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Under these Scars

Teil Vier der BtB Serie
von

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Welcome...to hell

Innerhalb der Barriere wehte nicht die geringste Brise, es herrschte nur eine unheimliche Stille. Neji spürte sie wie eine Statik, die sich gegen seine Haut drückte. Schon vor mehreren Metern waren die Pferde scheu geworden, was die Teams dazu gezwungen hatte, die Wagen zu verlassen und die letzte viertel Meile zu Fuß zu gehen. 

 

„Fühlt sich an, als würde man über Wolken laufen“, sagte Naruto, setzte seine Füße auf den schwammigen Boden und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Ist wie ein Trampolin oder sowas.“

 

„Du hast gerade ein perfektes Gleichnis ruiniert“, sagte Shino und spreizte die Füße für Balance. „Warum? Weil du Metaphern vermischst. Genauso wie du es schon früher in der Akademie gemacht hast.“

 

Vermischte Metaphern oder nicht, Naruto hatte nicht unrecht. Neji hatte nie von sich behauptet, er hätte einen federnden Schritt, aber es war geradezu unmöglich, hier nicht ein wenig mit zu hüpfen. Die Spezies des Mooses, das den Pfad bedeckte, war flauschig wie Baumwolle und federnd wie ein Gummiband.

 

„Ist richtig verlockend, Hüpfburg zu spielen“, kicherte Tenten und stieß ihn leicht an. „Na komm schon.“

 

Neji presste die Lippen aufeinander, die Augen auf Shikamaru gerichtet, als der Schattenninja voraus sprang; leichtfüßig wie ein Hirsch und seine Aufmerksamkeit auf die Blaupausen in seinen Händen gerichtet. „Wir sind auf einer Mission, Tenten.“

 

„Kannst du dir Lee oder Gai-sensei hier vorstellen?“

 

Gott…

 

Beinahe schmunzelte Neji. „Mir schaudert bei dem Gedanken.“

 

Sie lachte, was ihr einen strengen Blick von Katsu und den anderen drei Nagu einbrachte. Schweigen legte sich, abgesehen von dem gelegentlichen Glucksen und Giggeln, als sie weiter hüpften, bis sie letztendlich einen Rhythmus fanden, indem sie sich mit Sprüngen oder hohen Schritten ihren Weg über moosigen Boden bahnten. Hier begann der Pfad abzufallen und der Dschungel ragte wild und grün zu beiden Seiten auf, lebendig mit dem Zirpen und Zwitschern der Vögel und Insekten, während sich der stechende Geruch von blühenden Blumen und verrottenden Pflanzen schwer in der unbewegten Luft hielt. Stagnierend. Feucht.

 

Kiba nieste explosiv und vergrub seine Nase in der Armbeuge. „Ugh. Gottverdammt.“

 

Chōji warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. „Versuch, durch den Mund zu atmen.“

 

„Das mach ich doch.“

 

„Versuch, die Luft anzuhalten“, flötete Ino und fing sich dadurch ein dolchbewährtes Funkeln ein.

 

„Ruhe“, sagte Neji; seine Stimme ein strenges Knurren in jedermanns Ohr. „Wir sind nah.“ Sehr nah. So nah, dass Neji innerhalb ein paar kurzer Meter vor ihrem Ziel zu einem abrupten Halt kam. Seine Byakugan Augen weiteten sich angesichts der Szenerie. „Kami.“

 

Die Forschungsstation von Kusagakure schien einen verlorenen Kampf gegen den Dschungel zu führen. Eingerahmt von dicken, schimmernden Ranken und eingebettet in die verdrehten Arme gigantischer, sonnengebleichter Luftwurzeln. Die Außenwände wurden langsam, aber unaufhaltsam von der Natur zurückerobert; Stein für Stein, ein Stockwerk nach dem anderen, als Lianen und Würgfeigen um den Besitzanspruch über Wände und Fenster rangen. 

 

„Wow“, hauchte Tenten und legte den Kopf in den Nacken. „Schaut euch mal die Größe von diesen Bäumen an.“

 

„Tetrameles Nudiflora“, sagte Ino, als sie neben einer der Luftwurzeln in die Hocke ging. Das Ding war doppelt so groß wie sie und vermutlich viermal so schwer. „Obwohl diese Spezies definitiv irgendeine Art der Mutation durchlaufen hat.“ Sie neigte den Kopf nach hinten und folgte dem Netzwerk aus Wurzeln und Ranken. „Würde mich nicht überraschen, wenn sie von dem Chakra angezogen werden, das die Einrichtung umgibt. Vielleicht ernähren sie sich sogar davon.“

 

„Sehr gut beobachtet“, erwiderte Katsu, während er mit einer Handfläche über eine flaumig aussehende Wurzel strich, die dazu entschlossen schien, sich ihren Weg die Steintreppe hinauf zum Eingang zu kriechen. „Die Pflanzen wurden zu diesem Zweck dort angebracht. Sie saugen alle Chakra-Lecks auf und verhindern somit Verschmutzung und Kontamination. Der Nachteil ist nur“, er machte eine Pause und brach eine Babywurzel ab, die so dick war wie sein Arm, „dass sie schwer zu beschneiden sind. Es braucht eine Windtechnik, um das Gröbste davon zu stutzen.“

 

„Klingt nervig“, murmelte Shikamaru, sein Blick wanderte höher und höher, verharrte auf dem Blätterdach, das sich in einem sattgrünen Schirm über die Einrichtung spannte und nur dünne Strahlen aus Sonnenlicht durch das unbewegte Laub ließ. „Neji, siehst du irgendwas?“

 

„Ich schau gerade“, antwortete Neji und blickte an der mit Pflanzen überwucherten Fassade vorbei, um den Grundriss des Gebäudes zu scannen und ihn gleichzeitig mit den Schemata zu vergleichen, die die Nagu ihnen gegeben hatten. Was auch immer es für ein Barrieresiegel war, das sich um die Einrichtung hielt, es machte es schwierig – wenn nicht sogar unmöglich – Details voneinander zu unterscheiden, aber er konnte zumindest einen Hauch von Abgrenzung zwischen den separaten Stockwerken und Abteilungen erkennen. 

 

Sechs Bereiche abzudecken…

 

Neji teilte sie sauber in der Mitte und drehte sich, um die beiden Teams anzusprechen. „Team B, kümmert euch um die unteren drei Ebenen, Keller und weitere Untergeschosse gehören euch. Team A wird die obere Etage und die überirdischen Abteilungen übernehmen. Wenn eines der Teams oder beide niemanden finden, dann treffen wir uns bei den Chimärengehegen. Meldet euch mit regelmäßigen Statusberichten und lasst einander wissen, falls Verstärkung benötigt wird. Irgendwelche Fragen?“

 

Naruto hob den Blick von den Baumwurzeln, die Ino studierte. „Jo.“ Er tippte sich auf die blauen Siegel auf seinen Handrücken. „Wie lange dauert es, bis sich diese Siegel auflösen?“

 

Katsus gelbgrünes Auge zuckte zu Naruto. „Wir haben fünf Stunden, bevor das Siegel für die Laboratorien deaktiviert wird. Jeder, der bis dahin noch innerhalb der Einrichtung ist, wird darin gefangen sein, bis wir das Barrierejutsu aufheben; was wir nicht vorhaben, bis jeder Aikokusha Verräter tot oder in unseren Kerkern ist.“

 

Stirnrunzelnd musterte Shikamaru die Siegel. „Sagen wir, jemand steck dadrin fest, kann dann nicht einfach jemand von außen durch die Barriere gehen und das Siegel nochmal auf der betreffenden Person anbringen?“

 

Katsu schüttelte den Kopf. „Negativ. Die Siegel müssen angebracht werden, bevor man die Schwelle übertritt. Sobald man innerhalb der Barriere ist, funktioniert das nicht mehr.“

 

„Hn. Schätze, es gibt immer einen Haken“, murrte Shikamaru. 

 

Mit einem Achselzucken ließ Naruto die Hände fallen. „Also in anderen Worten ‚Seht zu, dass ihr rechtzeitig wieder rauskommt‘, richtig?“

 

Katsu nickte und wandte sich der Nagu an seiner Seite zu. „Sui, Wir holen uns Ujihara lebend. Was den Rest angeht; Gefangene sind Leichen vorzuziehen.“

 

Die Frau mit den Katzenaugen, Sui, nickte. „Verstanden.“

 

Katsu sah zu den anderen beiden Nagu bei Team B. „Yako, Yuki.“

 

Sie nickten in übereinstimmendem Verständnis. Nogusa wollte so viele Aikoku wie möglich lebendig. Und auch wenn Neji diesen Befehl respektierte, brachte es sie in einen ernsten Nachteil, soweit es den Kampf betraf; denn die Aikoku würden diesen Gefallen sicher nicht erwidern. 

 

„Gibt es irgendwelche Ausnahmen?“, fragte Neji. 

 

Nachdenklich schürzte Katsu die Lippen. „Fußsoldaten und Wachen sind entbehrlich. Genauso wie irgendwelches feindlich gesinntes Personal. Allerdings dürfen die Wissenschaftler nicht verletzt werden. Und Ujihara ist nicht verhandelbar. Er muss lebendig gefasst werden, sodass er für seine Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden kann.“

 

„Und was ist mit den Chimären?“, fragte Shikamaru, als sich seine Augen scharf von den Schemata in seinen Händen hoben. „Irgendwelche Voraussetzungen, die wir berücksichtigen müssen?“

 

Ein gelbgrünes Feuer erwachte hinter Katsus Reptilienauge zum Leben. „Nur eine“, sagte er, als er sich Shikamaru zuwandte, sein vernarbter Mund hob sich in der grausamen Imitation eines Lächelns. „Vernichtet sie alle.“

 
 

~❃~
 

 

Im Schutz einer Menschenmenge schlüpfte Kakashi in das Shushuya und verlor sich in einer Gruppe Jōnin, die von einer Mission zurückgekehrt waren und so aussahen, als wollten sie die angestaute Zeche einer ganzen Woche in einen einzigen Tag aus gutem Sake und gegrilltem Hühnchen stopfen. 

 

Ein guter Tag fürs Geschäft. 

 

Alle Arten von Geschäften. 

 

Kakashi duckte sich unter den Armen zweier sich zuprostender Kameraden hindurch, passierte die Bar und schritt schnurstracks ans andere Ende des Restaurants, wo das gedimmte, kunstvolle Licht tiefe, samtige Schatten zwischen die Gänge der hohen hölzernen Sitznischen warf. Hier war das Geplapper gedämpft. Es gab mehr Privatsphäre. 

 

Er fand Yamato in der hintersten Sitzecke, als er gerade etwas heißen Sake hinunterstürzte. „Du bist spät.“

 

„Mir ist eine schwarze Katze über den Weg gelaufen“, erwiderte Kakashi und schob sich auf die gegenüberliegende Bank, während er Yamatos Gesicht nach Blut oder Hämatomen absuchte. Er fand keins von beidem, fragte aber trotzdem: „Bist du okay?“

 

Grunzend schenkte Yamato dem Kopierninja einen Drink aus der dampfenden Falsche ein und schubste den kleinen Becher über den Tisch, bevor er seinen eigenen zwischen Daumen und Zeigefinger aufnahm. „Kanpai“, raunte er ironisch, kippte den Alkohol den Rachen hinab und klatschte die Lippen aufeinander. „Was? Willst du mir nicht für einen Job zuprosten, den ich gut gemacht habe?“

 

Kakashi musterte die finsteren Linien, die sich in Yamatos Stirn gruben und nahm langsam seinen Becher auf. Lange Finger hingen in einem lockeren Griff um den Rand. Aufmerksam beobachtete er den anderen Ninja, sein graues Auge auf Halbmast. „Ich weiß, wie schwer es für dich ist, an diesen Ort zurückzukehren.“

 

Yamato stierte auf seinen leeren Becher und drehte ihn in seiner Hand hin und her. „Ist schon okay.“

 

„Nein, ist es nicht. Was hat der Spaß gekostet?“

 

„Nichts“, wies Yamato ab und schlüpfte sofort zurück in die Codesprache. „Ich habe bestellt, was du wolltest.“

 

„Tenzō…“

 

Yamatos dunkle Diamantaugen blitzten auf und seine Lippen wurden schmal. „Bitte treib es nicht zu weit, Senpai.“

 

Rasch leerte Kakashi seinen Drink und eine silberne Braue hob sich angesichts des scharfen Klangs einer Drohung, die in diesen Worten mitschwang. Ein angespanntes Schweigen erstreckte sich straff wie eine Klaviersaite  schrill und unangenehm zwischen ihnen. 

 

Naja, ist nicht so, als hätte ich nicht damit rechnen müssen…

 

Nein. Aber er hatte – vermutlich törichterweise – gehofft, dass Abstand und Zeit für Yamato getan hatten, was sie für ihn selbst nicht getan hatten. Doch offensichtlich verblieben manche Wunden unverheilt, völlig ungeachtet der Jahre, die mit dem Versuch verbracht wurden, sich davon zu erholen; mit dem Versuch, wieder für sich zu beanspruchen, was KERN Yamato genommen hatte. 

 

Was nichts weniger als einfach alles ist…

 

Doch obwohl er das wusste, hielt Kakashi dem Blick des jüngeren Mannes unerschrocken stand. „Ich weiß, was es kostet“, sagte er letztendlich und seine Stimme senkte sich zu einem Murmeln, das dumpfe, leise Timbre erreichte einen Teil von Yamato, der tief unter den Decknamen und dem Narbengewebe begraben war. „Du weißt, dass ich das tue.“

 

Ein zerfetzter Atemzug und Yamatos Augen schienen klarer zu werden und die Luft verließ ihn in einem reinigenden Rauschen. Mit einer Hand rieb er sich über das Gesicht und durch sein Haar, während er den Kopf schüttelte. „Es sollte mich nicht so mitnehmen, ich weiß.“

 

„Niemand kann sagen, wie du dich fühlen, oder nicht fühlen solltest“, erwiderte Kakashi, setzte seinen Becher beiseite und machte sich daran, Yamatos nachzufüllen. „Es ist, was es it. Du bist nicht länger verpflichtet, nichts zu fühlen. Dadurch weißt du, dass du nicht länger im KERN bist.“

 

„Und ANBU?“, fragte Yamato, als er den Dampf beobachtete, der von seinem Becher aufstieg. „Weißt du, manchmal schaue ich Sai an und denke mir, Shit, dieser Junge hat es so leicht. Und dann erinnere ich mich…“ Kopfschüttelnd hob er den Alkohol an seine Lippen und glasige Augen stierten über Kakashis Schulter, sahen etwas aus einer anderen Zeit, einem anderen Leben. „Und dann erinnere ich mich.“

 

Kakashi summte einen ernsten Ton und wartete darauf, dass Yamato seinen Dämonen zuprostete. Wenn schon sonst nichts, dann dienten sie zumindest als Mahnung. Nicht wirklich der Teufel auf der Schulter und ganz sicher auch kein leitender Engel…und dennoch…

 

Manchmal hilft es, sich daran zu erinnern, wo wir angefangen haben…

 

Und wenn nur, um anzuerkennen, wie weit sie beide gekommen waren…und wie kurz davor sie manchmal waren, wieder zurück zu fallen, einen unbedachten Schritt nach dem anderen. Das war in ihrem Arbeitsbereich leicht genug zu bewerkstelligen…wo die Linien der Pflicht ebenso undeutlich und fragil waren wie die Moral, die sie definierte. 

 

So ist das Leben eines Shinobi…

 

Er hatte es Asuma einmal als gleichbedeutend mit den Mondphasen erklärt…erinnerte sich jetzt ebenso deutlich daran, wie es damals in diesem Moment für ihn gewesen war…Asuma ihm gegenüber…sein eigener Mund in Bewegung, um Worte zu formen, an die sich sein Gedächtnis entsann…

 

‚Ein Vollmond ist das, was die Besten von uns anstreben. Als Shinobi verharren wir als Halbmonde und schwanken zwischen den Definitionen von richtig und falsch. Und manche von uns existieren innerhalb einer totalen Mondfinsternis des Gewissen und kümmern sich um keins von beidem.‘

 

‚Du hast diesen Scheiß gerade aus deinem Arsch gezogen, oder?‘

 

Kakashi stieß ein amüsiertes Schnauben aus und sein graues Auge bog sich warm bei dieser Erinnerung. Nach einem Herzschlag hob er den Blick und musste feststellen, dass Yamato ihn seltsam ansah. Rasch schüttelte Kakashi den Kopf, um die Frage abzuwehren, die er nicht beantwortet hätte und griff stattdessen nach dem Sake. Er ließ den Dampf das Frösteln aus seinen Fingern lösen, als die Wärme der Erinnerung kalt wurde. 

 

Bring das hinter dich.

 

Während er mit dem Daumen über die warme Keramik strich, tat Kakashi so, als würde er seinen Drink mustern und glitt nahtlos in die Codesprache. „Du hast gesagt, du hättest bestellt, was ich wollte.“ Du hast gefunden, wonach ich gesucht habe.

 

Yamato griff in seine Flakjacke und zog einen Streifen rosafarbenes Durchschlagspapier heraus. Er faltete es in die Rechnung und schob beides über den Tisch. „Sieh selbst nach. Teures Zeug. Stand schon eine ganze Weile auf dem Regal. Definitiv nicht mehr zu kriegen.“ War sehr schwierig, es zu finden. Tief begraben, wahrscheinlich für Jahre. Keine Kopien außer diese eine.

 

Als er so tat, als würde er nach der Sakekarte greifen, bewegte sich Kakashi mit der Geschicklichkeit eines Magiers, um die Papiere aufzunehmen, als wären sie nie da gewesen. „Nicht schlecht für’s Geschäft, hmn?“ Wie sieht es mit Auswirkungen aus?

 

Yamato nippte an seinem Getränk, gurgelte den Alkohol in seinem Mund und schluckte. „Der Eigentümer wird nicht begeistert sein, dass wir es bestellt haben. Vorausgesetzt er bemerkt, dass es weg ist.“ Wenn es Danzō rausfindet, dann wird er alles andere als glücklich sein.

 

Kakashi zuckte nur mit den Achseln, während sein graues Auge mit Desinteresse zum Ausgang wanderte. Das würde ihm bestimmt nicht den Schlaf rauben. Er klappte die Karte zu. „Ich weiß den Ärger zu schätzen, den du auf dich genommen hast.“

 

Yamato winkte ab. „Ich schulde dir immer noch was.“ 

 

„Und ich bin mir sicher, dass das hier alle entstandenen Schulden begleicht.“ 

 

„Vielleicht.“ Yamato hob seinen Becher und seine Brauen zuckten in freundschaftlicher Erwartung. „Kanpai“, sagte er nochmal und diesmal irgendeinen Spott. „Auf abgeschlossene Missionen.“

 

Für die Geste hielt auch Kakashi seinen Becher nach oben. Darauf konnte er anstoßen. „Kanpai“, erwiderte er und neigte leicht den Kopf, als er hinzufügte: „Auf alte Freunde und alte Zeiten.“

 

Yamato setzte ein flüchtiges, schüchternes Lächeln auf und wandte rasch den Blick ab, was Kakashi an den jungen, zurückhaltenden Jungen erinnerte, der er einst gewesen war – vielleicht aber auch niemals gewesen war, dank KERN. Damals war es keine Schüchternheit gewesen. Genau wie bei Sai hatte es weniger mit Zurückhaltung zu tun und viel mehr mit dem Scheitern darin, Gefühle erkennen zu können. 

 

Aber Yamato erkannte sie inzwischen. Er stieß ihre Becher in einer Geste der Anerkennung aneinander, musste seine Worte nicht wiederholen. Stattdessen trank er auf sie und kippte den Sake hinunter. „Ich überlasse dich jetzt deinen eigenen Libationen, Kakashi“, sagte er, als er sich aus der Nische schob. „Bleib aber nüchtern.“ Pass auf dich auf.

 

Kakashi blinzelte langsam, um zu signalisieren, dass er verstanden hatte. „Immer.“

 

Ein rasches Mustern der leeren Sitzecken und Kakashi wartete, bis Yamato jenseits der Bar und aus der Tür verschwunden war, bevor er eine Hand hob, um seine Maske nach unten zu ziehen. Der erste Schluck rutschte reibungslos und trocken nach unten, breitete in einem angenehmen Kribbeln Wärme in seinem Bauch aus.

 

Er genoss es. 

 

Und dann griff er in seinen Ärmel, zog das dünne rosa Papier heraus, las den verblassten Namen…und fühlte, wie das Brennen in seinem Bauch kalt und taub wurde. 

 

Yamanaka Naoki.

 
 

~❃~
 

 

Die Laboreinrichtung von Kusagakure stank nach Tod. 

 

Blut tünchte die blassen, blaugrauen Wände und besprenkelte den minderwertigen Bodenbelag, dunkle Klumpen vermischten sich mit einem feinen, rosanen Nebel und langen, rotschwarzen Strängen aus Knorpel und Eingeweiden. Ein düsteres, hässliches Bild, illuminiert von Stakkatoblitzen aus Neon, weil die Deckenbeleuchtung an und wieder aus flackerte wie das unregelmäßige Blitzlicht einer Kamera. 

 

Und sie standen gerademal im Empfangsbereich.

 

„Oh mein Gott…“, wisperte Sakura, ihre Stimme ein schwaches Knacken in Shikamarus Ohr. 

 

Die Nase gegen den Gestank gerümpft, wanderten die Augen des Schattenninjas von der ausgeweideten Wache auf dem Boden zu der blutigen Leiche, die ausgestreckt auf dem großen, U-förmigen Rezeptionstisch lag. Fliegen sirrten in und aus dem offenen Mund der Frau und krabbelten über ihre schwarze, geschwollene Zunge, ihr habgieriges Dröhnen passend zu dem ionisierten Summen der sich abmühenden Lichter. 

 

Shit. Was für ein Durcheinander.

 

„Das darf nicht wahr sein…“ Naruto schluckte hörbar und presste sich eine Hand gegen den Bauch, krümmte sich leicht nach vorn, als wäre ihm übel und seine Augen tränten von dem bestialischen Gestank. „Was zur Hölle ist hier passiert?“

 

Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken oder in Schweiß auszubrechen, blätterte Sai durch ein schmales Notizbuch. Aus dem Augenwinkel spähte Shikamaru zu ihm, sah, wie der Künstler eine rasche Skizze der Szenerie machte, sich die Platzierungen der Leichen, der Möbel, der Blutspritzer und allem anderen notierte, was er für wichtig hielt. 

 

Naruto warf seinem Teamkameraden einen angewiderten Blick zu. „Ernsthaft!?“, würgte er hervor und seine Stimme prallte in einem akustischen Zersplittern von den Wänden ab. „Wirst du hiervon etwa künstlerisch inspiriert oder sowas?“

 

„Sei still“, zischte Neji einen Herzschlag, bevor Katsu die Luft mit den Handflächen tätschelte. Ein nonverbales Signal, in Deckung zu gehen. Sofort ließ sich jeder in eine Hocke fallen. 

 

Keiner bewegte sich. 

 

Niemand atmete. 

 

Irgendwo tief in den Eingeweiden des Gebäudes ertönte ein langgezogenes Ächzen, als würde eine rostige Tür in ihren Angeln zu schwingen. Stille senkte sich erneut herab, unterbrochen nur von dem zusammenhanglosen Summen der Lichter und dem ekelerregenden Dröhnen der Fliegen. 

 

Haus des verfickten Schreckens, was?

 

Shikamaru stieß einen Atem aus, drehte sich langsam und erstarrte, als er sich auf Augenhöhe mit dem Arm der toten Frau wiederfand, der über den Tisch baumelte, die Finger steif verkrümmt. Er stierte auf das Blut, das sich in den Extremitäten ihrer fleckigen Haut sammelte und blinzelte hart, während er den Blick abwandte. 

 

Er fing Sakuras Blick auf und wisperte: „Wie lange tot?“

 

Tief am Boden bleibend kroch Sakura zu ihm hinüber. Sie drückte die violett verfärbten Finger der toten Frau, überprüfte sie auf Starre und Leichenblässe, sah zu, wie die Haut leicht bleich wurde. „Das Blut ist noch nicht geronnen. Anhand der Leichenstarre würde ich auf drei oder vier Stunden tippen.“

 

In etwa die Zeit, als sich Ashihara in Katsus Klinge geworfen hatte. War das hier auch Teil seines Plans? Shikamaru blinzelte in die ständig wechselnde Dunkelheit, stemmte seine Schulter gegen den Schreibtisch und berührte das Mikrofon an seinem Hals. „Shino. Wie sieht dein Lagebericht aus?“

 

Ein statisches Knacken und Shinos Stimme erklang durch die Leitung. „Bereiten uns gerade darauf vor, den Keller über die Luftschächte zu betreten. Wir müssen durch das Gewächshaus und die Tropengärtnerei. Die Personalunterkünfte und die Kantine sind wir umgangen, aber Kiba und Akamaru sind sich sicher, dass sie Blutgeruch aufgefangen haben.“

 

„Sehr viel Blut“, krächzte Kiba und klang erschüttert. „Scheiße und Pisse auch. Als hätte eine ganze Menge Leute ihre Eingeweide zur selben Zeit verloren. Mann, ich muss kotzen.“

 

„Kein Zeichen von irgendwelchen Feinden?“, fragte Shikamaru. 

 

„Nein“, antwortete Shino. „Ich melde mich wieder, sobald wir den Keller erreicht haben.“

 

Shikamaru ließ seine Hand von dem Mikrofon sinken und rutschte mit dem Körper tief am Boden zur Seite. Neben dem Kadaver der Wache ging er in die Hocke und studierte die Verletzungen. Der Mann war aufgerissen, zerfleischt und auseinander genommen worden. 

 

„Chimären.“ Katsu fauchte das Wort und setzte sich in Bewegung, um sich an die andere Seite des Körpers zu kauern. Mit einer Hand rieb er sich über die leichten Stoppeln, die seinen Kiefer beschatteten, sein gelbgrünes Auge zog sich zusammen. „Was für eine Abscheulichkeit“, wisperte er, aber mit solch starken Emotionen, dass es den Schattenninja vollkommen überraschte. 

 

Shikamaru hob den Blick, sah, wie die Nagu Frau, Sui, hinter Katsu trat und ihre langen dunklen Zöpfe fielen nach vorn, um ihr Gesicht abzuschirmen, als sie sich nach vorn beugte, seine Schulter berührte und hart zudrückte. Shikamaru konnte ihre Miene nicht lesen, aber der Griff, den sie an ihm hatte, ließ auf einen geteilten Schmerz schließen; auf eine erinnerte Vergangenheit. 

 

„Shino“, sagte Neji plötzlich und fasste sich an sein Mikrofon. „Seid vorsichtig. Möglicherweise bewegen sich Chimären frei auf allen Ebenen der Einrichtung.“

 

„Verstanden.“

 

Stirnrunzelnd versuchte Shikamaru, seine Gedanken zu ordnen. Waren die Chimären absichtlich losgelassen worden? Oder hatte irgendetwas einen Kurzschluss im Sicherheitssystem verursacht? Auf den Schemata hatte es elektrische Zäune gegeben, die darauf hindeutete, dass die Bestien durch extreme Schocktherapie in Schach gehalten wurden. 

 

Ja, bis etwas, oder jemand, die Energiezufuhr abgeschnitten hat…

 

Beinahe hätte er einen Satz aus seiner kribbelnden Haut gemacht, als Neji mit raubtierhafter Anmut an ihm vorbei schlich. Er bewegte sich auf den Fußballen und seine Byakugan Augen scannten in alle Richtungen. Die Flure waren still, abgesehen von dem Stottern und Zwischen durchgebrannter Leitungen. Funken regneten in einem feinen, glitzernden Regen in einem der abzweigenden Korridore herab, der Gang gerade so sichtbar durch ein Paar Schwungtüren, die von etwas aufgekeilt waren, das wie ein halb aufgefressener Torso aussah.

 

Ohne irgendeine Miene stierte Shikamaru dorthin, vollkommen taub und seltsam ruhig. „Ich denke, wir müssen uns aufteilen.“

 

Narutos Augen quollen aus seinem Schädel. „Was?“, zischte er und hockte sich neben den Schattenninja, während kalter Schweiß auf seiner Stirn ausbrach. „Was ist mit der ganzen Sache ‚vereint stehen wir und getrennt sterben wir‘? Außerdem, da dein Chakra komplett auß-“

 

„Es gibt keinen anderen Weg, Naruto“, sagte Neji und kauerte sich ein paar Schritte entfernt auf den Boden, seine Gesichtszüge ernst und fokussiert. „So werden wir mehr Boden abdecken können.“ Er tippte sich auf die Handrücken, wo das Siegel zum Passieren der Barriere deutlich wie ein Tattoo hervor stach. „Wenn uns weniger Stunden als fünf Stunden bleiben, dann zählt jede Sekunde. Wir können es uns also nicht leisten, als Einheit vorzurücken. Gruppen von zwei, maximal drei Personen.“

 

Shikamaru nickte, seine Augen zuckten zu Katsu und Sui. „Stimmt ihr uns da zu?“

 

Katsu spähte zu Sui und sein bewölktes Auge stierte blind vor sich hin, während die gelbgrüne Iris ihr Gesicht nach irgendeinem Zweifel oder Zögern absuchte. Doch sie zeigte nichts davon. Er nickte. „Ja.“

 

„Na schön“, begann Shikamaru. „Das würde ich vorschlagen: Wir haben drei Hauptabteilungen abzudecken. Naruto und Sakura, ihr übernehmt die Personalunterkünfte, die Büros und die Kantine. Wie Katsu vorhin gesagt hat, dürfen Wissenschaftler nicht verletzt werden.“

 

„Vorausgesetzt, dass noch welche am Leben sind“, warf Sai ein.

 

Schonungslos, aber wahr.

 

„Das vorausgesetzt“, stimmte Shikamaru zu und hoffte inständig, dass die brillanten Köpfe, die diese Monster erschaffen hatten, sich auch einen verdammt guten Notfallplan für einen Ernstfall ausgedacht hatten. Der tote Wachmann und die tote Sekretärin lösten nicht gerade Zuversicht aus, aber das bedeutete ja nicht, dass das restliche Personal genauso wenig Glück gehabt hatte. Vielleicht hatten sie sich an einem sicheren Ort versteckt. 

 

Oder vielleicht laufen wir gerade auch einfach nur in ein abartiges Schlachthaus…

 

Kopf und Kragen riskierend. Yep, das klang ziemlich zutreffend. 

 

Während er Luft holte, rollte er den Grundriss der Einrichtung in seinem Verstand aus. „Sai, du und Sui übernehmt den rechten Flügel der Laboratorien. Neji und ich kümmern uns um den linken Flügel. Katsu, denkst du, du kannst den Kontrollraum erreichen und versuchen, die Energiezufuhr wieder zum Laufen zu bringen?“

 

Katsu legte den Kopf schief und dachte darüber nach, während er sich mit einer Hand durch sein dunkles, kurz geschnittenes Haar fuhr und dann mit der Handfläche über den kurzen Kamm eines Irokesen strich. „Hmn. Die Notstromaggregate hätten anspringen müssen. Ich kann auf jeden Fall versuchen, das System neu zu starten.“

 

„Aber hat das denn irgendeinen Sinn?“, fragte Sakura und gestikulierte zu den Leichen. „Ganz offensichtlich sind die Chimären schon los. Jetzt die Gehege zu elektrifizieren wird keinen Unterschied machen.“

 

„Wird es schon; für die Chimären, die immer noch in ihren Pferchen sind“, erwiderte Shikamaru und reflektierte seine Erfahrung mit Chōji und seine Zeit, die er damit verbracht hatte, diese Monster aus nächster Nähe zu studieren. „Viele von ihnen sind an ihre Gehege gewöhnt. Nicht alle von ihnen testen die Zäune auf Schwachstellen…obwohl…“ Er spähte hinunter auf die zerfetzten Überreste des Wachmanns. „Ich würde alles Geld darauf wetten, dass diese Dinovögel clever genug sind, einen Weg zu finden, sich zu befreien.“

 

„Die Speier auch“, sagte Neji. 

 

„Und die Stachelkatzen“, fügte Naruto hinzu. „Diese Dinger jagen und denken im Rudel.“

 

Katsu und Sui tauschten blanke Blicke angesichts der Kosenamen für die Chimären aus. 

 

„Shikamarus Lippen zuckten grimmig. „Ihr werdet es kapieren, wenn ihr sie seht. Aber hoffentlich werdet ihr das nicht. Zumindest nicht aus der Nähe.“ Er legte die Finger aneinander, als sich der Plan zusammensetzte, seine Daumen nestelten schnell. „Okay. Sobald ihr eure Bereiche gesäubert habt, begebt euch zu den Gehegen, so wie vorhin ausgemacht. Versucht, irgendwie erhöht vorzurücken, wenn es das Gebäude zulässt. Bewegt euch auf die Wachtürme rund um die Umzäunung zu und stellt sicher, dass ihr mit Tentens Artillerie-Schriftrollen bewaffnet seid; und mit Ninjutsu. Diese Dinger sind definitiv von der Leine und sollten lieber aus der Ferne erledigt werden.“

 

Die Teams teilten sich in die zugewiesenen Paare und folgten ihren entsprechenden Korridoren. 

 

Während er sich in einer Hocke neben Neji bewegte, wanderten Shikamarus Augen zum linken Flur und den Doppeltüren am entfernten Ende. „Und was ist hinter Tür Nummer Drei?“, murmelte er leise und sah zu, wie Neji mit beneidenswerter, katzengleicher Leichtigkeit voran schlich. Der Schattenninja hielt Schritt, den Körper tief gesenkt und die Fingerspitzen über die Seiten des Korridors streichend, als sie sich ihren Weg um den Hindernisparcours aus umgestürzten Laborwagen, Aktenschränken, Klemmbrettern, Fläschchen und blutigen Laborkitteln bahnten. „Laufen wir jetzt den ganzen Weg so? Dann bekomme ich bald `nen Krampf.“

 

Neji spähte über die Schulter. „Noch mehr nervöser Humor, Nara?“

 

Shikamaru stierte auf einen Fleischklumpen, der in einer Pfütze schaumigen Blutes schwamm und löste seine Hände von der Wand, um seine Schenkel zu umklammern, während er auf den Fußballen federte, als wollte er Reißaus nehmen und sich Adrenalin immer weiter aufbaute. „Wir sind gerade mal an der Türschwelle dieser massiven Todesfalle, Hyūga. Sag mir, dass du diesen herzlichen Empfang erwartet hast und ich halt die Klappe.“

 

„Seit Ashiharas Tod erwarte ich das Unerwartete“, sagte Neji und senkte seine Stimme zu einem Wispern, als sie sich der Tür näherten, sich dicht an den Wänden entlang schoben und die Köpfe gesenkt hielten. „Das Einzige, wovon wir ausgehen können, dass es sich innerhalb dieser Einrichtung nicht verändert oder bewegt hat, sind diese Hybridenpflanzen.“

 

„Ich wette, dass es dich nach Vergeltung juckt, huh?“ Shikamaru schmunzelte und vertiefte seine Stimme zu einer spielerisch spöttischen Imitation von Nejis empörtestem Tonfall. „Diese Pflanze.“

 

Neji schnaubte, doch sein Mund presste sich gegen ein Lächeln zusammen. „Es freut mich, dass dich das immer noch amüsiert.“

 

„Jedes verdammte Mal“, gab Shikamaru zu und hob seine Hände gegen Nejis halbherzig finsteren Blick. „Hey, lauf einfach nicht unter irgendwelchen Regenbogenschoten durch.“

 

„Das sollte deine letzte Sorge sein. Ohne deine Schatten riskieren wir ein dreibeiniges Rennen in dem Versuch deiner üblichen Angewohnheit, das Weite zu suchen.“

 

Shikamaru bedachte ihn mit einer flachen Miene. „Optimismus Hurra“, sagte er trocken. „Erinner mich nochmal daran, warum genau ich mein Leben in deine Hände gelegt habe.“

 

Ein seltsames Glühen in diesen Mondaugen; vielleicht Belustigung oder möglicherweise Verdruss…oder vielleicht auch einfach nicht mehr als das blitzartige Flackern der sich abmühenden Lampen. „Weil du mir vertraust“, sagte Neji. 

 

Völlig überrumpelt kaschierte Shikamaru seine Überraschung mit einem schiefen Lächeln. „Ist das eine Frage, Hyūga?“

 

Für eine lange Sekunde hielt Neji seinen Blick, bevor er mit dem Kinn in Richtung der Doppeltüren ruckte. Nach oben, wo eine breite Metalltafel über den Türstock genagelt war. Darauf stand: LABORATORIEN A – G.

 

„Bereit?“, fragte Neji. 

 

Shikamaru antwortete mit einer Tat und schlich hinüber zu der gegenüberliegenden Seite. Zur selben Zeit richteten sie sich auf und standen zu beiden Seiten der Türen, Shikamaru zur Linken und Neji zur Rechten. 

 

Mit Vorsicht schob sich Shikamaru auf den Fersen seitwärts, legte den Kopf schief und linste durch das mit Blut beschmierte Fenster aus Sicherheitsglas. Die Korridore jenseits davon sahen größer und dunkler aus, die Deckenbeleuchtung nichts weiter als ein Funkenregen. Die Schatten wären dicht überall um ihn herum, aber mit überhaupt keiner Geborgenheit. Er konnte sie nicht nutzen. 

 

Gottverdammt…

 

Die Irritation, die er vorhin gefühlt hatte, kehrte in einem Prickeln und Brennen zurück, nährte Anspannung, die seine Wirbelsäule auf und ab rannte. 

 

Beruhig dich. Kühler Kopf, agiler Verstand. 

 

Während er tief Luft holte, spiegelte er Nejis Bewegungen und stemmte seine Handfläche gegen die Tür, verlagerte sein Gewicht auf seine Fußballen. Mit seiner anderen Hand griff er nach seinem Tantō, bereit dazu, es im Hirn von welcher Bestie auch immer zu begraben, die vielleicht aus der Schwärze platzen würde. 

 

Ihre Blicke trafen sich. 

 

Shikamaru nickte, wartete auf grünes Licht. 

 

Nejis Augen kräuselten sich und kontrahierten, Byakugan Venen krochen über seine Schläfen, machten sich bereit dazu, den Korridor vor ihnen zu scannen. Doch er bekam nie die Gelegenheit dazu. In dem Bruchteil einer Sekunde, den Shikamaru brauchte, um überrascht zu versteinern, explodierten die Türen nach außen. 

 
 

~❃~
 

 

Yamanaka Naoki

ANBU Deckname: Tenka

Offizieller Status: IEG

KERN Status: IEV

 

Die Information lief in einer Endlosschleife in Kakashis Verstand ab. Er durchsuchte die Gänge der Aufzeichnung, hielt bei einem Regal inne, zog den Streifen rosafarbenen Durchschlagpapiers hervor und las den verblassten Text noch einmal. Keine Veränderung. Kein Wechsel. Kein magisches Wandeln von Buchstaben oder Bedeutung. Es war, was es war. Und es war – 

 

Gefährlich.

 

Zusammen damit, dass er hier im ANBU Hauptquartier war. Während er unter seinen Wimpern aufsah, neigte Kakashi seinen Körper ein winziges Stück, bis sein Sharingan Auge auf Höhe mit dem Eingang am anderen Ende des Raumes war. Er konnte sehen, wie der Schatten der ANBU Wache die dünne Linie aus Licht durchbrach, die unter der Tür durchschimmerte. Aufgrund von Gefälligkeiten hatte er das Glück gehabt, so weit gekommen zu sein. Die Wache auf der anderen Seite hatte zugestimmt, in die andere Richtung zu gucken und Kakashi zehn Minuten zu gestatten, da ihm der Kopierninja vor zehn Jahren das Leben gerettet hatte. 

 

Kakashi war zwar nicht der Meinung, diese Rechnung wäre besonders fair, aber gemessen an dem Risiko, das der Agent auf sich nahm…

 

Ich sollte das Beste aus diesen zehn Minuten machen…

 

Außerdem konnte er sich nicht auf Gefälligkeiten verlassen, um ihn aus dem Ärger zu ziehen, sollte der falsche Agent durch diese Tür laufen. Ohne eine weitere Sekunde zu verschwenden, machte er sich wieder daran, mit wirbelndem Verstand die Akten zu scannen. 

 

Yamanaka Naoki…

 

Zumindest hatte sich das Rätsel um Yamanaka Inoichis Involvierung gelöst; dieser komatöse Mann, den Pakkun auf dem Krankenbett gesehen hatte, war Inoichis Verwandter. 

 

Wie eng ist diese familiäre Bindung, frage ich mich?

 

Offenbar eng genug, dass es Inoichi zu Tränen rührte und auf die Knie zwang. War Inoichi beauftragt worden, Informationen zu extrahieren? Kakashi konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass Danzō der reinen Höflichkeit halber eine Art Wiedersehen inszenierte. Aber wenn dieser Agent ein Yamanaka war, dann würde Blut vermutlich genug sein, um Inoichi dazu zu bewegen, Danzō zu helfen.

 

Was eine andere Frage aufwirft; was für eine Art Information hat dieser Mann in seinem Verstand weggeschlossen?

 

Und wie – wenn überhaupt – könnten sich diese Informationen wohl auf das wie auch immer geartete Mysterium beziehen, das Asuma in Bezug auf Shikamaru zu lösen versucht hatte? Und was war mit diesem anderen Mann? Dr. Mushi? Wie sah seine Involvierung aus? War Tenka – Naoki – der Mann, von dem Mushi gehofft hatte, ihn mit Mizugumos Hilfe zu euthanisieren, als er nach Nirvana gefragt hatte?

 

Was auch immer zur Hölle eigentlich Nirvana ist…

 

Irgendeine Droge…irgendein Gift…irgendein Ende…

 

Aber einen komatösen Agenten töten?

 

Ah, na da war doch das Dilemma. Stirnrunzelnd ging Kakashi in die Hocke, um die unteren Regale zu mustern, während er mit den Fingern über die Ordnerrücken strich. Wenn Naoki KERN war, dann lag sein Leben in Danzōs Händen. Und wie Kakashi immer wieder miterleben musste, hielt nichts lange, was in Danzōs Händen lag. Die Wurzeln verwelkten, die Blätter starben. 

 

Kakashis Finger stoppten. 

 

Aber Naoki war nicht immer KERN gewesen…

 

Er zog einen Ordner heraus, der mit ‚IM EINSATZ GEFALLEN‘ beschriftet war und fing an, durch die Inhalte zu blättern. Nach den Informationen zu urteilen, die Yamato aufgedeckt hatte, war Naoki ANBU gewesen, bevor er zu KERN gewechselt hatte. 

 

Offiziell IEG…er muss hier sein…

 

Als er sich auf die Füße rappelte, warf er einen flüchtigen Blick zur Tür, legte den Ordner auf einem der Arbeitstische ab und fing an, schneller zu blättern, überflog alphabetische Steckbriefe, scannte Gesichter und Fakten und Zahlen. 

 

Von KERN wurde er als im Einsatz vermisst eingestuft…bedeutet das, dass sein ANBU Tod nur inszeniert war?

 

Wäre nicht das erste Mal, das so etwas passierte. Den Tod eines Agenten vorzutäuschen war ein Weg, die einstmalige Identität ohne vollständige Terminierung auszulöschen. Es machte keinen Sinn, wertvolles Gut zu verlieren. Nicht, wenn man es von allen Komplikationen befreien und auf die bloßen Knochen reduzieren konnte. 

 

Hmn. Wenn Naoki seinen ANBU Tod vorgetäuscht hat…

 

Dann war er ein Spitzenkandidat für KERN gewesen. Offiziell tot. Alle seine einstigen Bindungen zu Hokage, Familie, ANBU und dem Dorf effektiv gekappt. Ein leeres Blatt, bereit für Anweisungen. Er wäre perfekt für Danzōs Organisation gewesen. 

 

Die Frage ist, ob Naoki das auch willentlich getan hat…

 

Oder ob Danzō ihn in seinem Abwerben gezielt gehetzt und irgendeinen schmutzigen Deal abgeschlossen hatte. Kakashi wusste nur zu gut, wie es war, Ziel der KERN Rekrutierung zu sein. Wenn er daran dachte, dass er für eine bestimmte Zeit beinahe geglaubt hatte, es wäre der richtige Weg. 

 

„Hast du das geglaubt, Naoki?“, murmelte Kakashi zu sich selbst und grübelte über diese Frage nach, um sich davon abzuhalten, über die nachzudenken, die er sich selbst nicht zu stellen wagte. 

 

Diese spezielle Frage blieb hinter den anderen zurück; geduldig und unausweichlich und bewegte sich eine Frage nach der anderen, eine seitenumblätternde Ablenkung nach der anderen, weiter zum Vordergrund seines Verstandes. Solange, bis Kakashi sie nicht länger ignorieren oder vermeiden konnte. 

 

Was ist Genmas Verbindung zu Naoki?

 

Da war sie. Gehüllt in hässliche Farben und verdächtige Schattierungen und mit einer ganzen Menge mehr Fragen, die an ihrem Rücken hingen. Asuma war sich sicher gewesen, dass Genma gelogen hatte, als er behauptet hatte, er würde Naoki nicht kennen. Selbst Kakashi hatte seine Zweifel, gemessen daran, wie Genma das erste Mal reagiert hatte, als Kakashi diesen Namen ihm gegenüber erwähnt hatte. Dieses seltsame Licht hatte sich in die Augen des Shiranui gestohlen, war in die Schatten und wieder heraus geflackert. Geheimnisse innerhalb von Geheimnissen. 

 

Kakashi kam zum Ende seiner seitenumblätternden Suche und fand nichts. 

 

Zumindest…nichts, was unter Y abgeordnet ist…

 

Hatte ANBU angefangen, nach Decknamen sortiert abzuheften?

 

Dreimal ein scharfes Klopfen an der Tür. Drei Minuten übrig. Leise fluchend schob Kakashi seinen Daumen zwischen Papiere und fing an, zurück zu blättern, bis er zum Buschstaben T kam. 

 

Tenka…Tenka…

 

Scannend, suchend, sich der Zeit viel zu bewusst, die entschwand…

 

Und dann fand er es. 

 

TENKA: YAMANAKA NAOKI

 

Ein Polaroidfoto eines violettäugigen Mannes, seine zisellierten Konturen ganz unverkennbar Yamanaka; knochig, schlanke Wangen, scharfer, Kiefer, aschblondes Haar. 

 

Hab ich dich.

 

Kakashi sackte in Erleichterung ein wenig zusammen und beugte sich über die Informationen, während er sein Sharingan alle Details in sich aufnehmen ließ. Er überflog sie rasch und schwarze Tomoe wirbelten in seinem karmesinroten Auge, sog die Informationen auf – Jōnin, Team Yōkai, ANBU Kommandant – ordnete sie ab; erste Seite, zweite Seite, schneller und schneller und – 

 

Sein Blick fror ein. 

 

Zusammen mit seinem Atem. 

 

„Mein Gott…“, wisperte er und stützte beide Hände gegen den Tisch. 

 

Da, am Ende des Steckbriefs, waren zwei kleine Porträtfotos der anderen Mitglieder von Team Yōkai. Eines zeigte eine Frau namens Karibi; elfengesichtig mit kurzem, schwarzem und stacheligem Haar, zahllosen Piercings und stechend grünen Augen. Eine kleine Narbe zog sich von ihren Lippen abwärts. 

 

Er kannte sie nicht. 

 

Doch das zweite Gesicht hätte er immer und überall erkannt. 

 

„Genma“, hauchte Kakashi.

 

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Glossar:

Sui: Weibliches Mitglied der Nagu Butai, ihr Name bedeutet 'schlaftrunken, schlafen oder sterben'

Yuki: Weibliches Mitglied der Nagu Butai, ihr Name bedeutet 'Schnee'

Yako: Männliches Mitglied der Nagu Butai, sein Name bedeutet '(wilder) Fuchs'

Kanpai: Japanisches Äquivalent zu 'Cheers' oder 'Prost'

Yōkai: Bedeutet so viel wie 'Atmosphärisches Geisterlicht'/Lichter unbekannten Ursprungs, a.k.a Irrlicht



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  swetty-mausi
2022-04-07T20:31:56+00:00 07.04.2022 22:31
Guten Abend,
wieder ein tolles Kapitel von dir.
Antwort von:  _Scatach_
16.04.2022 14:56
Huhu :)

Naaw, vielen Dank, es freut mich sehr, dass es dir gefallen hat! :)
Von:  Scorbion1984
2022-04-05T16:01:23+00:00 05.04.2022 18:01
Langsam kommt immer mehr Schmutz von Konoha ans Licht .
Langsam sollten sie Tsunade einweihen, damit endlich die Richtigen Leute zur Rechenschaft gezogen werden .
Antwort von:  _Scatach_
16.04.2022 14:56
Stimmt, es kommt wirklich immer mehr Dreck an die Oberfläche und das lässt Konoha nicht so wirklich in einem guten Licht dastehen.
Tsunade einzuweihen wäre ein wichtiger, aber auch ein extrem risikobehafteter Schritt, das muss wirklich gut überlegt sein.


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