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Love of an angel

(an Angel Sanctuary Fanfiction)
von

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Part 39 - Desert Soul

06-04-23

Love of an angel

Part 39
 

Desert Soul
 

Nur äußerst langsam kehrte mein Bewußtsein zurück. Beinahe, als versuchte es sich selbst vor dem Unvermeidlichen zu schützen. Kühler Wind zerrte an meiner Kleidung und Sonnenstrahlen stachen in meine geschlossenen Augen. Hier und da bewegte sich ein Schatten über mir, doch ich nahm es kaum wahr. Ebenso wenig, wie die sanften Gesänge der Wolkenwale. Auch wußte ich weder wo ich mich befand noch, wie ich dorthin gekommen war. Es war ohnehin egal. Mein Körper gehorchte mir nicht. Die Endgültigkeit unserer Trennung lähmte mich. Es ist vorbei… es ist alles vorbei…

Beide, mein Vater und Rosiel (wenn ich ehrlich war hauptsächlich Rosiel) hatten es sich verdammt einfach gemacht. Sie haben über mein Leben entschieden ohne, das sie nur ein einziges Mal gefragt hätten, was das für mich bedeutete. Meine Hände bewegten sich ein klein wenig und so schaffte ich es sie zu Fäusten zu ballen. Stiller Zorn und tiefer Trauer überrollten mich.

Glauben sie wirklich es wäre leicht gewesen darum zu bitten? Hätte es einen anderen Weg gegeben, dann hätte ich nicht gezögert. Aber dieser Schmerz ist beinahe unerträglich. Wie soll ich jemals wieder dieselbe sein? Wie können sie erwarten, daß ich mein Leben weiterlebe? Als wäre rein gar nichts geschehen… als würde ihre Entscheidung mich nicht zwingen mein Herz zu verraten…

Sicher, ich habe es von Anfang an gewußt. Ebenso wie Rosiel. Wir beide wußten, daß unsere Beziehung nur scheitern konnte und dennoch hatten sich unsere Herzen nacheinander gesehnt. Viel zu schnell hat sich dieser verrückte Engel in mein Innerstes geschlichen und die Gefühle, die ich tief in meinem Herzen verschlossen glaubte zu neuem Leben erweckt.

Es ist ein unverzeihlicher Fehler gewesen ihnen nachzugeben, aber wir hatten rein gar nichts dagegen tun können. Viel zu lange sind wir beide einsam gewesen… doch meine Vergangenheit und mein Leben in Assia standen im krassen Gegensatz zu seinen Zielen. Es konnte nur Schmerz verursachen sich aufeinander einzulassen… wir taten es trotzdem… aber zu welchem Preis?

Ich bin so dumm gewesen… so unendlich dumm… mich erneut in einen Engel zu verlieben… als wenn die Vergangenheit nicht deutlich genug gezeigt hätte welches Leid eine solche Beziehung verursacht… wie konnte ich nur so verdammt dumm sein?

Ich legte einen Arm über die Augen und versuchte die Tränen zu stoppen, die unaufhörlich über mein Gesicht rannen. Es ist nicht mehr zu ändern. Find dich endlich damit ab. Du kannst nicht zu ihm zurück! Du kannst nicht bei ihm bleiben und du wirst es sein, die ihn tötet!

Ein dunkler Schatten vertrieb die Sonne aus meinem Gesicht. Sie hatten mich gefunden. Meine Freunde, die nach wie vor nicht die leiseste Ahnung hatten wie es in meinem Innern wirklich aussah. Ein Teil von ihnen wußte um meine Gefühle für Rosiel… trotzdem hielten sie zu mir. Sie wußten, daß ich die Welt der Menschen, Assia niemals für einen Engel gefährden würde.

Ich konnte ihre besorgten Stimmen hören, doch ich sagte nichts, als man mir aufhalf und sie mich an einen anderen, sicheren Ort brachten. Dabei boten der Rücken eines Wolkenwals und der dunkle Mantels meines Vaters mir weitaus mehr Schutz als es jemals eine Mauer oder etwas anders vermocht hätten. Aber all das würde niemals ausreichen, um die Scherben zu bedecken, die einst mein Herz gewesen waren. Alles lag in Trümmern… ein Haufen funkelnder Kristalle die jeden weiteren Schritt zur Qual machten.

Man führte mich in einen abgelegenen Raum damit ich mich ausruhen und erholen konnte. Doch es blieb weder die Zeit noch glaubte ich daran, das der Riß in meinem Herzen jemals wieder heilen würde. Mit dem sichern Wissen die Person töten zu müssen die meinem Herzen am Nächsten stand wehrte sich alles in mir auch nur einen einzigen weiteren Schritt zu tun. Am Liebsten wäre ich zu Stein geworden. Eine unbewegliche Statue, die sich nicht mehr von der Stelle rühren konnte und damit auch keine Entscheidungen mehr treffen mußte, die drohten sie in Stücke zu reißen. Auch, wenn ich genau wußte, das ich mich nicht auf Dauer gegen das Unvermeidliche wehren konnte. Unsere Entscheidungen waren gefallen und sie zerstörten unser beider Leben.

Noch ehe sich die Türen ganz öffneten wußte ich es. Niemand außer ihm hätte das bewerkstelligen können. Keiner kannte mein Bewußtsein so gut wie er. Fragend sahen mich die Augen der am Boden sitzenden Gestalt an. Er hatte seinen Kopf leicht zur Seite geneigt und das Rubinrot seiner Augen drang tief in meinen Geist. Ich taumelte langsam vorwärts. Meine Beine kämpften immer noch darum das Gewicht, das auf meinen Schultern lastete zu tragen.

„Wieso?“ Schluchzend fiel ich ihm um den Hals als meine Beine unter ihrer Last zusammenbrachen. Meine Stimme klang hohl und leer. Eine Spiegelung meines Geistes.

„Wieso hast du mich zurückgeholt?“ Stille Tränen, von denen ich dachte sie nie wieder zu vergießen rannen über meine Wangen. Der Schmerz drohte mich zu übermannen.

„Warum konntest du mich nicht dort lassen? Ich war so glücklich…“ Meine Tränen hinterließen funkelnde Spuren in seinem dunklen Fell. Er legte seine Schnauze in meinen Nacken und fiepte leise. Ein Zeichen tiefer Zuneigung und Verständnisses.

„Du wolltest mich nicht verlieren…“ Mein Körper zitterte immer mehr unter den nicht länger aufzuhaltenden Schluchzern. Nur allmählich konnte ich mich von ihm lösen. Mein Gesicht war tränennaß. Er war der Einzige, der wissen konnte, wie es in meinem Innern wirklich aussah. All die Jahrhunderte ist er treu an meiner Seite geblieben. Was immer auch geschehen war… er hat mich nie allein gelassen.

„…du wolltest nicht allein zurückbleiben…“ Meine Stimme versagte. Er hatte es getan, weil er glaubte ich sei in Gefahr. Es gibt keinen Grund ihm Vorwürfe zu machen… und dennoch… dennoch…

Eine warme Hand legte sich sacht auf meine Schulter. Ich schaffte es nicht die Tränen aus meinen Augen zu vertreiben. Wie konnten sie mir das antun? Warum mußten sie diesen Traum zerstören? Ich war so glücklich dort… Warum konnten sie mir diesen Schmerz nicht ersparen?

„Komm, du brauchst Ruhe.“ Verstört sah ich in das dunkle Gesicht über mir. Ruhe? Ruhe und Frieden werde ich niemals mehr finden… nicht, bevor ich nicht getan habe, was getan werden muß… Müde schüttelte ich den Kopf, aber ließ mich dennoch von seiner sanften Hand führen.

Meine Beine waren nach wie vor viel zu unsicher und so wurde ich sanft auf ein Sofa gedrückt. Immer und immer wieder murmelte man beruhigende Worte in meine Ohren doch ich hörte kaum hin. Der Schmerz in meinem Inneren betäubte mich fast vollkommen.

Ihre Gesichter waren von Sorge gezeichnet, doch ich hatte mich in mich selbst wie in ein Schneckenhaus zurückgezogen. Die Tür fest verschlossen kauerte ich in der äußersten Ecke des Sofas und sperrte alles und jeden aus meinem Leben aus. Ich war nicht bereit diesen Schmerz mit irgend jemandem zu teilen. Sie konnten mir ohnehin nicht helfen. Den Weg, der nun vor mir lag konnte ich nur allein beschreiten. Ich wünschte nur er wäre nicht über und über mit spitzem Kristall übersäht, die sich mit jedem Schritt tiefer in mein Herz schnitt.

Weder sprach ich noch gab ich eine andere Reaktion von mir. Man hatte meine letzte Hoffnung zerstört und alles um mich herum war trostlos und grau. Mein Körper fühlte sich seltsam hohl an und wenn ich gekonnt hätte, dann hätte ich meine Seele längst von ihm gelöst. Doch genau darin lag das Problem. Ich konnte nicht sterben. Egal, wie sehr ich es mir auch wünsche oder herbeisehne, der Tod wird mich nie ereilen. Jetzt nicht mehr…

„Hier trink das, danach geht es dir besser.“ Beinahe hätte ich laut gelacht. Besser gehen? Mir? Wie kann es mir jemals wieder besser gehen? Mein gesamtes Leben liegt in Trümmern!

Ruhig aber bestimmt drückte mir jemand einen Becher gefüllt mit dunklem Kaffee in die Hand. Ein köstliches Aroma drang in meine Nase doch ich konnte mich nicht überwinden auch nur einen einzigen Schluck zu trinken. Mit welchem Recht tun sie mir das an? Wer hat ihnen erlaubt meine Entscheidungen zu fällen? Warum wollen sie mich unbedingt beschützen? Eine Träne fiel in die dunkle Flüssigkeit. In den kleinen Wellen spiegelten sich Gesichter, die schon zu lange in meinem Bewußtsein begraben worden waren…

…eine Amazone, die mich ohne Fragen zu stellen in ihren Stamm aufgenommen hatte… sie brachte mir bei nach ihrer Art zu kämpfen und zu leben… Raven… ihr Stamm starb, als meine Häscher mich einholten… sie verhalf mir zur Flucht… doch der Preis war ihre Vernichtung…

Der nächste Kristalltropfen fiel in den tiefschwarzen See.

…bronzefarbene Haut bedeckt von einer kostbaren Tunika… ein Abgesandter Roms… er lehrte mich Latein und etliches anderes… Aramis… er hatte mich als Sklavin für sein Haus gekauft… nach Jahren siegte sein Mitleid und ließ mich frei… das kostete ihn seine Stellung und sein Leben… zu viele hatten ihm sein Amt geneidet… ohne meine Anwesenheit war er seinen Feinden schutzlos ausgeliefert… er hatte niemanden, der ihn schützte…

Erneute Wellen breiteten sich aus und brachten immer mehr Bilder aus meinen unzähligen Leben in Assia zum Vorschein. Viel zu lange hatte ich nicht mehr an all die Menschen gedacht, die in meinem Leben einst eine so wichtige Rolle spielten. Teils aus Angst vor der Trauer, die mich bei jedem Verlust zu übermahnen drohte und teils weil mir einfach keine Zeit geblieben war innezuhalten. Meine Verfolger sind mir immer auf den Fersen gewesen und mein einziger Gedanke war Flucht. Zeit zurückzublicken gab es nur selten.

… eine junge Frau, gerade mal siebzehn Jahre alt und ein Mann weit über dreißig… ein ungleiches Paar, aber selten habe ich jemanden getroffen, der glücklicher war… Diane und James… sie fanden mich halbverwildert im Wald und nahmen mich auf… zwei saubere Schwerthiebe ließen auch ihre Leben erlöschen…

Stets begleitet von einer weiteren Träne riß der Bilderfluß nicht mehr ab.

… der junge, englische Count mit den grünen Augen… sein eigenes Leben war von Unheil überschattet… dennoch hatte er mir ohne es selbst zu ahnen eine helfende Hand gereicht, als ich diese am Meisten brauchte… vielleicht hatte ich ihn sogar mehr ausgenutzt als alle anderen… er gab mir die Chance meine Verfolger in die Irre zu führen… Jahre später erfuhr ich, das er kurz darauf einem grausamen Attentat zum Opfer fiel… vielleicht hätte ich ihn retten können… wäre ich dort geblieben…

Niemals würden meine Tränen ausreichen um all meine Freunde erscheinen zu lassen. Sie würden einen Ozean füllen, wenn es jemals soweit kommen würde… doch die verschwommen Gesichter liefen in meinem Geist immer weiter. Sie alle hatten mir etwas bedeutet. Jeder einzelne von ihnen hat meinem Leben eine entscheidende Wendung gegeben.

Warum? Warum habt ihr versucht mich zu schützen? Ihr wußtet doch, daß man mich nicht töten kann. Keine Waffe dieser Welt kann mir etwas anhaben. Warum habt ihr euch trotzdem vor mich gestellt? Es hätte doch gereicht mich entkommen zu lassen. Ihr hättet mich nicht auch noch schützen müssen. Warum nur habt ihr euch meinen Verfolgern in den Weg gestellt?

Meine stummen Fragen blieben wie eh und je unbeantwortet. Sicher, damals… vor langer Zeit hat mir jeder einzelne von ihnen die Gründe für sein Handeln genannt, aber ich habe es bis heute nicht verstanden. Worin besteht der Sinn sich für jemanden zu opfern, der nicht sterben kann? Sie hätten den Rest ihres Lebens in Frieden verbringen können. Also… warum?

„Warum?“ Zornig warf ich die Tasse gegen die Wand. Warum nur habt ihr das getan? Klirrend zerschellte sie und hinterließ ein dunkles Muster auf dem hellen Untergrund und dem Boden. Ich zog die Beine an und verbarg meinen Kopf dahinter. Ihr hättet das nicht tun müssen. Ich hätte niemals von euch verlangt euer Leben für mich zu riskieren. Warum mußtet ihr es dennoch tun?

Ich wollte allein sein, mich einigeln und nichts und niemanden in meine Nähe lassen bis der Schmerz in meinem Herzen endlich abgeklungen war. Doch Zeit war ein kostbares Gut über das keiner von uns mehr verfügte. Alles war in Bewegung und der unaufhaltsame Strom riß jeden von uns mit sich. Egal, ob wir uns gegen ihn wehrten oder nicht. Er grub sich unerbittlich seinen Weg durch die Geschichte und keiner von uns konnte seinem Sog entkommen.

„Suru?“ Uriels warme Stimme durchdrang allmählich die Mauern, die ich um meinen Geist gezogen hatte. Doch als ich flehend in das warme Grün seiner Augen sah, damit er mich nicht zwang über das, was geschehen war zu sprechen, war es nicht länger der Engel der Erde, der mir gegenüberstand. Der Übergang war dermaßen schnell und unbemerkt vonstatten gegangen, daß es mich vollkommen überrumpelte. Ich starrte in das sanft lächelnde Gesicht als würde ich es zum ersten Mal in meinem Leben wahrnehmen und in gewisser Weise stimmte das auch. Es waren Remiriels Augen, die mich sanft ansahen. Mit einem unterdrückten Schluchzen sank ich in seine Arme und lehnte mich gegen eine Schulter, die ich solange vermißt hatte.

Seine Umarmung war warm und fest. Während meine Tränen immer weiterflossen strichen seine Hände beruhigend durch mein Haar und über meinen Rücken. Er flüsterte leicht in mein Ohr, aber ich verstand keines seiner Worte. Aber das war auch nicht notwendig. Seine Anwesenheit alleine reichte aus den Tumult in meinem Innern zu bezähmen.

Er war der Einzige neben Cee, der auch nur annährend begreifen konnte, wie es in meinem Innern aussah. Es brauchte keine großen Worte um ihm zu erklären, was vorgefallen war. Ein einziger Blick hatte ihm gereicht um alles zu verstehen. Seine Arme hielten mich fest, als wollten sie mich nie wieder loslassen und so sehr ich es mir in der Vergangenheit auch gewünscht hatte erneut an seiner Seite zu sein hatten sich meine Gefühle für ihn verändert.

Es war nicht länger alles erfüllende Liebe sondern tiefe Freundschaft, die mich mit ihm verband. Rosiels Hartnäckigkeit und die Tatsache, das Remiriel nie wieder zu mir zurückkehren konnte hatten dafür gesorgt, das mein Herz einzig und allein für diesen vollkommen wahnsinnigen Engel schlug. Und es würde mein Schwert sein, das ihm den Tod brachte. Mühsam preßte ich die Worte über meine Lippen, die gesagt werden mußten, damit ich in meinem Entschluß nicht wankte. Wenigstens ein einziges Mal muß ich sie laut aussprechen.

„Es ist aus…“ Meine Stimme versagte ihren Dienst. Eine Welle bitterer Einsamkeit und Verzweiflung drohte mich zu erfassen. Mein gesamter Körper zitterte. Ich werde Rosiel töten… mein Herz wird erneut brechen und ich werde allein zurückbleiben… Es gibt keinen anderen Weg… unsere Ziele sind zu verschieden und unsere Wege trennen sich auf ewig… zurück bleibt eine Lawine aus Geröll, die mir den Rückweg versperrt.

Ich lehnte an Uriels Brust, hob meine Hände und spreizte leicht die Finger. Immer und immer wieder sind sie in Blut getaucht worden. Diese Hände, die einst Leben retteten, Verletzungen heilten… sie sind im Laufe der Jahrhunderte zu beinahe perfekten Mordwerkzeugen geworden. Unendlich viele Kämpfe hatten sie geschmiedet und hart werden lassen. In ihnen wurde mein Schwert das tödlichste, was einem Gegner begegnete und es konnte niemals rückgängig gemacht werden…

Sanft griff er nach meinen Händen und drückte sie leicht. Mit unendlichem Bedauern in den Augen sah Remiriel mich an. Eigentlich hätte ich ihm unendlich viele Fragen stellen müssen, warum und wieso er hier war, an meiner Seite… aber ich fühlte mich nur noch ausgebrannt. Noch während er darauf wartete, daß ich weitersprach wechselte der Ausdruck seiner Augen und Uriels Bewußtsein kehrte zurück. Nur, um kurz darauf erneut Remiriel Platz zu machen.

Sowohl die Geschwindigkeit als auch die Selbstverständlichkeit mit der dies geschah machte deutlich in welch perfektem Gleichgewicht sich die Beiden befanden. Ihre gemeinsame Sorge um mich verstärkte es nur noch. Wahrscheinlich fällt es ihnen nicht einmal selbst auf. Warum mußte es so kommen? Warum konnten wir kein friedliches Leben führen? Was ist so schlimm daran?

„…er ließ mich gehen…“ Er sog scharf die Luft ein und schlang seinen Arm fester um meine Schultern. Ich spürte seinen Atem in meinem Nacken.

„Du hättest bleiben können.“ Müde schüttelte ich den Kopf. Nein, ich hätte niemals bei ihm bleiben können. Nicht bei diesem Preis.

„Und dafür meine Freunde und die Welt, die ich liebe verraten?“ Traurig sah ich ihn an. Das kann ich nicht. Das habe ich noch nie gekonnt. Seine Hand fuhr sanft meine Wange entlang. Nicht. Bitte nicht. Versuch nicht mich zu trösten. Egal, was du tust oder sagst, es wird diesen Schmerz nicht lindern.

„Jeder hätte es verstanden…“ Erneut schüttelte ich den Kopf. Selbst wenn, ich würde es niemals über mich bringen die Welt der Menschen dem Untergang zu überlassen. Zu lange ist sie mein Zufluchtsort gewesen und zu viele Leben hatte ich dort verbracht. Assia ist ein Teil von mir.

„Nein. Ich kann nicht tausende Unschuldige opfern nur, um selbst glücklich zu sein.“ Mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen stellte ich fest, das Rosiel und mein Vater derartige Skrupel anscheinend nicht kannten. Sie hatten ihre eigenen Entscheidungen gefällt und sie drehten sich nicht ein einziges Mal um, um nachzusehen wer dabei auf der Strecke geblieben war…

„Also opferst du dein Herz…“ Und dich selbst, das war es, was er nicht aussprach. Sein nachdenklicher Blick sagte mir jedoch mehr als tausend Worte. Niemand außer ihm war in der Lage mich derartig zu durchschauen. Es bereitete ihn nicht die geringste Mühe, die Zusammenhänge zu erkennen. Er drückte mich fester an sich.

„… ich wußte immer, das du die Stärkere von uns Beiden bist. Aber manchmal wünschte ich mir, daß ich dich besser hätte beschützen können. Du hast ein solches Leben nicht verdient.“ Was redet er da? Wir sind immer gleich stark gewesen. Wir haben uns ergänzt und konnten uns vollkommen aufeinander verlassen. Bis zu jenem Tag… Den Tag, den niemand von uns hatte vorhersehen können…

„Nein… wenn ich stark wäre, dann…“ Wieder verstummte ich bevor die Worte meine Lippen verlassen konnten. Wäre ich so stark, wie er und alle Anderen glaubten, dann hätte niemand sterben müssen. Dann hätte ich sie alle beschützen können…

Erneute Tränen bahnten sich ihren Weg in meine Augen. Ich bin nie stark gewesen. Egal, über welche Kräfte ich auch verfüge, es hat nie gereicht um meine Freunde vor einem schrecklichen Schicksal zu bewahren.

„Nein, ich bin nicht stark… ich kann niemanden beschützen…“

„Doch, du bist stark.“ Sein Gesicht war von Emotionen gezeichnet als Uriel die Oberhand gewann.

„Stärker als jeder Engel, der mir je begegnet ist.“ Ich schüttelte den Kopf als er meine Mutter nachträglich von seinen Worten ausnahm.

„Du hast niemals aufgegeben und dein Leben immer wieder von vorn begonnen. Wenn du nicht stark bist, wer dann?“ Ich stieß ein heiseres, freudloses Lachen aus.

„Was blieb mir denn schon anderes übrig? Keine Waffe dieser Welt kann mich töten. Was konnte ich schon tun, außer weiterzuleben?“ Der Schmerz in meiner Stimme erschütterte ihn zutiefst und nicht nur ihn. Im hinteren Winkel seiner Augen sah ich Remiriels Bewußtsein aufflattern. Er ordnete sich jedoch Uriel unter und hielt sich zurück. Behutsam fing Uriel eine meiner Tränen auf und betrachtete sie gedankenverloren.

„Weiterzuleben… weißt du eigentlich wieviel Kraft das erfordert?“ Achtlos ließ er die Träne zu Boden fallen und nahm meinen Kopf in seine Hände. Seine Stimme war von Emotionen gezeichnet. Auch in seiner Vergangenheit hatte es einen Moment gegeben in dem er alles hinter sich lassen wollte. Die häßliche Narbe an seinem Hals und seine fehlenden Stimmbänder zeugten noch heute davon.

„Die Ewigkeit kann die grausamste Folter sein, wenn der Geist nicht stark genug ist immer und immer wieder von vorn zu beginnen.“ Ich wußte nicht, ob er mit mir sprach oder sich selbst meinte. Aber seine Worte bewegten mich tief und statt einer Antwort sank ich schluchzend gegen seine Schulter.

„Ich schaffe es vielleicht nur noch dieses eine Mal.“ Meine Stimme war kaum hörbar. Seine Arme schlossen sich um meinen Rücken und er preßte mich gegen seine Brust. Durch den schweren Stoff seiner Kleidung konnte ich deutlich seinen Herzschlag hören.

„Du mußt es nicht tun. Du könntest hierbleiben.“ Er schluckte und versuchte den Kampf, der in seinem Innern tobte vor mir zu verbergen. Ich hob leicht den Blick und sah, das es nun wieder Remiriel war mit dem ich sprach.

„Und euch alleine kämpfen lassen?“ Meine Stimme klang spöttisch.

„Ihr werdet niemals gegen ihn bestehen.“ Ein Hauch von Bitterkeit machte sich in meinen Worten breit. Nicht einmal ich selbst wußte wen ich mit diesen Worten meinte. Rosiel oder meinen Vater.

„Wir könnten es versuchen.“ Es war ein kläglicher Versuch mich von dem Unvermeidbaren abhalten zu wollen. Das wußten wir beide. Mühsam sammelte ich den letzten Rest Entschlossenheit, den ich noch aufbringen konnte.

„Nein.“ Ich befreite mich aus seiner Umarmung und stand langsam auf. Das hier ist meine Aufgabe. Niemand außer mir wird sich ihm weit genug nähern können. Es gibt keinen anderen Weg. Egal, wie schwer es mir auch fällt ich werde Rosiel töten müssen.

„Suru warte!“ Er hielt mich am Arm zurück und sah mich flehend an. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie er sich ebenfalls erhoben hatte.

„Tu es nicht… bitte.“ Traurig sah ich ihn an.

„Bitte tu dir das nicht an.“

„Es ist zu spät…“ Meine Beine gaben unter mir nach und er fing mich auf.

„…viel zu spät…“ Behutsam befreite ich mich aus seinen Armen und wischte die verbliebenen Tränen aus meinen Augen. Es gibt kein Zurück.

„Bring mich zu Sara-chan.“ Für eine Sekunde war er vollkommen fassungslos und ich glaubte schon beinahe er würde sich weigern und mich in diesem Raum einsperren, aber dann stieß er einen tiefen Seufzer aus. Er wußte es ebenfalls. Es ist an der Zeit den nächsten Schritt zu tun. Egal, wie sehr dieser auch schmerzt.

„Also gut…“ Ich hielt seinem Blick stand obwohl es mir in der Seele wehtat die Verzweiflung darin zu sehen. Remiriel verfluchte seinen eigene Hilflosigkeit während Uriel allmählich die Kontrolle über seinen Körper widererlangte.

„…komm.“ Er öffnete die Tür und trat hinaus in den Gang. Ich strafte meine Schulter und folgte ihm. Erst als ich bereits neben ihm stand merkte ich, daß etwas fehlte. Kurzentschlossen wandte ich mich um.

„Willst du dich ewig vor mir verstecken?“ Mit einem unwilligen Knurren kam Cees Schnauze hinter einer Sofalehne zum Vorschein. Seine roten Augen sahen mich zweifelnd an.

„Soll ich dich hier lassen?“ Aufgebracht bellte er mich an bewegte sich aber nicht weiter.

„Na, wenn das so ist.“ Grinsend drehte ich mich um und folgte Uriel durch ein Gewirr von unzähligen Gängen. Dicht hinter uns war das Tapsen von schweren Wolfspfoten zu hören. Er hielt Abstand zu mir, aber ich wußte, daß er mich nicht mehr aus den Augen lassen würde. Ein Gefühl der Erleichterung durchströmte mich. Wenigstens werde ich auf diesem Weg nicht völlig allein sein. Cee wird nicht von meiner Seite weichen.

„Hier ist es.“ Uriel hatte mich in einen Raum geführt, der aussah wie ein Kirchenschiff mit riesigem Panorama Fenster. Nur zögernd trat ich ein. Ich spürte wie die fragenden Blicke von Michael und Raphael auf mir ruhten, als wir den Raum betraten. So gut es ging ignorierte ich sie und trat an das riesige Fenster.

Der Raum, der sich dahinter verbarg war gigantisch und Sara-chan saß einsam auf einem Stuhl. Ihre Gestalt wirkte beinahe unwirklich zwischen den hohen Wänden und Säulen. Ihre Hände lagen schützend über ihren Bauch und vor ihr kniete gefangen in einer Welle von Verzweiflung und Zorn Setsuna. Es war nicht zu hören, was er ihr sagte, aber das war auch nicht nötig. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, was in ihm vorging.

„Sie zeigt dieselben Symptome wie Sevothtarte… nur, daß sie nicht wirklich schwanger ist.“ Beinahe unbemerkt war Raphael neben mich getreten.

„Obwohl Sandalphon tot ist, frißt sein Alptraum immer noch an ihrem Geist?!“ Uriel klang ungläubig.

„Sandalphon ist tot?“ Es gelang mir nicht meine Überraschung zu verbergen. Soll das heißen mein Traum hätte niemals lange genug bestehen können um mich tatsächlich vor all dem zu schützen? Ich wäre auf jeden Fall aufgewacht?

„Setsuna hat ihn getötet kurz nachdem Luzifer dich angriff.“ Ich preßte eine Hand gegen das kühle Glas. Meine Brust schmerzte bei dem Gedanken an den Dämon, der mein Herz gefressen hatte.

„Sie ist nicht schwanger?“ Raphael nickte. Eine Welle der Erleichterung durchfuhr mich. Sandalphon hat sein Ziel also nicht erreicht. Sie ist in Sicherheit.

„Allerdings glaubt sie das. Sie bricht jedes Mal in Panik aus, wenn einer von uns ihr zu nahe kommt.“ Michaels Stimme war voller Verachtung. Er konnte und wollte nicht verstehen was in Sara vorging. Wie sollte ein Engel noch dazu jemand wie der Engel des Feuers, auch verstehen, was es für einen Mutter bedeutet das ungeborene Leben in ihrem Körper zu verlieren? Was es bedeutet den Geliebten und dessen Kind zur selben Zeit zu verlieren…

Wortlos verließ ich den Raum und fand den Weg hinunter beinahe von allein. Noch ehe die letzte Treppe hinter mir gelassen hatte befanden sich sowohl ein Brotkorb als auch etliche Früchte in meinen Händen. Einige der Apfel und stopfte ich in die verborgenen Taschen meiner Kleidung. An der Tür zu Saras Gefängnis prallte ich beinahe mit Setsuna zusammen.

„Shao-san?“ Sein Blick flackerte leicht als er über mein mitgenommenes Äußeres steifte. Ich lächelte ihm aufmunternd zu und klopfte leicht auf seine Schulter während ich Sara ein warmes Lächeln schenkte. Es kostet mich ungemein viel Kraft mir meine wahren Gedanken nicht anmerken zu lassen.

Man kann es drehen und wenden wie man will. Aber dieser Raum ist und bleibt ein Gefängnis. Egal wie behaglich sie ihn auch einrichten. Die Bannkreise die ihn umgeben stempeln Sara als derart gefährlich ab, daß es nur den Elementen und wenigen Auserwählten erlaubt war ihn überhaupt zu betreten. Beinahe so als würde alle hier Anwesenden töten, wenn man sie nicht im Zaum hielt.

„Schon gut, ich kümmere mich um sie.“ Auch, wenn ich nicht die geringste Ahnung habe, wie ich das anstellen soll. Ungläubig sah er mich an, aber er hinderte mich nicht daran weiterzugehen.

„Hey Sara-chan.“ Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen kniete ich mich vor sie.

„Wie geht es dir?“ Über ihr Gesicht legte sich ein solch glücklicher Ausdruck, daß es mir beinahe körperliche Schmerzen bereitete.

„Er ist zu mir zurückgekommen Shao-san. Genau, wie du gesagt hast. Aber sie lassen mich nicht zu ihm.“ Ich schluckte kurz und stellte den Korb vorsichtig neben mich. Meine Hände zitterten leicht.

„Ißt du deshalb nichts?“ Es war mir direkt aufgefallen, das sie war merkwürdig blaß aussah. Und jetzt, wo ich vor ihr stand sah ich deutlich, das sie Gewicht verloren hatte. Beinahe schon mehr als für sie gut war.

„Sie wollen mir und meinem Baby schaden.“ Sie beugte sich leicht vor und flüsterte leise in mein Ohr.

„Das Essen hier ist vergiftet.“ Es erschütterte mich zutiefst wie sehr ihr Geist nach wie vor in diesem Traum gefangen war. Aber ich durfte mir in ihrer Gegenwart nicht das Geringste anmerken lassen. Sandalphon hatte bestimmt Vorsichtsmaßen ergriffen was seinen Einfluß auf seine >Mutter< anging.

„Weißt du was?“ Verschwörerisch grinste ich sie an.

„Das hab ich mir fast gedacht. Deshalb…“ Triumphierend zog ich einen der Äpfel aus meinen Taschen und hielt ihr ihn entgegen.

„... hab ich die hier mitgebracht.“

„Shao-san, du bist die Größte!“ Jubelnd nahm sie ihn entgegen und verspeiste ihn als wäre sie bereits halb verhungert. Zum Glück hatte ich mehr als einen mitgenommen. Während ich selbst noch auf einem Apfel herumkaute hatte sie bereits sämtliche anderen und das gesamte Brot verspeist. Erleichtert stellte ich fest, daß sich ihre Gesichtsfarbe bereits deutlich besserte. Sie war längst nicht mehr so blaß wie anfangs.

„Mein kleines Baby…“ Sanft strich sie über ihren Bauch. Schmerzhaft wurde mir der alten Narben auf meinem Körper bewußt. Äußerlich war davon nicht das Geringste zu sehen, doch der damalige Schnitt hatte meinen Körper für immer gezeichnet. Ich würde nie wieder ein Kind unter meinem Herzen tragen…

„…mein Baby…“ Es würde unmöglich sein sie mit Gewalt aus diesem Zustand zu befreien. Ihr Geist würde dem nicht standhalten. Sie glaubt zu fest daran. Ihr jetzt die Wahrheit zu enthüllen wird sie für immer zerstören…

„Shao-san, ich bin dir so dankbar.“ Bei ihren Worten drehte sich mir der Magen um. Es gibt nicht den geringsten Grund mir dankbar zu sein. Als es darauf ankam hatte ich versagt. Von Anfang an hätte ich alles tun müssen um sie zu befreien und zu Setsuna zurück zubringen… ich hätte niemals solange warten dürfen…

„Bitte hör mir jetzt gut zu Sara-chan.“ Einer Eingebung folgend setzte ich alles auf eine Karte und hoffte inständig, es würde funktionieren.

„Im Moment kann ich dir nicht zur Flucht helfen, aber ich verspreche dir alles in meiner Macht stehende zu tun, um dich und dein Baby zu schützen.“ Damit spielte ich Sandalphon direkt in die Hände, aber das konnte mir egal sein. Wichtig war nur, daß sie aus dieser Sache heil herauskam. Die Engel und sämtliche ihrer Machtspielchen konnten mir dabei gestohlen bleiben.

„Und Setsuna?“ Mit Angst gefüllten Augen sah sie mich an.

„Ich bin mir sicher, daß sie ihm Schreckliches antun.“ Die Wunden, die ihre Verzweiflung in mir riß waren schlimmer als die, die normale Waffen verursacht hätten. Ich hatte zugelassen daß sie zu einem Opfer der Intrigen der Himmelsbewohner wurde. Das werde ich mir niemals verzeihen können. Es gibt nichts mit dem ich das, was ich ihr angetan habe wieder gutmachen kann.

„Schon gut, ich werde ihn finden. Ihm passiert nichts. Aber zuerst mußt du mir versprechen auf dich aufzupassen. Du mußt essen und bei Kräften bleiben.“ Es dauerte eine Weile sie von all dem zu überzeugen und beinahe jeder Satz ließ die Säure in meinem Magen steigen. Mir wurde von meinen eigenen Worten schlecht. Es ist nicht richtig sie noch weiter zu täuschen. Doch leider ist genau das notwendig. Wenn ich nicht will, daß ihr Geist endgültig dem Wahnsinn verfällt mußte ich nach Sandalphons Regeln spielen. Er hat diesen Alptraum geschaffen und es bleibt uns nichts anders übrig als ihn bis zum Ende durchzustehen.

Nach einer Weile erklärte sie sich schließlich bereit alles zu tun, um bei einer sich bietenden Fluchtmöglichkeit kräftig genug zu sein. Wie bereits in Assia vertraute sie mir auch dieses Mal vollkommen. Ihr würde niemals der Gedanke kommen, daß ich sie verraten könnte. Sie hat ja nicht die geringste Ahnung…

„Paß gut auf dich auf Sara-chan.“ Ich drückte sie kurz an mich und floh aus dem Raum. Hinter einer großen Säule suchte ich Deckung und kämpfte gegen den Wunsch an laut zu schreien. Es ist ungerecht. So ungerecht! Warum sie? Warum ausgerechnet sie?! Schwungvoll stieß ich eine Faust gegen sie Säule. Der Schmerz vertrieb die Dunkelheit, die meinen Geist zu umfangen versuchte. Cee drückte sich gegen meine Beine und winselte leicht. Abwesend strich ich mit einer Hand über seinen Kopf.

„Du solltest dich ausruhen.“ Beinahe lautlos löste er sich aus dem Schatten und legte eine Hand fest auf meine Schulter. Energisch schüttelte ich den Kopf wobei ich es vermied direkt in seine Augen zu sehen. Im Moment waren mir sowohl sein Blick als auch der von Remiriel unerträglich. Ich fühlte mich wie in die Ecke gedrängtes Tier, das verzweifelt nach einem Fluchtweg suchte. Aber es gab keinen mehr. Wenn ich frei sein wollte konnte ich nur noch vorwärts stürmen und dabei jeden verletzten oder töten, der sich mir in den Weg stellt.

„Ich kann nicht.“ Ruppig zwang er mich in seine Augen zu sehen.

„Du brauchst Schlaf. Du siehst bereits aus wie dein eigener Geist.“ Leiser Zorn brannte in seinem Blick.

„Du mußt dich endlich ausruhen.“

„Ich kann nicht…“ Meine Beine begannen zu zittern und sein Gesicht verschwamm immer mehr vor meinen Augen.

„Uriel… ich kann es nicht…“ Seine Arme fingen mich auf, als mein Körper in sich zusammensackte.

„… ich kann nicht noch einmal so stark sein…“ Alle Kraft wich aus mir als mich eine bleierne Müdigkeit überfiel. Es hatte lange gedauert, aber nun begriff sowohl mein Geist als auch Körper vollkommen vor welche Wahl mich Rosiel gestellt hatte. Mein Geist mochte es bereits akzeptiert haben, aber mein Herz begriff es erst in diesem Moment. Es war zu spät… zu spät um sich noch einmal umzudrehen… zu spät es zu bereuen… es ungeschehen zu machen…

„Komm… du solltest wirklich etwas schlafen.“ Ich merkte kaum, wie er mich hochhob und in sein Quartier trug. Der Schock saß zu tief. Kaum spürte ich die weiche Matratze unter mir krümmte ich mich zusammen. Warum? Warum können wir nicht glücklich sein?

„Ruh dich aus.“ Seine Hand striff sanft über meine Stirn bevor er sich leise erhob und den Raum verließ. Für einen Sekunde verlangte alles in mir ihn festzuhalten, doch noch ehe meinen Lippen die Worte formen konnten, die ihn zum Bleiben bewegt hätten, war er vorüber. Sein mir zugekehrter Rücken war das Letzte, was ich wahrnahm bevor mich die Erschöpfung übermannte.

Gefangen zwischen sanften Erinnerungen und Alpträumen wälzte ich mich unruhig hin und her bis sich eine vertraute Gestalt an meine Seite schmiegte. Das Bett knarrte bedrohlich unter seinem Gewicht. Zitternd griff ich in sein langes Fell und drückte meinen Körper enger an seinen. Eine große, rauhe Zunge fuhr durch mein Haar. Augenblicklich wurde ich ruhiger. Sein Herzschlag begleitete mich lange bis ich tief genug schlief um selbst ihn nicht mehr zu hören. Dafür spürte mein Körper instinktiv, wie sich sein Brustkorb unter jedem Atemzug hob und senkte.

In all den Jahren ist er stets an meiner Seite gewesen. Egal, wie schlimm es auch um mich stand. Er ist immer dagewesen und hat mich beschützt. Er hat mich nie allein gelassen. Selbst als ich mich nicht mehr an ihn erinnern konnte war er stets für mich da…

„…Cee…“ Eine Träne rollte über meine Wange und wurde von seiner Zunge fortgewischt. Eine dunkle Pranke legte sich über meinen Körper und hüllte ihn schützend ein. Sein warmes Fell kitzelte in meinem Gesicht, aber ich wachte nicht auf. Er verbarg meinen Körper vor den Augen der Welt und für einen winzigen Moment atmete ich erleichtert auf. Seine Nähe gab mir die Kraft, die ich brauchte um weitermachen zu können. Ich wußte egal, was von nun an auch geschehen mochte… er würde immer für mich da sein… mich suchen… finden… bis er sich sicher sein konnte, das mir niemand mehr weh tun würde…

„…Danke...“ Im Halbschlaf kuschelte ich mich noch enger an ihn.

„…für alles…“ Seine kalte Schnauze stupste leicht gegen meine Stirn und ich fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf aus dem mich erst das beständige Pulsieren meines Blutes weckte. Wild rauschte es in meinen Ohren und ich öffnete widerwillig die Augen. Irgend etwas verdammt Mächtiges hatte sich unserem Versteck genähert und bei dieser Reaktion konnte es sich nur einen Erzdämon handeln. Mit einem leisen Fluch auf den Lippen erhob ich mich.

Es ist also soweit… ich hätte mir ein klein wenig mehr Zeit gewünscht, aber wie es scheint ist es unmöglich noch länger zu warten. Immer näher rücken die Kämpfe, die sich nicht länger vermeiden lassen. Wenn sich ein Erzdämon in den Himmel wagt kann es nicht mehr lange bis zu einem erneuten Krieg dauern.

Ein dunkles Knurren verlangsamte meine Schritte. Cee saß halbaufgerichtet auf dem Blick und seine rubinroten Augen funkelten haßerfüllt die Tür an. Wahrscheinlich spürte er die Anwesenheit der Dämonen noch stärker als ich.

„Es tut mir leid Cee. Aber wir haben keine andere Wahl mehr. Wir müssen gehen.“ Mit einem unwilligen Schnauben richtet er sich ganz auf und schüttelte sein tiefschwarzes Fell. Als er vom Bett sprang war er bereits wieder ein Wolf. Er rieb seinen Kopf kurz an meinen Beinen und spazierte an mir vorbei auf die Tür zu. Auffordernd sah er mich an.

„Ich danke dir.“ Ich hauchte einen Kuß auf seine kalte Nase und öffnete die Tür. In den Gängen herrschte absolutes Chaos und andauernd war von einer gigantischen Dämonenarmee die Rede. Niemand hielt uns auf, als wir uns zielstrebig auf die Quelle der dunklen Aura zu bewegten. Ich wußte selbst nicht warum, aber je näher wir ihr kamen desto sicherer war ich, das mich irgend jemand rief. Es konnte allerdings ebensogut eine Falle sein… doch was macht das jetzt noch für einen Unterschied? Was habe ich noch zu verlieren?

Als ich die äußerste der Landeplattformen erreichte wußte ich, daß wir nicht weiter suchen mußten. Sämtliche Wachposten wirkten vollkommen panisch und versuchten so schnell wie möglich ins Innere zu gelangen. Beinahe so als wäre der Leibhaftige hinter ihnen her. Der Leibhaftige… wäre er es wirklich, dann hätte ich es als erste gewußt. Nein, das hier war jemand anders.

Lächelnd sah ich mich nach Cee um. Er folgte mir wie ein dunkler Schatten. Seine Augen glühten tiefrot und er stieß ein bedrohliches Knurren aus. Was auch immer uns dort draußen erwartete, er würde an meiner Seite sein. Der Wind fuhr durch meine Haare als ich hinaustrat. Wild zerrte er an meiner Kleidung. In dem Himmel über uns schwebten zwei riesige Drachen. Einer von ihnen zinnoberrot und der andere giftgrün. Beide tief erfüllt von der Magie der Hölle. Doch sie griffen nicht an.

„Damals… als Himmel und Hölle aufeinander krachten und die Dimensionen verborgen… hat Mad Hatter uns aus dem Vakuum gerettet.“ Die helle, klare Stimme löste einen Stein tief in meinem Inneren sie lebt also noch.

„Habe ich es nicht gesagt? Wann immer ihr in Gefahr seit eile ich herbei.“ Ich erreichte meine Freunde und stellte beruhigt fest, daß keiner von ihnen verletzt war obwohl Belial direkt über ihnen schwebte. Sie knieten am Boden und Kurai befand sich unter ihnen. Es sah ganz danach aus als hätte Belial doch so etwas wie ein Herz.

„HEUCHELEI! Du hast sie nur gerettet, um sie als Geisel gegen den Messias einzusetzen.“ Mein Blick flog zum Himmel hinauf. Auf dem Rücken des grünen Drachen saß ein weiblicher Erzdämon, der Belial in Punkto Rachedurst nicht im geringsten Nachstand. Wenn ich mich nicht irrte war ihr Name Balbero.

„Welch böses Mundwerk du hast… Balbero! Vergiß nicht, daß auch ich den Namen eines Satans trage! Auch ich spiele meine Karten immer nur zu meinem Vorteil aus!“ Zufrieden lächelnd sah er auf uns hinunter. Es schien ihm nicht im Geringsten zu stören, das ihr Zorn von Minute zu Minute wuchs. Ihre Aura wurde immer gefährlicher doch noch hielt sie sich zurück. Setsuna hatte mich bemerkt und winkte mir sichtlich erleichtert.

„Selbstverständlich liegt es mir fern, euch die Prinzessin zu überlassen, ohne einen PREIS zu verlangen. Immerhin bin ich ein Dämon.“ Eiskalt ruhte sein Blick für einen kurzen Moment auf mir ehe er sich wieder Setsuna und Kurai zuwandte. Zutiefst beunruhigt machte ich mich auf das Schlimmste gefaßt. In seiner Stimme hatte eine wage Andeutung gelegen, die mir nicht im Geringsten behagte und so ganz nebenbei auch noch gefährlich klang.

„Was willst du von uns!?“ Gelassen sah Setsuna zu ihm hinauf während Uriels ruhige Hand auf meinem Arm verhinderte, daß ich mein Schwert rufen konnte.

„Die Aura des Bösen, die diesem Krater innewohnt… sie ist nur ein Bruchstück der Macht meines Gebieters. Ob absichtlich oder nicht, die Explosion hat den Schutzschild um den Himmel langsam zerbrochen… und es so unserer Armee ermöglicht, ungehindert dort einzudringen.“ Der Schirm mit dem sich Belial vor der Sonne schützte verursachte mir Unbehagen. Die weißen Federn wiesen noch einen letzten Hauch von Engelsmagie auf. Cee stand knurrend neben mir.

„Dies ist unsere große Chance. Weshalb sind wir wohl sonst hier ohne Order unseres Fürsten?“ Betroffen senkte Kurai den Kopf.

„Ich wußte, daß Kira Luzifers Seele besitzt, aber trotzdem… als ich hörte, er sei wiedergeboren, konnte ich es kaum fassen!“

„Ich kann es jetzt noch kaum glauben, Kurai… aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Als ich ihn wieder sah, stand er an Rosiels Seite…“ Setsunas Worte riefen mir die jüngste Vergangenheit nur zu deutlich ins Gedächtnis. In Sekunden hatte sich unser weiteres Schicksal entschieden. Von jenem Moment an war es uns bestimmt gegen diejenigen zu kämpfen, die wir liebten.

„…mit einer schwarzen Maske vor seinem Gesicht… und tötete kaltblütig seine Freunde.“ Belials gesamter Gesichtsausdruck verfinsterte sich.

„Diese schwarze Maske… sah sie so aus?“ Mein Atem stockte beim Anblick der schwarzen Gestalt, die er heraufbeschworen hatte. Ein Irrtum war unmöglich. Ich würde sie überall erkennen. Die Rüstung meines Vaters!

„Das ist sie!! Genau die Maske trug Kira-sempai.“

„Wie ich mir dachte…“ Mit einem verächtlichen Zischen ließ Belial die Vision erlöschen.

„Erinnerst du dich, Messias wie ich dir von einem Mann erzählte der die Seele meines Gebieters aus seinem Körper stahl? Mir scheint mein Gebieter ist mir einige Erklärungen schuldig.“ Sichtlich verärgert klappte er den weißen Schirm zusammen.

„Ich war damals nicht zugegen… so wurde mir sein Anblick nicht zuteil. Aber angenommen dieser Mann und mein Fürst sind dieselbe Person… dann wäre der Raub seiner Seele aus seinem eigenen gigantischen, fest gewachsenen Körper eine One-Man Show.“ Irgend etwas an diesen Worten rief eine verschwommene Erinnerung in mir wach. Etwas, das mein Vater mir gesagt hatte… vor langer Zeit…

„Mit anderen Worten… nichts als Effekthascherei um seinen Untertanen seine eigene Entführung vorzugaukeln. Mehr noch… der Körper, den er in der Hölle zurückließ, war nur Illusion… geschaffen durch einen mächtigen Zauber.“ Ich begann zu zittern als die Erinnerung an jenen Tag immer deutlicher wurde. Es war in der Hölle gewesen… seinem Palast… er hatte den Blick sehnsuchtsvoll in den Himmel, den er von dort aus unmöglich sehen konnte gerichtet.

>Azrael, eines Tages werden deine Mutter, du und ich ein friedliches Leben führen können. Weit weg von Himmel und Hölle, Engel und Dämonen. In einer Welt, in der es nicht wichtig ist, wer man ist oder woher man kommt.< Damals hatte ich ihm staunend zugehört.

>Und wie willst du das schaffen? Va… nein, mein Fürst.< Ein geheimnisvolles Lächeln hatte sich um seine Lippen gelegt.

>In dem ich alles und jeden täusche… Solange, bis es mir gelingt diese eine Welt zu finden oder zu schaffen. Versprich mir solange zu warten.<

„Zu welchem Zweck er vorgab seine eigene Seele entführt zu haben… und wie es dazu kam, daß sie in Nanatsusaya versiegelt wurde… DAS muß ich noch herausfinden.“ Belials scharfe Worte brachten mich aprubt zurück in die Gegenwart. Uriels Hand ruhte nach wie vor auf meinem Arm und sein Blick beschwor mich nichts Unüberlegtes zu tun. Ich nickte ihm leicht zu. Zwei Erzdämonen herauszufordern würde uns rein gar nichts bringen. Wir mußten abwarten, wenn wir vor Rosiel ans Ziel gelangen wollten.

„Laß das dumme Geschwätz, Belial! Aus welchem Grund sollte mein Gemahl uns…“ Perplex sah ich zu Balbero hinauf. Gemahl?! Meint sie das ernst?

„…und sein eigenes Reich hintergehen?!“ Ihre Stimme wurde immer schriller. Die Bedrohung durch sie war nun beinahe körperlich spürbar. Mein gesamter Körper spannte sich.

„Wieso sollte er mich betrügen?! MICH, die ihm Abbandon und seine unzähligen anderen Söhne geschenkt hat! Das ist lachhaft!“ Oh ja, das ist lachhaft. Es ist lachhaft zu glauben, daß mein Vater jemals eine andere Person als meine Mutter geliebt hat! Ich spürte wie alter Zorn in mir aufflammte. Der Wille ihr wegen dieser Worte die Kehle zu durchstoßen wurde immer mächtiger.

„Hör auf seinen Namen weiter in den Schmutz zu ziehen, Balbero!“ Mit hochgezogen Augenbrauen begegnet Belial meinem eisigen Blick.

*Wage es nicht dich zu verraten!* Vollkommen überrumpelt starrte ich ihn an als seine dunkle Stimme plötzlich in meinen Gedanken widerhallte. Mein Zorn war binnen eines Augenblicks verpufft.

*Du machst dir Sorgen um mich?*

*Mitnichten. Aber du bist meine Beute. Ich habe nicht vor dich einem völlig hysterischen Weibsbild zu überlassen.* Darauf fiel mir keinerlei Erwiderung ein. Er hat sich noch nie von irgend jemandem in die Karten sehen lassen. Stets verfolgte er seine eigenen Ziele und nur die Treue gegenüber meinem Vater war etwas, auf das man sich bei ihm vollkommen verlassen konnte. Für Luzifer, seinen Gebieter würde er alles tun.

„WIE WAR DAS?!“ Es kostet mich fast meine gesamte Selbstbeherrschung nicht laut zu lachen. Balberos Reaktion paßte einfach zu gut zu Belials letzten Worten.

„Du verrietest den Himmel, in dem du ihm Treue schworst. Er mag so gnädig gewesen sein dir nichts zu sagen… doch jeder von uns weiß, mit welch schmutzigen Dämonen du deine Bastarde gezeugt hast.“ Bilde ich mir das nur ein, oder versucht er gerade mich von der Ehrenhaftigkeit meines Vaters zu überzeugen?

„Dachtest du wirklich er würde dich noch einmal anschauen, nachdem du ihm solche Schmach bereitet hast?!“ Anklagend wies Belial auf ihre Brust, die von einem engen Lederkorsett gebändigt wurde. Der Zorn in seinen Augen hätte jeden anderen Dämon längst zum Schweigen gebracht, aber Erzdämonen waren vom selben Schlag. So leicht würde Balbero sich nicht geschlagen geben.

„Sei still! Von jemanden wie dir, der ihn mit seinen kranken Begierden hofiert, laß ich mir nichts sagen! Ich habe meine eigenen Methoden! Ich werde diese Schweine verbrennen und ihm ihre Asche höchstpersönlich zum Geschenk machen!“ Ihre Augen glühten purpurn mit einer goldenen Iris in ihrem Innern. Ein wahrhaft erschreckender Anblick. Um so überraschter war ich, als sie uns plötzlich den Rücken zuwandte. Was immer Belial ihr auch wortlos gesagt haben mochte. Es zeigte Wirkung.

„LOS! WIR GEHEN!“ Der riesige, grüne Drache folgte ihrem Ruf.

„Bleib hier, Miststück!“ Der Blick mit sie Michael segnete war tödlich. Doch es war nur eine einzige Sekunde in der sie ihm Aufmerksamkeit schenkte. Sie war verschwunden ehe er ihr noch eine weitere Beleidigung an den Kopf werfen konnte.

„Ei, ei… wie sich Frauen doch mit der Zeit ändern können!“ Mit einem selbstsicheren Lächeln schwebte Belial zu uns herab. Fragend sah ich Michael an, der an seinem Zorn beinahe zu ersticken drohte. Wahrscheinlich würde er nichts lieber tun als Belial mit seinem Schwert zu durchbohren, doch Raphaels ruhiger Blick hinderte ihn daran. Ebenso, wie Uriels Hand auf meinem Arm mich zurückhielt.

„Wo waren wir stehengeblieben? Richtig…“ Mit einem leisen Kichern sah er Kurai an.

„.. bei meinem Lösegeld für die Prinzessin.“ Gelassen zog er seinen Hut um dahinter ein weiteres Lächeln zu verbergen als er sich erneut in meine Gedanken stahl.

*Oder sollte ich ihnen vielleicht offenbaren, daß es sich eigentlich um zwei Prinzessinnen handelt? Beides Kronprinzessinnen der Hölle.* Ich ignorierte ihn und hörte ihn in meinem Geist leise lachen.

*Wie du willst. Erhalten wir diese Farce aufrecht, bis sie dich zwingen deine Maske abzulegen.* Ich preßte die Lippen festaufeinander um mich nicht doch noch zu einer Reaktion hinreißen zu lassen. Ich kannte ihn zu gut. Sollte ich jetzt reagieren würde er mich zwingen ihn und die Dämonen bei ihrem Krieg gegen den Himmel zu unterstützen. Er würde das Geheimnis meiner Herkunft dazu benutzen mich von meinen Freunden zu trennen und seinen Zielen dienlich zu sein. Ein falsches Wort würde ausreichen um ihn komplett in die Hände spielen. Es war besser zu schweigen auch, wenn es mir schwer fiel.

„Ihr habt mir ein interessantes Angebot gemacht Prinzessin. Ihr spracht von einer Zusammenarbeit zwischen uns und der Rebellenarmee.“ Ich traute meinen Ohren nicht. Das hört sich ja fast so an als hätte er ernsthaft darüber nachgedacht. Es amüsierte ihn köstlich mein fassungsloses Gesicht zu sehen.

„Der Anführer der Anima Mundi bin ich. Satan Belial!“ Mein Herz setzte für einen kurzen Moment aus als Raziel sich hinter ihn stellte. Sein Blick war vollkommen ruhig, doch ich konnte Dank des Bannkreises, den ich über ihn geworfen hatte spüren, daß er innerlich zitterte.

„Oh ich kenne dich.“ Aus den Augenwinkeln fixierte Belial meinen Schützling wie eine Schlange ihr nächstes Mittagessen.

„Kadett Raziel, vormals Zaphikels Lieblingsschüler. Ich muß schon sagen, ein ungewöhnlicher Vorschlag, unsere Armee mit eurer zusammenzutun. Um nicht zu sagen…“ Aus Cees Kehle löste sich ein lautes Knurren als Belials Aura sich plötzlich verstärkte.

„…LÄCHERLICH!“

*Ebenso wie dieser Bannkreis, der sein Leben schützen soll. Bist du wirklich so naiv zu glauben sein Leben schützen zu können in dem du dein eigenes riskierst?* Die Bedrohung wich im selben Moment, wie diese Worte fielen.

*Nach all den Jahrhunderten bist du immer noch viel zu weich. Schützt einen Engel… Nach allem, was sie dir angetan haben. Kaum zu glauben, wessen Blut in deinen Adern fließen soll.* Erleichtert atmete ich aus. Es hatte nicht den Anschein als würde Belial ernsthaft gegen uns kämpfen wollen. Vielmehr schien er die Figuren einer Schachpartie zu seinen Gunsten zu verrücken.

„Kein Kompromiß der Welt könnte uns dazu verleiten, uns mit euch zu verbünden! Endlich, nach einem langem Kampf… sind wir nun hier, um diese Welt zurückzuerobern und unsere Rache an Gott zu nehmen. Dies war unser innigster Wunsch!“ Inzwischen hatte er das Verhalten eines verkappten Showmasters angenommen. Eben voll und ganz ein Dämon, der sich auf seine Selbstinszenierung versteht.

„Licht und Dunkel – ein Bündnis zwischen diesen Beiden wird nie und nimmer Wirklichkeit. Nennt es den Lauf der Welt.“ Er neigte eine leichte Verbeugung andeutend den Kopf und setzte seinen Hut auf. Seine Augen waren für einen Moment geschlossen und fast meinte ich einen stillen Seufzer zu hören.

*Von dieser einen Ausnahme einmal abgesehen.* Klang es vorwurfsvoll in meinem Kopf.

„…Deshalb schlage ich vor, daß die Anima Mundi, besonders der Messias, ab jetzt jeglichen Kontakt zu uns vermeiden. Ein Nichtangriffspakt. Bis unser beider Ziele erreicht sind, werden wir einander weder unterstützen noch behindern…“ Ist das hier wirklich Belial? Der Erzdämon, den ich solange gefürchtet habe? Seit wann sorgt er sich um Andere?

„Zugegeben… kaum ein Lösegeld, das einer Prinzessin würdig ist… dennoch akzeptiert ihr unsere Konditionen?“ Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Anscheinend hatte er meine Gedanken bereits erraten.

*Vergiß nicht, du bist immer noch meine Beute. Laß dich von keinem anderen töten. Ich werde es sein, der ihm deinen Kopf auf einem silbernen Tablett serviert.*

*Das wäre das Letzte, was du in deinem Leben tust.* Er antwortete mir nicht sondern verschloß lachend seinen Geist.

„MAD HATTER!!“ Doch noch ehe sich Kurai zu ihm umwenden konnte schwebte er bereits wieder über uns.

„Du hast jemanden gerettet, der mir sehr viel bedeutet. Danke, Mad Hatter!“ Sanft tätschelte Setsuna über den Kopf der Oger-Prinzessin. Er wirkte sichtlich erleichtert.

„Noch ein Wort der Warnung Messias! Ich zweifle, ob euch Zeit bleibt, den verlorenen Pfad zu öffnen. Wenn ihr nach Atziluth wollt, so wählt lieber den Weg vorbei an den Torwächtern.“ Ein letzter Trumpf. In dem er uns diese Information gab konnte er sich sicher sein, das wir ihm und der Dämonenarmee in den Himmeln nicht länger in den Quere kamen. Lächelnd mußte ich seine Gewandtheit anerkennen. In all den Jahrhunderten hatte er sich kaum verändert. Kalt und zielsicher wie ein Pfeil aus purem Eis fand er sein Ziel. Er trug seinen Titel als Satan mehr als nur zu Recht. Wie kam ich nur darauf auch nur einen einzigen Moment daran zu zweifeln?

„Ich spüre eine starke Interferenz in der Kraft meines Gebieters. Es ist gut möglich, daß Rosiel vor euch ans Ziel gelangt.“ Eine Erschütterung der gesamten Atmosphäre brachte den Himmel zum Erzittern. Die Dämonenarmee hatte uns erreicht. Ich spürte es mit jeder einzelnen Faser meines Körpers.

„W… was ist das!? Ein Erdbeben?“ Entsetzt sah Setsuna sich um. Noch war nichts Genaues zu erkennen. Aber es konnte sich nur noch um Sekunden handeln bis es soweit war. Dank des Blutes, das in meinem Adern floß erkannte ich schon jetzt die Ausmaße dieser Armee. Sie war gigantisch!

„Zeit, unser kleines Téte-á-téte zu beenden! Als dann, Diener des Himmels! Bei unserem nächsten Treffen sind wir Feinde!“ Belials Schirm verwandelte sich in einen wild wirbelnden Kreis aus dem nach und nach die einzelnen Federn davon stoben. Tiefschwarz fielen sie auf uns hernieder.

„Wir werden keine Gnade walten lassen Messias!“ Unerschrocken erwiderte ich seinen Blick. Die Federn über meinem Gesicht zerfielen zu Asche noch ehe sie mich beühren konnten.

*Dasselbe gilt für uns.* Ein lautes Lachen scholl mir entgegen.

*Wir werden sehen Prinzessin. Wir werden sehen…*

„Hutmacher!!“ Die Hände schützend vors Gesicht halten rief Kurai ihm nach. Er schenkte uns einen letzten, unergründlichen Blick ehe die dunklen Federn seine Gestalt vollkommen verdeckten. Als sie verschwanden war der Himmel über und über von Dämonen bedeckt. Ihre massigen Körper verdeckten beinahe das gesamte Blau.

„Der dritte große Krieg hat begonnen!“ Einsam stand Belial auf dem Kopf eines gigantischen Drachens und übernahm das Kommando über ein Herr, wie es der Himmel seit Jahrtausenden nicht mehr gesehen hatte. Irgendwo weit entfernt vernahm ich den stummen Aufschrei der Wolkenwale die sich immer weiter von dieser dunklen Macht entfernten.

„Meine Brüder! Wir sind vom Grund der Finsternis empor gekrochen! Laßt uns diese Welt zurückerobern!“

*Noch kannst du uns begleiten. Nimm deinen Platz in unseren Reihen ein und ich verschone vielleicht dein Leben.*

*Danke, aber das ist euer Kampf. Meiner erwartet mich an einem anderen Ort.* Er schnaubte verächtlich.

*Wie du willst. Es war deine letzte Chance.*

„Der Himmel wird uns gehören!“ Triumphierend scholl seine Stimme über das Firmament. Die massigen Körper der großen Dämonen folgten der Spur der Sonne. Es war ein beeindruckender Anblick und mein Blut pulsierte von Minute zu Minute stärker. Allein die Anwesenheit der Dämonen brachte die verbliebenen Astralebenen des Himmels durcheinander. Da mein inneres Gleichgewicht wenigstens im Punkto meiner Kräfte inzwischen vollkommen wiederhergestellt war nahm ich diese Veränderung mit Begeisterung auf.

Von nun an war es nicht mehr nötig meine Aura noch länger zu verbergen. In diesem Durcheinander würde sie niemandem mehr auffallen. Es war quasi unmöglich unter all den Dämonen einen einzelnen zu lokalisieren. Erleichtert senkte ich meine Schutzschilde bis auf ein absolutes Minimum.

Ein Windhauch in dem sich die Aura eines mächtigen Dämons verbarg veranlaßte mich den Blick suchend über die dichten Reihen über uns streifen zu lassen. Auf dem Rücken eines riesigen Ungetüms, das entfernt an eine geflügelte Schlange erinnerte hob sich eine dunkle Gestalt deutlich vom hellen Blau des Himmels ab.

Seine langen, rotbraunen Haare wehten ungezähmt im Wind und der Blick seiner wilden Augen lag abschätzend auf mir. Wir starrten einander an bis er im stillen Einverständnis eine leichte Verbeugung andeutete und im Schatten der anderen Dämonen verschwand. Er hatte verstanden. Er verstand meine Entscheidung und würde nicht länger eingreifen. Astaroth ließ mich meinen eigenen Weg gehen ohne seinen Schutz von mir zu nehmen. Ich spürte deutlich das Band, das er in diesem winzigen Augenblick zwischen uns geknüpft hatte. Damit schützte er mich vor dem Zugriff der niederen Dämonen und verhinderte, daß diese die Bedeutung meines Blutes erkannten.

Dankbar sah ich den langsam verblassenden Umrissen der Dämonarmee hinterher bis sich allmählich im Dunst des Horizonts verblaßten. Nun, da meine Erinnerung vollständig war wußte ich, das Astaroth trotz allem, was er mir angetan hatte gar nicht anders handeln konnte. Mein Vater hatte ihn an einen Schwur gebunden, der beinahe unerfüllbar war. Am schwersten wog jedoch, daß er mich und meine Familie im Laufe der Jahre immer weiter in sein Herz geschlossen hatte. Der Tot meines Sohnes hatte den letzten Funken seines Glaubens an das Gute beinahe endgültig zerstört… es war nur zu verständlich, das er verhindern wollte, das ich erneut in mein Unglück rannte…

Ein pochender Schmerz in meinem linken Arm veranlaßte mich den Blick zu wenden. Sanft lächelte ich Uriel an aus dessen Gesicht mich Remiriels Augen ansahen. Es würde mich wundern, wenn Astaroth seine Anwesenheit verborgen geblieben war. Aber ich konnte mir sicher sein, daß er uns nicht verraten würde. Es gibt zu viel zu tun… für jeden von uns…

„Es wird Zeit.“ Eine leise Entschuldigung murmelnd ließ Uriel meinen Arm los und war wieder Herr über sich selbst. Zärtlich fuhr ich mit einer Hand seine Wange entlang.

„Wir werden es schaffen. Wir werden Assia retten.“ In seinen Augen flackerte es leicht, doch Remiriel hielt sich verborgen. Jeder von uns dreien wußte, das es vielleicht das letzte Mal sein würde, das wir uns begegneten. Wenn das hier alles vorbei war würde seine Seele in den Hades zurück kehren… und ich… vielleicht würde ich ihn sogar begleiten können… vielleicht….

„Du solltest hierbleiben. Die Rebellen brauchen dich.“ Es war ein letzter, verzweifelter Versuch mich aufzuhalten. Er wußte, daß er damit keinen Erfolg haben würde, aber war ihm trotzdem dankbar. Seine Hand schloß sich um meine und führte sie sanft an seine Lippen.

„Selbst wenn ich es wollte…“ Mein Blick striff über Setsuna, der sein Schicksal als Messias nach langer Zeit akzeptiert hatte und dennoch nie sein Ziel aus den Augen verlor. Er kämpfte weder für Himmel noch für die Hölle sondern einzig und allein darum die Liebe seines Lebens und die Welt in der sie beide lebten zu retten.

Katou, Kiras altem Freund, dem Uriel ein neues Leben geschenkt hatte. Der endlich von all seinen Selbstzweifeln geheilt war und in seinem Leben einen Sinn sah. Auch, wenn er dafür erst hatte sterben müssen.

Kurai, der Oger-Prinzessin, die Alexiel liebte und Luzifer versprochen worden war. Sie kämpft für ihr Volk und ihre Überzeugung. Als beinahe letzte einer längst ausgestorbenen Rasse.

Raziel, der Sohn zweier Engel. Eine reine unschuldige Seele, die in einem Leben bereits mehr Leid erfahren mußte als gut für sie war. Dennoch hat er sich nie selbst verloren. Er führte die Rebellen in einen Kampf, den sie nur schwer gewinnen würden. Sie waren gefangen zwischen allen Fronten und dennoch gaben sie nicht auf.

Nicht zu vergessen, die Engel der Elemente, die uns beistanden. Michael, der Engel des Feuers, der sich verzweifelt versuchte sich von den Schatten der Vergangenheit der dem seines Bruders zu befreien.

Raphael, der Engel des Windes, der sich endlich seinen eigenen Dämonen stellt. Auch wenn er nach wie vor seine eigenen Pläne verfolgt.

Und Uriel, der Engel der Erde. Derjenige, der meine Mutter fast ebenso sehr liebt wie mein Vater und für sie alles aufgeben würde. Sogar seine Seele… um ihrer Tochter beizustehen… Dankbar lächelte ich ihn an.

„…ich kann sie nicht im Stich lassen.“ Ja, zusammen werden wir es schaffen. Wir werden den Himmel, die Hölle und die Welt der Menschen retten. Für einen Preis, der im Vergleich dazu beinahe lachhaft erschien. Rosiels Tod ist ebenso unvermeidlich wie mein Herz, das daran endgültig zerbrechen wird…

„Ihr zieht ein Gesicht als wärt ihr auf dem Weg zu eurer eigenen Beerdigung.“ Lässig lehnte sich Michael auf meine Schulter.

„Kommt endlich rein. Raphael will eine Ansprache halten und dieser hirnlose Messias ist ohnehin kaum noch zu stoppen.“ Mit sehnsuchtsvollem Blick ließ Uriel meine Hand los und wandte sich wortlos um.

„Was is’n mit dem los?“ Kopfschüttelnd zuckte ich mit den Schultern und folgte Uriel. Der Kampf, der in seinem Inneren tobte war nicht zu übersehen. Sowohl er als auch Remiriel hielten rein gar nichts von dem Gedanken, daß ich mich opferte um sie alle zu retten, aber sie wußten beide, daß es keinen anderen Weg mehr gab. Niemand sonst würde nah genug an Rosiel herankommen… es war die einzige Möglichkeit, die uns noch blieb…

„So, da wir nun ENDLICH alle versammelt sind beantworte mir eine simple Frage.“ Raphaels Augen fixierten mich wie kalter, blauer Stahl. Cee knurrte leicht rührte sich aber nicht von der Stelle. Er lag neben meinem Stuhl auf dem Boden. Sein Schwanz peitschte wild über den Boden.

„Wer oder was bist du?“ Ich überbrückte die Entfernung des großen Tisches zwischen uns mit einem unbeteiligten Blick. In seiner Stimme hatte eine nicht mißzuverstehende Drohung gelegen.

„DAS solltest du doch am Besten wissen.“

„Weich mir nicht aus!“ Aufgebracht schlug er mit einer Hand auf den Tisch. Die Blicke der Anderen flogen zwischen uns hin und her. Bis auf Kurai, die Sara besuchen wollte, hatten wir alle uns in einem großen Konferenzraum versammelt. Ich atmete noch einmal tief durch. Es war an der Zeit ihnen alles zu sagen. Wahrscheinlich werden wir uns nie wieder so versammeln können, wenn wir diesen Stützpunkt verlassen. Vielleicht habe ich auch schon zulange geschwiegen.

„Shao Deshon.“ Ein lautes Knacken als der Schrank hinter ihm zerbrach verriet deutlich, daß ich seine Geduld mehr als genug strapaziert hatte. Er wollte eine Antwort und notfalls würde er sie aus mir herausprügeln.

„Raphael bitte! Beherrsche dich.“ Uriel war schon halb aufgestanden ehe ich eine Hand auf seinen Arm legte.

„Nicht, laß ihn. Er hat recht.“ Langsam stand ich auf und ging auf das große Fenster zu.

„Es ist schon viel zu lange ein Geheimnis. Ich denke es ist an der Zeit in die Welt der Lebenden zurück zukehren.“ Vorsichtig legte ich eine Hand auf das kühle Glas.

„Ja, ich bin Shao Deshon aber das ist nur ein weiteres von vielen Leben, die ich einst in Assia geführt habe. Ich bin kein Mensch, aber das wißt ihr bereits. Auch bin ich weder Engel noch Dämon.“ Ich konnte hören wie sie unruhig wurden.

„Was ich euch jetzt sage wissen einige von euch bereits, aber ich schätze niemand kennt mehr die ganze Geschichte.“ Langsam drehte ich mich um und sah in ihre gespannten Gesichter.

„Es stimmt, das meine Mutter ein Engel und mein Vater ein Dämon ist. Sie verbargen mich in Assia um mich zu schützen.“ Damit sagte ich ihnen nichts Neues, das war deutlich genug zu erkennen.

„Sie nannten mich Azrael, in Erinnerung daran, daß ich ihr beider Erbe in mir trage. Der Name, der sowohl Engeln als auch Dämonen bekannt ist, denn ich wurde in beiden Welten ausgebildet bevor ich endgültig nach Assia zurückkehrte. Azrael… der Engel des Todes… so nannte man mich damals… weil niemand eine Begegnung mit mir überlebte oder sich später noch daran erinnern konnte.“

„Azrael ist ein Mythos!“ Michael war aufgesprungen. Sein Stuhl fiel scheppernd zu Boden.

„Es hat ihn nie gegeben!“

„Vielleicht glaubst du es nicht, aber es ist wahr. Ebenso wie die Tatsache, das Alexiels Blut in meinen Adern fließt. Ich bin mir sicher Raphael wird euch das gern bestätigen.“ Der Engel des Windes nickte leicht.

„Es gibt keinen Zweifel.“ Ein verächtliches Zischen erklang aus Michaels Richtung, aber er verstummte schnell wieder als er Raphaels strafenden Blick bemerkte.

„Was das Erbe meines Vaters angeht. Ich denke, das hier sagt mehr als jedes meiner Worte.“ Ich rief mein Schwert und legte es in die Mitte des Tisches. Sämtliche Engel im Raum mit Ausnahme von Uriel schnappten hörbar nach Luft.

„Mein Vater gab es mir zu meinem Schutz. Nur, wer sein Blut in den Adern trägt kann diese Waffe führen.“

„Unmöglich!“ Aus Michaels Gesicht war sämtliche Farbe gewichen.

„Das hat dieser Bastard nicht gewagt!“

„Ich fürchte doch.“ Langsam stand Raphael auf und sah Uriel vorwurfsvoll an.

„Und du wußtest es. Du wußtest es die ganze Zeit.“

„Sie kam zu mir… es war nicht mehr zu übersehen, das sie schwanger war… von ihm… was hätte ich anders tun sollen?“ Verzweifelt versuchte Uriel den Aufruhr in seinem Inneren zu besänftigen.

„Moment mal! Shao um was geht es hier eigentlich?“ Fragend sah mich Setsuna an.

„Was soll das für Schwert sein?“

„Das Gegenstück zu Nanatsusaya, deiner oder besser Alexiels Waffe. Dieser Bastard hat es geschmiedet um Gott zu verspotten!“ Michaels Stimme war zorndurchtränkt.

„Ich hätte niemals gedacht, daß er soweit gehen würde.“ Er senkte den Kopf und fluchte laut hörbar während sich in Setsunas Augen allmählich Begreifen abzeichnete.

„Luzifers Tochter… das ist hart.“ Grinsend lehnte sich Katou in seinem Stuhl zurück.

„Aber Kira hatte schon immer einen ausgefallen Geschmack, was Frauen angeht.“

„Das kann doch nicht euer Ernst sein!“ Niemand von uns hatte bemerkt, wie Kurai den Raum betreten hatte. Ihr Gesicht war von Entsetzen gezeichnet.

„Alexiel und Luzifer?! Das ist nicht wahr!“ Setsuna hielt sie im Arm noch ehe sie zur Flucht ansetzen konnte. Er zwang sie zum Bleiben.

„Ihr wolltet die Wahrheit über mich wissen. Das ist sie. Nichts wird sich ändern, nur weil ihr euch weigert es zu akzeptieren.“ Ich nahm wieder Platz und streifte Raziels blasses Gesicht. Er preßte die Lippen hart aufeinander.

„Es mag sein, daß dieser ganze Kampf von dem alten Streit zwischen Engel und Dämonen ausgelöst wurde, aber das ist mir ehrlich gesagt herzlich egal. Alexiel und Luzifer… für mich sind sie weder der Herrscher der Hölle noch ein gefallener Engel. In meiner Erinnerung sind sie nichts weiter als meine Eltern, die gemeinsam glücklich waren. Ich weiß, das sie sich mehr geliebt haben als alles andere auf der Welt und das sie alles aufs Spiel gesetzt haben um mich zu schützen.“

„Geliebt?! Dieser Kerl soll fähig sein zu lieben?!“ Eine Stichflamme schwärzte die Tischplatte vor Michael.

„Gib es auf. Du kannst es nicht länger leugnen. Ihr Erbe ist unverkennbar.“ Raphaels Stimme klang seltsam belegt.

„Ich schätze sie haben dich mit einem Bann belegt, damit niemand die Ähnlichkeit zwischen euch bemerkt?“

„Ja. Nur wer es weiß kann es sehen.“

„Das erklärt warum Rosiel nicht den geringsten Verdacht gehegt hat.“ Diese Worte wirkten wie ein Eisschauer.

„Du hättest ihm niemals so nahe kommen können, wenn er es gewußt hätte.“

„Ich habe ihn NIE darum gebeten!“ Dieses Mal war es mein Stuhl, der zu Boden fiel.

„Weder habe ich ihn darum gebeten mich nach Yetzirah zu schleppen noch um seinen Schutz! Ich wollte nicht… wollte nicht…“ Die Worte erstarben in meiner Kehle. Ich wollte nicht, das er mein verwundetes Herz sah… das er mein Leben durcheinander brachte… ich wollte nicht erinnern… noch einmal so lieben… so leiden müssen… Betroffen senkte ich den Kopf.

„Schon gut. Quäl dich nicht noch mehr.“ Schützend legte Uriel seine Arme um mich und zog mich eng an sich.

„Ist deine Frage damit beantwortet Raphael?“ Ich mußte mich nicht umdrehen um mich zu vergewissern, das Remiriel im Moment aus ihm sprach. Es war deutlich in seiner Körperhaltung zu spüren.

„Ja. Aber-“

„Gut, dann werden wir jetzt gehen. Komm Suru.“ Der gefährliche Unterton in seiner Stimme ließ keinen Widerspruch zu.

„Shao-san willst du wirklich mit uns kommen?“ Raziels Stimme war kaum hörbar.

„Willst du wirklich gegen deinen Vater kämpfen?“ Seine Augen blitzten unter ungeweinten Tränen. Ich befreite mich von Uriel und kniete mich neben ihn.

„Nein, das werde ich nicht. Ich könnte es nicht. Mein Ziel ist ein anderes.“ Mit diesen Worten verschmolz mein Schwert wieder mit meinem Körper und Raziels Augen weiteten sich in völligem Unglauben.

„Das kannst du nicht tun.“ Flüsterte er.

„Doch, denn ich bin die einzige, die es jetzt noch kann.“ Mit diesen Worten erhob ich mich. Das Licht der Sonne brach sich im Fenster und tauchte den Raum in die unterschiedlichsten Orangetöne.

„Es wird Zeit. Wir sollten aufbrechen.“
 


 

06-06-18

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Sea9040@yahoo.de
 

Zu verdanken ist diese Fortsetzung einem zwei Kilo Korb Erdbeeren, den gestiegenen Temperaturen, einem schicken Mantel und Degen Film sowie einer klitzekleinen Überdosis „Elisabeth“.
 

Nein, ich habe heute nicht stundenlang „Elisabeth“ gehört und damit meinen Umgebung in den Wahnsinn getrieben. Wie kommt ihr nur darauf?



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