt haben, das ich nicht mehr bemerkt habe, wie sich ein Engel neben mich legt. Noch dazu wenn es sich dabei um Rociel handelt! Vorsichtig zog ich eine der Decken vom Bett und ging wieder. Ich habe keinesfalls vor noch länger neben ihm zu schlafen. Gar nicht auszudenken, was da alles passieren kann, wenn er sich wieder bewußt wird, das er mich nicht mag! So geräuschlos wie möglich suchte ich nach dem Raum, in dem sich Katans Sarg befand. Dort angelangt machte ich mich leise bemerkbar.

"Katan, bist du wach?" Ich ahnte seine Bewegungen mehr, als das ich sie sah und ging näher zu ihm.

"Kann ich bei dir schlafen? Nicht, das ich Angst hätte, aber hier scheint es mir sicher zu sein." Seine Zustimmung war ein kaum erkennbares Nicken. Dankbar ließ ich mich neben ihn sinken. Mir ist egal, welche Form er hat innerlich bleibt er doch derselbe. Ein paar Tränen der Erleichterung rollten mir über die Wangen, die er vorsichtig wegwischte. Bevor er seine Hand zurückziehen konnte hielt ich sie fest.

"Ich habe einen Weg gefunden dir zu helfen. Morgen kann ich dir sagen, was es ist." Ich schloß die Augen und schlief zufrieden an seiner Schulter ein. Ja, morgen würde ich auch von hier verschwinden.

Sanfte Sonnenstrahlen weckten mich. Sie breiteten sich immer weiter über mein Gesicht aus und erwärmten es langsam. Genüßlich streckte ich mich. Der Tag versprach schön zu werden. So bald ich das Heilmittel für Katan gefunden habe mache ich, das ich hier weg komme! Aber vorher sind noch eine Dusche und andere Klamotten angesagt! Optimistisch öffnete ich die Augen und sah genau auf einen Baldachin, der mir so verdammt vertraut vorkommt. Moment mal, habe ich nicht woanders geschlafen? Mir ist doch so, als wäre ich an Katans Sarg eingeschlafen. Da steckt doch garantiert wieder Rociel dahinter! Ein Blick zur Seite bestätigt diese Vermutung. Er liegt friedlich schlummernd neben mir und hält mit einer Hand etwas von meinem Kleid fest. Seine Züge waren völlig entspannt und er lächelte leicht im Schlaf. So friedlich habe ich ihn noch nie gesehen. Seine langen Haare verteilten sich quer über seinen halben Körper, bevor sie sich in den Kissen verloren. Etwas an diesem Anblick faszinierte mich und so betrachtete ich ihn eine ganze Weile, bevor ich mich wieder meinen eigenen Gedanken widmete. Okay, er ist also aufgestanden, hat mich gesucht und zurück geschleppt. Wieso? Warum macht der Kerl das? Ohne viel Rücksicht auf ihn zu nehmen stand ich auf (er wurde trotzdem nicht wach) und machte mich auf die Suche nach einem Bad. Zu meinem Leidwesen wurde ich jedoch sehr schnell von einer der Sisters entdeckt, die mich dazu überreden wollte doch lieber wieder zurück zugehen und zu warten, bis Rociel aufwachen würde. Ich erklärte ihr, daß es schon okay sei und sie mich ruhig machen lassen solle. Dennoch bestand sie darauf mich zu begleiten. Leicht entnervt ließ ich mich von ihr zum Bad führen, wo schon die nächsten fünf von der Sorte standen und um mich rumwuselten. Man, das ist einer der Gründe warum ich kein Hauspersonal habe. Die glauben alle, das man allein völlig hilflos ist und sich mit einem Löffel die Pulsadern aufschneiden könnte. Da meine Argumente keine Wirkung gegen ihre übertriebene Fürsorge zeigten gab ich mich geschlagen und ließ mich von ihnen in eine Badewanne stecken. Als sie mir hinterher, nachdem sie mich auf einen Tisch verfrachtet hatten, um mir eine Massage zu verpassen, jedoch mit diversen Duftwässerchen zu Leibe rücken wollten geriet meine Geduld doch gehörig ins Wanken.

"Laßt gut sein! Ich übernehme das!" Nicht auch noch das! Es reicht ja nicht, das ich fast völlig nackt auf einem Tisch liege. Nein, es muß natürlich auch noch Rociel aufkreuzen! Soviel zum Thema der Tag fängt gut an. Meine gute Laune ist dahin. Die Mädels zogen sich mit der wohl angeborenen Demut zurück und ließen mich mit ihm allein. So gut es ging bedeckte ich meine Blöße mit einem Handtuch, das natürlich vorn und hinten nicht dafür ausreicht!

"Du scheinst ja nicht gerade begeistert zu sein, das ich mir Sorgen um dich mache." Ich antwortete ihm nicht, sondern suchte nach einem Weg unauffällig zu verschwinden, was aber schon an den nicht mehr vorhandenen Klamotten scheiterte. Verdammt! Ich hätte sie nciht damit abhauen lassen sollen! Er lehnte lächelnd an einer Säule und zu meinem größten Erstaunen hatte er sich auch schon umgezogen. Er trug jetzt wieder die Uniform, die für seine Garde kennzeichnend war.

"Entspann dich! Man könnte ja glatt meinen du siehst in mir einen Feind." Lachend setzte er sich neben mich, doch als er nach dem Handtuch griff sprang ich auf.

"Laß das! Erklär mir lieber, was dieses ganze Theater soll." Genüßlich lehnte er sich zurück.

"Welches Theater?" Jetzt platzt mir gleich der Kragen. Er weiß genau, was ich meine. Lachend winkte er ab.

"Reg dich nicht so auf. Ich bin nur neugierig zu erfahren, was es ist, das Katan angeblich helfen soll." Woher weiß er denn schon wieder davon? Hat er seine Spitzel überall?

"Das geht dich nichts an! Du würdest es ohnehin nicht verstehen!" Schwungvoll stand er auf. Oh ha, jetzt habe ich sein Ego gekränkt.

"Sei dir da nicht so sicher! Im Übrigen wirst du hierbleiben und nicht schon wieder allein in der Gegend herumspazieren, das ist viel zu gefährlich! Vor allem nach dem jetzt auch die Hunter hinter dir her sind." Hey, das klingt ja wirklich so, als würde er sich ernsthaft Sorgen um mich machen.

"Vergiß es! Ich bin keine der Sisters, die man herumkommandieren kann! Ich habe keine Angst vor den Huntern oder dir und ich habe meinen eigenen Willen! Ich gehe wann und wohin es mir paßt!" Er war davon völlig unbeeindruckt.

"Ach ja, im Handtuch?" Gleich schmeiße ich ihm was an die Rübe.

"Nein, im Bikini!" Er brach in schallendes Gelächter aus.

"Das würde ich zu gerne sehen!" Was zu viel ist, ist zuviel. Ich griff nach dem erst besten Gegenstand (in diesem Fall eine Flasche Shampoo) und warf sie in seine Richtung. Er fing sie mit einer leichten Handbewegung ab und stellte sie sorgsam auf den Tisch.

"Ganz schön miese Laune so früh am Morgen." Seine Ruhe macht mich nervös, vor allem nachdem er immer näher kommt. Die Chancen zum Ausweichen werden immer geringer! Gerade als ich den nächsten Gegenstand nach ihm werfen wollte hatte er mich gepackt. Ohne, das ich die Chance gehabt hätte mich zu wehren plazierte er mich wieder auf dem Tisch und zog mir das Handtuch weg.

"Was zum Henker soll das werden?!" Er antwortete nicht, sondern drückte mich nur weiter nach unten. Sein Glück, das ich auf dem Bauch liege, ansonsten würde er meinen Fuß schon sonst wo spüren.

"Hör endlich auf zu zappeln! Ich tue dir schon nichts." Diese Aussage würde ich in einer solchen Situation selbst dem Papst nicht glauben und schon gar nicht einem Engel! Zu meiner größten Verblüffung begann er damit mich zu massieren und mit einem angenehm nach Flieder duftenden Öl einzureiben. Selbst wenn ich es nicht wollte, er sorgte dafür, das ich mich allmählich entspannte.

"Seltsam deine Wunden scheinen alle ohne den geringsten Kratzer verheilt zu sein. Wie ist das möglich?" Ich zuckte zusammen. Scheiße, das habe ich total vergessen vor ein paar Stunden bin ich ja noch schwer verwundet gewesen. Die Wahrheit kann ich ihm ja schlecht sagen, aber wie erklärt man ihm so etwas?

"Die Medizin von Raphael hat besser gewirkt, als ich dachte." Huh, Raphael? Was hat der denn damit zu tun? Im Prinzip auch egal, die Antwort ist jedenfalls besser als alles, was ich ihm hätte auftischen können und das Beste daran sie kommt von ihm. Zufrieden genoß ich die Massage. Er versteht wirklich etwas davon. Kaum zu glauben, das er mich eigentlich andauernd töten will. Warum ist er nicht immer so freundlich? Man könnte so gut mit ihm auskommen. Langsam beginne ich Katan zu verstehen, warum er seinen Vater unbedingt befreien wollte. Vielleicht ist er früher immer so gewesen...

"So und jetzt dreh dich um!" Irrtum im letzten Satz er ändert sich doch nicht!

"Nein!" Er zog leicht an meinen Haaren.

"Na los, ich hab dich doch schon so gesehen." Blitzschnell drehte ich mich um und setzte zu einer Ohrfeige an, die er lächelnd mit einer Hand abfing, während er mich mit der Anderen in ein Handtuch hüllte. Perplex sah ich ihn an.

"Okay, wer hat dir was ins Essen getan?" Er schüttelte lachend den Kopf und begann damit meine Haare zu lösen.

"Bist du immer so mißtrauisch? Du weißt doch, das Katan mich gebeten hat auf dich aufzupassen." Mein ungläubiger Blick schien ihn nicht weiter zu stören, denn er machte fröhlich weiter damit meine Haare zu kämmen. Im Prinzip hätte ich das Ganze ja auch genießen können, aber ich kenne ihn zu gut, um zu wissen das er niemals so eine Wandlung durch machen würde ohne einen triftigen Grund dafür zu haben. Außerdem ist er ein Engel und das Ganze ist mir peinlich! Ich habe mich mit damit abgefunden in ihm eine Gefahr zu sehen und jetzt ist er freundlich! Wirklich ich muß was verpaßt haben!

"Nein, im Prinzip möchte ich einfach nur wissen, wer du wirklich bist." Für einen Augenblick stockte mir der Atem. Hat er gerade meine Gedanken gelesen? Wie viel weiß er inzwischen wirklich über mich? Trotzdem bemühte ich mich mir nichts anmerken zu lassen. Das ist also sein Plan er wiegt mich in Sicherheit, um dann ohne Vorwarnung zum Angriff über zugehen. Rociel-chan, in diese Falle tappe ich bestimmt nicht. Meinetwegen kannst du glauben was du willst, die Wahrheit findest du garantiert nicht raus! Es ist doch ziemlich beruhigend zu wissen, das er immer noch der Alte ist. Ein netter Rociel wäre auch zu viel des Guten.

"Scheint dich ja nicht sehr zu überraschen." Er klang fast ein kleines bißchen enttäuscht. Ich konnte mir ein leichtes Kichern nicht verkneifen.

"Stimmt! Weißt du ich habe mir schon Sorgen gemacht, du würdest mich auf einmal mögen und einfach nur so nett sein." Ich zwinkerte ihm zu und im nächsten Moment brachen wir beide in schallendes Gelächter aus. Merkwürdig, wie angenehm es ist mit ihm zu lachen...

"Jetzt ist aber Schluß damit. Ich muß heute noch eine Menge tun." Ohne Vorwarnung gab er mir einen Schubs und ich fiel vom Tisch.

"Du verdammtes Arschloch! Mußte das sein?" Er grinste mich nur breit an und wandte sich zum Gehen.

"Mach dir einen schönen Tag. Wir sehen uns heute Abend." Er verschwand hinter einem Vorhang.

"Hey, und wie sieht das mit meinen Klamotten aus?!" Doch es war vergeblich, er hörte es nicht mehr. Das gibst nicht! Der läßt mich hier doch tatsächlich im Handtuch stehen! Wütend kickte ich gegen einen Hocker, der zwar wankte aber trotzdem stehenblieb. Frustriert ließ ich mich auf ihn fallen. Toll und was mach ich jetzt? Ich kann ja nicht so rumlaufen! Argh, nicht mal Unterwäsche hat der Kerl mir da gelassen! Ein leises Geräusch ließ mich herum fahren. Hinter einem der Vorhänge zeichnete sich deutlich ein mir wohlbekannter Schatten ab.

"Cee! Wo hast du gesteckt?" Mit freudigem Bellen stürzte er auf mich zu und hockte sich vor meine Füße. Erwartungsvoll sah er mich an.

"Tut mir leid mein Kleiner ich hatte gestern gar keine Zeit nach dir zu suchen. Wie hast du mich gefunden?" Sanft kraulte ich ihn hinter den Ohren. Er gab zufriedene Brummlaute von sich und sein Blick schwenkte kurz hinter mich. Er hat also jemanden gefunden, der wußte, wo ich steckte und da er ja immer brav sein Halsband mit Namensschildchen und dem Namen des Besitzers trägt hat er sich hierher bringen lassen. Es ist auf alle Fälle unauffälliger, als wenn er mich in seiner wahren Gestalt gesucht hätte.

"Sehr schlau von dir." Lobte ich ihn und drehte mich um. Dort stand mit hoch rotem Kopf und gesenkten Blick Raziel.

"Entschuldige, ich wußte nicht das du..." Bevor er weitersprechen konnte begann ich zu lachen. Dieses Kerlchen ist wirklich so schüchtern, das man es kaum für möglich halten kann!

"Eher muß ich mich entschuldigen. Wenn ich geahnt hätte, das du kommst wäre ich bestimmt nicht baden gegangen." Man konnte ihm ansehen, das er den Witz nicht verstand. Ich erklärte ihm kurz, warum ich immer noch im Handtuch in der Gegend herum stand und auch, warum ich keine Verletzungen mehr hatte, um jeglichen Fragen in dieser Richtung direkt vorzubeugen. Er versprach mir eine der Sisters zu holen, damit sie mir etwas zum Anziehen bringen konnte. Kaum war er verschwunden machte ich mich auf die Suche nach etwas Eßbaren, da mir mein Magen schon wieder in den Kniekehlen hing. In diesem Fall war es ein Obstkorb, der aus welchen Gründen auch immer direkt neben der Badewanne stand, der meinem Heißhunger zum Opfer fiel. Nach dem Verzehr von drei Bananen, zwei Äpfeln, ein paar Mandarinen, etlichen Pfirsichen und einigen Dutzend Weintrauben (hey, ich hatte Hunger) tauchte Raziel dicht gefolgt von einer der Sisters wieder auf. Sie führte mich in ein angrenzendes Zimmer, wo ich die Auswahl zwischen den kitschigsten Kleidern, die ich je in meinem Leben gesehen habe, hatte. Rociel, so meinte sie habe extra darauf bestanden, daß ich eines dieser Kleider tragen würde. Ich erklärte ihr, das mich Rociel mal gern haben könnte und das sie mir was Gescheites zum Anziehen besorgen soll, da ich nicht vorhatte auch nur eines dieser Teile anzuziehen. Völlig verschüchtert trat das Mädel den Rückzug an und versprach mir mit etwas Anderem zurück zukommen das heißt, falls Rociel nichts dagegen haben sollte. Solange wollte ich allerdings nicht warten. Bis sie ihn gefragt hat können Stunden vergehen! Wenigstens hat sie mir brauchbare Unterwäsche da gelassen, auch wenn seltsamerweise kein einziger BH dabei ist. Wo hat Rociel das Zeug überhaupt aufgetrieben? Kaum war sie weg durchwühlte ich die restlichen Kleiderschränke und fand doch tatsächlich einen langärmligen, rückenfreien, schwarzen Body, der mir wie angegossen paßte und eine ebenfalls schwarze Hose. Sie war mir allerdings oben rum um etliches zu weit. Gehört garantiert beides Rociel, aber er wird dafür hoffentlich Verständnis haben, schließlich hat er sich auch schon an meinem Kleiderschrank gütlich gehalten. Der Weite der Hose schuf ich mit einem roten Schal, den ich zum Gürtel umprovisierte Abhilfe. Bleibt nur noch die Frage nach Socken und Schuhen. Erstes war beim besten Willen nicht aufzutreiben, aber das Zweite. Zu jedem Kleid gab es nämlich die passenden Treter und so schnappte ich mir ein schwarzes Paar Ballerinas. Perfekt, jetzt nur noch die Haare mit irgend etwas zusammen binden, damit sie mir nicht dauernd im Gesicht rumhängen. Dafür mußte ein weiterer roter Schal herhalten. Zufrieden kehrte ich zu Raziel zurück, der gerade versuchte Cee davon abzuhalten in die immer noch gefüllte Badewanne zu springen.

"Laß ihn nur, sonst landet ihr noch beide drin!" Folgsam ließ er Cee los, der sofort mit einem riesen Satz ins Wasser sprang und damit das halbe Zimmer in ein Feuchtbiotob verwandelte.

"Wow, Shao-san du siehst toll aus." Bewundernd sah er mich an. So toll, wie er meint kann ich gar nicht aussehen. Schließlich habe ich kaum geschlafen. Ein Blick in den Spiegel belehrte mich allerdings eines besseren. Ich sehe ja aus, als würde ich zu einem Date gehen! Wann habe ich mich eigentlich geschminkt? Nein, das müssen vorhin die Sisters gewesen sein. Das Kreuz funkelte auf meiner Brust und bot einen guten Kontrast zum Schwarz des Bodys.

"Danke! Los laß uns gehen." Irritiert sah er mich an. Ach, stimmt. Er kann ja nicht wissen, was ich vorhabe.

"Gehen? Ich denke du sollst hierbleiben?" Aha, er ist also schon Rociel begegnet. Wird Zeit, daß ich ihm deutlich mache, das Rociel mir gar nichts zu sagen hat.

"Das glaubt hier auch nur einer. Ich muß noch was wichtiges erledigen. Komm schon." Ich wartete nicht auf ihn sondern ging einfach schon mal vor. Er wird mir garantiert folgen, so viel steht fest.

"Shao-san warte! Das bringt nur Schwierigkeiten!" Ich verlangsamte mein Tempo etwas und ließ ihn aufholen. Na bitte, es geht doch. Inzwischen befanden wir uns schon außerhalb von Rociels Gemächern in einem dieser schier endlosen Flure. Die Bibliothek zu finden sollte kein Problem darstellen. Vor meinem inneren Auge ließ ich noch einmal die Pläne erscheinen und verglich sie mit der Umgebung. Zu Fuß werden wir vielleicht eine halbe Stunde brauchen.

"Wenn du damit Rociel meinst, er wußte vorher auf was er sich einläßt, das ist sein Problem. Ich gehöre nun mal nicht zu den Personen, die er einschüchtern kann."

"Ganz schön große Worte für einen Menschen!" Aus dem Schatten einer Nische war ein Engel getreten und versperrte uns den Weg. Er trug eine runde Brille und hatte kurze, dunkle Haare, die streng zurück gekämmt waren. Mit Sonnenbrille könnte man ihn locker für ein Mitglied der Unterwelt halten. Flößt mir auch nicht gerade Vertrauen ein der Knabe.

"Dobiel-sama? Was macht ihr hier?" Er ignorierte Frage die nebst Raziel und wandte sich direkt an mich. Der ist mir aber höchst unsympathisch, vor allem dieses gehässiges Grinsen.

"Ich habe schon viel von dir gehört. Aber solltest du nicht besser das Bett von Rociel hüten." Sein Tonfall gefällt mir ganz und gar nicht und vor allem nicht zusammen mit dem Blick, mit dem er mich dabei segnet.

"Was willst du damit sagen?" Er hat einen verdammt schlechten Zeitpunkt erwischt um sich mit mir anzulegen. Raziel zupfte kurz an meinem Ärmel und flüsterte mir eine Warnung zu, daß dies einer von Sevothtartes Leuten sei, aber das wird mich garantiert nicht daran hindern diesem Kerl meine Meinung zu sagen, wenn er mir weiterhin dumm kommt.

"Nichts! Nur, das es äußerst merkwürdig ist, daß ein mächtiger Engel wie Rociel einen Menschen schützt. Deine Qualitäten müssen beeindruckend sein!" Er ließ deutlich durchblicken, was er in Bezug auf meine Qualitäten meinte und es ist garantiert nicht Kochen! Dieses arrogante Arsch wird sich gleich wünschen seine große Klappe gehalten zu haben. Er scheint sich ja sehr sicher zu sein, das er von mir nichts zu befürchten hat. Freundchen, damit liegst du weit daneben. Mach nur weiter so und ich zeige dir, was eine Harke ist! Du kannst nur von Glück reden, das ich mich beherrschen kann.

"Oder willst du mir weiß machen, daß er dies tut ohne eine Gegenleistung zu verlangen? Ich möchte nicht erst wissen, was ihr letzte Nacht getrieben habt." Das ist endgültig zuviel! Mein guter Vorsatz ihn einfach weiter zu ignorieren ist dahin. Er hat das Faß gerade zum Überlaufen gebracht. Ehe er sich versah hatte ich ihn am Kragen erwischt und drückte ihn gegen die Wand.

"Hör mir gut zu! Ich habe keine Ahnung, was in deinem kranken Hirn vorgeht, aber halt dich aus meinen Angelegenheiten raus! Es geht dich rein gar nichts an, was ich tue oder lasse! Ach und was die Sache mit Rociel-chan angeht..." Er grinste mich immer noch triumphierend an, so als wollte er durchblicken lassen, daß er jetzt seine Bestätigung hatte. Langsam zog ich einen Dolch aus seinem Stiefel und drückte ihn gegen seinen Kehlkopf. Sofort verlor sein Gesicht sämtliche Farbe.

"Behaupte das noch ein einziges Mal und es wird das Letzte sein, was man in diesem Leben von dir gehört hat! Hast du mich verstanden?" Er schluckte und gab mit einem Nicken zu verstehen, das er begriffen hatte. Abrupt ließ ich ihn los und er landete auf dem Boden. Fürs Erste hat er sein Fett weg.

"Laß uns gehen Raziel!" Ohne weiter auf den am Boden Liegenden zu achten ging ich weiter. Ein schabendes Geräusch ließ mich dennoch herumfahren und der Dolch schnellte wie von selbst aus meiner Hand. Dobiel stieß einen markerschütternden Schrei aus, als sich der Dolch durch seinen Unterarm bohrte. Die Pistole fiel aus seiner Hand zu Boden. Langsam hob ich sie auf. Er hat Glück gehabt, das der Dolch nicht die Hauptschlagader getroffen hat. Dabei habe ich noch nicht mal gezielt, sondern einfach nur aus den Augenwinkeln geworfen. Bin doch noch ganz gut im Training.

"Laß dir das eine Warnung sein! Ich mag ein Mensch sein, aber bin nicht hilflos und mit meinen Gegnern mache ich im Notfall kurzen Prozeß!" Mit Schwung zog ich den Dolch aus seinem Arm und er schrie wieder auf. Was für eine Memme! Er blutet doch kaum. Wie würde er erst schreien, wenn ich wirklich die Hauptschlagader getroffen hätte?

"Richte Sevotharte von mir aus, das wenn er mich nicht in Ruhe läßt, er sich lieber vorsehen soll. Ich bin zwar kein Engel, aber mich zu unterschätzen ist tödlich!" Mit einer schnellen Bewegung wischte ich den Dolch an seiner Kleidung ab und gesellte mich wieder zu Raziel, der das Ganze aus einiger Entfernung fassungslos beobachtet hatte. Sorgsam verstaute ich den Dolch und die Pistole von Dobiel in meinem Hosenbund. Vielleicht werden wir sie noch brauchen. Raziel folgte mir ohne ein Wort über die ganze Sache zu verlieren. Er scheint solche Szenen gewöhnt zu sein. Wir kamen allerdings nicht allzu weit. Nach ein paar hundert Metern kreuzte schon der Nächste auf, um mich mit unsinnigen Fragen in derselben Richtung zu nerven und danach noch einer und noch einer und so weiter und so weiter. Schrott! Ich hab echt keinen Bock mich mit jedem von diesen Vollidioten anzulegen! Haben die denn keine andere Beschäftigung? Warum ist hier eigentlich jeder der Meinung ich würde mit Rociel schlafen? Um sie alle samt los zu werden deutete ich kurz hinter mich und erklärte in ziemlich knappen Worten, daß sie Dobiel besser mal zu einem Arzt bringen sollten. Es schien sich sehr schnell rumzusprechen, das mit mir heute nicht gut Kirschen essen ist, denn danach belästigte uns fast niemand mehr.

"Shao-san war das vorhin dein Ernst?" Verwundert sah ich Raziel an. Er hatte schon ziemlich lange keinen Ton mehr von sich gegeben und ich habe mich schon gefragt, ob ich ihm Angst eingejagt habe.

"Na, das du mit deinen Gegnern kurzen Prozeß machst." Ich nickte kurz. So habe ich es zwar nicht ausgedrückt, aber es trifft den Kern der Sache.

"Wenn du die Wahl hast getötet zu werden oder dich dagegen zu wehren, in dem du selbst tötest, was würdest du tun?" Er gab keine Antwort, sondern versank tief in seinen Gedanken. Ich gab dem Thema auch keinen neuen Nährboden, sondern konzentrierte mich auf den Weg. Endlich waren wir in der Halle angekommen, die an die Eden Bibliothek angrenzte. Meine Güte hat sich das hier verändert! Früher herrschte hier das Licht und jetzt gibt es nur noch ein bedrückendes Halbdunkel. Wo ist bloß das Tor abgeblieben? Es ist doch normalerweise gar nicht zu übersehen.

"Shao-san, was suchst du eigentlich?" Lächelnd sah ich ihn an. Hat er wirklich keine Ahnung, was sich an diesem Ort befindet?

"Die Eden Bibliothek." Sein Gesichtsausdruck ist zum Schießen. Es sieht so aus, als würde er gerade zum ersten Mal davon hören.

"Die was?! Aber so etwas gibt es hier nicht. Jeder Engel besitzt seine eigene Bibliothek." Amüsiert schüttelte ich den Kopf. Er spricht mit einer solchen Inbrunst von Überzeugung, das ich ihm glaube. Es gibt also tatsächlich Engel, die nichts von ihr wissen... interessant.

"Du wirst dich wundern. Es gibt sie und in ihr liegt das Wissen unzähliger Engel." Suchend tastete ich die Wand ab. Hier muß doch irgend wo das Tor sein. Verdammt, es muß einfach noch da sein!

"Was macht dich so sicher? Ich habe noch nie von einem solchen Ort gehört. Das Wissen unzähliger Engel? Wo doch jeder sein Wissen für sich behält?" Ausrede! Ich brauche jetzt ganz schnell eine plausible Erklärung!

"Ganz einfach, ich habe davon gelesen. Es gibt in Assia eine Menge Bücher darüber." Die Antwort scheint ihm zu genügen, auch wenn sie nicht gerade einfallsreich ist. Puh, noch mal Glück gehabt! Endlich gab ein Stein unter meiner Hand nach und öffnete eine Geheimtür. Ich winkte Raziel mir zu folgen und trat ins Dunkel. Es ist stockfinster, man kann fast nichts mehr erkennen und die Tür beginnt sich langsam hinter uns zu schließen. Mit dem Dolch schrabbte ich leicht über die Wand und die Funken entzündeten eine Ölwanne, die zu beiden Seiten verlief und jetzt den gesamten Gang erhellte. Na bitte, das ist doch was.

"Meinst du wir kommen hier wieder raus?" Er drückte sich näher an mich. Ich konnte sein Zittern spüren. Ich griff nach seiner Hand, die nach meinem Arm getastet hatte und drückte sie leicht.

"Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd. Wir kommen auf demselben Weg raus, wie wir reingekommen sind, aber jetzt will ich wissen, ob es stimmt, was in den Büchern steht." Ich zog ihn mit bis zum Ende des Ganges, wo sich ein beeindruckendes Tor erhob, das mit einem riesigen Relief versehen war, das ein Motiv aus dem Garten Eden darstellte. In Mitten der üppigen Pflanzen konnte man vereinzelt die Gestalten der verschiedensten Engel erkennen. Jeder von ihnen ging einer anderen Beschäftigung nach und es herrschte eine Harmonie in diesem Bild, die jedem, der es betrachtete stumme Ehrfurcht einflößte. Ungläubig betrachtete Raziel es, bevor wir versuchten das Tor gemeinsam zu öffnen, aber es bewegte sich keinen Zentimeter. Frustriert ließen wir es bleiben. Aber es muß einen Weg geben dieses Tor zu öffnen! Es ist immer offen gewesen! Wie bekommt man es nur auf?

"Hey Shao-san. was ist das?" Er deutete auf eine Inschrift links neben dem Tor. Fast hätte ich gelacht. Natürlich, der Schlüssel! Er ist immer noch an derselben Stelle! Darauf hätte ich auch selber kommen können. Ich habe einfach nicht mehr daran gedacht, daß es ihn gibt. Eigentlich ist er so gut wie nie benutzt worden. Zufrieden ließ ich meine Finger über die einzelnen Buchstaben gleiten.

"Wissen ist der Schlüssel zur Erkenntnis..." Ja, das ist es! Das alte Rätsel. Sie haben den Text also nicht geändert. Obwohl der Schwierigkeitsgrad nicht gerade sonderlich hoch ist, aber der Zugang soll ja schließlich für alle möglich sein. Selbst für die geistig Unterbemittelten.

"Du kannst das lesen?" Verblüfft sah er mich an. Sag mir jetzt bitte nicht, das du wirklich keinen blassen Dunst hast, von dem was hier steht.

"Ja. Du etwa nicht?" Er nickte. Das darf doch nicht wahr sein! Was bringen die den jungen Engeln heute eigentlich noch bei? Hätte ich das gewußt, dann hätte ich ihn garantiert nicht mitgenommen. Tja, zu spät er hat mitbekommen, das du es lesen kannst und das wirst du auch nicht mehr ändern können. Find dich damit ab, das du senil wirst. Wieso bin ich überhaupt auf den Gedanken gekommen, das sich in all den Jahren so gut wie nichts verändert hat? Eine brauchbare Idee, wie ich ihm die Sache erklären soll habe ich allerdings auch noch nicht, also elegant vom Thema ablenken.

"Paß auf! Wetten, daß ich das Tor jetzt aufkriege?" Er scheint mir nicht zu glauben und so erklärte ich es ihm. Wenigstens komme ich so um eventuelle Fragen rum.

"Sieh dir das Relief genau an. Erkennst du das Buch in den Händen dieses Engels, das bedeutet Wissen." Sein Blick folgte meinen Bewegungen und ich drückte kurz gegen das Symbol. Das Buch gab nach und man hörte ein leises Klicken.

"Einen Schlüssel scheint es nicht zu geben, aber dort unter dem Baum wachsen Schlüsselblumen." Wieder drückte ich das Symbol nach innen.

"Zuletzt die Erkenntnis, damit kann auch Erleuchtung gemeint sein und in den meisten Fällen ist es ein Symbol, das der Sonne ähnelt oder eine weit geöffnete Tür." Ich drückte auf das entsprechende Zeichen, das ebenfalls versank. Jetzt bildete sich zwischen den Symbolen ein Dreieck, das etwas zurück sank und mit einem lautem Knarren öffnete sich das Tor. Ungläubig starrte Raziel abwechselnd auf das weit geöffnete Tor und mich. Hey, es hat geklappt!

"Shao-san, wo hast du das gelernt?" Ich lachte kurz. Mir ist gerade eine Erklärung eingefallen.

"Ich mag Indiana Jones, da ist einiges hängen geblieben." Okay, beschränkt, aber dennoch glaubwürdig. Lachend schüttelte er den Kopf und folgte mir ins Innere der Bibliothek. Dort herrschte ein Halbdunkel, das nur durch vereinzelte Lichtstrahlen, die aus den teilweise zerfallenden Fensterläden fielen unterbrochen wurde. Vorsichtig tastete ich mich zum Ersten vor und öffnete ihn. Sofort wirbelte eine Staubwolke auf und ich beeilte mich das gesamte Fenster zu öffnen. Bei dem Dunst kann man ja kaum noch atmen! Raziel folgte meinem Beispiel und so waren nach noch nicht mal zehn Minuten alle Fenster weit geöffnet und ein angenehm lauer Wind wehte ins Innere. Der Anblick, der sich uns bot ließ mein Blut gefrieren. Der Großteil der alten Bücher lag verstreut auf dem Boden, die Regale lagen ebenfalls auf dem Boden oder waren halb zerfallen und selbst von den ansonsten so üppigen Pflanzen fehlte jede Spur. Es war ein absolutes Chaos. Nichts ist mehr von der einzigartigen Atmosphäre dieses Ortes geblieben. Die Wandmalereien sind kaum noch zu erkennen und weit und breit hört man kein Wasserplätschern. Dir Brunnen mußen ebenfalls zerstört sein. Dieser Ort ist einst so schön gewesen...

Was war hier passiert?
 

00-09-11

Next: Part 06 - Awakening
 

He, he und schon wieder ein Cliffhänger. Na hoffentlich nimmt das jetzt nicht überhand. Aber wenigstens sidn die nächsten Kapitel schon fertig ^-^



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