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Mein ist die Dunkelheit

von

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XI. Kapitel

 

 

Mao hat es sich gerade mit Urushihara in seinen Armen auf der Couch bequem gemacht und auch Chiho hat sich zu ihm gesellt, als Alas angerannt kommt. Sie reicht Mao mit folgenden Worten einen Labello-Stift:

„Mama hat gesagt, das soll ich dir geben. Für Lucifers Lippen.“

und kuschelt sich dann an Urushiharas Seite.

„Danke, Emi!“ ruft er und rückt sich etwas zurecht, um mit dem Balsam vorsichtig Urushiharas rissige Lippen zu behandeln. Es ist, wie er feststellt, ein noch völlig unbenutzter Balsamstift.

„Ich will es nicht wiederhaben“, schallt es aus der Küche zurück. „Nicht mit seinen Bakterien daran!“

Mao rollt nur mit den Augen. Während er behutsam Urushiharas Lippen einsalbt, stellt er zufrieden fest, dass sie zwar wirklich rissig und aufgesprungen, aber dafür nicht mehr so blau sind wie zuvor.

Feierlich legt Alas ein zwanzig Zentimeter großes Kuscheltier auf Urushiharas Brust. Es ist ihr derzeit liebster Begleiter: ein bunter, selbstgestrickter Oktopus. Die Maschen sind teilweise ziemlich unregelmäßig, und als Urushihara dieses kleine Ungetüm Alas schenkte, hatten sie alle darüber gelästert. Aber jetzt, wo Mao weiß, wieso es teilweise so krumm und schief aussieht, schämt sich Mao zutiefst über seine damalige Reaktion.

Alas ist es egal, wie das Ding aussieht – sie liebt es heiß und innig. Normalerweise wacht sie sehr eifersüchtig darüber, und dass sie ihn jetzt mit Urushihara teilen will, rührt nicht nur Mao zutiefst.

„Oh, Alas“, lobt Chiho sie, „das ist aber lieb von dir.“

Mit ernster Miene rückt die Kleine das Tier zurecht.

„Lucifer hat gesagt, Okto hat acht Arme und mit jedem hat er mich lieb. Jetzt hat Okto Lucifer achtmal lieb.“ Fragend sieht sie zu Mao auf.

„Hast du Lucifer jetzt wieder lieb, Papa?“

Mao zuckt so heftig zusammen, dass er fast den Lippenbalsam fallen gelassen hätte. Hastig legt er den kleinen Stift beiseite und schlingt unwillkürlich seine Arme fester um seinen bewußtlosen General.

„Alas-chan“ , stößt er betroffen hervor, „ich hatte ihn immer lieb.“

Sie mustert ihn kritisch.

„Du warst gemein zu ihm“, stellt sie dann unbarmherzig klar.

„Ach, Alas-chan“, seufzend streckt er die freie Hand aus und streichelt ihr übers Haupt. Unter ihrem weiterhin sehr vorwurfsvollem Blick fühlt er sich wie der allerletzte Schuft. „Das war nicht recht von mir und ich verspreche dir, dass das nie wieder vorkommt.“

Sie mustert ihn einen Moment noch ernst, dann kichert sie vergnügt, denn seine Hand in ihrem Nacken kitzelt sie so schön.

Zufrieden kuschelt sie sich sowohl an Mao wie auch an Urushihara, wodurch das Kuscheltier umfällt. Schnell setzt sie es wieder aufrecht hin.

„Okto ist wirklich cool“, erklärt Chiho und hilft ihr dabei, das Tier durch seine acht Arme besser abzustützen, damit es etwas besser im Gleichgewicht bleibt.

„Ich habe die Farben ausgesucht“, zwitschert Alas stolz.

Mao nickt gedankenverloren, denn an diesen Nachmittag erinnert er sich noch sehr gut.

 

Das hier ist blau“, ernst nahm Alas-Ramus Urushiharas Hand und führte sie an das Wollknäuel vor ihnen auf dem Tisch und nachdem er die Wolle kurz prüfend betastet hatte, legte sie seine Hand auf das Knäuel daneben. „Und hier die grüne.“ Auf diese Art zeigte sie ihm alle vier Farben. „Pink. Lila.“

Jede Wolle war eigentlich mehrfarbig, entweder meliert oder mit einem sehr hübschen Farbverlauf, aber als Mao nach einem der Knäuel griff, um es sich genauer anzusehen, protestierte Alas lautstark.

Papa! Bring nichts durcheinander!“

 

Damals hatte er es nicht verstanden.

Unwillkürlich festigt Mao seinen Griff um Urushihara, als er sich an die beiden Tage erinnert, wie dieser unablässig in der Ecke am Fenster gesessen und mit Stricknadeln, Wolle und reiner Schafswolle als Füllmaterial hantierte. Und als der Oktopus schließlich fertig war, und sich dann zuerst er und Ashiya und später auch alle anderen darüber mokierten, wie farblich häßlich und krumm und schief das Ding war, rief Alas-Ramus nur, dass Okto wunderschön sei und umarmte Urushihara begeistert.

 

Gewöhn dich nicht daran“, sagte Emi zu ihrer Ziehtochter. „So etwas Potthäßliches kommt mir nicht in meine Wohnung. Das ist ein Fall für den Müllcontainer.“

Und Alas-Ramus … wurde fuchsteufelswild.

Okto gehört mir! Du kannst ihn mir nicht wegnehmen! Du bist nicht meine Mama!“

 

Wie er später von Emi erfuhr, war es nicht das erste Mal, dass Alas-Ramus diese Drohung ausstieß, auch, wenn er sie an diesem Tag zum allerersten Mal hörte. Und wenn er ehrlich sein soll, freute er sich insgeheim darüber, denn Emis besitzergreifende Art, was ihre Ziehtochter betraf, ging und geht ihm immer noch erheblich gegen den Strich. Deshalb sprang er Emi an diesem Tag auch nicht bei und lehnte sich nur entspannt zurück und genoß die kleine Show, in deren Verlauf Emi immer zorniger wurde, ihre Gefühle aber hinunter schluckte, weil ihr letztendlich nichts anderes übrigblieb.

Chiho betrachtet ihren Schwarm nachdenklich, und als da diese kleine Lächeln um seine Mundwinkel zuckt, als er an einem von Oktos Wollfäden zupft, die so etwas wie eine Frisur darstellen sollen, verspürt sie ein gewisses mulmiges Gefühl in ihrem Magen, das sie sich nicht ganz erklären kann.

„Wenn man bedenkt, dass Lucifer nicht sehen konnte, was er da strickte, ist das wirklich gut geworden. Auch dafür, dass er seit Ewigkeiten nicht mehr gestrickt hat... “, sagt er nachdenklich. Hinter ihnen in der offenen Küche horcht Emi auf, stellt den Herd auf die unterste Stufe, damit das Mittagessen langsam weiter vor sich hinköcheln kann und kommt neugierig näher.

„Als ich noch ein Kind war, hat er mir ständig Pullis und Jacken gestrickt. Oder genäht“, fährt Mao gedankenverloren und mit einem leisen Lachen in der Stimme fort. Alas-Ramus hört ihm mit großen Augen aufmerksam zu.

„Die Wolle war natürlich nicht so fein wie diese hier, sondern irgendwie viel, viel ungleichmäßiger, aber auch flauschiger. Als kleiner Goblin lief ich nur in einer Hose herum. Ich wurde verletzt und hatte daher einen Verband um den Oberkörper und trug dazu noch einen zerschlissenen halben Umhang. So lernte er mich kennen. Deshalb strickte er mir Pullover und Jacken. Weil ich als angehender König auch angemessen gekleidet sein sollte.“

„Stricken und Nähen ist Frauensache“, bemerkt Emi aus dem Hintergrund.

„Ja?“ entgegnet er lachend, betrachtet Urushihara mit einem zärtlichen Blick und streicht ihm sanft durchs Haar. „Macht nichts, denn die Hälfte meines Hofstaates lief jahrzehntelang in seinen Kreationen herum. Die haben übrigens auch zuerst darüber gelacht. Aber dann rissen sie sich um seine Jacken.“ Plötzlich stockt er, weil er sich an etwas erinnert und ein Schatten huscht über sein Gesicht.

„Bis Camio einen gelernten Schneider aus einer der Handelsstädte in meinen Palast brachte. Er sollte mir etwas Eleganteres schneidern, etwas, was eines Königs würdig ist. Seine Hemden waren aus einem völlig neuartigem Stoff, etwas dünn und luftig, aber dafür schimmerten sie sehr schön. Ich mochte sie sofort und wollte nichts anderes mehr tragen. Seitdem hat Lucifer nie wieder etwas für mich gestrickt.“

Emi mustert ihn eindringlich und es wirkt beinahe genauso vorwurfsvoll wie Alas' Blick.

„Jaaaa“, meint sie gedehnt. „So ungern ich es zugebe, aber da kann ich die kleine Pest gut verstehen.“

Mao kann ihr da nicht widersprechen.

Auf einmal beginnt Urushihara in seinen Armen leise zu wimmern und wird unruhig.

Entsetzt richtet sich Alas auf und auch Chiho und Emi spannen sich aufmerksam an.

„Lucifer...“ erschrocken und zunehmend hilfloser streicht Mao ihm wieder durchs Haar. „Was ist denn?“

Aber Urushihara wimmert nur etwas lauter und windet sich in seiner Umarmung hin und her.

„Lucifer.“Ängstlich streichelt ihm nun auch Alas durchs Haar. „Lucifer. Sch. Du bist in Sicherheit, alles ist gut.“

Doch Urushihara schnappt nur lautstark nach Luft, wimmert noch herzerweichender, presst sich die Hände an die Brust und krümmt sich regelrecht zusammen.

„Lucifer!“ Panikerfüllt versucht Mao, ihn etwas aufzurichten, und während er ihm stützend einen Arm um die Taille schlingt, legt er ihm die freie Hand an die Wange und versucht, in seiner verzerrten Miene zu lesen.

„Lucifer. Was ist denn? Sag mir doch, was dich quält, bitte.“

Aus dem Winseln wird ein abgehacktes Schluchzen, das Mao durch Mark und Bein geht. Urushiharas Lider öffnen sich einen Spaltbreit und entblößen einen Teil seiner violetten, schmerzgetrübten Iriden, aus seiner Kehle löst sich ein langgezogenes „auuuuu“ und er presst seine zu Klauen gekrümmten Hände noch fester gegen seine Brust, während er seine Fersen ins Polster drückt.

Als sie das sieht, erinnert sich Chiho wieder an das, was sie gelesen hat.

„Seine Hände und Füße tauen wieder auf! Das ist ein gutes Zeichen“, erklärt sie dann in dem Bestreben, Mao und die verängstigte Alas zu beruhigen.

„Armer Lucifer“, tröstend streichelt Alas seine Schultern, doch es ist eindeutig, dass er in seinen Schmerzen derart gefangen ist, dass er nichts anderes mehr um sich herum wahrnimmt.

Für Mao ist es unerträglich, ihn so zu sehen und so unternimmt er das einzige, was ihm einfällt. Er hat zwar keine Möglichkeit, um wirksame Magie anzuwenden, aber diese Fähigkeit hier wurde ihm in die Wiege gelegt, sie gehört zu ihm wie seine Arme und Beine und er kann sie auch als schwacher Mensch nutzen.

„Es tut mir leid.“ Mit diesen Worten legt er Urushihara Zeigefinger und Mittelfinger seiner rechten Hand auf die Stirn. „Ich weiß, ich habe versprochen, das niemals bei dir zu machen.“ Er holt einmal tief Luft.

„Schlaf“, befiehlt er ihm dann und legt soviel Macht wie möglich in seine Stimme.

Urushihara erstarrt, seine Augen verdrehen sich nach hinten, bis nur noch das Weiße zu sehen ist und dann sackt er in sich zusammen.

Mao fängt ihn auf und zieht ihn sofort wieder in seine Arme.

 

 



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