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Wolfsherz

In den Augen des Tigers
von

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Der Wolf und die Premiere

Nach meinem Statement mussten wir regelrecht von der Öffentlichkeit abgeschirmt werden, denn noch am selben Tag hatten wir etliche Interviewanfragen bekommen. Nach P’Stars Worten hatte ich mich jedoch nicht getraut, ins Handy zu schauen. Jetzt standen wir vor dieser Tür und ich rechnete mit dem Schlimmsten. Was ist, wenn ich durch diese Tür gehe und P’Star sagt mir, meine Karriere ist vorbei? Was ist, wenn… Ich kam nicht dazu, diesen Gedanken weiterzudenken, da öffnete Seua die Tür und zog mich in den Raum. So oft war ich schon hier, aber in diesem Moment fielen mir kleine Details auf. Die kleine Vase am Fenster, eine kleine Figur auf dem Regal, die Pflanze. P’Star saß an seinem Schreibtisch und räusperte sich. Ich hatte das Gefühl, Seua und ich standen vor ihm, wie Bittsteller vor einem König. Vor allem, weil ich seinen Gesichtsausdruck überhaupt nicht deuten konnte. Er atmete laut aus:

»Also Jungs, seid ihr bereit das Ergebnis eurer Aktion zu hören?«

Ich nahm Seuas Arm, war überhaupt nicht bereit dafür. P’Star scrollte auf seinem Tablet:

»Seua, Cai, manchmal würde ich euch gerne auf den Mond schießen, bis mir wieder einfällt, dass ihr meine Hauptdarsteller seid. Und ich würde euch auch gerne sagen, was das für eine dämliche PR-Aktion war…«, mir war das Herz schon in die Hose gerutscht, doch dann sah er auf und lächelte: »Aber ich kann nicht. Die Leute lieben euch. Und wenn ihr eins geschafft habt, dann »Wolfsherz« noch berühmter zu machen und dass vor der Premiere.«

Erstaunt sah ich erst Seua und dann ihn an: »Also können wir weiter machen?«

Er nickte versöhnlich: »Cai, ich glaube du hast dir zu viele Sorgen gemacht. So schnell gebe ich meine Jungs nicht auf. Diese Couple-Aktion kam sehr gut bei den Leuten an.«

Meine Angst war verflogen und wich Erleichterung und Freude. Die Leute würden uns nicht hassen, genauso wie Seua es prophezeit hatte. Ich war froh, dass ich ihm vertraut habe. Nicht nur konnten wir alles zu Ende bringen, wir mussten uns auch nicht mehr verstecken.

Seua lachte: »Ich freue mich, dass es gut aufgenommen wurde. Aber ich weiß nicht, von welcher Aktion zu sprichst. Glaubst du Cai würde seine Karriere riskieren für irgendwelche PR? Es ist echt«, merkte er an. Wo er das sagte, wurde mir klar, dass P’Star noch nicht verstanden hatten, dass es echt war. Kurz hielt er inne, sah uns beide an.

»Oh, okay. Ähm, ja dann, herzlichen Glückwunsch«, es schien, als bräuchte er noch Zeit, um diesen Gedanken zu verinnerlichen.

»Solange es am Set keine Probleme macht, ist das okay. Ich höre allerdings zum ersten Mal, dass du einen Drehpartner datest, Seua«, ergänzte er nachdenklich. Seua zog mich an sich: »Du meinst, dass ich überhaupt jemanden date. Wir wollten es vor niemandem geheim halten und dachten uns, es sei die beste Gelegenheit, es öffentlich zu machen.«

»Verstehe. Aber nächstes Mal wenn ihr irgendwelche Ankündigungen macht, sprecht das mit mir ab, okay? Ich vertrage auch nur ein gewisses Maß an Stress. Gefühlt musste ich Ray auch schon ein paar Mal wiederbeleben«, sagte er lachend.

»Machen wir«, sagten wir im Chor und verließen sein Büro.
 

Ich bekam das Lächeln gar nicht mehr aus dem Gesicht. Wir waren gerettet! Seua nahm mein Gesicht in beide Hände, betrachtete mich: »So gefällst du mir besser, Cai.«

Anders als ich, schien er sich keine Sorgen um seine Karriere gemacht zu haben, wie damals bei dem Skandal. Ich war mir sicher, dass es ihm nicht egal war, also musste er unseren Fans wirklich vertraut haben. Ich zwinkerte ihm zu: »Lass‘ uns »Wolfsherz« zu Ende drehen und dann eine richtig gute Premiere feiern, P‘!«

Ich sah das Lächeln in seinen Augen: »Ja. Es wird die Premiere, die »Wolfsherz« verdient hat.«
 

Noch am selben Tag waren wir wieder am Set, wo uns das Team mit einem großen Blumenstrauß empfing. Ich nahm ihn erstaunt entgegen: »Gibt es was zu feiern?«

Sie deuteten auf den Bildschirm, wo das Video meines Geständnisses in Dauerschleife lief. Verlegen sah ich in die Runde, doch sie strahlten mir entgegen. P’Amy trat vor: »Wir hatten alle einen kleinen Herzinfarkt besonders wegen P’Star. Aber ich bewundere deinen Mut, Cai. Und weil viele der BL-Couples tatsächlich nur gespielt sind, feiern sie euch besonders.«

»Es war Seuas Idee, so bekommen es wenigstens alle mit«, erklärte ich. Ich sah dieses Video von mir zum ersten Mal, die Angst war mir anzusehen. Obwohl ich es gewohnt sein musste, mich hinter der Kamera zu sehen, hatte ich das Gefühl es war jemand anderes. Ich nahm die Glückwünsche vom Team gerne entgegen. Ach verdammt, ich werde diese Leute hier alle sehr vermissen. Sie sind einfach meine zweite Familie geworden. Ich ließ meinen Blick schweifen und er blieb bei Ray und Noah hängen, die grinsend etwas abseits standen. Auch Noah lebte in Thailand, das heißt, am Ende des Tages würden sie sich derselben Frage gegenübersehen wie Seua und ich.

»Bereit für die letzte Szene?«, fragte der Regisseur. Alle waren bereits auf Position, es fehlten nur noch wir. Als ich hier ankam, hätte ich nicht gedacht, dass es mir so schwerfallen würde, ein letztes Mal ans Set zu gehen.
 

Das letzte Mal in die Maske bei P’Sawa.
 

Das letzte Mal die Uniform von Wolf tragen.
 

Die letzte Beratung von P’Amy.
 

Die letzten Einstellungen von P’Time und Noah.
 

Die letzte Kamerafahrt von Fay.
 

Die letzten Anweisungen des Regisseurs.
 

Die letzte Szene mit P’Seua.
 

- Wolfsherz – Die letzte Szene
 

Lachend zog ich Nok hinter mir her in den leeren Hörsaal, in dem wir uns damals zum ersten Mal geküsst haben.

»Was machen wir hier, P‘?«, Nok sah sich um.

Gerade waren Ferien und in einer Woche würde meine Abschiedsfeier stattfinden. Ich konnte nicht glauben, dass meine Zeit mit Nok und mein Jahr in Thailand schon vorbei sein sollten. Ich schob diesen Gedanken beiseite, denn ich hatte einen Plan, den ich aber noch bestätigen musste.

»Erinnerst du dich an diesen Raum?«, fragte ich und zog ihn in Richtung Tafel. Er lächelte: »Natürlich, P‘. Hier hatten wir immer die Englisch-Vorlesung.«

Verstehe, so spielst du also. Ich drückte ihn gegen die Tafel, doch diesmal hielt er meinem Blick stand. Länger als zehn Sekunden.

»Der Einfluss des Wolfs hat sich auf dich übertragen, hm? Bist du dir sicher, dass dich dieser Raum an nichts anderes erinnert?«

Er näherte sich mir bis auf wenige Zentimeter und zog grinsend die Augenbrauen hoch: »Sollte er denn?«

Ich liebte es, dass er sich traute mit mir zu spielen. Es machte mich schwach, aber ich durfte nicht nachgeben. Glaub‘ bloß nicht, du hättest gewonnen. Mal sehen, ob dich das nicht aus dem Konzept bringt. Grinsend biss ich mir auf die Lippe, ließ meine Hand unter sein Shirt gleiten. Ich konnte spüren, wie er die Luft anhielt. Während ich sie über seinen Bauch fahren ließ, beobachtete ich seine Reaktion. Ich musste aufpassen, nicht zu übertreiben, denn dafür, dass er fast nur am Schreibtisch saß, war er schon gut gebaut. Er hatte die Augen zusammengekniffen, sah fast ängstlich aus.

»P‘, was…«, brachte er hervor. Ich nahm meine Hand weg und streckte ihm die Zunge raus.

»Damit hast du nicht gerechnet, was?«

Anstatt zu antworten, legte er mir seine Arme um den Hals und küsste mich. Überrascht ließ ich mich darauf ein, ließ ihn die Führung übernehmen. Nok war ganz schon mutig geworden. Das Programm hatte sein Ziel erreicht, in mehr als einer Hinsicht. Wenn mich jemand fragen würde, ob ich jemals richtig glücklich war, dann jetzt. Ich ließ mich vollkommen auf dieses Gefühl ein. Als er sich von mir löste, sah er aber überhaupt nicht glücklich aus.

»P‘, ich will diese Abschiedsfeier nicht«, sagte er und seine Stimme brach. Bei diesem Satz bildete sich ein Kloß in meinem Hals. Ich hasste es, nichts versprechen zu können.

»Ich weiß, dass es nicht leicht ist, Nok. Aber kannst du bitte trotzdem zur Feier kommen?«

Nok drückte mich an sich, legte seine Stirn auf meine Schulter.

»Ja, aber es wäre schöner, wenn wir sie nicht bräuchten. Was soll ich denn hier ohne dich?«

Das Zittern in seiner Stimme brach mir das Herz. Auch wenn ich nicht der Grund sein wollte, dass er traurig war, ging es in diesem Moment nicht anders. Sein Körper begann zu beben und ich realisierte, dass er weinte. Auch meine Tränen ließen sich nicht länger aufhalten, aber ich gab mich diesem Gefühl nicht hin. Denn das hieß ich hätte aufgegeben und das hatte ich noch lange nicht. Ich fuhr ihm mit der Hand über den Rücken.

»Nok, vertraust du mir?«, fragte ich leise auf Thai. Seine Haltung änderte sich nicht, aber ich hörte ein leises »Ja.«

»Gut, mehr brauchst du auch nicht.«
 

Der Tag der Feier war gekommen. Ying, Yang, Kraisee und Cha halfen mir, mein Zimmer zu dekorieren. Richtig schön kitschig mit Girlanden und Luftballons. Noch wusste niemand von meinem Plan. Während wir Spaß beim Dekorieren hatten, saß Nok stumm in der Ecke. Hätte man das Ganze als Film gedreht, wäre alles bunt, nur um ihn herum wäre eine graue Aura. Er starrte meine Zimmerwand an, hatte die Arme nach unten hängen. Ich ging zu ihm, nahm seinen Arm und zog ihn vom Stuhl hoch. Nok konnte nicht verstecken, was er fühlte. Die Anderen konnten das überspielen, versuchten sich abzulenken, aber er nicht. Noch ein bisschen, dann hast du es geschafft, dachte ich. Er leistete keinen Widerstand, als ich ihn zu den Anderen brachte.

»Nok hat gesagt, er würde gerne helfen«, erklärte ich und er bekam sofort eine Girlande von Cha in die Hand gedrückt. Während Nok sich murrend an die Arbeit machte und ich hoffte, dass ihn das für eine Weile ablenken würde, schloss ich mich mit meinen Unterlagen im Bad ein. Ich hätte es allen gerne sofort gesagt, aber es sollte eine Überraschung sein. Der große Auftritt des Wolfs. Ich musste nur noch einmal schauen, ob meine Unterlagen auch alle passten, doch es sah gut aus. In der Woche vor der Feier war Nok untypisch anhänglich gewesen, er hatte mich oft umarmt, mit mir gekuschelt und mich keine Sekunde aus den Augen gelassen. Er hatte sogar sämtlichen Leuten für die Nachhilfe abgesagt. Ich beschwerte mich nicht, doch es tat mir auch leid ihn in diesem Zustand sehen zu müssen. Trotzdem konnte ich nichts sagen, was nicht endgültig feststand. Doch das würde sich heute ändern. Lächelnd sah ich die Unterlagen an, die meine Zukunft bestimmen würden. Ich grinste mich selbst im Spiegel an, meine blonden Haare waren etwas zerzaust, doch in meinen Augen glitzerte die Vorfreude. Meine Eltern hatten auch nichts dagegen, sie waren sogar stolz auf mich. Aber nicht nur sie, sondern auch ich selbst. Aus Interesse war ich nach Thailand gekommen, um die Sprache zu lernen, um ein fremdes Land zu meinem Lebensmittelpunkt zu machen. Ich war nicht mal ein paar Monate hier gewesen, da hatte ich mich verliebt. In das Land und in ihn, Nok. Auch das war etwas, was ich nie in Betracht gezogen oder beabsichtigt hatte. Es war passiert und ich konnte es nicht verhindern. Und jetzt würde es über meine Zukunft entscheiden. Ein letztes Mal warf ich einen Blick auf die Unterlagen, schloss die Tür auf und ging raus.
 

Später war alles fertig, Snacks und Getränke standen bereit, im Hintergrund lief leise Musik. Es waren auch einige von Noks Schülern gekommen, manche von ihnen kannte ich bereits ziemlich gut. Alle sahen mich an, denn ich stand mit einem Glas in der einen Hand und den Unterlagen hinter meinem Rücken, vor ihnen. Endlich war ich bereit, meinen Plan zu verkünden. Nok stand zwischen Ying und Yang, die tröstend ihre Arme um ihn gelegt hatten. Vermutlich mussten sie das auch, denn er sah nicht gerade aus, als könnte er sich alleine auf den Beinen halten.

»Also Leute, lasst uns erstmal auf ein erfolgreiches Uni-Jahr anstoßen!«, ich hob mein Glas und die anderen taten es mir gleich. »Ich möchte mich bei euch bedanken. Ihr habt mich total lieb aufgenommen und dank‘ euch konnte ich mich ohne Probleme einleben. Ich hatte noch nie vorher so viel Spaß. Kurz gesagt, es war das beste Jahr meines Lebens, bisher. Danke.«

Ich machte eine kurze Pause, sah in die Gesichter, die eine Mischung aus Trauer und Dankbarkeit zeigten. Es wurde Zeit, Nok endlich zu erlösen.

»Und weil es so schön war, habe ich beschlossen, statt einer Abschiedsfeier, eine Willkommensparty zu machen.«

Erstaunt starrten sie mich an. Dann holte ich die Unterlagen hinter meinem Rücken hervor.

»Denn nach den Ferien bin ich offiziell Student an dieser Uni!«, verkündete ich und wartete mit klopfendem Herzen. Nok sah mich an, als hätte ich einen Nobelpreis gewonnen. Er löste sich von den Mädels, ging auf mich zu.

»Das..das ist keine Lüge oder, P’Wolf? Die Unterlagen sind echt, oder?«

Tränen glitzerten in seinen Augen, als ich ihm die Zettel überreichte. In dem Moment als seine Augen über die Zeilen flogen und jedes Wort aufsogen, wurde es still in meinem Zimmer. Als hätten alle die Luft angehalten.

»Ja, das ist alles echt. Ich hätte es gerne eher gesagt, aber ich musste warten, bis es offiziell ist.«

Wie in Trance legte er die Unterlagen auf meinem Schreibtisch ab, sah mich an: »Du wirst hier deinen Abschluss machen?«

Seine Stimme hatte ihre Kraft zurückgewonnen und er sah nicht mehr aus, als würde er jeden Moment zusammenbrechen.

»Ja. Hier. Zusammen mit euch.«

Nok fiel mir in die Arme, was ich lächelnd erwiderte. Unsere Freunde applaudierten.

»Und das ist wirklich okay? Ich meine, was ist mit deiner Familie?«, hörte ich ihn an mein Ohr flüstern. Ich nickte leicht.

»Ja, ist es. Ich habe mir lange genug Gedanken gemacht, Nok. Ich würde es auch nicht ohne dich aushalten. Wer weiß, vielleicht machst du bald ein Auslandsjahr und dann begleite ich dich«, flüsterte ich zurück.

Ich drückte ihn von mir, sah ihm in die Augen: »Außerdem habe ich dir versprochen, dass ich dich nicht allein lassen werde.«

Nok strahlte über das ganze Gesicht, nichts mehr von seinen Zweifeln war zu sehen. Er legte seine Stirn an meine.

»Danke, P’Wolf. Wenn das das beste Jahr deines Lebens war, werde ich dir versprechen, dass die kommenden Jahre noch besser werden. Ich liebe dich«, sagte er plötzlich. In diesem Moment nahm ich noch intensiver wahr als sonst. Diesmal war er es, der mich in Verlegenheit brachte. Um es mir nicht allzu sehr anmerken zu lassen, vergrub ich meinen Kopf an seiner Brust: »Ich liebe dich auch, Nok.«

Das war der Start in mein thailändisches Unileben und mein Leben mit Nok.

- Wolfsherz – Ende -

»Cut! Leute, wir haben es im Kasten!«, hörte ich den Regisseur sagen, während ich weiterhin meinen Kopf in Seuas Hemd vergrub, um die Tränen zu verstecken. Es war eine sehr schöne Szene, Wolf und Nok hatten es geschafft, nicht getrennt werden zu müssen. Das hieß im Umkehrschluss für uns, dass es vorbei war und wir noch vor dieser Entscheidung standen. Ich löste mich von ihm, wischte mir schnell die Tränen weg. Reiß dich zusammen, Cai, mahnte ich mich selbst. Auch wenn es traurig war, sollten wir feiern, dass wir es geschafft hatten. Das Team wollte das Set, welches wir zusammen dekoriert hatten, auch für unsere Abschiedsfeier nutzen. Es passte zum Anlass und wäre auch zu schade, einfach wieder abgerissen zu werden. Das gesamte Team hatte sich in einem Kreis in Wolfs Zimmer versammelt und wir stießen auf einen erfolgreichen Drehschluss an. Sie überreichten allen aus dem Cast einen Blumenstrauß, sagten uns außerdem, dass wir die Uniformen behalten durften. Der Regisseur trat vor, um ein paar Worte zu sagen.

»Lieber Cast, liebes Team, ihr habt alle hervorragende Arbeit geleistet. Trotz der Dinge, die passiert sind, haben wir es geschafft »Wolfsherz« zu seinem verdienten Ende zu bringen. Ihr alle könnt stolz auf euch sein. Cai, ich bin ehrlich, ich war skeptisch, als ich von Star gehört habe, dass er jemanden ohne Casting verpflichten will. Aber dann kamst du ans Set und schon nach der ersten Szene war ich mir sicher, dass es ein Erfolg wird. Ohne es zu wissen, bist du schon längst ein Profi. Außerdem hast du dich immer für jeden aus dem Team interessiert und wir waren alle sehr traurig, als ihr nicht am Set sein konntet«, als ich diese rührenden Worte von ihm hörte, bildete sich ein Kloß in meinem Hals. Seua hatte mir einen Arm um den Rücken gelegt, er spürte wohl, dass mir das Ganze ziemlich schwerfiel.

»Das Projekt hat mir auch richtig Spaß gemacht und die Tatsache, dass ihr euch verliebt habt, hat es zu etwas ganz Besonderem gemacht. Vielen Dank, dass ich ein Teil davon sein durfte. Ich würde jederzeit wieder mit euch arbeiten«, schloss er und das gab mir den Rest. Ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten, ging zum Regisseur und umarmte ihn:

»Danke für alles, P’Pao.«

Immer mehr Leute schlossen sich dieser Umarmung an, sodass wir bald alle in einer Traube zusammenstanden. Ich würde viele von ihnen zwar noch bei der Premiere sehen, aber wahrscheinlich würde es das letzte Mal sein, dass wir in dieser Konstellation zusammenkamen. Lange verbrachte ich damit, jeden zu umarmen, denn ich mochte sie alle. Der vorläufige Abschied von Noah, P’Sawa und P’Amy fiel mir besonders schwer. P’Amy legte mir eine Hand auf die Schulter:

»Es hat mich sehr gefreut, Cai. Falls es ein nächstes Mal geben sollte, werdet ihr mich wohl nicht mehr brauchen.«

Es tat mir in der Seele weh, diese Worte zu hören, aber vermutlich hatte sie Recht. Sobald man den Status Rookie abgab, würde man nicht mehr wirklich einen Actingcoach brauchen.

Trotzdem glaubte ich, dass wir uns wiedersehen würden: »Das weißt du nicht. Je nachdem, was kommt, brauchen wir dich bestimmt. Aber, danke für alles. Ohne dich wäre das nicht möglich gewesen.«

Ich fühlte mich wie Nok, als er noch dachte, dass er Wolf nie wiedersehen würde. Ich war einfach nur traurig. Ein Abschied war schon schwer genug, doch es kamen gleich so viele auf mich zu.
 

Wir ließen den Abend ausklingen, erzählten uns gegenseitig Anekdoten vom Set. Ich hörte mir gerne die Stories vom Team an, denn es war sehr viel dabei, was wir nicht mitbekommen hatten. Ich zwang mich, so viel zu Lächeln, wie ich konnte. Für einen kurzen Moment schaffte ich sogar zu vergessen, in welcher Situation wir uns befanden. Es war im Prinzip nichts anderes als eine Party unter Freunden. Auch als wir für das Gruppenfoto rausgingen, war die Stimmung super. Sie wollten das Foto am Ende der letzten Folge zeigen, daher sorgten sie dafür, dass auch wirklich alle vom Team darauf zu sehen waren. Ich bot an, noch beim Aufräumen zu helfen, doch sie ließen mich nicht. Kurz bevor wir das Set endgültig verlassen würden, rief ich noch: »Ich liebe euch!« in die Dunkelheit.
 

Im Hotel stand ich am Fenster, blickte auf mein Spiegelbild. Meine Augen waren geschwollen vom Weinen, die Trauer hatte mich endgültig überwältigt. Alle anderen Gefühle wie Stolz, Vorfreude oder Spaß waren einfach weggeschwemmt worden. Ich fühlte mich nur noch leer und müde. Es wunderte mich aber auch nicht, ich war schließlich noch nie so intensiv in eine Produktion eingebunden, in der ich das ganze Team mochte. Die mich herausforderte und stärker machte. Die Zeit war viel zu schnell vergangen und jetzt musste ich versuchen, damit zu leben, dass es vorbei war. Ich sah in der Reflektion, wie Seua die Blumen und Uniformen auf der Couch ablegte. Das Team hatte uns auch noch eine Karte geschrieben, mit einem kleinen Abschiedsgruß von jedem. Man musste diese wunderbaren Menschen einfach vermissen. Doch derjenige, der mein Herz am schwersten werden ließ, tauchte gerade neben mir auf. Sein Spiegelbild sah auch müde aus, aber nicht so traurig wie meins.

»Wie geht’s dir? Du bist müde, oder?«, sprach er das Offensichtliche an. Die Sanftheit in seiner Stimme ließ mir einen Schauer über den Rücken fahren.

»Ja, bin ich. Müde und traurig. Ich will hier nicht weg. Ich will nicht aufhören, P‘«, erwiderte ich und kämpfte schon wieder mit den Tränen. Es würde nach diesem Tag auch keinen Unterschied mehr machen. Ich spürte, wie er von hinten seine Arme um mich legte, als einzige Stütze, die das Wrack, welches ich darstellte, noch zusammenhielt. Sein Kopf lag auf meiner Schulter, er sah mich über das Fenster an.

»Ich weiß, Cai. Wenn ich könnte, würde ich auch weitermachen. Es war eine tolle Zeit, aber wir können nicht verhindern, dass es vorbei ist«, Seua versuchte es in einem normalen Tonfall zu sagen, doch mittendrin brach seine Stimme. Ihm mochte es leichter fallen, sich von Sets zu verabschieden, weil er es öfter getan hat, aber »Wolfsherz« war wohl auch für ihn eine Ausnahme. Als ich sah, dass sich sein Ausdruck langsam in einen traurigen wandelte, schloss ich die Augen, denn es nahm mich zu sehr mit.

»Leider. Aber was machen wir jetzt?«

Für mich gab es nur eine Option, denn ich wollte nicht, dass Seua das Land verließ, in dem er berühmt geworden war. Doch ohne Job konnte ich nicht bleiben. Ich legte meine Hände auf seine, hörte ihn seufzen: »Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Am besten wir warten die Premiere ab.«

Und warten auf ein Wunder. Ich wusste genau, was er meinte, denn diese Premiere war das Letzte, was uns noch blieb.

»Ja, viel anderes wird uns nicht übrigbleiben. Wenn ich keinen Job habe, kann ich nicht bleiben«, sagte ich mehr zu mir selbst. Eigentlich brauchte ich gar nichts zu sagen, denn wir wussten, was auf uns zukam.

»Ich möchte eigentlich nicht wegen etwas traurig sein, was nicht final entschieden ist…«, sagte Seua mit leiser Stimme. Er klang traurig, deswegen öffnete ich die Augen wieder.

»…aber ich kann nicht anders.«

Sein Spiegelbild weinte. Ich löste mich von ihm, zog ihn zum Bett, wo wir uns setzten. Wir nahmen uns fest in den Arm und weinten gemeinsam. Ich wusste nicht, wie lange wir dasaßen, doch es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Ein verletzlicher Moment, in dem wir nichts verstecken mussten.
 

Die restlichen Tage bis zur Premiere verbrachte ich so viel Zeit mit Seua, wie es unsere Termine zuließen. In dieser kurzen Zeit war ich ihm fast näher als in all den Monaten davor. Am Tag der Premiere versuchte ich die Gedanken an den bevorstehenden Abschied auszublenden. Das hier würde unser großer Auftritt werden, für den wir und das Team monatelang alles gegeben hatten. Da wollte ich diesen Gedanken keinen Raum geben. Gerade waren wir mit den anderen aus dem Cast in der Maske, auch Seua hatte ein Lächeln aufgesetzt. P’Sawa, der meine Haare stylte, war heute ungewöhnlich still. Ansonsten erzählte er mir gerne Geschichten aus Japan. Vermutlich lag es einfach am Stress, denn schon seit wir hier waren, ging es zu hektisch zu. Immer wenn ich Ray sah, war er am Telefonieren. Es war früher Nachmittag in ein paar Stunden sollte es losgehen. Bis dahin mussten noch Flughafenabholungen, Fans, Presse, Essen und Technik koordiniert werden. Kein Wunder, dass niemand großartig Zeit oder den Kopf für Smalltalk hatte. Unsere Premiere würde in einer großen Eventhalle mitten in der Stadt stattfinden. Draußen würden wir die Fans begrüßen, drinnen andere Stars und VIPs. Während wir es also verhältnismäßig entspannt angehen lassen konnten, war die Hektik um uns herum deutlich zu spüren. Äußerlich war ich zwar entspannt, innerlich sah es jedoch anders aus. Denn unsere Hektik würde erst noch kommen. All die Arbeit, die in diese Premiere gesteckt wurde, hatte es nicht verdient, dass irgendetwas schiefging. Vor allem sollte man sich nicht auf dem roten Teppich blamieren. Es würde das größte Event sein, dem ich beiwohnen und noch dazu im Mittelpunkt stehen würde. Ich atmete tief aus, versuchte mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Wie auch schon bei dem Fan-Event trugen wir Anzüge. Mittlerweile fand ich sogar, dass es mir auch ganz gut stand. Mein Blick blieb jedoch nicht lange bei mir, sondern fiel auf Seua. Er saß vor dem Spiegel, sein Gesichtsausdruck war entspannt. Meine Augen wanderten an ihm herunter, ich konnte mir einfach nicht helfen. Er sah im Anzug einfach zu gut aus. Seua bemerkte meinen Blick, grinste mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich grinste zurück. Vor einigen Monaten wäre ich vor Scham im Boden versunken, doch jetzt konnte ich es mühelos erwidern. Er stand auf, nahm meine Hand und zog mich mit sich. Ich hatte keine Ahnung, was er machen wollte, doch wir bahnten uns den Weg durch unzählige verschachtelte Gänge, vorbei an all den Menschen, die mitten in den Vorbereitungen für unseren Auftritt steckten. Niemand beachtete uns, weil sie alle zu vertieft waren. Falls Seua mich loslassen würde, würde ich den Weg nicht allein zurückfinden. Konsequent und ohne zu zögern, lief er die verschachtelten Gänge entlang und zog mich mit sich. Irgendwann kamen wir an einer ruhigeren Ecke an, wo er mich in einen kleinen Raum hineinzog.
 

Als er die Tür hinter uns schloss, wurde es stockdunkel. Ich hatte nicht eine Sekunde Zeit, mir über die Dunkelheit Gedanken zu machen, da drückte er mich gegen die Wand und küsste mich. Völlig überrascht davon, blieb mir kaum Zeit zu reagieren. Ziellos ließ ich meine Hände über seinen Körper fahren, erwiderte den Kuss. Seuas Überfall löste ein aufregendes Kribbeln in mir aus. Bisher konnte ich mich meistens mental auf einen Kuss vorbereiten, diesmal hatte ich überhaupt nicht damit gerechnet. Noch dazu kam die Dunkelheit, die mich ihm quasi blind auslieferte. Es fühlte sich an, als hätten wir alle Leute hinter uns gelassen und befanden uns in unserem eigenen Universum. Der Tiger hatte mich in eine Falle gelockt und ich liebte jede Sekunde davon. Spürte seinen Körper, der sich an mich drückte, seine Hand an meiner Hüfte und seine Lippen auf meinen. Ich fuhr mit meinen Händen unter sein Sakko, umschloss seinen Rücken. Ich ließ mich einfach fallen, war mir sicher, in diesem Moment hätte er alles mit mir machen können. Für eine Weile ließen wir uns treiben, genossen diesen intensiven Kuss, bis er keuchend von mir abließ. Auch ich brauchte Zeit, um wieder zu Atem zu kommen.

»P‘…«, brachte ich gerade so zwischen zwei Atemzügen hervor. Ich spürte seine Hand an meinem Gesicht, er fuhr mir mit dem Finger über die Lippen. Seine Berührung ließ mir einen angenehmen Schauer durch den Körper fahren. Ich war froh, dass wir uns in der Eventhalle und nicht im Hotelzimmer befanden.

»Was ist los, Cai?«, ich konnte hören, dass er grinste.

Lachend schüttelte ich den Kopf: »Nichts. Ich muss mich nur von diesem Überfall erholen.«

»Wenn ich zu..«, brachte er Zweifel an, doch ich zog ihn näher zu mir.

»Warst du nicht. Ich mochte es«, gab ich flüsternd zu, dankte der Dunkelheit dafür, dass sie meinen roten Kopf versteckte.

»Gut. Was sollte ich auch machen, als du mich mit diesem lüsternen Blick angesehen hast?«, gab er zurück und ich konnte mir genau vorstellen, was für ein Gesicht er gerade machte. Allein die Vorstellung machte mich verrückt, ich versuchte nicht ohnmächtig zu werden.

»W-was für ein lüsterner Blick? Ich kann doch nichts dafür, dass du so verdammt gut aussiehst.«

Auch er lachte: »Also gibst du zu, dass du mich angestarrt hast?«

»Das ist wohl mein gutes Recht«, gab ich zurück, versuchte mir das Zittern in der Stimme nicht anmerken zu lassen. Es gab mir einen Adrenalin-Kick, so mit ihm zu sprechen, weil ich mich sowas normalerweise nicht traute. Seua schien auch Spaß daran zu haben.

»Kann es sein, dass du auf Anzüge stehst?«, fragte er.

»Unter anderem. Aber in erster Linie stehe ich auf dich«, hauchte ich, tastete nach seinem Gesicht, zog ihn an mich und küsste ihn flüchtig.

»Der Tiger kann mich ruhig öfter entführen«, sagte ich und musste selber über meine kitschige Äußerung lachen. Er stimmte mit ein und wir standen eine Weile nur lachend da.

»Das wird er auch, Cai. Aber ich befürchte wir müssen zurück.«
 

Seua öffnete die Tür langsam, sodass meine Augen Zeit hatten, sich an das grelle Licht zu gewöhnen. Wir verließen den Raum und ich wollte gerade erleichtert aufseufzen, dass es niemand bemerkt hatte, da kam uns eine aufgebrachte Moon entgegen. Skeptisch musterte sie uns, ich konnte mir vorstellen, dass wir nicht mehr ganz so frisch aussahen. Sie zog beide Augenbrauen hoch: »Wisst ihr eigentlich, wie lange ich euch gesucht habe?«

In Moons Stimme schwang ein genervter Unterton mit, aber es machte mir nichts aus. Ich wusste, dass sie mir nie lange böse sein konnte.

»Ich weiß es nicht, aber bei dem Labyrinth hier kann ich es mir vorstellen. Sorry, Moon. Was ist denn?«, versuchte ich sie zu beschwichtigen. Nebenbei versuchte ich einigermaßen unauffällig meine Kleidung zu richten. Ich musste nur Seua ansehen, dann konnte ich mir vorstellen, wie ich selbst aussah. Dass ich mal in so einer Situation sein würde, hätte ich auch nicht gedacht. Moon beobachtete mich, aus ihrem genervten Ausdruck wurde ein Grinsen. Ihre langen schwarzen Haare waren zu einem hohen Zopf gebunden, der mit jeder Bewegung mitschwang. Dazu trug sie ihre Mondohrringe und ein kürzeres, schwarzes Abendkleid, welches glitzerte.

»P’Star hat nach euch gesucht. Was auch immer ihr Spannendes in diesem Raum gemacht habt, es wäre besser, ihr geht zu ihm«, sie grinste wissend.

»Du siehst toll aus«, sagte ich.

Geschmeichelt drehte sie sich, um ihr Outfit zu zeigen, blieb jedoch schnell wieder stehen:

»Vielen Dank, Cai. Aber lenk‘ nicht vom Thema ab. So wir ihr ausseht, solltet ihr vielleicht erst zu P’Sawa.«

Moon hielt mir ihr Handy mit eingeschalteter Frontkamera vors Gesicht und tatsächlich musste man das wohl doch etwas ausbessern. Ich seufzte und sie ließ kopfschüttelnd das Handy sinken.

»Hauptsache ihr hattet Spaß.«

Seua streckte ihr die Zunge raus, legte mir einen Arm über die Schulter: »Hatten wir.«

Das war typisch er. Wenn er einmal in diesem Modus war, konnte er es nicht lassen. Verlegen starrte ich auf eine Wand hinter ihr, versuchte einen erneuten Themenwechsel: »Warum hat P’Star dich geschickt?«

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie mit ihrem Zopf spielte: »Weil er weiß, dass ich euch überall finden würde? Nein, Cai. Du weißt doch, dass wir gerade am meisten Zeit haben. Er wollte Ray vermutlich den Nervenzusammenbruch ersparen.«

Ich fühlte mich ein bisschen schuldig, solche Aktionen zu machen, wenn alle für uns arbeiteten. Aber unsere Arbeit würde auch noch kommen, nur ein bisschen später. Moon hakte sich bei uns unter, zog uns in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Neben Seua war sie mir auch unheimlich wichtig. Anders als ihre Schwester, strahlte sie immer eine totale Ruhe auf mich aus. Ich lächelte bei dem Gedanken, wie gut ihre Spitznamen zu ihnen passten.

»Ach übrigens«, begann sie erneut. »P’Star lässt ausrichten, dass er euch den Rest des Tages nicht ohne Handy sehen will. Wäre schlecht, wenn seine Hauptcharaktere bei der Premiere abhandenkommen.«
 

Einige Stunden später war es so weit. Wir saßen in der Limousine, die uns zum roten Teppich fahren sollte. Selbstverständlich hatte P’Joe diese Aufgabe übernommen. Es war das erste Mal, dass ich mich direkt wie ein Star fühlte. Auch wenn wir ein bisschen schummelten, weil wir nur um die Ecke gefahren waren. Hauptsache es sah so aus, als würden wir ankommen. Neben Seua und mir saßen Dice und Pravat. Moon und Sun saßen uns gegenüber. Auch wenn ich sie anfangs nur anhand der Ohrringe unterscheiden konnte, gelang es mir mittlerweile besser. Ich brauchte nur auf die Sprache und Haltung achten, dann war es nicht mehr schwierig. Sun war immer sehr aufgedreht, Moon war ruhiger. Im Auto war es still, alle hingen ihren eigenen Gedanken nach. Zwischendurch tauschten wir unsichere Blicke, lächelten uns zu. P’Joe drehte sich zu uns um:

»Seid ihr bereit?«

»Ja«, sagten wir fast gleichzeitig, dann fuhren wir los. Als ich die ganzen Fans und die Presse am roten Teppich sah, wurde mir bewusst, dass ich meinen Traum lebte. Noch dazu in Ausmaßen, die ich mir nie zuvor erträumt hatte. Diese Leute waren wegen uns hier und egal was noch passieren würde, ich wusste, dass ich diesen Moment nie vergessen würde. Doch vor allem an dieses unglaubliche Gefühl wollte ich mich so lange erinnern wie möglich. Der Wagen hielt an, ein Mann im Anzug öffnete uns die Tür, genau wie in Hollywood. Ich hatte die Ehre, als Erster aussteigen zu dürfen. Noch bevor ich den Wagen verlassen hatte, hörte ich das Kreischen der Fans und das Klicken der Kameras. Diesmal hatte Ray es geschafft, mich vor dem Blitzlichtgewitter zu bewahren. Hinter mir stiegen auch die Anderen aus, wir winkten den Leuten zu, verteilten uns auf beiden Seiten, um den Fans Autogramme zu geben. Ich konnte nicht einschätzen, wie viele es waren, doch sie drängten sich dicht an dicht vor die Absperrung. Ich unterschrieb alles, Zettel, Fotos, Poster und sogar Handys. Für diesen Moment hatte ich extra geübt, meine Unterschrift schnell und trotzdem schön zu machen. Solange die Zeit es zuließ, machten wir auch Fotos mit den Fans. Ich fühlte mich wie in einem Rausch, tat was von mir verlangt wurde, ohne nachzudenken. Wir wechselten die Seiten, um uns so vielen Fans wie möglich zu zeigen. Wie in Trance unterschrieben meine Hände alles und ich lächelte für die Fans. Es waren schließlich sie, die das alles ermöglicht hatten. Irgendwann machte die Security uns klar, dass wir langsam ins Gebäude mussten. Dort fanden wir uns vor einer Wand an weiteren Kameras wieder, hinter uns das große Banner mit dem Titelbild von »Wolfsherz«. Es erinnerte mich ein bisschen an eine Oscar-Verleihung, denn hier machten sie die Bilder vom roten Teppich, die später auch der Öffentlichkeit gezeigt werden würden. Wir bekamen die unterschiedlichsten Anweisungen, machten Bilder mit dem gesamten Cast, allein oder zu zweit. Alle Konstellationen, die die Fotografen haben wollten. Meine Aufregung hatte sich gelegt, denn alles ging so schnell, dass ich gar keine Zeit hatte über irgendwas nachzudenken.
 

Wir betraten eine Bühne, in einem noch fast leeren Saal, hier würden wir unsere VIPs empfangen. Zusätzlich zu uns hatte sich auch das gesamte Team in diesem Saal versammelt, um der Premiere beiwohnen. Neugierig sah ich mich um, hinter uns ragte die Leinwand auf, vor uns lagen viele leere Plätze, einige davon waren für uns reserviert. Die fast geisterhafte Stille war ein angenehmes Kontrastprogramm zur lauten Kulisse, die wir davor erlebt hatten. Ab und zu sah man jemanden aus dem Organisationsteam vorbeihuschen. Einen Augenblick später schwangen die Saaltüren auf und einige Leute gingen in Richtung Bühne. Wer genau unsere VIPs im Einzelnen waren, wusste ich nicht. P’Star hatte es uns nicht mitgeteilt. Zusammen mit den Anderen begrüßten wir Stars aus der Branche, von denen ich kaum jemand kannte. Bei manchen kannte ich noch den Namen und in welchen Serien sie mitspielten. Die meisten sprachen sehr gutes Englisch und man musste gar nicht wissen, wer sie waren, sie strahlten diese Star-Aura aus. Einer, der gerade meine Hand schüttelte, fiel mir jedoch auf.

»Du bist Tan, oder? Der mit der Lampe am Set?«, fragte ich.

Tans braune Augen strahlten mich an: »Genau, der bin ich. Muss Seuas schlechtes Gedächtnis geschuldet sein, dass er immer die gleiche Geschichte erzählt.«

Seua hatte die Unterhaltung mitbekommen, er schüttelte lachend den Kopf: »Das nennt man Nahtoderfahrung, Tan.«

»Ja, ja.«

Er wandte sich wieder an mich, sah auch etwas erwachsener aus als der, den ich aus dem Drama kannte.

»Freut mich, Cai. Netterweise wurde ich bisher immer auf Seuas Premieren eingeladen, aber auf diese hier habe ich mich besonders gefreut. Ich habe das meiste mitbekommen und bin froh, dass ihr es trotz allem geschafft habt. Aber ich war mir nicht sicher, ob du die krasse Ankündigung direkt vor P’Stars Augen überleben würdest.«

Symbolisch ließ ich die Hände vor meinem Körper heruntergleiten: »Habs überlebt, wie du siehst. Aber es freut mich auch, ich kenne schließlich nicht so viele Stars.«

Er zwinkerte mir zu: »Das wird sich spätestens ab heute ändern.«

Wir lächelten uns an, dann begrüßte ich die Nächsten. Immer wieder schielte ich rüber zu Seua, konnte anhand der Begrüßung sehen, wen er gut kannte und wen nicht. Lange konnte ich mir das nicht ansehen, denn dann stand plötzlich eine Dame vor und ich brauchte einen Moment, um sie zu erkennen.

»P’Hope!«, entfuhr es mir und ich nahm sie in den Arm. »Du bist wirklich gekommen!«

»Bei der netten Einladung. Außerdem wann hat man schon mal die Chance auf einer echten Premiere zu sein?«

Ich ließ von ihr ab, betrachtete sie. Sie trug ein tiefrotes Abendkleid, die sonst zusammengebundenen Haare fielen ihr gewellt über die Schultern.

»Kein Wunder, dass ich gebraucht habe, dich zu erkennen, P’Hope. Du siehst toll aus!«

Es freute mich sehr, dass sie der Einladung gefolgt war, obwohl sie überhaupt nichts mit der Branche zu tun hatte. Ich fand es unglaublich mutig von ihr. Verlegen strich sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr: »Vielen Dank. Aber das habe ich nicht selbst gemacht. Wie geht es dir? Bist du aufgeregt?«

Ich schüttelte den Kopf: »Nicht mehr. Ich bin glücklich.«

»Das ist schön. Nach der harten Arbeit habt ihr euch das wirklich verdient.«

»Nicht nur wir, P’Hope. Du hast auch deinen Teil dazu beigetragen.«

Gerührt hielt sie sich die Hände vors Gesicht: »Ach, Cai. Ich habe doch nur meinen Job gemacht.«

Leicht klopfte ich ihr auf die Schulter: »Ja, aber einen verdammt Guten.«

Bevor ich P’Hope noch weiter in Verlegenheit bringen konnte, ging sie runter zu den Anderen.
 

Die nächste Person, die ich begrüßte, war Seuas Oma. Ich hatte nicht mit ihr gerechnet, freute mich aber darüber, dass sie da war. Wir begrüßten uns auf Thai. Ich wandte die paar Floskeln an, die ich doch noch irgendwann gelernt hatte. Sie nahm es erstaunt zur Kenntnis.

»Ich bin stolz auf euch«, sagte sie und es trieb mir fast die Tränen in die Augen.

»Danke«, sagte ich und legte die Hände zum Gruß zusammen. Sie war mit eine der Letzten, als mir drei bekannte Gesichter entgegenkamen. Hatte er etwa? Durch das Scheinwerferlicht geblendet konnte ich erst im letzten Moment erkennen, dass es sich um meine Familie handelte. Ich versuchte mich von dem ganzen Glück nicht überfordern zu lassen. Auch sie waren sehr schick gekleidet, was ich sonst nur selten zu Gesicht bekam. Mom trat vor: »Na, Cai? Mit uns hast du nicht gerechnet, hm?«

Tatsächlich stand ich für einen Moment erstarrt da, mein Gehirn musste es erst einmal verarbeiten. Sie lagen schon in meinen Armen, da fragte ich: »Wie kommt ihr denn nach Thailand?«

»Mit dem Flugzeug«, bemerkte Mitch trocken. Ich gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.

»Das weiß ich auch, du Depp. Ich meine..«

In diesem Moment ergriff Dad das Wort: »Cai, wir gehören zum Cast. Glaubst du da wird man nicht zur Premiere eingeladen?«

»Aber natürlich. Wie lange bleibt ihr?«

»Zwei Wochen. Es muss sich ja auch lohnen, wenn man schon mal da ist. Außerdem bezahlt der Sender alles«, erklärte Mitch grinsend. Das hieß, je nachdem welche Termine nach der Premiere noch anstehen würden, könnte ich noch etwas mit ihnen unternehmen.

»Richtig cool.«

Mom legte mir eine Hand auf die Schulter, sah mich liebevoll an: »Überhaupt, dass wir jetzt hier stehen, Cai. Ich kann es kaum glauben, bei der ersten Premiere meines Sohnes dabei sein zu können. Hoffentlich brauche ich keine Taschentücher.«

»Mom«, ich nahm sie noch mal in den Arm.

»Ihr wisst doch, dass ihr in meiner Story die Hauptcharaktere seid. Wenn du sowas sagst, werde ich derjenige sein, der Taschentücher braucht.«

Wir lachten. Dann gingen sie zu Seua, um ihn zu begrüßen. Er wurde herzlich umarmt, als würde er zur Familie gehören. Mom betrachtete ihn eingehend.

»Irgendwie habe ich mir gedacht, dass ich mit dir als Schwiegersohn rechnen kann, Seua. Aber Cai hätte es uns ja auch sagen können, bevor wir es aus den Nachrichten erfahren«, ihr Seitenblick war unmissverständlich. Ich schmollte gespielt:

»Sorry. Das kann halt passieren, wenn man einen berühmten Sohn hat.«

»Es sei dem berühmten Sohn verziehen.« Sie wandte sich wieder an Seua: »Wie auch immer, danke für alles, Seua.«

Er schüttelte den Kopf: »Das ist nicht nötig, Mom. Ihr habt wegen uns auch genug Arbeit gehabt.«

Die Beiden unterhielten sich noch eine Weile, währenddessen nahm Mitch mich zur Seite, legte mir einen Arm um die Schulter.

»Deine Idioten bei einer Premiere, damit hättest du nicht gerechnet, hm?«

»Nie im Leben. Aber genauso wenig damit, dass ihr mal in meiner Serie mitspielt, oder dass ich in Thailand arbeite, oder..einfach alles hier.«

Sie waren das letzte Puzzleteil, was mir noch zu meinem Glück gefehlt hatte. Wo sie da waren, würde das Puzzle zumindest für eine Weile komplett sein.

»Glaub ich dir. Weißt du eigentlich, dass dein Auftritt auf der PK, bei uns auch ziemlich groß in den Medien war?«, er sah mich grinsend an.

»Echt?«

»Naja, nach dem GMA-Interview nicht unbedingt verwunderlich, oder?«

»Stimmt.«

Mitch und ich hatten uns ein Stück von der Gruppe entfernt, um kurz zu reden. Da meine Familie die letzten VIPs waren, war das kein Problem. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Seua meinen Eltern seiner Oma vorstellte. Ich lehnte mich an eine Wand von der Bühne, ließ diesen Moment auf mich wirken. Mitch stand mit verschränkten Armen vor mir.

»Glückwunsch, übrigens. Scheint, als wäre deine Mission erfolgreich gewesen«, er deutete auf Seua. Nachdenklich nickte ich: »Ja, war sie. Auch wenn mein Geständnis im Fernsehen ziemlich riskant war.«

»Absolut. Aber ich bin froh, dass es geklappt hat. Mit zwei Stars in der Familie müssen wir erstmal auf den Ruhm klarkommen«, er zwinkerte mir zu. Ich sah ihn mit feuchten Augen an:

»Danke.«

Mal wieder wurde mir klar, was für eine tolle Familie ich hatte und dass es keinesfalls selbstverständlich war.

»Nicht dafür, Bruder«, wir schlugen ein. »Wer weiß, vielleicht sind die Leute so begeistert von mir, dass ich auch als Schauspieler anfangen kann.«

Es wäre schon eine verrückte Vorstellung. Aber ich war der festen Überzeugung, dass er in seinem Büro besser aufgehoben war.

»Klar. Träum weiter, Mitch«, ich lief wieder zu den Anderen.

»Hey!«, lachend lief er mir hinterher. »Weiß man doch nicht!«
 

Bevor wir feststellen konnten, ob Mitch auch ein Star werden würde, begann die Premiere der ersten Folge, die alle gespannt verfolgten. Auch ich, da wir bisher nur kleine Ausschnitte, aber nie das bearbeitete Gesamtwerk gesehen hatten. Es erfüllte mich mit Stolz, endlich das fertige Werk zu sehen, an dem so viele Leute gearbeitet haben. Unsere Serie. Ich musste aufpassen, in diesem Moment nicht zu rührselig zu werden.
 

Als die Party der Premiere begann, war es schon recht spät und ich war müde vom vielen Grinsen, bekam es trotzdem nicht aus dem Gesicht. Ich mochte die erste Folge sehr und war mir sicher, dass ich nicht der Einzige war, der das empfand. Gerade stand ich mit meiner Familie, Ray und Moon zusammen. Hörte mir aufgeregt die Meinungen zur Folge an. Mitch war natürlich derjenige, der sich als erster äußerte: »Das war krass. Ich hätte meinen eigenen Bruder gar nicht erkannt, wenn ich es nicht gewusst hätte. Hoffentlich müssen wir jetzt nicht so lange auf die nächste Folge warten.«

»Keine Sorge. P’Star wird euch nicht warten lassen«, lenkte Ray ein. Da sie vom Cast waren, würden sie die Folgen vorab sehen können.

Ich versuchte so gut wie möglich mit jedem der Gäste zu sprechen, lauschte den Stars, wie sie Geschichten von ihren eigenen Sets erzählten. Natürlich war man als Hauptdarsteller sehr gefragt, daher konnte ich mich immer nur kurz bei einzelnen Leuten aufhalten.
 

Irgendwann ging ich raus, um kurz frische Luft zu schnappen. Die Krawatte wurde langsam anstrengend, daher löste ich sie etwas. Die kühlere Luft draußen tat gut, ließ mich wieder ein bisschen wach werden. Ich sah Ray an einer Wand lehnen, er hatte die Augen geschlossen. Das Handy fiel ihm aus der Hand, daher trat ich vor und fing es auf. Dieser Anblick wunderte mich nicht, er war schließlich derjenige, der heute die meiste Arbeit hatte.

Meine Schritte weckten ihn: »Oh. Sorry, Cai.«

Ich gab ihm das Handy zurück, welches er in die Innentasche seines Sakkos steckte.

»Alles gut, Ray.«

Ich bemerkte seinen fragenden Blick: »Was gibt’s?«

»Ich weiß, das hast du heute schon den ganzen Tag gemacht, aber darf ich dich umarmen?«

Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen und drückte ihn an mich. Diesmal war keine Unsicherheit in seiner Umarmung, stattdessen erwiderte er sie.

»Wir haben es geschafft, oder Ray?«

Er klopfte mir freundlich auf den Rücken: »Ja, haben wir.«

»Danke, dass du mich und meine Aktionen immer aushältst. Jeder andere Manager hätte schon längst die Flucht ergriffen«, erklärte ich und ließ von ihm ab. Ich wollte den seltenen Moment nutzen, in dem wir Zeit zum Reden hatten, mich zu bedanken. Denn das tat ich bei ihm viel zu selten. Er grinste: »Deswegen kann auch nur ich dein Manager sein, Cai.«

»Ja. Aber ich glaube es reicht für heute, oder? Du musst ziemlich fertig sein«, besorgt beobachtete ich ihn. Es war nicht Rays Art, sich zurückzuziehen und sein Sekundenschlaf war wohl der beste Beweis dafür.

»Okay, ja. Wenn ich ehrlich bin, kann ich mich kaum noch auf den Beinen halten.«

»Offensichtlich. Ich habe heute den ganzen Tag nur Schatten von dir gesehen. Ich will gar nicht wissen, wie viel Arbeit das alles war.«

Er lächelte schwach, ließ wieder zu, dass die Müdigkeit ihn einnahm.

»Das ist wohl selbstverständlich. Du hast deine erste, große Premiere gehabt. Glaubst du da kann ich untätig herumsitzen?«

»Dann solltest du wohl eine Gehaltserhöhung verlangen, oder?«

Als er einen Schritt nach vorne machen wollte, strauchelte er und ich schaffte es noch, ihn aufzufangen. Oh verdammt, der hatte sein Limit mehr als erreicht.

»Auf jeden Fall! Ich rufe morgen direkt an und sage ihnen, dass mein bester Freund ein richtiger Star ist.«

Lachend schüttelte ich den Kopf: »Aber vorher sorgt dein bester Freund dafür, dass du nach Hause kommst.«
 

Die nächsten zwei Wochen hatten wir noch Termine, ansonsten verbrachten Seua und ich Zeit mit seiner Oma und meiner Familie. Zwar mussten wir die Security immer mitnehmen, schafften trotzdem ein bisschen Sightseeing. Ich hatte das Gefühl, meine Familie genoss die Aufmerksamkeit, die ihnen zukam, wenn sie mit uns unterwegs waren. Noch bevor die Abreise bevorstand, bat P’Star uns ein letztes Mal in sein Büro. Bei dem Gedanken, dass mir jetzt der nächste Abschied bevorstand, ließ ich die Schultern sinken. Ich legte Seua eine Hand auf den Rücken und diesmal war ich derjenige, der die Tür öffnete. Als wir reinkamen, saß P’Star nicht an seinem Schreibtisch, sondern auf einem Sessel mitten im Raum, vor dem ein kleiner Glastisch stand. Demgegenüber eine Couch.

»Setzt euch«, bat er uns und wir nahmen auf der Couch Platz.

»Warum seht ihr denn so bedrückt aus?«, im Gegensatz zu uns schien er bester Laune zu sein.

»Naja..«, wollte ich beginnen, doch er unterbrach mich mit einer Handbewegung.

»Erst einmal, herzlichen Glückwunsch. Wie ihr sicher wisst, war die Premiere ein voller Erfolg. Die Branche und Fans haben nur Positives zu berichten. Und Cai, du bist jetzt ein Star in Thailand«, erklärte er und mir gelang ein kleines Lächeln.

»Danke.«

Doch P’Star war noch nicht fertig: »Hört zu. Ich habe eine Möglichkeit, euch zumindest vorerst die herzzerreißende Flughafenszene zu ersparen.« Er griff hinter sich: »Die Autorin von »Wolfsherz« ist begeistert von euch. Daher hat sie mir direkt das nächste Skript gegeben.«

Plötzlich hatten wir ein Skript vor uns liegen, auf dem in großen Buchstaben: »Safe Zone« stand. Seua und ich sahen uns erstaunt an: »Das heißt?«

»Ich dachte mir, ich gebe euch noch ein bisschen Zeit, Entscheidungen zu treffen. Wenn ihr euch für »Safe Zone« entscheidet, bleibt erst mal alles wie es ist.«

Mein Herz schien sich kaum noch zu beruhigen. Sagte P’Star uns gerade etwa, dass wir an der nächsten Serie arbeiten konnten?

»Mit dem gleichen Team?«, fragte ich, versuchte mein Zittern zu unterdrücken.

Er nickte: »Ja, oder glaubst du der Sender kann sich so viele Teams leisten?«

Ich konnte es nicht glauben. Das hieß, wir mussten uns nicht verabschieden! Ich nahm P’Stars Hand und strahlte ihn an: »Natürlich machen wir das!«

Ich brauchte Seuas Antwort nicht abzuwarten, denn so wie er lächelnd das Skript ansah, gab es keine andere Möglichkeit. P’Star drehte sich erneut um, um irgendwelche Unterlagen vor mir auf den Tisch zu legen.

»Noch was, Cai.«

»Hm?«, ich war schon drauf und dran mit dem Skript zu verschwinden, um es zu studieren. Doch als ich auf dem Zettel das Senderlogo sah, hielt ich inne.

»Ich habe mir den Verantwortlichen vom Sender gesprochen. Wenn du dich dafür entscheiden solltest, dauerhaft in Thailand zu bleiben, können wir dich unter Vertrag nehmen. Mit Ray als Manager und Seua als festem Drehpartner«, beendete er den Satz und lehnte sich vor.

»Wirklich? Mich?«, das wäre die größte Ehre, die mir überhaupt jemand erweisen würde.

»Natürlich doch. Der Sender nimmt niemanden dauerhaft unter Vertrag, von dem er nicht überzeugt wäre.«

Der letzte Schritt zu meinem Traum lag vor mir und es war ein einziger Zettel. Auch wenn er uns erst noch Zeit geben wollte, diese Entscheidung zu treffen, ich wusste, dass es für mich keinen anderen Weg gab.

»Hast du einen Stift?«

P’Star reichte mir einen Stift und ich unterschrieb den Vertrag sofort. Erstaunt sah er mich an:

»Ganz sicher? Du willst nicht darüber nachdenken?«, versicherte er sich.

»Das habe ich schon, seit ich hier bin. Ich werde mir diese Chance nicht entgehen lassen«, sagte ich mit fester Stimme. P’Star gab mir die Hand: »Na dann. Herzlich Willkommen bei TMM TV. Auf weiterhin gute Zusammenarbeit.«

»Vielen Dank«, brachte ich heiser hervor.

Seua lachte: »Pass‘ auf, P’Star. Du wirst gleich umarmt.«

Ich stand tatsächlich auf, nahm P’Star in den Arm. Schließlich hatte auch er trotz unserer Aktionen immer an uns geglaubt.

»Da habe ich kein Problem mit, Seua«, erwiderte er lachend und klopfte mir auf den Rücken.

»Du brauchst dich nicht zu bedanken, Cai. Das hast du dir selbst erarbeitet.«
 

Ich hütete diesen Zettel wie einen Schatz, war mir sicher, dass ich ihn beizeiten einrahmen würde. Trotz der guten Nachrichten, blieb uns die Flughafenszene jedoch nicht erspart, denn wir mussten meine Familie dort verabschieden. Wir standen in der Abflughalle, ich erzählte ihnen begeistert von meinem Vertrag. Niemand schien sonderlich überrascht zu sein.

»Cai, Schatz. Wir haben schon damit gerechnet. Wir werden dich unterstützen und sind unheimlich stolz«, sagte Mom und wir stellten uns in eine Gruppenumarmung, weinten leise. Auch wenn es nur ein Abschied war und auch kein endgültiger, war es doch einer der schwersten. Mom löste sich, sah Seua an: »Pass‘ bitte gut auf Cai auf. Wenn er Mist baut oder dich nervt, dann ruf‘ mich jederzeit an, okay?«

»Klar, Mom. Mach‘ dir keine Sorgen, ich hab‘ den kleinen Wolf schon im Griff.«

Dann zog sie Seua mit in unsere Umarmung.

Wir sahen den dreien noch nach, blieben noch eine Weile am Flughafen. Seua fuhr mir liebevoll durch die Haare: »Und, Cai? Fühlt es sich trotzdem wie ein Happy End an?«

Ich schenkte ihm ein strahlendes Lächeln: »Ja!«
 

Ich hatte mich gegen die Heimat und für die Arbeit und die Liebe entschieden. Mir war von Anfang an klar, dass es nur mit einem Kompromiss ging. Dass es etwas geben würde, was ich zurücklassen musste. Es war der Tag, an dem ich am traurigsten und glücklichsten gleichzeitig war.
 


 


 

Ein paar Wochen später
 

Aufgeregt sprang ich aus dem Bett, machte mich bereit für den ersten Drehtag von »Safe Zone«. Nicht nur, war ich gespannt darauf Seua als Gangster zu sehen, sondern ich freute mich auch darauf, dass Team wiederzusehen. Alle waren sehr glücklich darüber gewesen, als in einer Pressemitteilung verkündet wurde, dass ich ab jetzt offiziell Teil des Senders war. In weniger als ein paar Minuten war ich fertig, während Seua immer noch selig schlummernd im Bett lag. Immer diese Unprofessionellen. Ich nahm seinen Arm und zog daran: »P‘! Komm schon, wir müssen ans Set!«

Von ihm kam nur ein undeutliches Grummeln. Wieder zog ich an seinem Arm, da packte er mich, zog mich mit einem Ruck nach vorne, sodass ich auf ihm landete.

»Du bist ja doch wach!«, beschwerte ich mich gespielt. Seua legte mir eine Hand in den Nacken und küsste mich: »Ja, bin ich.«

Dann drückte er mich an sich: »Fünf Minuten noch, okay?«

Seufzend ließ ich mich darauf ein, legte meinen Kopf an seine Brust. Es war ähnlich wie bei Wolf. Ich war nach Thailand gekommen, um zu arbeiten, doch bleiben würde ich wegen ihm. Dem Tiger, der gerade wieder drohte, in den Tiefschlaf zu fallen. Ich rappelte mich auf, zog ihn nach oben. Seua setzte sich auf, legte die Arme um mich.

»Das waren keine fünf Minuten«, sagte er verschlafen. Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange und befreite mich aus seinem Griff.

»Ich weiß. Aber jetzt komm‘, wir wollen Ray und P’Star nicht schon am ersten Tag ärgern, oder?«, lachend zog ich ihn aus dem Bett.

»Na gut.«

So begannen Seua und ich unseren neuen Alltag als Drehpartner und auch wenn sich nicht viel geändert hatte, fühlte es sich für mich wie ein Neuanfang an.
 


 

-Ende-
 

18.03.2023 ©HalcyTheWolf


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich kann es selbst kaum glauben, aber ich habe es nach Jahren mal wieder geschafft, eine längere Story fertigzustellen <3 "Wolfsherz" zu schreiben hat mir unglaublich viel Spaß gemacht und ich weiß, dass ich meine Jungs sehr vermissen werde T.T Ich denke, dass ich mein Genre jetzt gefunden habe XD

Ich werde noch einiges im Bereich BL schreiben, also bleibt gerne gespannt ~ Komplett anzeigen

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