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Wolfsherz

In den Augen des Tigers
von

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Der Wolf und der Unfall

Ohne es wirklich zu merken, stand ich vor Rays Tür, das Drehbuch immer noch in der Hand. Mit zitternden Händen klopfte ich an und er öffnete grinsend die Tür. Doch statt zu warten, ging ich sofort an ihm vorbei ins Zimmer. Ich klopfte auf das Drehbuch: »Ray! Das..« Immer noch grinsend schloss er Tür, brachte mich mit einer Handbewegung zum Schweigen.

»Erinnerst du dich an dein Versprechen im Flugzeug? Nicht meine Schuld, ich habe mehrfach versucht, dich zu warnen.«

Fuck! Natürlich konnte ich nichts dagegen sagen, ich war selber schuld. Ich hatte mir weder seine Zweifel angehört noch darüber nachgedacht, dass Thailand notorisch für seine BL-Produktionen war. Ich ballte die Hand zur Faust. Ray lief auf mich zu, verstellte seine Stimme: »Ohh, P’Wolf, küss‘ mich! Los, den Vertrag hast du doch schon unterschrieben.«

Genervt stieß ich ihn weg. Das durfte ich mir jetzt die ganze Zeit anhören, denn vermutlich hatte Ray darauf spekuliert, dass es genauso enden würde. Gut, das hatte er sich wohl verdient. Doch er merkte auch, wie geschockt ich war und wurde schnell wieder ernst.

»Was machst du jetzt?«

Ich war noch nicht über den Fakt hinweg, dass ich gerade einen Vertrag unterschrieben hatte, ohne ihn zu lesen. Warum war ich so blöd? Das war so eine verdammte Caiden-Aktion! Erst handeln, dann denken.

»Was soll ich denn machen? Ich werde das Drehbuch lesen und den Rest des Tages heulen, weil meine eigene Dummheit mich hierhergebracht hat.«

Besorgt sah er mich an: »Nicht dein Ernst, oder?« Ich ließ mich in den Sessel sinken, der vor dem Tisch stand, legte das Drehbuch darauf ab.

»Ehrlich gesagt würde ich mich jetzt gerade gerne in Luft auflösen. Aber ich weiß, dass es dafür zu spät ist. Ich weiß, dass es Leute gibt, die diese Serie sehen wollen. Ich weiß, dass sehr viele Leute sehr hart gearbeitet haben und arbeiten werden, um das umzusetzen. Ich habe unterschrieben, also werde ich es durchziehen. Ein guter Schauspieler ist nämlich jemand, der alles spielen kann«, auch wenn ich das mehr zur mir selbst als Absicherung sagte, fühlte es sich gut an.

»Das stimmt. Also ich mag das Konzept der Serie und Seua hat schon in einigen BL-Produktionen mitgewirkt, er kann dir bestimmt helfen. Aber ich bin wirklich froh, dass du dich der Herausforderung stellen willst, Cai. Diese Serie wird deiner Karriere sehr guttun, da bin ich mir sicher. Die Frage ist nur: Kannst du dich überwinden, einen Typen zu küssen?«

Mal abgesehen davon, dass ich noch nicht wirklich viele Menschen in meinem Leben geküsst hatte und auch sonst von sowas keinen Plan hatte, klar, wieso fangen wir nicht direkt mit einem Typen an? Ich fuhr mir mit der Hand durchs Gesicht. Ich hatte großkotzig gesagt, dass ich die Herausforderung annehmen würde, also konnte ich mich davon nicht mehr lossprechen.

»K-klar! Das kriege ich schon hin. Ich will groß rauskommen und dafür werde ich alles tun«, ich stand auf und klopfte mir gegen die Brust. Ich fühlte mich wie der größte Betrüger von allen. Ray nickte, hatte schon wieder dieses überlegene Grinsen aufgesetzt: »Gut, packen wir’s an. Falls du schon üben willst, Seua wohnt gegenüber.«

»Halts Maul.«
 

Zurück in meinem Zimmer hielt ich das Drehbuch weit weg von mir. Es fühlte sich an, als würden aus diesem Buch plötzlich Schlangen herauskommen. Als wäre es etwas Verbotenes, was ich auf keinen Fall öffnen durfte. Wollte ich das überhaupt lesen? Was würden Wolf und Nok noch alles miteinander anstellen? Ich hatte schlichtweg gesagt keine Erfahrung mit sowas und es fühlte sich an, als würde plötzlich eine riesige Wand vor mir stehen. Diese Wand konnte ich nur überwinden, wenn ich mir der Sache stellte. Entschlossen atmete ich auf. Mach‘ mich berühmt, Thailand! Wieder legte ich mich auf die Couch, las diesmal ein bisschen die Szenen. An der ein oder anderen Stelle blieb ich jedoch hängen…
 

Wolf fuhr mit seiner Hand unter das Hemd von Nok, biss sich auf die Lippe und sah ihn an.
 

Je mehr ich las, desto schlimmer wurde es. Ich konnte mein Herz schon rasen spüren, wenn ich nur daran dachte, diese Szenen zu drehen. Von wegen Wolf! Küken würde wohl besser zu mir passen. Die Thais spielten nicht rum, wenn es um ihre Serien ging, die machten voll ernst. Ich ging zum Anfang zurück, sah mir zunächst die harmlosen Szenen an. Da kam mir ein Gedanke. Wie hatte mal jemand gesagt, wenn man seine Ängste überkommen wollte, musste man sich ihnen stellen. Vielleicht war Rays Idee mit dem Üben gar nicht so schlecht. Ob ich Seua fragen sollte? Er ist schließlich mein Drehpartner und hatte sowas schon öfter gemacht. Es war zwar spät, aber es ließ mir keine Ruhe. Ich brauchte jemanden, der sich auskannte. Jetzt. Seufzend stand ich auf, verließ mein Zimmer und klopfte vorsichtig drüben an. Seua öffnete die Tür, halbnackt, mit nassen Haaren, nur mit einem weißen Handtuch bekleidet. Na dann können wir direkt die Kamera laufen lassen. Ich erlaubte mir einen kurzen Blick auf seinen Oberkörper und musste eingestehen, dass er sehr gut trainiert war. Ich schüttelte mich.

»P’Seua hast du Zeit für mich? Wenn du dich angezogen hast?«.

Er lächelte mich an. Doch wenn er lächelte, verwandelte sich sein Gesicht und seine Augen wurden zu Halbmonden. Ich wusste schon immer, dass asiatische Augen gefährlich für mich waren.

»Gewöhn‘ dich schon mal an den Anblick, N’Cai. Komm rein«, sagte er und trat zur Seite. Vorsichtig ging ich ins Zimmer, sah sofort das Drehbuch auf seinem Tisch. Offenbar bereitete er sich auch schon vor. Kurze Zeit später kam er aus dem Bad, trug ein weißes Shirt und eine lange, graue Jogginghose. Während er sich auf die Couch setzte, hielt ich meinen Sicherheitsabstand von mindestens fünf Metern ein. Neugierig sah er mich an: »Was gibt’s?«

»Naja, ich..um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, dass es sich um eine BL-Produktion handeln würde. Ich meine, generell bin ich offen für sowas, aber ich habe keinerlei Erfahrung. Ich dachte, vielleicht kannst du mir ein bisschen erzählen, wie das so ist, weil du ja schon bei mehreren mitgespielt hast«, schwafelte ich vor mich hin. Seua klopfte neben sich auf die Couch: »Als allererstes solltest du versuchen nicht so steif zu sein, N’Cai. Setz‘ dich, dann helfe ich dir.« Ich setzte mich auf den äußersten Rand der Couch, so weit weg, wie es möglich war. Seua streckte sich, legte mir einen Arm um die Schultern und zog mich an sich. »Dein Sicherheitsabstand wird dem Team nicht gefallen. Den solltest du schnell loswerden.« Das er das so einfach konnte! Er kannte mich nicht mal! Ich saß da, wie eingefroren, spürte seinen Atem an meinem Hals. Mit Ray war ich zwar befreundet, aber selbst mit ihm war ich nicht so. Wir umarmten uns höchstens mal. Sieh‘ ihm nicht in die Augen, Cai. Sieh‘ ihm nicht in die Augen, wiederholte ich im Inneren. Doch es nützte nichts. Ich konnte nicht anders, musste ihm einfach in die Augen sehen. Sie glitzerten mich an.

»Das mit dem Starren kannst du schon gut, N’Cai.«

Peinlich berührt rückte ich von ihm weg. Seua führte einfach ganz normal das Gespräch weiter.

»Am Anfang wird es dich ein bisschen Überwindung kosten, vor allem wenn man es noch nie gemacht hat. Aber selbst für erfahrene Schauspieler ist das nicht leicht. Man muss sich immer wieder auf neue Personen einstellen. Wo sind ihre Grenzen? Wird man sich gut verstehen? Das sind alles Dinge, die man im Laufe herausfinden wird. Solange man einen guten Drehpartner hat, ist das irgendwann kein Thema mehr. Meistens macht es auch richtig Spaß. Versuch‘ einfach so wenig Hemmungen wie möglich zu haben. Am wichtigsten ist, dass du wirklich auch sagst, wenn es etwas gibt, was dich überfordert. Die Leute am Set werden dir das nicht übelnehmen. Achso, falls es dir hilft, fass‘ mich ruhig an, ich habe da nichts gegen«, sagte er, sah mich freundlich an.

Das habe ich auch schon gemerkt. Doch tatsächlich beruhigten mich Seuas Worte etwas. Wie bei den meisten Dingen, war es einfach etwas, an das man sich gewöhnen musste, nichts weiter.

»Ich verstehe. Danke, P’Seua. Mir geht es schon etwas besser.«

»Sehr gut. Versuch‘ dir nicht zu viele Gedanken zu machen, hab einfach Spaß. Wenn irgendetwas ist, komm‘ ruhig zu mir. Ich werde dich unterstützen, so gut ich kann.«

Erleichtert atmete ich auf, es tat gut zu wissen, dass es jemanden gab, an den ich mich wenden konnte.

»Also gut, ich werde in der Serie dein Mentor sein und du wirst mein Mentor im echten Leben sein«, fasste ich es noch einmal zusammen.

»Deal. Wollen wir ein bisschen die Texte üben?«, schlug er vor und gab mir das Drehbuch in die Hand. Ich war zwar müde, aber ich sollte gerade in meiner Situation jede Übung mitnehmen, die ich konnte. Seua holte ein Tablet hervor, auf dem er das Drehbuch hatte. Zusammen gingen wir unsere Dialoge durch, ich versuchte dabei vor allem auf die Betonung zu achten. Währenddessen verwandelte sich Seua in seinen Charakter Nok, saß auf einmal mit gesunkenen Schultern da, die Hände im Schoß und den Blick nach unten gerichtet. Ich konnte nicht anders als die perfekte Körpersprache von ihm zu bewundern. Ich richtete mich auf, sah ihn an. In dieser Konstellation übten wir die einzelnen Texte und ich versuchte dabei immer wieder ihm näher zu kommen, doch noch war ich nicht so weit. Seua zwang mich aber auch nicht. Er respektierte meine Grenzen, was ich ihm sehr hoch anrechnete. Irgendwann würde ich schon bereit sein, spätestens wenn der Dreh anfing.
 

Ein paar Stunden später lehnte ich mich erschöpft zurück. Wir waren schon fast bis zur Hälfte des Drehbuches gekommen, da war Seua echt untröstlich. Ich legte das Drehbuch weg, schloss nur kurz die Augen…
 

»Guten Morgen, N’Cai«, hörte ich und sah die Augen des Tigers direkt vor mir. Schnell setzte ich mich auf. Ich sah die Decke über mir und das Drehbuch auf seinem Tisch. Verdammt.

»Sorry, P’Seua. Ich bin eingeschlafen«, sagte ich noch im Halbschlaf. In der zweiten Nacht direkt bei jemand anderem pennen, wie peinlich! Immer wenn ich daran dachte, in welcher Situation ich mich befand, war mir klar, dass es in diesem Fall nicht unbedingt harmlos sein würde, bei einem Typen zu übernachten. Seua war schon angezogen, knöpfte gerade die Ärmel seines Hemdes zu.

»Kein Problem. Wenn mich was stört, sage ich das meistens direkt«

»Heißt mit anderen Worten, du würdest mich rausschmeißen, wenn ich nerve?«, versicherte ich mich.

»Ganz genau. Aber du solltest aufstehen. Ray sucht dich bestimmt schon.«

Gähnend stand ich auf, da war Seua schon fast zur Tür raus. »Ich sag‘ Ray Bescheid, dass er unten warten soll«, sagte er.

»Danke.«
 

Ich ging rüber, um mich auch anzuziehen. Nebenbei sah ich auf mein Handy, drei unbeantwortete Anrufe und mehrere Nachrichten von Ray. Das war verdammt seltsam. Ich war jemand, der schon wegen des Jobs das Handy nie auf stumm stellte, ich hörte mein Handy immer. Entweder habe ich extrem gut geschlafen, oder Seua hatte es abgestellt. Ich konnte nur hoffen, dass er mich beim Schlafen nicht beobachtet hatte. Ray stand mit Seua unten in der Lobby und Rays Gesicht verwandelte sich von besorgt in verärgert. Oh nee, bitte nicht. Ich bin noch nicht mal wach. Er atmete gerade ein, um zu reden, da schüttelte ich den Kopf.

»Spar‘ dir das für den Zeitpunkt auf, an dem ich wach bin. Lass‘ uns fahren.«

Ohne ihn weiter zu beachten, ging ich raus in Richtung Auto. Dort wartete schon der uns zugeteilte Chauffeur. Er war immer sehr höflich und zuvorkommend, was mich sehr beeindruckte. Ich glaube schon, dass manche Schauspieler ziemlich abgehoben sein konnten. So wie es aussah, würde uns dieser Mann die ganze Zeit über kutschieren, also beschloss ich, mich bei der nächsten Gelegenheit bei ihm zu bedanken. Das fing schon damit an, dass ich mir seinen Namen gemerkt hatte.

»Guten Morgen, P’Joe.«

»Guten Morgen, Khun Cai.«

Ray setzte sich nach vorne, ich stieg hinten ein, staunte nicht schlecht, als plötzlich Seua neben mir saß.

»Du fährst bei uns mit?«, fragte ich erstaunt. Er verzog das Gesicht zu einem Schmollmund:

»Darf ich das nicht?«

»Doch, es wundert mich nur, weil du doch garantiert deinen eigenen Fahrer hast.«

»Habe ich. Aber mein Manager meinte, es stört ihn nicht, wenn ich bei euch mitfahre. Außerdem habe ich beschlossen, so viel Zeit wie möglich mit dir zu verbringen«, wieder setzte er dieses leichte Lächeln auf.

»O-okay? Weil..?«, fragte ich und konzentrierte mich auf die Autos, die ich auf meiner Seite sehen konnte.

»Damit du dich dran gewöhnst.«
 

Am Sender angekommen, betraten wir denselben Raum mit den Namensschildern wie gestern, Seua saß natürlich neben mir. Als alle da waren, begann P’Star:

»Ab heute starten wir in unseren zweiwöchigen Workshop, in dem einiges auf dem Programm steht. Heute werden wir gemeinsam das Drehbuch lesen und auch das Shooting für die Cover-Fotos machen. Den Zeitplan habt ihr gestern schon bekommen, grundsätzlich ist das Ziel hierbei, dass ihr euch bestmöglich kennenlernt, untereinander und auch, dass ihr das Drehbuch kennenlernt.«

Wie ich Seua mittlerweile kannte, würde er schon dafür sorgen, dass wir uns gut kennenlernten. Neben Seua und mir gab es noch vier andere Hauptdarsteller. Die beiden Zwillinge, die Sun und Moon hießen, im Drama Ying und Yang. Dann noch der etwas dreinschauende Rivale Dice mit dem wuscheligen Haar, im Drama und sein Sidekick Pravat im Drama, bis auf ich waren alle anderen Thailänder. Ich legte das Drehbuch vor mich und wir begannen mit der ersten Lese-Session. Es ging darum, die Texte kennenzulernen, zu verstehen, wie der Charakter spricht und die Betonung zu üben. Dadurch, dass ich schon ein bisschen geübt hatte, fiel es mir leichter, noch mehr Emotionen und Betonung in die Texte zu bringen. Sie mit Leben einzuhauchen. P’Wolf auferstehen zu lassen. Für ein paar Stunden beschäftigten wir uns mit dem Drehbuch, lasen die Szenen mehrfach, bekamen Anweisungen und setzten diese um. Ich mochte die Story und es machte wirklich Spaß, die Szenen zu lesen. In einer Pause waren wir Darsteller untereinander, Sun und Moon sahen mich aufgeregt an. Ich sah sie lange an, aber konnte überhaupt keine Unterschiede zwischen den beiden festmachen, außer der Kleidung. Ihre langen, schwarzen Haare trugen sie offen, beide hatten einen geraden Pony. Die mit der blauen Bluse sprach mich an: »Ich habe gehört, dass du die Rolle sofort angenommen hast! Warst du gar nicht nervös? Ich meine, das ist ein komplett anderes Land! Wenn ich das in den USA machen müsste, ich würde sterben!«

Ich mochte diese Ehrlichkeit, daher wollte ich auch ehrlich sein: »Natürlich bin ich nervös.«

Vor allem, weil ich gar nicht wusste, auf was ich mich einließ. »Aber ich liebe Asien einfach und wollte mir diese Chance nicht entgehen, bei dieser Produktion mitzuwirken.«

»Voll cool. Ich bewundere deinen Mut«, sagte die Andere, die eine ähnliche Stimmlage hatte.

»Danke. Ich muss aber sagen, es hilft mir auch, dass ihr alle so gut englisch könnt!«, gab ich die Bewunderung zurück. Doch sie schüttelte den Kopf: »Das war eine Voraussetzung, als sie uns gecastet haben. Ich glaube sie wollen hier nicht nur eine Serie machen, sondern auch ein bisschen Länderverständigung. Vermutlich, um den Tourismus zu fördern.« Ich wusste nicht wirklich, ob es dem Tourismus half, wenn sie Seua und mich zusammen sahen...aber wenn doch, warum nicht.

»Was hast du denn in den USA für Serien gemacht?«, fragte sie weiter. Ich hoffte sie erwarteten jetzt keine großen Hollywood-Produktionen. Verlegen kratzte ich mich am Kopf:

»Naja, noch nicht so viel. In den meisten Serien war ich nur Nebendarsteller, die Serie, die ich vor Thailand gedreht habe, war meine erste Hauptrolle. Nur eine kleine Romanze.« Ich zeigte den anderen die Serie online, da ich schon stolz darauf war. Dann tauschen wir untereinander noch Nummern aus, gründeten unsere eigene Gruppe auf LINE.

»Alles klar. Dann hoffe ich, dass du dich gut in Thailand einlebst, aber wenn irgendetwas ist, kannst du uns jederzeit fragen, wir sind alle im gleichen Hotel«, erklärte die Andere.

»Danke. Ich fühle mich auch echt nett aufgenommen hier. Aber eine Frage habe ich«, sagte ich und sah die Mädels an.

»Hm?«

»Wie kann man euch auseinanderhalten?«

Sie lachten, dann deuteten sie gleichzeitig auf ihre Ohrringe. Die eine trug Sterne, die andere Monde. Auch ihre Armbänder hatten die gleichen Symbole.

»Okay, ich werde in Zukunft darauf achten.«
 

Danach stand schon der nächste Termin an. Wir begaben uns in das Fotostudio des Senders, wo wir die Promo- und Cover-Bilder für die Serie aufnehmen sollten. Im Studio hatten sie schon die Kulisse aufgebaut. Passend zu unseren Charakteren war es ein Wald, vor dem wir posieren sollten. Staunend betrachtete ich die selbstgebauten Bäume, die unglaublich echt aussahen. Dazu hatten sie einen Wolf und einen Vogel aus Pappe gebastelt, die im Set standen. Wenn man nicht genau hinsah, konnte man fast meinen der Wald sei echt. Wir mussten in die Maske und ich sah Ray hinter mir im Spiegel. Er sah nicht mehr angespannt aus, wie heute Morgen, aber er sah immer noch aus, als würde er mir gerne was sagen. Doch er sagte nichts, wollte mich wohl nicht von der Arbeit ablenken. Die Maskenbildnerin unterhielt sich mit mir, auch sie sprach sehr gutes Englisch. Ich war dem Sender sehr dankbar, dass sie darauf achteten, dass ich alle und alles verstehen konnte. Diesmal durfte ich auch das Outfit der Thai-Uni anziehen. Ich betrachtete mich im Spiegel und fand, dass es echt gut aussah. Plötzlich legte jemand seinen Kopf auf meine Schulter, ich zuckte zusammen. Über den Spiegel sah Seua mich an. Während mir einer warmer Schauer über den Rücken lief, als ich seinen Körper an meinem Rücken und seine Haare in meinem Nacken spürte, lächelte er. Ganz gefährlich.

»Steht‘ dir wirklich gut, unsere Uniform.«

Ich musste schlucken, wandte meinen Blick ab: »D-danke.«

Zum Glück erlöste mich die Kreativdirektorin, indem sie alle ans Set bat. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Alle vom Cast trugen die Uni-Klamotten, bei den Mädels waren es Röcke statt Hosen. Vor der Waldkulisse wurden wir aufgebaut. Links standen die Mädels, rechts Dice und Pravat, in der Mitte sollten Seua und ich auf Kisten sitzen. Er auf einer kleinen, ich auf einer größeren dahinter.

»Also, Cai, du setzt dich hin, legst dein Kinn auf seinen Kopf und lässt die Arme über seine Schultern fallen«, kam die Anweisung von der Direktorin. Bleib‘ ruhig, Cai. Seua hat gesagt, du darfst ihn anfassen, als mach das auch. Ich setzte mich, sah seinen Kopf vor mir, legte dann mein Kinn darauf. Seine Haare kitzelten mich, sie rochen nach Erdbeere und Haarspray. Die Arme ließ ich locker über seine Schultern fallen, legte meine Hände zusammen vor seiner Brust. Ich spürte den Stoff an meinen Armen.

»Seua, du schaust bitte geradeaus in die Kamera. Bis auf Dice und Pravat möchte ich, dass alle lächeln. Cai bitte dein schönstes Lächeln, Seua bei dir kann es ruhig etwas subtiler sein.«

Alle nahmen ihre Positionen ein dann *klick*. Ich blinzelte, meine Augen brauchten etwas, um sich an den Blitz zu gewöhnen. Ich war nicht wirklich gut damit, wenn sich das Licht schnell änderte. Nach ein paar Sekunden ging es wieder. Beim zweiten Mal musste ich mir jedoch die Augen abschirmen. Seua drehte sich zu mir um. Leise fragte er: »Alles okay?«

»Ja, schon. Der Blitz ist nur etwas anstrengend für mich«, gab ich zu. Früher oder später würde das ohnehin zum Thema werden, daher sprach ich es lieber direkt an.«

Seua wandte sich an den Fotografen: »Können wir das auch ohne Blitz machen?«

Ich wollte nicht, dass sie wegen mir Ausnahmen machen mussten, aber ich war unheimlich erleichtert, dass er gefragt hatte. Das würde mir sehr helfen. Kurz zögerte der Fotograf, dann sahen wir seinen Daumen nach oben.

»Kein Problem.«

Wir nahmen wieder unsere Positionen ein, schafften es recht schnell, ein schönes Cover zu shooten. Wir machten noch einzelne Fotoshootings der verschiedenen Charaktere, dann die Mädels zusammen, Dice und sein Partner und zum Schluss Seua und ich. Die Kulisse war jedoch diesmal ein einfarbiger grüner Hintergrund. Unschlüssig stand ich vor ihm, wartete auf die Anweisungen des Fotografen. Ich konnte nicht damit aufhören, an meinen Klamotten herumzufriemeln, solange bis jemand von den Kostümdesignern es wieder richten musste. Seua trat einen Schritt auf mich zu, ich spürte sein Gesicht an meinem Ohr. Für einen Moment hielt ich den Atem an. Was auch immer er vorhatte, es half nicht. Ich hörte das Klicken der Kamera und erschrak kurz.

»Warte doch erst die Anweisungen ab, bevor du nervös wirst. Schalt dein Kopfkino aus und konzentrier dich nur auf die Arbeit, die vor dir liegt«, flüsterte er und trat dann wieder zurück.

Dann solltest du mich vielleicht nicht zu Kopfkino veranlassen, Seua. Aber er hatte Recht. Ich musste mich in Wolf hineinversetzen, der würde das komplett cool abhandeln.

»Leg‘ Seua einen Arm um die Schulter und lächle verschmitzt in die Kamera«, war die erste Anweisung, die ich auch recht gut umsetzen konnte. Es war schließlich nicht das erste Mal. Das Kumpelhafte war nicht das Problem, seine Nähe war es. Trotzdem drückte ich ihn an mich und schenkte der Kamera mein frechstes Lächeln.

»Sehr schön, ihr zwei. Genauso will ich das haben«, das Lob des Fotografen spornte mich an. Seua konnte nur mit seinem Blick Schüchternheit rüberbringen, brauchte dafür nichts, von den Dingen, die sie dafür manchmal in Dramen benutzen.

»Cai, als nächstes nimmst du bitte seine Hände und siehst ihn liebevoll an.«

Noch bevor ich reagieren konnte, nahm Seua meine Hände, damit ich mich nicht erst überwinden musste. Dankbar lächelte ich ihn an. *Klick*

»Das war süß, aber jetzt brauche ich noch einen liebevolleren Blick von dir, Cai. Stell‘ dir vor, vor dir ist etwas, was du von ganzem Herzen liebst.«

Was ich liebe? Meine Eltern, meine Playstation, Asien, meinen Hund. Es war nicht leicht, sich Seua als Gegenstand vorzustellen, also blieb ich bei dem Hund. Ich stellte mir vor, mein Hund würde mir Pfötchen geben und so ein süßes Gesicht machen, dass ich gar nicht anders konnte als dahinzuschmelzen. Das schien dem Fotografen zu gefallen, die Kamera wurde gar nicht mehr still. Vielleicht war das meine Gewinner-Taktik, um von diesen Augen nicht hypnotisiert zu werden.

»Super. Ein Bild brauche ich aber noch. Cai, du legst deine Hand in seinen Nacken, dann kommt ihr euch so nah, als wärt ihr kurz davor, euch zu küssen.«

Sofort ließ ich seine Hände los. Neugierig sah Seua mich an, fragte sich wahrscheinlich, ob ich mich das trauen würde. Ich würde ihm schon zeigen, dass er mich nicht unterschätzen sollte. Seua war ein bisschen größer als ich, daher musste ich mich ein bisschen strecken. Ich legte meine Hand in seinen Nacken, wendete dabei aber zu viel Kraft auf, sodass er nach vorne stolperte. Ehe ich mich versah, lagen seine Lippen auf meinen. *Klick*



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