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Under these Scars

Teil Vier der BtB Serie
von

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A conflagration of old fire and madness

In Dauerschleife lief es in seinem Kopf ab. 

 

Naoki. Asuma. Shikamaru. Genma. Tenka. ANBU. KERN. Danzō. Mushi. Mizugumo. Genma. Naoki. Asuma. Shikamaru. Genma…

 

Wieder und wieder kam es in einem Kreis zurück wie ein Tier, das seinen Schwanz jagte. 

 

Wo hat es angefangen? Und wie wird es enden?

 

Im Schatten einer schmuddeligen Gasse hockend, tippte sich Kakashi mit aneinander gelegten Fingern gegen die Lippen, schloss die Augen und sah noch mehr Kreise und noch mehr Namen; ein konstantes Rad in konstanter Bewegung. 

 

Pakkun hatte ihn gewarnt, das nicht weiter zu verfolgen. Und das nicht nur einmal. 

 

Doch Kakashi hatte nicht auf diese grummelige kleine Stimme der Vernunft gehört; stattdessen hatte er auf Bauchgefühl und alte Ahnungen gehört, um dem Geruch von Skandal direkt bis zum Ursprung zu folgen. Und jetzt kamen ihm nur noch die gefährlichen Gerüche von Kaninchenbauten und Rattenfallen in den Sinn, ein kompliziert angelegtes Gewirr mit tiefen Geheimnissen und düsteren Fundamenten.

 

KERN…

 

Diese Angelegenheiten hätte er eigentlich direkt zur Hokage bringen müssen. Diese ganze Situation mit Naoki roch nach Schmutz und Blut; die Art, die sich nicht abwaschen ließe, wenn er zu tief, zu dunkel eindrang. 

 

Ich bin bereits zu tief…zu dunkel…

 

Mit Genma sowieso. Aber gemessen an dem, was er inzwischen über Genmas Verbindung zu Naoki wusste, schien er dennoch keine Linie zwischen den Beiden ziehen zu können. 

 

Sein erstes Team…ich hätte es ahnen müssen…ich hätte…

 

Was? Es wissen müssen? Eine von seinen ‚magischen Ahnungen‘ haben müssen, wie Genma es so bitter bezeichnet hatte? So funktionierte das nicht. Und manchmal musste sich Kakashi fragen, ob überhaupt irgendeine Logik darin lag, wie seine Instinkte ihn antrieben, ihn leiteten…und drohten, ihn zu spalten…

 

Götter, er hatte sich viel zu sehr eingemischt und sich mehr als nur die Hände schmutzig gemacht. 

 

Und jetzt gibt es kein Zurück mehr…

 

Seufzend vollführte er seine Beschwörungen mit einem raschen Rucken der Finger, einem kurzen Zwicken von Stahl und dem leisen Murmeln von „Kuchiyose no Jutsu.“

 

Ein Puffen von Chakra und die schwarze Schriftrolle löste sich in Staub auf. 

 

Shiba und Akino saßen vor ihm. 

 

„Hey…“, wisperte Kakashi und wusste nicht, wo er eigentlich anfangen sollte, wie er beginnen sollte. Die ganze Zeit, seit er letzte Woche auf der Lichtung die Kontrolle über sein Chakra verloren hatte, benahm sich sein Rudel wachsam und unsicher. Er hatte sich gegen sie gewandt und seine Position als Alpha missbraucht. Er hatte sich immer selbstbewusst mit seinen Ninken verhalten, streng und entschieden, aber niemals aggressiv…niemals so, wie er in dieser Nacht gewesen war…mehr Wolf als Mensch…

 

Nicht einmal ein Wolf wendet sich so gegen sein eigenes Rudel…

 

Für eine lange Minute sah er sie einfach nur stumm an und bemühte sich, die richtigen Worte zu finden. 

 

Da er sein Elend spürte – auf eine Weise, wie sie es immer taten – näherte sich der silberpelzige Shiba als Erstes, warf verstohlene Blicke auf das eine beobachtende Auge von Kakashi und schnupperte an den Händen des Kopierninjas, den Schwanz leicht eingezogen und den Kopf gesenkt, als erwartete er eine Abfuhr. 

 

Kakashi verzog qualerfüllt das Gesicht wegen der Nervosität des Tieres. 

 

Wenn er daran dachte, dass er mit einer Klinge nach Shiba geschlagen hatte; einem grausamen Fangzahn wie jeder andere – beißend und schnappend nach allen von ihnen unter diesem kalten, blauen Mond. 

 

„Shiba“, murmelte Kakashi und strich mit den Fingern durch das dichte, grauweiße Fell, um den schwarzen Irokesenkamm zu kraulen, der sich über Shibas Kopf zog. 

 

Und schon diese winzige Zuneigung schien für den Hund genug zu sein. 

 

Shiba zog seine Zunge über die Rückseite der Finger des Kopierninjas und schmiegte sich gegen die behandschuhte Handfläche, während er sich mit einem zufriedenen Blinzeln in das Kraulen seines Kopfes lehnte. Seine Rute hob sich und begann zu wedeln. 

 

Alles vergeben. Alles vergessen. 

 

Akino saß stoisch auf den Hinterläufen und beobachtete alles durch seine Sonnenbrille. Er war der Einzige aus Kakashis Rudel, der schützende Linsen brauchte. Und erst, als Kakashi eine Hand ausstreckte, trottete Akino ein bisschen blind ebenfalls nach vorn und verließ sich dabei mehr auf seine Nase als auf seine Augen. Bedächtig streichelte Kakashi das weiche braune Fell und ließ die beiden Hunde die Entschuldigung wahrnehmen, ohne ein einziges Wort zu nutzen. Sie brauchten es nicht und er hatte keine Möglichkeit, ihnen für ihre bedingungslose Hingabe zu danken, außer durch diese kleinen Gesten der Zuneigung. 

 

„Danke“, hauchte er. 

 

Mit wedelndem Schwanz tauchte Shiba unter Kakashis Hand auf. „Was brauchst du?“, fragte der Ninken mit aufgestellten Ohren und scharfen Augen. 

 

„Ich brauche dich bei mir, Shiba“, erwiderte Kakashi, bevor er zu dem anderen Hund spähte. „Akino, du und Keks müsst ein Auge auf diesen Agenten haben, den Pakkun gefunden hat. Yamanaka Naoki; Deckname, Tenka. Pakkun wird euch zeigen, wo KERN ihn untergebracht hat. Ich will, dass er rund um die Uhr von zwei Ninken im Auge behalten wird. Bull ist bei Kurenai, also wechselt euch je nach Bedarf mit den anderen ab.“

 

„Verstanden“, antwortete Akino mit schiefem Kopf. „Was sollen wir machen, wenn sie ihn verlegen?“

 

Kakashi zögerte und überlegte. Wie hoch waren die Chancen, dass man einen komatösen Agenten verlegte? Laut Pakkun hatte man ihn an eine Lebenserhaltungsmaschine angeschlossen. Jede Bewegung könnte auf Eliminierung hindeuten. „Beschützt ihn“, war alles, was Kakashi sagte. 

 

Nickend stieß Akino ein leises Geräusch aus. 

 

Sachte tätschelte Kakashi das Brustbein des Hundes. „Geh.“

 

Ohne zu zögern setzte sich der Ninken in Bewegung, um den Befehl auszuführen. Für einen Herzschlag wartete Kakashi, bevor er sich auf die Füße schob und dabei durch die Fellbüschel auf Shibas Kopf streichelte. „Wir haben eine Angelegenheit in der Justizvollzugsanstalt zu erledigen.“

 

Graue Ohren zuckten neugierig, aber der Hund sagte nichts, sondern trottete nur neben seinem Herrchen her, als Kakashi die Gasse verließ und den weniger malerischen und heimlicheren Weg zu einem der alten ANBU Unterschlupfe einschlug. Dort wären Ausrüstung, Grundrisse, Uniformen…eine Maske, von der gehofft hatte, sie niemals wieder tragen zu müssen. 

 

Und trotzdem habe ich irgendwie immer gewusst, dass ich es wieder tun würde…

 

Eine solche Intuition war keineswegs beruhigend.

 

Er bewegte sich schnell vorwärts und schnitt in willkürlichen Mustern durch die Seitenstraßen, als er in alte ANBU Gewohnheiten verfiel, nutzte die gläsernen Schaufenster, um zu überprüfen, was sich in seinem Rücken befand, trat in und aus Läden, passierte Noren Vorhänge wie eine düstere Brise. 

 

Eine Aufwärmübung. 

 

Sich wieder mit der alten ANBU Haut vertraut machen. 

 

Und Shiba spiegelte ihn nahtlos, schwebte nah und leise wie Kakashis eigener Schatten. Diese Übung kommunizierte mehr zu seinem Ninken als irgendwelche Worte. Sie drückte in Taten und Bewegung genau das aus, was er von dem Hund erwartete; das erforderliche Maß an Heimlichkeit, Stille und Synchronität. 

 

Hier.

 

Kakashi befreite sein Sharingan und schlüpfte eine breite Gasse entlang, die mit den Rückseiten von Läden und Warenlagern vollgestopft war; große Planen erstreckten sich wie Dächer zu beiden Seiten und hielten verschiedenste Waren trocken. Kakashi lief an ein paar leeren Plätzen vorbei, bis er einen fand, der mit Stoffabfällen und Altkleidern gefüllt war. 

 

Das war der Ort. 

 

Als er zu der Hintertür trat, klopfte Kakashi mit seinen Knöcheln einmal auf das rissige Holz. Es schob sich ein winziges Stück zur Seite und ein von Fältchen umrandetes Auge spähte ihn durch den Spalt an. 

 

Grüßend neigte Kakashi den Kopf und zeigte dabei sein rotes Auge. „Sei gegrüßt, Nuno-san, ich bin hier, um meinen Haori abzuholen.“ Er hoffte inständig, dass sich der Code inzwischen nicht geändert hatte. Es war schon lange her, seit er das letzte Mal zu einem Unterschlupf gegangen war und noch länger, seit er den alten Mann gesehen hatte. 

 

Das ebenholzfarbene Auge verengte sich in einem schwachen Blinzeln, bevor der Ältere auf der anderen Seite mit einer Stimme trocken wie Rost fragte: „Welche Farbe?“

 

„Grün.“

 

Die Tür öffnete sich und der alte Mann, Nuno, trat zurück. Er war wie ein gewöhnlicher Schneider gekleidet, aber Kakashi wusste mit Gewissheit, dass dieser alte Veteran mehr Wege kannte, jemanden mit diesen Scheren in seinen Händen umzubringen, statt wie man Stoff schnitt und färbte. 

 

Nuno erkannte Kakashi auf Anhieb, grüßte ihn aber nicht. „Beeil dich, Reiketsu.“

 

Kakashi versteifte sich ein wenig, nickte aber. „Danke.“

 

Ohne Fragen zu stellen warf Nuno einen Blick auf Shiba. 

 

„Ninken“, erklärte Kakashi.

 

Shiba bellte ein leises Wuff und stellte sich neben Kakashi. Der alte Mann grunzte in Zustimmung – oder vielleicht auch einfach nur in Gleichgültigkeit. „Beeil dich“, wiederholte er.

 

Eine Glocke ertönte von irgendwo weiter hinten und kündigte einen Kunden an. Nuno schlurfte zurück zur Vorderseite seines Ladens und schob die schweren Paneele hinter sich zu. Keine ausgetauschten Höflichkeiten und keine verschwendete Zeit. 

 

Kakashi schlich näher an die Paneele und lauschte. Das Holz war dick und keine Geräusche drangen hindurch. 

 

Zufrieden machte sich Kakashi rasch ans Werk. Er öffnete Kisten und zog lange Stoffbahnen heraus, um an den eigentlichen Vorrat zu gelangen; Kunai, Shuriken, Drähte, Briefbomben und Explosionssiegel, Schriftrollen, Rauchbomben und verschiedene andere Ninja Werkzeuge. Die Kleidung und Maske kamen als letztes. 

 

Er nahm sich was er brauchte; nicht mehr, nicht weniger. 

 

Das sollte reichen.

 

Seine Augen wanderten flüchtig zur Inventurliste. Sie erforderte zwei Unterschriften; seine und die des alten Mannes. Kakashi zögerte und suchte nach einer Möglichkeit, eine Signatur zu vermeiden, doch er musste feststellen, dass jede andere Option riskierte, Nuno in Schwierigkeiten zu bringen – und der alte Kerl hatte ANBU stets gut gedient. 

 

Verdammt.

 

Er unterzeichnete mit seinem Namen: Reiketsu

 

Während er die Sachen verstaute und ein paar Nummern auf der Lagerliste notierte, bemerkte er kaum, wie Shiba in einer plötzlichen, misstrauischen Bewegung den Kopf schief legte und hinaus lief – bis das leise Knurren des Hundes in einem scharfen Jaulen endete. 

 

Bei diesem Geräusch schnellte Kakashis Kopf nach oben. 

 

Innerhalb eines Herzschlages war er an der Türschwelle und seine Augen wurden geschockt rund. 

 

Shiba lag zitternd im Dreck, mehrere Senbons in seinem Pelz begraben, zuckend und angestrengt schnaufend. Und da, nur ein paar Schritte entfernt, halb versteckt von den Schatten der Planen, stand Genma. Sein Blick sandte ein Frösteln durch Kakashi, die bronzenen Augen so kalt und tödlich wie der Stahl zwischen seinen Lippen. 

 

„Ein Hund erledigt“, murmelte Genma mit einer Stimme, die nichts weiter war als ein eisiges Schnurren. „Noch einer übrig.“

 
 

~❃~
 

 

Der Kleine stand in der Mitte der Lichtung. Ein Kind. Ein Junge. Ein spindeldürres Straßenkind. Nur Knie und Ellbogen und viel zu viel Knochen; kupferne Haut, blauschwarze Haare und blaugraue Augen…Augen, die viel zu alt waren und aus einem Gesicht stierten, das viel zu jung war, als dass es solch eine Leere in sich halten sollte. 

 

Alles davon prägte sich innerhalb eines Sekundenbruchteils in Inos Hirn ein. 

 

Und es brauchte noch eine halbe Sekunde mehr, um die Absurdität von all dem zu verarbeiten, die vollkommene Unplausibilität dessen, was sie sah, oder dachte in diesem Halblicht, diesem Halbdunkel zu sehen. 

 

Das ist nicht real…

 

Halluzinierte sie? 

 

Rasch warf sie einen Blick zu den Chimären und ihre Zweifel lösten sich zusammen mit ihrem Atem auf. 

 

Diese Dinger sehen ihn auch…

 

Ganz offensichtlich. Und genau wie sie, schienen die Bestien total verdattert von der Anwesenheit dieser seltsamen kleinen Kreatur zu sein, die einfach so mitten in ihrem Kampf aufgetaucht war. Mit bebenden Nüstern stierten sie in monströsem Ränkespiel, während sie ihre riesigen, hässlichen Köpfe von Seite zu Seite drehten. 

 

Der Junge schenkte ihnen keinerlei Beachtung. 

 

Seine Augen waren auf Ino gerichtet und er beobachtete sie mit der Zurückhaltung eines in die Enge getriebenen Tieres. Mit offenem Mund starrte sie ihn ebenfalls an und spürte, wie ihr Hirn vollkommen aus der Bahn geworfen wurde, nur um bei der Erkenntnis, dass sie dieses Kind beschützen musste, direkt wieder zurück auf Spur zu springen. Sie verlagerte das Gewicht und beäugte die Chimären, während sich ihre Finger um das Kunai verkrampften. Wenn sie doch nur –

 

Ein lautes mechanisches Wehklagen zerbrach die Stille und stieg zu einem Surren an. 

 

Bei dem Klang rührten sich die Chimären und fingen an, an Ort und Stelle auf und ab zu springen wie aufgeschreckte Gorillas, sie trommelten sich mit ihren Knöcheln auf die Brust und grässliches Hyänengackern fiel schnatternd von ihren Lippen. 

 

Das Surren hörte auf. 

 

Rotstichige Lampen erwachten zwinkernd in der Einrichtung und verwandelten die Kuppel in die scharlachfarbenen Schattierungen einer gigantischen, fotografischen Dunkelkammer. Sicherheitslichter glühten wie ersterbende Sonnen durch die Baumkronen und an den Füßen der Bäume. 

 

Eine Welt in Rot getaucht…und so entsetzlich falsch gelaufen. 

 

Die Chimären heulten. 

 

Keuchend hielt sich der Junge die Ohren zu, wirbelte herum und rannte los. 

 

Ino stürzte auf ihn zu und streckte eine Hand nach ihm aus. „Warte!“ 

 

Ihre plötzliche Bewegung zog die Aufmerksamkeit der Bestien auf sich. Als wären sie besessen gingen sie auf sie los, gefangen in blutrünstigem Wahnsinn, ihre grotesken Gestalten durch das grelle Spritzen tiefroten Lichtes und rußschwarzer Schatten dämonisiert.

 

Ino stieß sich von den Füßen ab und wirbelte herum, während die Kunai von ihren Fingern flogen. 

 

Sie hörte das Jaulen und Krachen von einer Bestie, aber die andere lief weiter und wischte ihre zweite Attacke aus Klingen mit den Rückseiten dieser Fleischerhakenklauen beiseite. Der rückkehrende Schwinger zerfetzte Farnkraut wie feine Seide und zerriss das Unterholz in einer wilden Sense, die durch die blühenden Ähren mehrerer gigantischer Amorphophallus-Pflanzen sägte und ein paar Strähnen am Ende von Inos Pferdeschwanz abrasierte. 

 

Sie drehte sich fort und Feuer explodierte glühend heiß und rasiermesserscharf in ihrer Schulter. Doch der Morphinschuss nahm dem Schmerz den Biss. 

 

Während sie unter der Wucht des Schlages taumelte, wandte sie sich nach rechts, Adrenalin beschleunigte ihre Geschwindigkeit und Panik füllte ihre Lungen in gewaltigen, brennenden Böen; Feuer und Luft, Feuer und Luft, trieben sie schneller und schneller voran. 

 

Hol den Jungen! Hol den Jungen!

 

Sie zog ihr Tantō und hackte nach Ranken und hohem Gras, als sie verzweifelt nach einem Zeichen des Kindes suchte. 

 

In welche Richtung? In welche Richtung?

 

Sie sah, wie das Gras vor ihr hin und her wippte, aber die Bewegung war so abgehackt, dass sie keine Richtung einschätzen konnte. „Warte!“, rief sie. 

 

Der Boden gab unter ihr nach. 

 

Kreischend vollführte Ino einen blinden Satz und wappnete sich für einen Aufprall, der niemals kam. 

 

Ihre Füße brachen in einem nassen Spritzen und Stechen durch Wasser und ihr gesamter Körper sank weit in warme, stagnierende Tiefen. Für einen entsetzlichen Augenblick verstummten alle Geräusche zu einem benommenen Dröhnen in ihren Ohren und Blasen strömten aus ihrer Nase und ihrem Mund und kitzelten ihr Gesicht. Es war so still hier unten. So ruhig. So dunkel. Schilf streichelte ihre Arme und Beine und schlang sich um ihre Kehle wie diese unanständigen Tentakel aus diesen ekligen Jungenzeitschriften. 

 

Der Junge!

 

Ino schlug um sich, fühlte sich, als würde sie sich in Zeitlupe bewegen, als die Schwerkraft in der Art von Albträumen an ihr zerrte und sich die Gesetze der Physik verfälschten und gegen sie arbeiteten. Ihre Füße berührten den Grund und beinahe hätte sie auf dem weichen Schlick ihren Halt verloren, als Sand unter ihr nachgab. Strampelnd stieß sie sich mit einem Ausbruch von Chakra ab und schoss wie ein Torpedo in Richtung Luft und Leben und – der Junge!

 

Mit einem zerfetzten Keuchen durchbrach sie die Oberfläche und ihr blondes Haar schwang in einem weiten, nassen Bogen herum. 

 

Nach Luft schnappend wippte sie für einen Moment auf und ab und blinzelte sich Wasser aus den Augen. Sie schätzte die Richtung ab und glitt im Bruststil durch das Nass, wobei sie gigantische, schwimmende Lilien und Wasserhyazinthen beiseite schob und Entengrütze und Feenmoos aus dem Weg schubste. 

 

Schneller. Schneller. Schneller.

 

Sie hörte, wie die Chimären krachend am Uferrand stehen blieben, gefolgt von dem Trommeln von Fäusten, die in unfruchtbarer Rage auf Brustkörbe krachten, während sie dieses halb Lachen, halb Heulen ausstießen. 

 

Mitten im Schwimmen wandte sich Ino um, um über ihre aufgerissene Schulter zu spähen und ein triumphales Feixen erstarb schlagartig auf ihren Lippen. Der gespenstische Schrei der Bestien wurde von überall her rund um das Wasser herum aufgenommen. 

 

Oh nein…

 

In der Mitte des künstlichen Sees hielt sie inne und atmete schwer. Sie konnte den dunklen Uferhang auf der anderen Seite sehen und die roten Wasser kräuselten sich wie Blut. Es machte keinen Unterschied. Ein Rudel Hyänenaffen kreiste den gesamten Teich ein. 

 

Sie saß in der Falle…gefangen und auf der Stelle tretend am tiefsten Punkt des Sees…

 

Und das Adrenalin ließ nach. 

 

Sie konnte spüren, wie ihre Glieder bebten und das entsetzliche Brennen eines Krampfes biss sich in ihre Seite. Nach etwas suchend, an dem sie sich festhalten konnte, packte sie eins der enormen Amazonica-Blätter, die vorbei schwammen, die doppelte Größe einer Luftmatratze und genug Auftrieb hatten, um ihr Gewicht zu tragen. Für ein paar Minuten mühte sie sich ab, sich darauf zu zerren, ohne das Blatt zum Kentern zu bringen und schaffte es endlich, sich in einem nassen Gewirr aus Hyazinthen und Algen ins Zentrum davon zu rollen.

 

Die Bestien heulten und rannten mit aufgeregtem Gegacker am Ufer auf und ab. 

 

Ino wischte sich die Gräser aus dem Gesicht und lag für lange Sekunden keuchend da, während sie an das Dach des Geheges stierte. Die roten Lampen brannten auf sie herab wie hunderte Dämonenaugen. Schwer schluckend versuchte sie, sich einen Plan auszudenken und ihre Sicht verdoppelte sich und ließ die Sicherheitslampen dadurch zu einer Masse glühenden Rots verschwimmen. 

 

Finde den Jungen.

 

Weitäugig blinzelnd tastete sie ihren Allzweckgürtel entlang und realisierte, dass sie einige ihrer Rauchbomben und Blendgranaten verloren hatte. Sie rollte sich auf den Bauch und spreizte Knie und Hände, um ihre provisorische Luftmatratze über Wasser zu halten, als sie zum Ufer spähte. Die Kreaturen bewegten sich vor und zurück, warteten ab und steigerten sich immer weiter in einen wilden Fresswahn. 

 

Träum weiter, Buschfleisch…

 

Mit finsterer Miene hob Ino den Blick wieder zu den Lichtern und versuchte einzuschätzen, wie weit entfernt die niedrigsten Äste des Blätterdaches waren und ob sie wohl ihr Gewicht tragen würden. Die Schatten waren so dicht, dass es unmöglich war, irgendeine Art von Dimension auszumachen. Sie wühlte durch ihre Ninjatasche und zog einen kleinen Enterhaken mit einer Kette heraus. Zu kurz. Nicht lang genug, um die Baumkronen zu erreichen, selbst wenn sie einen Wurf hätte riskieren können.

 

Verdammt.

 

Sie hoffte, der Junge hatte sich wenigstens auf höhere Level begeben. 

 

Außer, diese Dinger können auch klettern…immerhin haben sie Affengene…

 

Stirnrunzelnd sah sie zurück zu den Chimären und ihre Augen zogen sich auf eine zusammen, die sie anstierte und deren Maul in einem grimmigen Grinsen offenstand. Sie dachte sich, dass das Hirn von dem Vieh nicht ansatzweise äquivalent zur Körpergröße war. 

 

Verstand. Körper.

 

Ihre Augen weiteten sich bei dieser Idee.

 

Ich könnte von einem von ihnen Besitz ergreifen…die anderen von hier weg locken…

 

Was bedeutete, dass sie den Alpha finden musste…also natürlich vorausgesetzt, dass diese Viecher überhaupt in einer Hierarchie lebten. Wenn ja, welcher Art? Affenartig? Wölfisch? Sie ließ ihren Verstand zurück zu ihren Akademietagen wandern und versuchte, sich an die sozialen Schichten verschiedener Spezies zu entsinnen. 

 

Kiba, du würdest mir gerade sehr nützen…

 

„Mir nützen, nicht, dass ich ihn brauche“, grummelte Ino und scannte das Rudel nach irgendeiner Art interaktiver Hinweise, die vielleicht darauf schließen ließen, welche Bestie der große hässliche Boss war. 

 

Was hat Kiba nochmal über die Zurschaustellungen von Dominanz gesagt?

 

Sie hatte keinem einzigen Wort zugehört, als Kiba auf dem Boot mit irgendeinem Geschwafel über Rudelmentalität angefangen hatte und wie viel einfacher es doch für Tiere war als für Menschen; sie war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich Sorgen um Shikamaru zu machen. 

 

Okay, das kann doch nicht so schwer sein…such einfach nach Hinweisen…

 

Aufmerksam musterte sie das Rudel aus Monstern, aber ihre chaotische Kommunikation schaffte es nicht, ihr eine Antwort zu liefern oder überhaupt auf eine Möglichkeit von sozialer Ordnung oder Rang hinzudeuten. Die Chimären rannten einfach nur Kreise umeinander, schnappten und knurrten mit willkürlichen Zurschaustellungen von Unterwürfigkeit, die allerdings nur so lange anhielten wie das Interesse der Bestie, die versuchte, sich gegenüber der anderen zu behaupten. Unablässig wetteiferten sie um ihre Positionen und kämpften um den Fleck Erde, der dem Uferrand am nächsten war. 

 

Und dann zerbrach die Stille an einem Heulen. 

 

Ein lauter, keuchender Schrei und die Biester fingen an, das Ufer entlang zu stürmen, um die Yamanaka für eine leichtere Beute fallen zu lassen. 

 

„NEIN!“, brüllte Ino ihnen hinterher, doch ihr Ruf war nur ein vergebliches Echo, das sich unter dem Heulen der Chimären verlor. „KOMMT ZURÜCK, IHR BASTARDE!“ Sie stürzte sich von dem massiven Blatt und kraulte stramm zum Rand des Sees, wurde aber von Schilf und Treibgut behindert. Dennoch trieb sie sich weiter voran, bis ihre Knie und Hände auf rauen Sand trafen. 

 

Noch einmal stieß sie einen Schrei aus, kroch durch Schlamm und Gräser, während ihr Herz in ihrer Kehle hämmerte. 

 

Der Junge, der Junge, der Junge…

 

Nur ein Kind. Nur ein –

 

Das Schilf vor ihrem Gesicht teilte sich und eine dicke, stumpfe Schnauze hielt nur Zentimeter von ihrer Nase entfernt inne. 

 

Ino wurde vollkommen regungslos und sie spürte jeden Schlag ihres Herzens wie einen Stößel, der sich in ihre Rippen rammte, ihre Knochen erschütterte und die Luft in einem zerbrochenen Zittern aus ihren Lungen hämmerte. Zornige Tränen drängten sich in ihre Augen, brannten in ihrer Nase und füllten ihren Rachen wie Lava. 

 

Ihr Bastarde…

 

Hass kochte in ihr hoch; so stark und heiß, dass er sich durch den Schock brannte, der sie vielleicht eiskalt und taub gegenüber der unausweichlichen Tatsache zurück gelassen hätte, dass sie sterben würde. 

 

Nein. Nicht so. 

 

Sie fletschte die Zähne und sah zu, wie die Bestie ihr abscheuliches Gesicht über sie erhob. Der breite Stamm des Körpers richtete sich von dort aus auf, wo das Vieh kauernd im Schilf auf sie gelauert hatte. Inos Finger sanken wie Krallen in den Matsch und ganze Hände voll von schwarzem Schlamm quetschten sich zwischen ihre Knöchel. 

 

Der tödliche Hieb war nur einen Atemzug entfernt. 

 

Oder zumindest wäre es so gewesen, wenn sich das Biest nicht auf den Hinterläufen aufgebäumt hätte, um sich in triumphalem Sieg auf die Brust zu trommeln. Großer Fehler. Denn in der Sekunde, als es sich aufbäumte, katapultierte sich Ino in die Aufrichtung, schleuderte Dreck in die gelben Augen und rammte ihre Handballen in die massiven Ebenen des Brustbeins. 

 

Es war, als hätte sie gegen eine Betonwand geschlagen. 

 

Vollkommen nutzlos vibrierte der Aufprall durch ihre Knochen. 

 

Ihr Stoß brachte überhaupt nichts, außer das Vieh anzupissen; doch da es momentan geblendet war, verlor es jede Richtung und senste seine Klauen in einem unkoordinierten Schwinger durch die Luft. Ino duckte sich unter dem Hieb hindurch, tauchte unter die Deckung des Biests und ließ ihren Ellbogen in die Seite des Kiefers krachen, während sie inständig hoffte, ihn auch zu brechen. Ein schrilles Kläffen ließ auf einen Treffer schließen, aber nicht auf genug Verletzung; ein Kläffen war nicht die Qual, die sie hören wollte. 

 

„Du kannst in der Hölle heulen“, fauchte sie, zerrte ihr letztes Kunai aus ihrem Allzweckgürtel und rammte es wie einen Pflock in das riesige Sternum. Als das Monster in wilder Pein brüllte, fiel Ino auf den Rücken und hämmerte ihren Fuß nach oben, als das Biest auf den Knöcheln nach unten krachte. Mit aller Kraft donnerte sie ihre Ferse gegen das Kunai und trieb die Klinge ins Ziel – direkt ins Herz. 

 

Die Bestie kam zu einem frühzeitigen Stillstand und die Kiefer öffneten sich, als ein leises Zischen aus der Kehle der Chimäre wich. Blut tropfte von der Zunge und tropfte heiß auf Inos Wange. 

 

Mit blitzenden Augen presste sie die Lippen zu einer kalten, harten Linie zusammen. 

 

Im sterbenden Augenblick legte das Biest in Unverständnis über sein Schicksal den Kopf schief. Ein letztes Gurgeln von Atem und dann taumelte es nach vorn, als die Knöchel unter dem massiven Gewicht nachgaben. 

 

Scharf rollte sich Ino zur Seite. 

 

Wie ein gefällter Riese ging es neben ihr zu Boden. Das Donnern dieses Kollaps‘ erschütterte ihre Knochen und das ekelerregende Schmatzen und Blubbern von Matsch zerplatzte in ihren Ohren…zusammen mit dem Spritzen sich nähernder Schritte. Ein leises Grunzen, ein sich aufbauendes Knurren, dieses bösartige Giggeln und monströse Gegacker…es erklang von zwei Seiten…dann drei…vier…

 

Sie waren zurück gekommen. Was bedeutete, dass der Junge…

 

Ino schloss krampfhaft die Augen und spürte, wie die Hoffnung ihr Herz verließ.

 

Während sie ihre blutige Schulter packte, fand sie gerade genug Kraft, um den Kopf zu heben – sah durch nur leicht geöffnete Augen das Schimmern von Fangzähnen, die wie blutige Stalaktiten da hingen; ein weiter Kiefer bewegte sich langsam und die faltige Schnauze verzerrte sich zu einer knurrenden Fratze. 

 

Der Junge…der Junge…

 

Und dann ein Donnerschlag. 

 

Der Kopf der Bestie explodierte und spuckte Knochen und Hirn in einem nassen Knacken in alle Richtungen. 

 

Zeitweise taub stierte Ino in benommenem Schock und ihre stechenden Augen fixierten sich auf die massiv vergrößerten Hände, die über der kopflosen Chimärenleiche zusammengeklatscht waren. Blut, Fell und Knorpel glitten zwischen den riesigen Knöcheln hindurch, rannen über dicke Handgelenke und glänzten auf gepanzerten Handschuhen. 

 

Chōji…

 

Die enthauptete Bestie fiel wie ein Sandsack in sich zusammen. Ino hörte das laute Peitschen einer Schriftrolle, die sich irgendwo über ihr entfaltete, gefolgt von Tentens brüllender Stimme. „Bakuryūgeki!“

 

Die Welt verwandelte sich zu Feuer. 

 

Jaulen erhob sich und es war nicht die blutdürstige Art, sondern strangulierte, heulende Schreie von Monstern, die in Flammen aufgingen. Die Chimären stoben auseinander, manche sprangen in den See, um die Flammen zu ersticken, die sich durch ihren gefleckten Pelz fraßen, während andere nutzlos im Schlamm um sich schlugen – Schlamm, der sich in bebenden, schwarzen Streifen um sie herum erhob…beinahe wie Schatten…

 

Inos Augen weiteten sich.

 

Shikamaru?

 

Die Schatten verdichteten sich und sammelte sich zu bösartig summenden Spindeln. 

 

Keine Schatten. 

 

Ein Schwarm. 

 

Shino.

 

Bōsui no Jin!“ Die Insekten wimmelten über die um sich schlagenden Bestien, fluteten Atemwege und rissen Körperöffnungen auf, füllten den Kreislauf, bis verbranntes Fell und angesengtes Fleisch zu kräuseln begann und dann mit der enormen Bewegung von tausenden Insekten aufplatzte, die unter der Haut herum krabbelten. 

 

Ino wandte den Blick ab, als Galle ihre Kehle hinauf ritt. Ein paar der Bäume brannten und Feuerschein schluckte das rotstichige Glühen. Sie fing das Tanzen von Flammen auf einer Rüstung auf, als eine gigantische Faust in einem blechernen Aufschlag auf die steinharte Brust eines sich aufbäumenden Monster traf. 

 

Chōjis Hieb ließ das Brustbein der Chimäre kollabieren, brach Knochen und Wirbelsäule. 

 

Ein Spritzen hinter ihr. 

 

Ino wirbelte herum und sah, wie vier Chimären auf das Ufer zu schwammen, verbrannt zu geschwärztem und Blasen werfendem Fleisch, aber immer noch kämpfend. Benommen beobachtete Ino sie und ihr Atem zitterte in dampfigen Kränzen hervor, als die Luft vor ihren Augen benebelte. Ein plötzliches Frösteln wusch über sie hinweg und eine Gänsehaut breitete sich auf ihren Armen aus. 

 

Sie musste sich bewegen, musste –

 

Yuki, die pinkäugige, weißhaarige Nagu Frau, sprang nach unten auf den See und sofort breitete sich Frost unter ihren chakrageladenen Füßen aus. Sie spreizte ihre Finger wie eine Magierin und der ebenholzfarbene Lack ihrer Nägel blitzte dabei auf wie eine schwarze Politur. Ihre dunklen Lippen öffneten sich um eine Stimme, die so hart und so arktisch war wie das Eis, das sich über den See legte: „Hyōton: Tatakikowasu!“

 

Das Eisversteckjutsu machte die Bestien bewegungsunfähig, versteifte ihre Körper zu Skulpturen aus Eiszapfen, gefangen in der Mitte des zugefrorenen Sees. Mit einem gelangweilten Seufzen berührte Yuki mit den Fingerspitzen ihre schwarzen Lippen, küsste sie leicht und blies einen spöttischen Kuss. 

 

Der komplette See zersplitterte und ließ die Bestien in tausende winzige Scherben zerbersten. 

 

Ino zuckte bei diesem gellenden und scharfen Geräusch zusammen; wie das schrille Ringen von Kristall. 

 

Während sie ihren Arm packte, rappelte sie sich taumelnd auf die Füße und Blut troff heiß und nass durch ihre Finger. Schwindelnd bemühte sie sich um Fokus, als sie glaubte, etwas Graues und Wolfsähnliches zu sehen, das die gegenüberliegende Seite des Sees entlang rannte und sich dabei nahe am Boden hielt. 

 

Akamaru…?

 

Nein. Das war mehr Fuchs als Hund, der Körper schlank, weniger kompakt, mit silbernem Fell und einem buschigen Schwanz mit weißer Spitze. Das Tier bewegte sich so schnell, dass es schien, als würde der Körper in die Sicht ein und wieder aus flackern; im einen Moment war es noch auf der anderen Seite des Sees und in der nächsten Sekunde befand es sich nur noch wenige Schritte entfernt, verschwand und tauchte schneller wieder auf als irgendein durch Chakra infundierter Sprung. 

 

Ino taumelte verwirrt einen Schritt nach hinten und spürte, wie der Blutverlust seinen Tribut forderte. 

 

„INO!“, schrie Chōji. 

 

Sie drehte sich um, sah ein Biest, das auf sie zugestürzt kam. Rasch ließ sie sich auf ein Knie fallen und tastete blindlings mit steifen und tauben Fingern nach einem Shuriken.

 

Yuki war in der Nähe, aber nicht nah genug. Sie brüllte: „Yako!“

 

Die Bestie griff an. 

 

Ein weißes Flackern flammte vor Inos Augen auf, einem Blitz nicht unähnlich; eine Vision aus Silber und Kastanienbraun, die Augen nicht wirklich tierisch, nicht wirklich menschlich. 

 

Sie hauchte den Namen. „Kiba?“

 

Ein plötzlicher Luftrausch und die Welt verschwand in einer verschwommenen Unschärfe, gefolgt von dem entsetzlichen Empfinden, als würde ihr Magen in ihre Kehle springen. Sie hatte ein Brüllen in den Ohren wie heulender Wind durch einen Tunnel – dann ein abrupter Halt, der dafür sorgte, dass sich ihr Kopf drehte wie ein Kreisel. Schwindel durchflutete sie und sie brach auf Händen und Knien zusammen, während sie trocken auf weiches, abschüssiges Gras würgte. 

 

Sie war am Ufer, nicht länger im Matsch und sie konnte hören, wie der Kampf überall um sie herum weiter ging. 

 

Eine Hand berührte ihren Rücken. 

 

Blind schnellte Ino herum und ihre Nägel zuckten wie eine Tigerklaue in Richtung des Gesichtes des Angreifers, doch ihr Handgelenk wurde nachdrücklich, jedoch ohne Brutalität abgefangen. 

 

Ihre Sicht verdoppelte sich und sie blinzelte rapide, sah einen blutbespritzten Torso mit harten, schlanken Muskeln und ihr Blick wanderte höher, bis sie in ein gutaussehendes Gesicht mit Sommersprossen sah. Es hatte scharfe Züge und war eindeutig fuchsartig. Bernsteinbraune Augen stierten durch Wimpern auf sie hinab, die dicht wie Fuchsfell waren und abgehackte orangene Strähnen schwangen leicht, als der Nagu Mann seinen Kopf so plötzlich auf eine Seite legte, dass es tierhaft wirkte. Sie hatte immer wieder gesehen, wie Kiba das auch tat. 

 

„Wo ist Kiba?“, platzte es aus ihr heraus und dann, direkt danach: „Wo ist der Junge?!“

 

Der fuchsgesichtige Nagu, Yako, runzelte nur verständnislos die Stirn. Er schüttelte den Kopf. 

 

Ino holte tief Luft und versuchte, ihre Beine unter sich zu ziehen. Noch einmal berührte Yako ihre Schulter, doch fauchend riss sie sich aus seinem Griff los. „Da war ein Junge. Ein Kind! Wir müssen ihn finden!“

 

Yako starrte sie einfach nur an. 

 

Und Ino spürte, wie die Zahnräder in ihrem Kopf durchzudrehen begannen. Sie packte Yako an seinen nackten Schultern und brüllte direkt in sein leeres Gesicht: „Hast du gehört, was ich sage? Hier sind Kinder!“

 

Knurrend rollte Yako seine Schultern aus ihrer Umklammerung und wich einen Schritt nach hinten. Er schnupperte in die Luft, leckte sich Blut von der Platzwunde in seiner Lippe, begab sich dann auf alle Viere und flackerte wie ein Hologramm, als seine Gestalt zwischen Mensch und Tier zitterte – einmal ein roter Fuchs, ein silberner und dann einer weiß wie frisch gefallener Schnee. Und dann war er auf einen Schlag alle drei, teilte sich wie Schattenklone und ein Fuchstrio sah zu ihr auf. 

 

Verblüfft stierte Ino die Tiere an. 

 

Der silberne Fuchs sprang nach rechts und verschwand, als wäre er niemals gewesen. Der rote Fuchs lief so schnell nach links, dass er überhaupt keine Spur zurückließ.

 

Und der weiße Fuchs trat nach vorn, drehte einen engen Kreis um ihre Beine und trottete in das Unterholz, bevor er innehielt und über die Schulter blickte. Er fiepte sie leicht an – und dann war er fort. 

 
 

~❃~
 

 

Kakashi hatte es nicht kommen sehen. Viel zu geschockt. Viel zu fassungslos. 

 

Es passierte einfach. 

 

In der halben Sekunde, die er brauchte, um Atem zu holen, ging Genma von vollkommener Regungslosigkeit zu einem Gemetzel auf höchster Geschwindigkeit über. Er bewegte sich so schnell – so wahnsinnig schnell – dass Kakashi überhaupt keine Zeit blieb, den Angriff vorauszuahnen oder ihm gar auszuweichen. 

 

„Genwaku no Jutsu!“

 

Blendendes Licht. 

 

Der Schmerz traf Kakashis Augen wie ein Donnerschlag und sofort verschwand seine Sicht. Keuchend presste er die Lider aufeinander und stolperte mit verwirrtem Verstand und Feuer gefangener Retina nach hinten. 

 

Er hörte Shibas ersticktes und warnendes Bellen. 

 

Da er geblendet war, sah er den Schlag nicht kommen. 

 

Aber verdammt, wenn er ihn nicht fühlte.

 

 „NAGAREBOSHI!“

 

Der chakrageladene Schlag riss ihn brutal von den Füßen, katapultierte ihn in die Luft und prügelte jede Unze von Atem aus seinen Lungen. Er hatte nicht einmal eine einzige Sekunde, um sich zu erholen. Eine Flut heißer, stechender Schmerzen folgte; eine Serie aus explosiven Tritten und Schlägen, die aus jeder Richtung geschossen zu kommen schienen; eine Schnellfeuerattacke, die in einem Axe-Kick gegen seinen Rücken endete. Der Hieb schickte Kakashi krachend zurück auf die Erde – oder eher, wie es sich traf, direkt durch das Dach eines Warenlagers. 

 

Sekunden vor dem Aufprall schaffte es Kakashi, sich zu drehen. 

 

Seine linke Seite fing die Hauptwucht des Aufschlags ab, aber der Schmerz war genug, um eine weitere Bombe in seinem Kopf auszulösen und Feuerwerke aus Agonie strahlten nach außen. Er hörte splitterndes Holz – vielleicht auch ein paar Knochen – und Spreißel bissen sich tief in seine Haut, während eine Woge aus kalter, abgestandener Luft durch sein Haar pfiff, seine Kleidung zum Rascheln brachte; eine freier Fall durch Dunkelheit. 

 

Und dann traf er die Erde…

 

Und die Erde bewegte sich…

 

Ein Geräusch wie Hagel, oder sintflutartiger Regen; ein Erdrutsch winziger Kieselsteine…

 

Kakashi rollte mit den Körnern und wurde von einer Reislawine einen Berg aus Weiß hinab gezerrt. Sein Körper versank, als wäre es Treibsand, fiel auf den harten Boden am Fuß des Warenlagers und endete ausgestreckt auf dem Rücken – der sich anfühlte, als wäre er an mehr als dreißig Stellen angeknackst. 

 

Nagareboshi…

 

Sternschnuppe. Eine von Genmas verheerendsten Taijutsu-Luftattacken; explosiv wie Feuerwerk ließ es Funken grell brennender Qual zurück. 

 

Absolut alles schmerzte. Absolut nichts reagierte. 

 

Es dauerte mehrere Sekunden, bis er überhaupt wieder etwas sehen konnte und seine Sicht kehrte eine Sternenexplosion nach der anderen zurück. Augen öffneten sich zitternd und Kakashi konzentrierte sich auf sein Chakra, bis er das elektrische Knistern spürte, das sein Netzwerk wieder auf Touren brachte, gelähmte Nerven befeuerte und Muskeln zu einem Zucken und Beben straff zog. 

 

Draußen konnte er Shiba winseln hören. 

 

Und das brachte ihn in Bewegung.

 

Ächzend schaffte Kakashi es, sich auf die Seite zu rollen, während sein Verstand aus seiner Starre kroch und die Erkenntnis ‚er weiß von Mizugumo‘ mit sich zerrte. Wie Genma davon wusste, war eine Frage für einen anderen Tag; vorausgesetzt, er überlebte diesen hier. 

 

Das ist mit Sicherheit nicht der Morgen danach, auf den ich gehofft hatte…

 

Ein Schatten bewegte sich, um das Loch im Dach auszufüllen.

 

Kakashi hielt auf Händen und Knien inne und sah durch zusammengezogene Augen nach oben.

 

Ohne ein einziges Wort sprang Genma nach unten, ritt in einem geschmeidigen Gleiten über den Erdrutsch aus Reis, bis seine Füße mit kaum einer Unterbrechung den Boden berührten. Er trat auf Kakashi zu mit den scharfen, getriebenen Schritten eines Mannes, der darauf aus war, verheerenden Schaden anzurichten. 

 

„Genma“, krächzte Kakashi und versuchte, sich aufzurichten, den linken Ellbogen krampfig gegen seine Seite gezogen. 

 

Gnadenlos krachte Genmas Fuß in seine Flanke. Kakashis angezogener Arm schaffte es geradeso, seine Rippen zu retten, indem er etwas von dem Aufprall umlenkte. Trotzdem hämmerte der Tritt ihn seitwärts. Taumelnd klatschte er eine Hand auf den Boden, drehte sich auf dem Handgelenk und vollführte einen tiefen Schwung mit dem Bein, darauf abzielend, Genma von den Füßen zu fegen. 

 

Doch Genma sprang mühelos über den Tritt und kam immer näher. 

 

Kakashi rollte sich zurück auf die Füße, taumelte kopfschüttelnd auf und davon. „Lass uns das nicht tun, Genma.“

 

„Du hast das getan“, sagte Genma und ließ seine Arme zu beiden Seiten nach außen schnellen, während Senbons zwischen seinen Knöcheln aufblitzten. „Ich bin nur eine Konsequenz in Aktion.“ Er ließ seinen Arm in einem Bogen schwingen und die rasiermesserscharfen Nadeln flogen wie ein tödlicher Regen. 

 

Kakashi wirbelte in einem Korkenziehersprung herum, sodass die Senbons in einem Thud, Thud, Thud gegen seine Flakjacke schlugen. Eine Nadel zwickte an seinem Hals und grub sich in die Polsterung seines Nackenschutzes. In einer Dreipunktehocke und mit gezogenen Kunai kam er auf dem Boden auf. 

 

Über die kurze Distanz hinweg trafen sich ihre Blicke. 

 

Distanz…

 

Gott, wie schnell sich diese Distanz zwischen ihnen geöffnet hatte. Und auch wie grausam, wenn man bedachte, wie unglaublich nahe sie sich nur Stunden zuvor gewesen waren. Eine Nacht, in der sie ineinander gefallen waren…nur um dann hunderte von Nächten zurück in die Vergangenheit zu fallen…

 

Zu dieser Nacht…

 

Dieser einen Nacht. 

 

Als Kakashi Genma jetzt ansah, sah er, wie sich der Brand hinter diesen bronzenen Augen erhob; eine Feuersbrunst aus alten Flammen und Wahnsinn, die die Hoffnung des Kopierninjas in Asche verwandelte. 

 

Dieser Kampf konnte nicht vermieden werden. 

 

Es hatte lange gedauert…und die Zeit war jetzt. Denn es war nicht Genma, der ihn durch diese wilden, brennenden Augen anstierte. Es war Kaika.

 

__________________

Glossar:

Kuchiyose no Jutsu: Beschwörungstechnik (z. B. bei vertrauten Geistern)

Haori: Eine hüft- oder schenkellange, kimonoartige Jacke, die einem Outfit etwas Formalität verleiht

Bakuryūgeki: Explodierender Drachenangriff (eins von Tentens Schriftrollenjutsus)

Bōsui no Jin: Spindelformation (eins von Shinos Jutsus)

Hyōton: Tatakikowasu: Eisversteck: Zersplittern/Zerspringen

Genwaku no Jutsu: Blendtechnik (Genmas Ninjutsu, das Licht wie eine Blendgranate ausstößt)

Nagareboshi: Bedeutet Sternschnuppe (Genmas Taijutsutechnik)
 

Hey meine Lieben :) 

Ja, endlich haben wir einen Augenblick erreicht, auf den vielleicht schon einige gewartet haben...Genma hat Kakashi gefunden und er ist nicht gerade gut aufgelegt. Bin sehr gespannt zu erfahren, was ihr von dem Aufeinandertreffen der beiden haltet, habt ihr es euch so vorgestellt? ;) 

Und dann gab es natürlich auch nochmal ein bisschen Ino-Action, ich hoffe, das hat euch gefallen, auch wenn dieses Kapitel dadurch komplett ohne Shikamaru und Neji auskommen musste :D 

Würde mich auf jeden Fall wieder sehr sehr freuen, ein paar Meinungen zu lesen und vielen vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen! <3



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  ladypegglin
2022-04-21T12:40:35+00:00 21.04.2022 14:40
Liebe deine FF hoffe du schaffst bis Sontag ein Kapitel hab ein wichtiges Fest und muss mich vorher ablenken wäre toll 🙂

Antwort von:  _Scatach_
23.04.2022 15:08
Hey, es freut mich mega, dass dir die FF so gut gefällt, hoffe, das neue Kapitel kam noch rechtzeitig für dich :)
Von:  Scorbion1984
2022-04-19T17:59:19+00:00 19.04.2022 19:59
Genma dreht nun total durch . Hoffe Kakshi überlebt das.
Ino sitzt auch ganz schön in der Tinte .
Ich frag mich aber immer noch, was machen die Kinder da .
Antwort von:  _Scatach_
23.04.2022 15:08
Ja, Genma gerät außer Kontrolle, das könnte wirklich übel ausgehen für Kakashi.
Und wie du sagst hat auch Ino ganz schön mit Problemen zu kämpfen.
Es wird sich noch zeigen, was die Kinder da machen ;)


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