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Mein ist die Dunkelheit

von

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XXV. Kapitel

 

 

Nervös tritt Chiho von einem Fuß auf den anderen, vergräbt ihre Hände in ihren Manteltaschen und holt sie einen Herzschlag später wieder heraus, um sie krampfhaft vor sich zu falten.

Als Mao-sama sie darum bat, mit ihm auf die andere Seite der Hütte zu gehen, weil er privat mit ihr reden müsste, wußte Chiho schon, worum es geht.

Seit er mit Urushihara auf dem Rücken zurück gekehrt ist und sie Zeuge all der vertraulichen Gesten wurde, die die beiden miteinander teilten, hat sie sich vor diesem Gespräch gefürchtet. Ehrlich gesagt, will sie gar nicht wissen, was er ihr zu sagen hat.

Und ihr mieses Gefühl bestätigt sich, als er sich vor ihr verbeugt.

„Chiho-chan, ich entschuldige mich für das, was ich dir gleich sagen muss. Wahrscheinlich werde ich dir sehr wehtun und auch dafür entschuldige ich mich."

Oh nein, sie will es wirklich nicht hören.

„Mao-sama..." beginnt sie leise, doch wenn er sie gehört hat, ignoriert er sie einfach.

„Chiho-chan."

Er mustert sie ernst. Aber da schimmert noch etwas anderes in seinen rötlichen Augen, etwas, was sie auf sich gemünzt zutiefst verabscheut. Mitleid. So etwas braucht sie nicht. Sie ist nicht schwach und das wird sie ihm auch beweisen. Entschlossen ballt sie de Hände und zwingt sich, ruhig zu atmen und sich genauso ruhig alles anzuhören, was er ihr zu sagen hat. Dass es ihm nicht leicht fällt, ist offensichtlich.

Ein Teil von ihr würde am liebsten schreiend davonrennen und sich dabei die Ohren zuhalten, doch sie ist kein kleines Kind mehr, das sich der Wirklichkeit nicht stellen will.

Ich bin sechzehn Jahre. Ich bin eine junge Dame. Ich kann es ertragen.

„Mir ist bewusst, dass du tiefe Gefühle für mich hegst, aber ich empfinde nicht dasselbe für dich.“

Das sind genau die Worte, die sie befürchtet hat. Sie schluckt einmal schwer. Ungebeten kommen ihr all diese Momente wieder in Erinnerung, in denen sie sich so verzweifelt darum bemüht hatte, seine Aufmerksamkeit zu ergattern. Sie überredete sihn sogar dazu, mit ihr auszugehen und dabei ihre Hand zu halten.

Ich wußte, dass es ein Fehler war. Ob er nun ein Dämon ist, dem dieses Konzept vom Händchenhalten und miteinander ausgehen unbekannt ist oder nicht – ich war zu aufdringlich und habe mich ihm aufgezwungen. Das hat nichts mit Liebe zu tun.

„Es tut mir aufrichtig leid, aber mehr als eine gute, eine sehr gute Freundin wirst du für mich nie sein. Du bist etwas besonderes, das netteste Menschenkind, dem ich je begegnet bin und eines Tages wirst du einen netten Jungen deines Alters kennen lernen, der das besser zu schätzen weiß als ich und mit ihm glücklich werden."

Er klingt wie ihre Mutter. Unwillkürlich glaubt sie ihre ernste Stimme zu hören und die Worte, sie sie sprach, als sie ihr von diesem Urlaub erzählte.

 

Natürlich darfst du deine Freunde begleiten, Chi-chan. Versprich mir nur, dass du dich dem jungen Mann gegenüber der dir so gefällt, respektvoll erweist. Bedenke: er ist erwachsen und du noch nicht.“

Sie warf einen vielsagenden Blick hinüber zu ihrem Ehemann und Chihos Vater, der in ein paar Metern Entfernung mit seiner Zeitung auf der Couch saß. Chiho verstand die unausgesprochene Warnung sofort und nickte hastig. Ob es nun einvernehmlich geschah oder nicht – als Polizist war ihr Vater dazu verpflichtet, einen Erwachsenen zu verhaften, sollte sich dieser unsittlich einer Minderjährigen nähern. Und bei dem Schwarm seiner Tochter würde er garantiert keine Ausnahme machen.

Ihre Mutter seufzte einmal tief.

Es wäre mir wirklich lieber, du würdest endlich einen Jungen in deinem Alter finden.“

 

Oh, Okasan, du wirst zufrieden sein.

 

Chiho holt tief Luft, legt eine Hand auf ihr heftig pochendes Herz und atmet einmal tief durch. Sie wusste, dass seine Abweisung schmerzen würde und sie hat diesen Stich in ihrer Brust erwartet, aber das ist erstaunlicherweise schon alles. Die Welt hört nicht auf, sich zu drehen - sie stockt nicht einmal für einen kleinen Moment.

Sollte sie ihn dafür hassen? Oder sollte sie Urushihara dafür hassen? Nein, es ist weder Maos noch Urushiharas Schuld. Niemand kann etwas für seine Gefühle.

Es tut weh, aber es kommt nicht wirklich unerwartet, soviel muss sie sich auch eingestehen. Schon vor dieser Reise hier hat ein Teil von ihr geahnt, wie hoffnungslos ihre Schwärmerei für ihren attraktiven Kollegen und Freund im Grunde genommen ist. Sie trennen buchstäblich Welten.

„Chi-chan?" Dass sie so gar nicht reagiert und einfach nur dasteht wie eine Statue, ist beunruhigend. Mao hat mit Tränen und Vorwürfen gerechnet, aber nicht mit dieser gespenstischen Ruhe. „Möchtest du nicht etwas dazu sagen? Hör zu, halt dich bitte nicht zurück, schrei mich an, beschimpfe mich, verfluche mich, wenn es dir hilft, nur bitte, friß es nicht in dich-"

„Es ist wegen Urushihara, nicht wahr?" unterbricht sie ihn, selbst darüber erstaunt, wie fest ihre Stimme klingt. Aber sie braucht eine eindeutige Antwort auf diese Frage, um einen klaren Schlußstrich ziehen zu können. Sie muss hören, dass er es sagt. Er muss es laut und deutlich bestätigen, damit sich ihr dummes Herz nie wieder Hoffnung machen kann.

„Du liebst ihn. Nicht so wie einen Kameraden oder einen Freund, auch nicht wie einen Bruder, sondern so, wie ich dich liebe."

„Oh..." er zieht die Luft zwischen die Zähne, lächelt schief und kratzt sich verlegen im Nacken. Die Situation wird wirklich immer unangenehmer. Wieso muss sie so erwachsen sein? Wieso kann sie nicht einfach zu weinen anfangen wie jeder normale Teenager? Wieso kann das nicht wenigstens ein kleines bißchen so sein wie in seinen Mangas?

„Tja, weißt du... eigentlich..."

„Mao-sama." Sein Herumgedruckse, das sie gestern noch so niedlich fand, geht ihr jetzt tierisch gegen den Strich. Wenn er ihr schon einen Korb gibt, dann soll er gefälligst auch ehrlich zu ihr sein. So viel Respekt schuldet er ihr. „Das ist eine einfache Frage, die du mit nein oder ja beantworten kannst. Liebst du ihn?"

„Äh-"

Doch sie lässt ihn nicht zu Wort kommen.

„Du bist nicht aus Mitleid mit ihm zusammen, weil er blind ist oder weil er fast erfroren wäre und du ein schlechtes Gewissen hast? Du liebst ihn ehrlich und aus tiefstem Herzen?"

„Chi-chan-"

„Denn wenn du es nicht ernst mit ihm meinst, dann weiß ich nicht mehr, wer du bist. Ich kann Menschen und Dämonen und Engel, einfach alle, nicht ausstehen, die mit den Gefühlen anderer nur spielen. Wenn du es also nicht ernst mit ihm meinst, will ich nicht länger mit dir befreundet sein. Und schon gar nicht mehr dein General. Oh..." sie stockt verlegen, als ihr etwas einfällt. „Ich bin doch noch dein General, oder?"

„Natürlich", beeilt er sich, ihr zu versichern.

Sie nickt und starrt ihn auffordernd ab.

Verwirrt starrt er zurück. Es dauert eine Weile, bis er sich erinnert.

„Chi-chan, du musst dir keine Sorgen machen, ich versichere dir, dass ich Lucifer ehrlich liebe."

Es ist ihm unangenehm, ihr gegenüber so offen über seine Gefühle zu reden und er spürt, wie ihm die Röte ins Gesicht steigt.

Und für einen klitzekleinen Moment zweifelt er doch – nicht an seinen Gefühlen, die sind eindeutig, aber an seinen eigenen Motiven. Was ist, wenn sie recht hat? Wenn seine tiefen Emotionen für den gefallenen Engel nur aus seinem schlechten Gewissen resultieren?

Nein, entschlossen schüttelt er den Kopf. Das hat allenfalls in der Hinsicht damit etwas zu tun, dass er sich endlich traut, zu seinen Gefühlen zu stehen und danach zu handeln. Und das ist beschämend genug.

Sie mustert ihn lange und prüfend und ihm wird richtig unheimlich unter diesem Blick, aber dann nickt sie zufrieden.

„Gut." Doch dann, ganz plötzlich, senkt sie den Kopf und für einen Moment sieht sie ganz verloren aus.

„Darf..." Chiho schluckt einmal hart und wirft ihm dann von unten her einen schüchternen Blick zu, „darf ich dich trotzdem weiter lieben? Ich werde mich zurückhalten und euch nicht im Wege stehen, das verspreche ich. Aber ich werde meine Gefühle nicht ausschalten können."

„Meine Güte, Chi-chan," beruhigend hebt er die Hände, „das verlangt auch niemand von dir. Und", schlägt er ihr vor, „wir werden uns in deiner Gegenwart zurückhalten."

Doch sie schüttelt zu seiner großen Überraschung den Kopf.

„Nein. Es wird wehtun, euch zu sehen, aber das ist nicht euer Problem. Bitte, haltet euch nicht meinetwegen zurück."

Denn dann würde sie sich wirklich nur noch mieser fühlen. Sie möchte nicht die Schuld am Unglück anderer tragen.

Für genau fünf Sekunden blinzelt Mao sie nur sprachlos an.

„Lucifer hat recht. Du bist einfach nur ein herzensguter Mensch."

Sie errötet und schenkt ihm ein verlegenes Lächeln. Eigentlich hat sie doch gar keine andere Wahl, denn Gefühle lassen sich doch nicht erzwingen und lieber begnügt sie sich mit dem, was sie schon hat und versucht, es zu bewahren. Das ist doch viel besser, als alles zu verlieren.

 



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