Zum Inhalt der Seite

Mein ist die Dunkelheit

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

XXIV. Kapitel

„Es tut mir so leid für dich“, platzt es aus Emi heraus, bevor sie sich zurückhalten kann.

„Was meinst du?“ Chiho wirft ihr einen verwirrten Blick zu.

Emi räuspert sich verlegen und deutet mit einer verstohlenen Handbewegung hinüber zur Couch. Dort sitzt Mao neben Urushihara und massiert dessen linke Hand. Dabei lächelt er ihn unentwegt an und Emi hat noch nie ein verliebteres Lächeln gesehen. Nicht einmal bei Chiho.

Es ist peinlich, aber irgendwie auch – selbst wenn sie das nur widerwillig zugibt - süß.

„Oh“, macht Chiho nur, als sie begreift, worauf die Heldin da anspielt. Sekundenlang ruht ihr Blick auf den beiden Männern und wird dabei zunehmend abwesender.

Unwillkürlich zuckt ihre rechte Hand hoch zu ihrem Herzen, als sich dort ein kleiner Stich bemerkbar macht. Natürlich ist ihr das veränderte Benehmen ihres Schwarms gegenüber Urushihara nicht entgangen und je öfter sie dessen Zeuge wird, desto deutlicher wird sie sich der Einseitigkeit ihrer Gefühle bewusst. Sie war so dumm! Maou-sama ist ein Dämon – sogar ein König – und es ist leicht, das zu vergessen, wenn man nur sein hübsches Gesicht und seine charmante Art sieht und alles andere so rigoros ausblendet wie sie. Sein Menschsein ist nur eine Maske und darunter lauert jemand, den sie überhaupt nicht kennt. Ihr war ja nicht einmal bewußt, dass er sich zu seinem eigenen Geschlecht hingezogen fühlt. Und sie hat ihm die ganze Zeit diese Avancen gemacht. Ie war richtig aufdringlich! Das ist ja so unsagbar peinlich!

Es wird wirklich Zeit, dass sie von ihrer Würde soviel rettet wie nur irgend möglich.

„Ich finde es süß, wie sich Mao-sama um Urushihara kümmert“, meint sie daher in einem bewundernden Tonfall. „Sie sind wirklich gute Freunde. Dir ist doch bestimmt auch aufgefallen, dass Urushihara Probleme hatte, die Stäbchen zu halten. Deshalb hat Ashiya ihm ja beim Mittagessen Messer und Gabel gegeben.“

Emi ist zwar der Ansicht, dass Ashiya dem Engel das westliche Besteck wegen seiner Blindheit gab, aber sie behält das für sich. Außerdem redet Chiho schon weiter.

„Urushiharas Finger sind immer noch etwas steif und ich finde es bewundernswert, dass er sich trotzdem hinsetzt, um Alas-chan ihren Hund zu stricken. Mao-samas Massage wird ihm sicherlich helfen.“

„Aha...“ macht Emi nur gedehnt und kommentiert damit nicht nur Chihos Bemerkung, sondern auch das weitere Geschehen vor ihnen. Gerade eben hat Mao sich zu Uhrushihara vorgebeugt, um ihn auf die Stirn zu küssen.

Schweigend sehen sie alle – sie, Chiho, Ashiya und Alas-Ramus - von ihrem Platz auf dem Teppich, wo sie zusammen mit Alas-Ramus' Kuscheltieren spielen, dabei zu, wie Mao sich von Urushiharas Stirn über seinen Nasenrücken zu den Lippen hinunterküßt.

Unwillkürlich hält Emi den Atem an. Am liebsten würde sie Chiho die Augen zuhalten oder sie von hier fortzerren, aber sie ist wie erstarrt. Es ist wie ein Autounfall – sie kann nicht wegsehen.

Als Mao, dieser egoistische, wortbrüchige Bastard Urushihara in einen sanften, spielerischen Kuß entführt, wirft Emi der Teenagerin neben sich einen besorgten Blick zu. Nicht nur Emis Augen ruhen beunruhigt auf ihr, auch Ashiya und Alas-Ramus beobachten sie besorgt.

„Oh", Chiho wird sich dieser Blicke plötzlich nur allzu gut bewußt und die Röte steigt ihr in die Wangen.

„Oh", wiederholt sie, schluckt einmal sichtbar und starrt eine Sekunde lang leer vor sich hin. Dann dreht sie sich mit einem breiten Lächeln zu Alas-Ramus um.

„Wie geht’s, Alas-chan? Sollen wir noch ein paar Schneemänner bauen, so lange die Sonne noch scheint? "

„Au ja!" Begeistert klatscht das Kleinkind in die Hände, springt auf und ergreift Chihos Hand. Sie zieht sie so hastig in Richtung Garderobe, dass Chiho fast über ihre eigenen Füße stolperte.

Emi gibt einen tiefen Seufzer von sich, wechselt einen schnellen Blick mit Ashiya und schließt sich ihnen an. Sie sagt nichts, aber sie hofft inständig, dass Ashiya seinem geliebten König in ihrer Abwesenheit gründlich die Leviten lesen wird.

Doch dieser räumt nur schweigend das Spielzeug wieder auf.

 

 

Nur ganz am Rande seines Bewußtseins nimmt Mao wahr, wie Emi, Chiho und Alas-Ramus die Hütte verlassen. All seine Aufmerksamkeit gilt dem Engel in seinen Armen.

Glücklich nippt Mao an Urushiharas Unterlippe. Er lässt sich Zeit, geht ganz auf in diesem Moment. Als er da draußen war, und sein General hier drinnen, spürte er eine sonderbare Unruhe, die mit jeder verstreichenden Minute größer wurde. Und als er dann wieder das Haus betrat, suchte sein Blick als erstes den ehemaligen Erzengel und sobald er ihn dösend auf der Couch entdeckte, zog es ihn sofort wie magisch angezogen zu ihm. Seitdem hat er seine Seite nicht mehr verlassen, ständig getrieben von dem Wunsch, ihn zu berühren. Es fiel Mao verdammt schwer, ihm den gewünschten Freiraum zu lassen. Es war ein emotional anstrengender Balanceakt.

Als sie alle gemeinsam beim Mittagessen zusammensaßen, kämpfte er sehr gegen den Drang an, ihn einfach auf seinen Schoß zu ziehen und ihm so nahe wie möglich zu sein. Also befriedigte er dieses Bedürfnis, indem er Alas auf seine Knie setzte und ihr mit den Stäbchen half. Sie stellt sich damit schon sehr geschickt an, doch wenn Urushihara dabei ist, gibt sie sich keine große Mühe mehr und jetzt weiß er auch, warum, nicht wahr?

Aber nach all dieser tapferen Zurückhaltung ist Mao wirklich an seinem Limit angekommen.

Es ist ihm egal, wer zusieht, seine Sehnsucht und sein Verlangen sind größer.

Ah, er riecht so gut. Er hat eindeutig erst vor kurzem gebadet, aber es ist schon länger her, denn sein eigener Duft hat sich schon wie ein feiner Mantel darüber gelegt. Hm... Mao presst seine Nase dicht unter ein linkes Ohr mit zwei Amethyst- Ohrsteckern und atmet dieses betörende Gemisch aus frischen Meeresalgen und Milch und Honig tief ein.

„Ich liebe es, wie du riechst", murmelt er hingerissen, während er eine Spur kleiner Küsse über Urushiharas Kinnlinie zieht und dann zu seinem Mund, um an seinen Lippen zu nippen.

„Ich liebe es, wie du schmeckst." Seine Hände schleichen sich unter Urushiharas Hoodie und T-Shirt und liebkosen warme Haut.

„Ich liebe es, wie du dich anfühlst."

Aufschaudernd reckt sich Urushihara seinen Berührungen entgegen.

„J-Jacobu."

„Sch." Mao bringt ihn mit einem langen, tiefen Zungenkuß zum Schweigen.

Aufseufzend vergräbt Urushihara seine Hände in Maos Haar und lässt die seidigen Locken durch seine Finger gleiten, während er gleichzeitig nur allzu bereitwillig in Maos Geschmack ertrinkt.

Es ist ihm völlig egal, ob das hier die Realität oder nur eine Halluzination ist, es ist zu schön, um es aufzugeben.

Denn dadurch, dass ihm sein Hauptsinn nicht mehr zur Verfügung steht, fühlt sich Maos Nähe, seine Wärme, jede Zärtlichkeit, mit der er ihn überschüttet, jede Berührung und jeder Kuss so wahnsinnig intensiv an, dass er keinen klaren Gedanken mehr fassen kann.

Maos Zunge in seinem Mund und sein Geschmack, rauben ihm den Atem, sein Herzschlag dröhnt ihm in den Ohren und plötzlich erwacht da ein Engegefühl in seiner Brust.

Mao spürt, wie sich Urushiharas Zwerchfell unter seiner Hand plötzlich verkrampft und beendet den Kuss gerade noch rechtzeitig, bevor Urushihara von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt wird. Es klingt rauh und schmerzhaft und als es vorbei ist, sitzt Urushihara keuchend und nach Luft ringend vor ihm.

„Alles okay?" Mao mustert ihn besorgt.

„Es tut nicht weh." erklärt Urushihara unter schweren Atemzügen. „Ist nur nervig."

Er tastet nach Mao und krallt sich in die Wolle seines Hoodies, will, dass Mao weiter macht, doch er wird bitter enttäuscht.

Mao will Rücksicht zeigen und daher weicht er von ihm zurück. Er nimmt die zusammengefaltete Decke von der Couchlehne und legt sie ihm sorgsam um die Schultern.

„Ruh dich aus." Sanft drückt er ihn in die Polster und streicht die Decke über ihm zurecht. Dann beugt er sich über ihn, streicht ihm das Haar zurück und gibt ihm einen Kuss auf die Stirn, bevor er sich erhebt und davon geht.

Genauso gut hätte Mao ihn mitten ins Gesicht schlagen können, und als sei das nicht schon schlimm genug, nimmt Mao auch noch jede Wärme mit sich, als er ihn verlässt.

 

 

Mao wirft einen langen, liebevollen Blick zurück zu seinem hoffentlich bald selig schlafenden General. Es fällt ihm so unendlich schwer, ihn allein zurück zu lassen, viel lieber würde er damit weitermachen ihn zu halten und zu küssen, aber Urushihara braucht seine Ruhe. Leise, um ihn nicht zu stören, geht er hinüber zu Ashiya in die Küche, um ihm dabei zu helfen, die Spülmaschine auszuräumen. Er hofft, dass sich Ashiya jetzt nicht vernachlässigt fühlt und hofft, das wieder auszugleichen, indem er ihm jetzt hilft. Es dauert eine Weile, doch irgendwann werden die stummen Blicke, mit denen Ashiya jede seiner Bewegungen verfolgt, unangenehm und unheimlich.

„Ah, Ashiya, willst du mir irgend etwas sagen?"

Sein blonder General nickt ernst und stellt sich dicht neben ihn.

„Mylord, es wäre wirklich gut, wenn Ihr jetzt mit Chiho reden würdet", schlägt er ihm dann mit gesenkter Stimme vor.

„Wie? Jetzt sofort?" versucht Mao zu scherzen.

Ashiya wirft einen schnellen Blick zur Couch hinüber, sieht seinen König ernst an und verschränkt dann die Arme vor der Brust.

„Ja, innerhalb der nächsten halben Stunde." Er spricht immer noch fast im Flüsterton, eindeutig, damit Urushihara ihn nicht hört. "Ich habe Lucifer versprochen, dass ich dafür sorge, dass Ihr mit Chiho redet. Macht keinen Lügner aus mir."

Lucifer. Es ist ihm nicht entgangen, dass Ashiya den Engel in den letzten Stunden immer öfter bei seinem wahren Namen nennt. Normalerweise passiert ihm das nur, wenn er sehr, sehr wütend auf ihn ist. Doch jetzt beweist es ihm, wie sehr sich der Iron Scorpion um seinen Rivalen sorgt und das erfüllt Mao mit Freude und Stolz. Außerdem wagt Ashiya es tatsächlich, ihm, seinem König, Vorschriften zu machen. In letzter Zeit ging es, wenn er so redete, immer nur ums Geld und das hier ist jetzt eine wirklich erfreuliche Entwicklung.

„Du hast ihm das echt versprochen?" muss er daher unbedingt nachfragen.

„Ja, Mylord, das habe ich. Und ich bitte Euch: Entehrt Euch nicht selbst, indem Ihr Euch wie ein Feigling benehmt. Wie lange soll das noch so gehen? Oder wartet Ihr darauf, dass Euch Chiho dabei erwischt, wie Ihr Lucifer auf dem Esstisch vögelt?"

Mao stockt der Atem. Er weiß aber nicht, ob das an der Ausdrucksweise seines sonst so wohlerzogenen Generals liegt oder daran, dass ihn diese Vorstellung aufs höchste erregt. Hastig zupft er den Saum seines Hoodies zurecht.

„Du hast recht", stimmt er ihm zu. „Ich rede mit ihr. Jetzt", fügt er dann noch schnell hinzu, und eilt tatsächlich hinüber zur Garderobe, um seinen Worten Taten folgen zu lassen - und um dem stechenden Blick dieser goldbraunen Augen zu entkommen.

 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück