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Mein ist die Dunkelheit

von

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XII. Kapitel

 

 

Emi reicht Mao gerade das Ohrthermometer aus der Reiseapotheke und zwei Wärmflaschen für Urushihara – eine für die Hände, die andere für die Füße - als es an der Tür klopft.

„Zu spät“, erklärt sie spöttisch, als sie einen ziemlich durchgefroren aussehenden Ashiya hereinlässt. „Du hast das Drama schon verpasst.“

„Drama?“ wiederholt er alarmiert, wirft einen Blick über ihre Schulter ins Wohnzimmer, wo er Chiho, Alas und seinen König zusammen mit Urushihara auf der Couch hocken sieht. Er sieht auch, die beschützende Art, wie Mao den offensichtlich bewußtlosen Urushihara in seinen Armen hält und fügt sofort besorgt hinzu, während er aus seinen Stiefeln schlüpft und seinen Mantel ablegt: „Was ist passiert?“

„Er hat ihn schlafen geschickt“, erwidert Emi eindeutig belustigt.

Ashiya wirft ihr einen irritierten Seitenblick zu und geht dann zur Couch hinüber.

„Mylord?“

„Ich hatte keine Wahl. Es hält auch bestimmt nicht lange an.“, verteidigt sich Mao, während er ratlos auf die digitale Anzeige des Thermometers starrt. Dort steht groß und deutlich „Error“. Soll das bedeuten, dass Urushiharas Körpertemperatur so niedrig ist, dass das Thermometer sie gar nicht erfassen kann? Betroffen reicht er es zurück an Emi, die die Anzeige nur mit hochgezogenen Augenbrauen quittiert.

„Ihr hattet sicher einen guten Grund, Mylord“, besänftigt Ashiya ihn sofort. Ihm entgeht die seltsame Reaktion der beiden natürlich nicht, doch er ist noch viel zu sehr auf das andere Problem seines Königs fixiert und bestrebt, ihn erst einmal in diesem Punkt zu beruhigen.

„Und ob ich den hatte!“ verteidigt sich Mao heftig. „Er hatte furchtbare Schmerzen!“

„Und das ist gut so“, fällt ihm Emi ungeduldig ins Wort. Sie versteht die ganze Aufregung nicht, denn ihrer Meinung nach hat Mao nur logisch gehandelt. „Sorgen müsstest du dir machen, wenn Urushiharas Finger und Zehen wieder auftauen und er es nicht spürt. Die Wärmflaschen werden helfen. Nicht nur seinen Händen und Füßen“, fügt sie dann noch beruhigend hinzu.

„Ist er zu sich gekommen?“ erkundigt sich Ashiya.

„Nur kurz und nur wegen der Schmerzen“, erwidert Mao und fügt dann betrübt hinzu: „Aber ich glaube nicht, dass er wirklich wach war.“

„Ich verstehe.“ Ashiya sinkt neben der Couch auf die Knie, streicht Urushihara das Haar zurück und betrachtet kurz dessen blasses Gesicht, legt ihm dann prüfend eine Hand an die Wange, um auf seine eigene Art die Körperwärme zu messen und wirft seinem König dann einen langen Blick zu. „Er fühlt sich tatsächlich fast wieder normal an.“ Das ist zwar etwas optimistisch, aber Urushihara ist tatsächlich nicht mehr so eiskalt wie vor einer knappen Stunde und Ashiya zieht es vor, zugunsten aller hier das Positive in den Vordergrund zu stellen.

Tatsächlich entspannt sich Mao erwartungsgemäß bei seiner Aussage ein kleines bißchen. Da er aber immer noch etwas schuldbewußt aussieht, beeilt sich Ashiya, ihn zu beruhigen:

„Es war ein Notfall. Lucifer wird es verstehen.“

Seinen Worten folgt eine erwartungsvolle Stille. Zwei Augenpaare mustern ihn fragend. Ashiya hadert noch einen Moment mit sich, doch nach einem erneuten Blick in die kummervolle Miene seines Königs, der derzeit wirklich nur Augen für Urushihara in seinen Armen zu haben scheint, gibt er sich geschlagen und erklärt den Frauen widerwillig:

„Als Erzengel besitzt Lucifer eine natürliche Resistenz gegen die hypnotische Stimme unseres Königs. Um sich dennoch durchzusetzen, muss unser König ihn gewaltsam unterwerfen.“

„Ich habe ihm versprochen, das nie bei ihm anzuwenden.“ Trotz der aufmunternden und bestätigenden Worte seines Generals hadert Mao immer noch schwer mit sich.

Ashiya lächelt nachsichtig, überprüft die Lage der Wärmflaschen, streicht der still, aber alles mit aufmerksamen großen Augen beobachteten Alas-Ramus einmal durchs Haar und schenkt der ebenfalls sehr stillen Chiho ein aufmunterndes Lächeln. Dann fällt sein Blick auf den vor der Couch liegenden Kleiderhaufen.

Er seufzt einmal ergeben und macht sich dann daran, alles ordentlich aufzuräumen. Und als er damit fertig ist, holt er einen Wischmop und reinigt den Holzfußboden vom Schneematsch. Die monotone Arbeit beruhigt ihn auf geradezu heilsame Art und Weise.

 

 

Falsch. Etwas ist furchtbar falsch. Getrieben vom reinen Überlebensinstinkt, kämpft er sich aus der Schwärze hinaus und erwacht mit einem krampfhaften Zusammenzucken.

„Woah. Lucifer. Alles okay." Maos Stimme dicht an seinem Ohr und etwas, das ihn festhält. Lucifer schnappt nach Luft und wehrt sich panisch.

„Schschsch", versucht Mao, von dieser heftigen Reaktion überrascht, ihn zu beruhigen und lässt ihn sofort los. „Ich bin's. Mao. Alles ist in Ordnung."

Kaum spürt er, dass er wieder frei ist, weicht Lucifer ruckartig zurück. Die Couchlehne stoppt ihn. Hektisch tastet er seine Umgebung ab. Als seine Finger auf etwas Weiches aus Wolle stoßen, stutzt er kurz, tastet es genauer ab und ergreift es dann mit steifen Fingern, um es fest an sich zu drücken. Seine hektischen Atemzüge werden etwas ruhiger und dann holt er einmal ganz bewusst tief Luft und entlässt sie schließlich in einem langgezogenen Seufzer.

Seine weitaufgerissenen Augen irren dabei wild hin und her, ganz so, als könne er noch sehen.

„Lucifer", tröstend streichelt Alas-Ramus über die Decke, ungefähr an der Stelle, wo sich sein Schienbein befindet. Er zuckt erschrocken zusammen und sie entschuldigt sich hastig.

„Es tut mir leid. Es ist alles gut. Papa und Alciel haben dich gefunden."

„Alas-chan?" fragend dreht Lucifer den Kopf in die Richtung, aus der er ihre Stimme hörte. Langsam streckt er ihr seine Hand mit dem Kuscheltier entgegen. Er räuspert sich einmal. Sein Hals ist ganz kratzig und er spricht langsam und stockend, weil er erst nach den richtigen japanischen Worten suchen muss. „Das gehört dir."

„Ich teile Okto mit dir", erklärt sie und schließt in einer erschreckend erwachsenen Geste seine Finger um das Stofftier. Er beißt sich auf die Lippen, denn seine Gelenke sind immer noch steif und schmerzen, doch ihr zuliebe zwingt er sich zu einem schmalen Lächeln.

„Lucifer." Mao legt ihm eine Hand auf die Schulter, zieht sie jedoch sofort wieder zurück, als Urushihara schreckhaft zusammenzuckt. „Du bist mit uns in der Hütte. Alles ist gut. Du bist in Sicherheit."

Urushihara erstarrt einen Moment, doch dann nickt er zögernd. Mit einer Hand hält er Okto, während die andere unter die Decken wandert und dann zieht er stirnrunzelnd eine Wärmflasche heraus.

„Oh, das", lächelnd nimmt Mao sie ihm ab und legt sie neben sich. Sie ist inzwischen nur noch lauwarm. „Ich hoffe, sie hat etwas geholfen."

„Manmae scabrosus“, - meine Hände kribbeln-, murmelt Urushihara und beugt und streckt prüfend seine Finger.

„Lucifer..." Mao bemüht sich, besonders sanft und ruhig zu reden. Er streckt die Hand aus, zögert dann aber, als er sich an Alas' Worte erinnert. „Ich nehme jetzt deine Hand, okay?"

Urushihara nickt und streckt zögernd seine rechte Hand aus. Mao nimmt sie langsam und sehr behutsam und streicht dann zärtlich mit dem Daumen über seinen Handrücken.

„Abgesehen vom Kribbeln - wie fühlst du dich sonst?"

Urushihara blinzelt einmal fast im Zeitlupentempo.

„Ich ... Weiß nicht..." meint er dann gedehnt und entzieht ihm seine Hand ruckartig. „Das ist doch wieder nicht echt. Stultius somnium."

Ein törichter Traum. Mao schluckt einmal schwer.

Abweisend wickelt Urushihara die Decke enger um sich und rollt sich dann aber, entgegen seines ablehnenden Tonfalls, an Maos Seite zusammen.

Und als Mao zögernd seinen Arm um ihn legt, zuckt er diesmal nicht zusammen, denn wenn er diese Halluzination schon durchleben muss, dann kann er sie auch wenigstens genießen.

 

 

 



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