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Under these Scars

Teil Vier der BtB Serie
von

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Gathering informations

Auf der Suche nach Privatsphäre und Ruhe stieß Neji auf die einladende Leere des Sand- und Kieselsteingartens. Mit scannenden Byakugan Augen entdeckte er das schwarze Barriere Jutsu, das schwer über dem leeren Gelände hing. 

 

Das lässt sich nicht ändern.

 

Auch wenn es ihn zwar unfähig machte, die Anwesenheit anderer zu bemerken, war es beruhigend zu wissen, dass Tsuno umgekehrt auch nicht in der Lage sein würde, ihn zu bemerken. Er brauchte es, dass diese Unterhaltung außerhalb der Hörweite seines ANBU Führers stattfand. 

 

„Das wird reichen“, sagte er.

 

Achselzuckend bewegte sich Shikamaru an ihm vorbei, trat über die Schwelle und hinaus in die Stille des antiken Heiligtums. Mit gerunzelter Stirn hielt Neji seine Augen für ein paar Herzschläge auf den Rücken des Nara gerichtet, bevor er folgte und Shikamaru führen ließ. 

 

Jetzt noch…

 

Wellen aus weißem Sand und silbergrauem Kies wanden sich in Spiralen um sie herum und wirbelten in der Nachahmung von Wasser zu beiden Seiten des schmalen Pfades aus Trittsteinen aus Obsidian. Die glatten, flachen Platten schienen unter ihren Füßen zu wispern. 

 

Halb den Weg entlang hielt Shikamaru inne, seine Aufmerksamkeit eingefangen von einem kleinen Hof. Einige Schritte hinter ihm blieb Neji stehen und wandte sich um, um dorthin zu sehen. 

 

Die Anlage schien eine Art Schrein zu sein. Zwei Statuen von Komainu Löwenhunden hockten auf ihren moosigen Steinsockeln und sahen aus, als wären sie aus einer der Seiten von Sais Skizzenbuch gesprungen. Zeit hatte die Kanten ihrer Klauen, Zähne und spitzen Ohren erodiert und harte Winkel und tiefe Falten geglättet, was die Skulpturen zu einer spachtelartigen Form von Kurven und fließenden Linien erweicht hatte. 

 

Alles verblasst…

 

Ein flüchtiges Gefühl des Kummers und Schmerzlichkeit driftete durch Neji wie Holzrauch; da und wieder fort, entschwindend auf den Atemzügen, die er nahm, um sich zu beruhigen und seine Gedanken zu zentrieren. „Shikamaru.“

 

Der Schattenninja versteifte sich ein wenig bei dem sanften Ruf seines Namens. Ohne zu antworten trat er an den Statuen vorbei in den Schrein und sein Blick wanderte hinauf zu den kleinen, hölzernen Gebetstafeln, die von eingedrehten Schnüren hingen. „Betest du, Neji?“

 

Perplex hielt Neji neben einer der Statuen stehen. „Schon seit langer Zeit nicht mehr.“

 

Das ließ Shikamaru zögern. „Was hat sich verändert?“

 

„Was nicht…“, murmelte Neji und fragte sich, was vielleicht gewesen wäre. Was niemals sein konnte. Die Zeit hatte sich um seinen Glauben gestohlen, ihn zermürbt und zerschlissen. Er spähte zu beiden Seiten auf die Statuen und ihre erodierten Gesichter stierten blicklos zurück. Er schüttelte den Kopf. „Tust du es?“

 

Shikamaru stieß ein schnaubendes Lachen aus und drehte sich in einem langsamen Zirkel, während er die Täfelchen musterte. Doch dann ernüchterte seine Miene und der Spott in seinen Augen milderte sich zu etwas Weicherem; Traurigerem. „Ich würde es nicht wirklich beten nennen…“

 

„Wie würdest du es dann nennen?“

 

„Laut sprechen.“

 

Beinahe lächelte Neji. „Zu wem?“

 

Shikamaru warf ihm einen raschen Seitenblick zu, als erwartete er ein Messer, das in dieser Frage begraben lag. Doch da war keines. Und dennoch wich der Schattenninja aus, sein Gesicht verschloss sich und seine Augen wurden distanziert. „Du wolltest reden.“

 

Eine geschnittene Kurve, ein vermiedenes Thema. Es gab kein Vermeiden des nächsten Zuges und Neji bog zögerliche und mit ruhiger Stimme um diese Kurve. „Was ist los mit dir, Nara?“

 

„Verdammt, Hyūga. Kannst du noch ein bisschen mehr vage sein?“

 

„Das“, sagte Neji und senkte die Stirn. „Jetzt gerade. Woher kam das? Du bist in schlechter Stimmung, seit wir die Halle verlassen haben. Naruto hat diese Standpauke nicht verdient, die du ihm verpasst hast.“

 

„Denkst du, ich wüsste das nicht?“, schnappte Shikamaru mit funkelnden Augen. Bei Nejis kühlem, ausgeglichenem Blick wandte sich der Schattenninja ab und hob die Hände in einer Geste, die eher verärgert statt entschuldigend wirkte. „Tz. Entschuldige bitte, dass ich ein bisschen mürrisch bin wegen dieses ganzen Mists, der heute schon den Bach runter gegangen ist. Die Dinge sind da vorhin nicht wirklich nach Plan gelaufen.“

 

„Das tun die Dinge selten. Aber das hat dich noch nie vorher aus deinem Spiel geworfen.“

 

„Ich bin nicht aus meinem Spiel.“

 

„Du verhältst dich, als wärst du das.“

 

Shikamaru stieß einen rauen Atem aus und rieb sich Schläfe und Augenbraue mit zwei steifen Fingern, die Zähne zusammengebissen. „Was soll ich sagen? Ich werde leicht feindselig, wenn mir meine Defensiven genommen werden. Du solltest ein Lied davon singen können.“

 

„Das kann ich“, erwiderte Neji, als er über die Schwelle trat – geduldig, langsam – und eine schweigende Bestandsaufnahme all der Stellen machte, die Shikamarus Finger berührten. „Allerdings, neigst du zu Vermeidung, wenn du bedroht wirst, nicht zu Aggression. Und Naruto hat nichts getan, um dich zu bedrohen. Also entweder hast du Angst, oder –“

 

„Ich habe keine Angst.“

 

„Oder bist sauer wegen etwas anderem“, beendete Neji seinen Satz und seine Brauen hoben sich angesichts der Unterbrechung. „Was davon ist es?“

 

Keine Antwort. Nur Stille. Nur Regungslosigkeit. Nur eine weitere Pattsituation in diesem Spiel aus zerbrochenen Teilen und gefährlichen Zügen. Und diese Runde gewann Nejis Geduld. Er las die Zeichen von Shikamarus Kapitulation Sekunden, bevor es passierte – Anspannung huschte wie ein Schatten über die scharfen Neigungen seines Gesichts und endete in einem Blinzeln, das vielleicht qualerfüllt gewesen war. 

 

„Ich bin nicht sauer“, raunte Shikamaru und wandte sich mit einer Hand an der Stirn ab, um seine Augen abzuschirmen. „Ich bin frustriert.“

 

„Schmale Linie.“

 

„Du musst es wissen.“

 

„Ja“, sagte Neji und schloss in einem einzigen Atemzug die Distanz zwischen ihnen. „Das tue ich.“

 

Aufgeschreckt von dieser plötzlichen Nähe riss Shikamaru seine Hand vom Gesicht und seine Füße stolperten einen Schritt nach hinten. Doch bevor er sich noch weiter zurück ziehen konnte, fing Neji ihn am Nacken ab und Chakra schimmerte in seiner Handfläche, als er seinen Daumen in das empfindliche Nervenbündel an Shikamarus Schädelbasis drückte; direkt neben dem Hinterhauptbein.

 

Der Schattenninja zuckte zusammen, als wäre er von einem Viehtreiber geschlagen worden. Ruckartig hob er die Hände, um Neji zurück zu schubsen, doch dann erstarrte er überrascht und seine Handflächen schwebten mitten in der Luft. Blinzelnd legte er seinen Kopf wie ein erstauntes Tier schief und seine Augen huschten vor und zurück, als sie nach dem Schmerz suchten, den Neji gerade eliminiert hatte. 

 

Summend löste Neji seinen Daumen von den Nerven. „Prävention. Zieh es in Betracht.“

 

Shikamarus Brauen zogen sich zusammen, als er seinen Verstand wiedererlangte und mit einem Knurren rammte er Neji zurück; sein Handballen traf krachend gegen die Brust des Jōnin. „Erlaubnis. Frag danach.“

 

Überrascht von der Kraft hinter diesem Schlag und der Hitze, die er in ihm auslöste, rollte Neji mit den Schultern und Belustigung zupfte an seinen Mundwinkeln. „Ich kann mich nicht entsinnen, dass du mich jemals um Erlaubnis gefragt hast.“

 

„Auge um Auge? Meinst du das ernst?“

 

„Ich bin immer ernst.“

 

„Ein ernsthaftes Ärgernis in meinem Hintern.“

 

„Hn.“ Nachdenklich neigte Neji den Kopf, während seine Stimme auf einem scherzenden Tonfall hervor sickerte. „Dazu hast du mich sicherlich nie die Erlaubnis gegeben.“

 

Völlig perplex von dieser dreisten Reaktion klappte Shikamaru den Mund zu und sein Körper kippte langsam nach hinten, löste sich von einer Kante. Derselben Kante, an der Neji taumelte, wo weit unterhalb diese gefährlichen Wellen ineinander krachten und rollten. 

 

Gar nicht so weit…

 

Nein. Das war es nie, wenn es um Shikamaru ging…

 

Um diese Sache zwischen ihnen…

 

Auf einen Schlag war die Luft schwer damit – warm, sprunghaft und drohend, Feuer zu fangen…

 

Hitze flackerte hinter Shikamarus Augen auf; glühend und rauchig. Seine Haltung veränderte sich und sein vorheriger Schock schmolz fort, Muskeln zogen sich straff und eine raubtierhafte Veränderung übernahm das Ruder. Er wollte nach vorn treten; diese schmale Linie überschreiten. 

 

Davon gibt es kein Zurück…

 

Die Warnung jagte scharf und durchdringend wie der Schrei eines Falken durch Neji. 

 

Falke…

 

Weißer Falke. Shirataka. ANBU.

 

Gott…

 

Blinzelnd hob Neji die Hände, um den anderen Ninja fern zu halten. „Das“, sagte er heiser und trat einen sehr langsamen und sehr bewussten Schritt zurück, „war ein blöder Witz.“

 

Shikamaru hielt inne, doch seine Augen folgten Nejis Rückzug; heiß wie Flammen, bis der Hyūga nach Eis griff und es hinauf in seine blassen, weißen Seen zerrte. Sie stierten sich gegenseitig nieder, die Anspannung so elementar, instabil und elektrisch, wie es immer gewesen war. 

 

Shikamarus Lippen bogen sich schwach, doch da war etwas Seltsames an seinem Lächeln. Etwas Falsches. Und Neji erkannte es von irgendwoher wieder. Eine komische, unzüchtige Szene in seinem Verstand…eine vage Erinnerung an Finsternis, Schattenseile und…

 

Vielleicht die Überreste eines Traums? 

 

Oder eher eines Albtraums. 

 

Es verwandelte die Hitze seiner Erregung in kalte Asche. Der Blick, den sie noch vor wenigen Sekunden geteilt hatten, wurde innerhalb eines Wimpernschlag ausgelöscht – zusammen mit diesem seltsamen Lächeln. 

 

Shikamaru nahm einen Atemzug und zog den Kopf zurück, während er die Augen für ein paar Herzschläge schloss, bevor er sie wieder öffnete und den Blick qualerfüllt zur Seite abwandte. „Und du wunderst dich, warum ich sauer bin.“

 

Kummervoll verzog Neji das Gesicht. „Shikamaru.“

 

Der Schattenninja bedachte ihn mit einem düsteren Schmunzeln. „Hey, ich hab’s verdient. Ich habe dich letzte Woche nicht wirklich um Erlaubnis gefragt.“ Und dann erstarb sein Lächeln. „Und es tut mir auch nicht leid. Ursprünglich hatte ich angenommen, dass das der Grund war, weshalb du mich bei Amaguriamas so vermöbelt hast. Du warst angepisst deswegen. Schätze, ich hatte nicht gedacht, dass du dich erinnern würdest.“

 

Als könnte er es jemals vergessen. Energisch verbannte Neji die Erinnerung an diesen Kuss – Gott, dieser Kuss – und hob mit einem gespielt vorwurfsvollen Blick die Brauen. „Ich hätte daran denken sollen, das als meine Entschuldigung zu nutzen. Ich hätte mich durchaus im Recht befunden, dich in deine Schranken zu weisen.“

 

„Vielleicht.“ Shikamaru legte den Kopf schief und zog die Augen in spielerischem Argwohn zu Schlitzen zusammen. „An was von dieser Nacht erinnerst du dich sonst noch?“

 

Mit einem Blick bremste Neji ihn. „Shikamaru.“

 

Schon wieder lächelte der Nara und seine Augen warfen dabei an den Winkeln warme Fältchen. Nun, an diesesLächeln erinnerte sich Neji. Dieses Lächeln; das er so sehr vermisst hatte.

 

Sein Herz verdrehte sich verräterisch. 

 

Da er es dringend brauchte, aus diesem Augenblick auszubrechen, beschritt Neji einen langsamen Kreis und hielt Shikamaru dabei immer in seinem peripheren Sichtfeld. „Vorhin schienst du beunruhigt zu sein, aber du konntest es nicht in Worte fassen. Als du gesagt hast, du wärst frustriert, hast du dich da auf dein Chakra bezogen?“

 

Diese Erinnerung stahl das Lächeln fort. Stirnrunzelnd lehnte sich Shikamaru gegen eine der kunstvoll geschnitzten Säulen und sein Blick wanderte wieder zu den Gebetstäfelchen. „Das ist auf jeden Fall mehr als nur ein bisschen frustrierend. Aber ich…“ Die Worte verstummten und er sammelte sie erneut zusammen, versuchte es nochmal. „Ich habe eine Vergangenheit mit diesem Ort, oder zumindest mit diesem Land, an die ich mich nicht erinnern kann.“

 

Diese Worte ließen Neji schlagartig erstarren. „Was?“

 

Shikamaru hielt die Augen auf die Tafeln gerichtet, als würde er von Karteikarten lesen. „Du hast mir einmal gesagt, wir bekämen keine Albträume von Dingen, die wir losgelassen haben.“

 

Nejis Stirn legte sich in Falten, als sein Verstand zurück wanderte und nach speziellen Augenblicken zwischen all ihren verstreuten Teilen suchte. Und er fand sie; die Erinnerung so scharf wie die Worte, die sie gesprochen hatten. 

 

‚Lass das, Neji.‘

 

‚Wieso? Damit du es wegwischen kannst, als wäre es nicht von Bedeutung?‘

 

‚Wie ich bereits gesagt habe: Was auch immer funktioniert.‘

 

‚Aber das tut es nicht, oder?‘

 

‚Es hat für zwei Jahre ganz wunderbar funktioniert. Ich habe es losgelassen.‘

 

‚Wir bekommen keine Albträume von Dingen, die wir losgelassen haben.‘

 

Als er diese Erinnerung an ihren Platz schob, examinierte Neji die Teile. Er hatte sich niemals gestattet, zu nah hinzusehen, zu tief. Und das aus weit persönlicheren Gründen, als denen, die er sich fortwährend einredete. 

 

Es ist nicht meine Angelegenheit…

 

Nur, jetzt war es das vielleicht schon. Jetzt, da Shikamaru ein Objektiv war, das unter Beobachtung stand. Sofort schoss seine ANBU Zielvorgabe an die vorderste Front seines Verstandes; flink wie ein Falke und die Krallen ausgestreckt, um sich jeden Happen zu schnappen, jede Erinnerung…jeden kostbaren Augenblick, die Neji unabhängig hatte halten wollen; heilig hatte halten wollen.

 

Die ich sicher halten wollte…

 

Wie töricht zu denken, dass er ein Beschützer sein könnte, wenn er doch immer noch nur ein Gefangener war. Ein Gefangener, der jetzt seiner privatesten Besitztümer beraubt war. Er hatte versucht, sie begraben zu halten, hatte sie in den Winkeln seines Käfigs versteckt, seinen Verstand und sein Herz abgeschottet, nur um von ANBU über die immerzu verschwimmenden Linien seines Lebens geschubst und gezerrt zu werden; privat, persönlich, professionell. Vor und zurück, ständig hin und her gerissen zwischen seiner Freiheit und seinen Gefühlen. 

 

Die Mission. Die Mission ist, was zählt…

 

Und jetzt im Moment, stand seine Mission direkt vor ihm und sprach aus einem Ort des Vertrauens heraus, nicht wissend, dass Neji aus einem Ort des Verrats heraus zuhörte.

 

Emotionalität. Genug. Konzentrier dich auf die Fakten. 

 

Ein paar hatte er bereits. In der Nacht seines Geburtstags hatte Shikamaru einige Hinweise fallen gelassen. Zugegeben, Neji hatte ihn durch die Gegend gerüttelt und versucht, seinen Zorn zu wecken, nur um dadurch stattdessen weit fragilere Teile zu lösen. 

 

‚Erspar mir deine nachträgliche Einsicht. Ich brauche sie nicht. Ich komme jetzt seit zwei Jahren bestens klar.‘

 

‚Zwei Jahre…?‘

 

‚Es ist nichts. Es ist begraben.‘

 

Neji bewaffnete sich mit dieser Information und suchte nach einem Zugangspunkt. „Wenn du Albträume über deine Vergangenheit hast“, sagte er und ging dabei mit derselben Vorsicht und Ruhe vor, die er vorhin genutzt hatte. „Warum sagst du dann, dass du dich nicht daran erinnern kannst?“

 

„Weil meine Albträume nur Fragmente sind. Und ich neige dazu, sie ziemlich schnell zu vergessen. Was den Rest angeht…“ Hier schwankte Shikamaru leicht und eine entscheidende Pause entstand. Und gerade als Neji dachte, der Satz würde unvollendet bleiben, ergriff der Schattenninja erneut das Wort. „Es ist ein Lehrbuchfall einer PTBS Dissoziativen Amnesie.“

 

Die Logik dieser Enthüllung machte sie nicht weniger schockierend. Fassungslos starrte Neji ihn über die kurze Distanz hinweg an und gab sich alle Mühe, seine Miene leer und seinen Verstand sauber von dem Rausch aus Gedanken und Theorien zu halten. „Wie kannst du dir da so sicher sein?“

 

Achselzuckend tippte Shikamaru seine Schläfe gegen die Säule, atmete Luft durch die Nase aus und stieß sich dann ab, um hinüber zu den Komainu Statuen zu laufen. „Ich habe recherchiert. War nicht allzu schwer, das rauszufinden; nichtmal mit fünfzehn.“

 

Neji beobachtete ihn, wie er an der Schwelle des Schreins verharrte; nur zwei Schritte davon entfernt, den glatten Steinpfad zu suchen…und vielleicht einen Ausweg aus dieser Unterhaltung. Rasch holte Neji ihn zurück, indem er sich in das Blickfeld des Nara schob. „Woran kannst du dich erinnern, Shikamaru?“

 

Der Schattenninja drehte den Kopf und musterte Neji wachsam, gefangen in einem weiteren entscheidenden Moment; direkt an der Kreuzung. Wahrheit oder Lügen, Vermeidung oder Konfrontation, das Weite suchen oder auf Kurs bleiben. Es gab keine Kurven zu schneiden und keine Umwege, um ihn von diesem Moment zurück zu bringen. 

 

In Nejis Verstand war es eine Schwarz und Weiß Entscheidung – aber selbst hier griff Shikamaru nach Grau, als sein Blick zurück zum Zentrum des Schreins driftete. „Asuma hat mich dasselbe gefragt.“

 

Für einen Herzschlag dachte Neji, er hätte sich vielleicht verhört. „Asuma?“

 

Shikamaru zuckte leicht zusammen und blinzelte weich, während sich einer seine Mundwinkel in einem grimmigen Schmunzeln verdrehte. „Ich habe deinen Rat befolgt…habe mit ihm gesprochen. Habe ihm gesagt, an was ich mich erinnert habe. Habe ihm gesagt, was ich getan habe.“

 

„Was du getan hast?“ Neji runzelte die Stirn, verstand nicht. Er hatte immer angenommen, dass Shikamaru etwas angetan worden war – und direkt nach diesem ungewollten Gedanken, dass wirklich jemand Shikamaru etwas angetan hatte, kam dieses ungewollte Zusammenziehen in seiner Brust; der erhitzte Drang zu bestrafen. 

 

Mach das nicht zu etwas Persönlichem…

 

Oder zu etwas Primitivem, was das anging. Denn Kami wusste, dass sich die Reaktion in ihm genau so anfühlte. Bestiengleich und unzivilisiert, instinktiv und roh – und weit gefährlicher als all das, war es etwas rabiat Ehrliches…ganz anders als diese maskierte Miene, die er gerade trug, sein Gesicht vorsichtig blank und unberührt von den Emotionen, die in ihm tobten. 

 

Shikamarus Augen waren anderswo, suchten noch einmal in einem ziellosen Driften nach den Täfelchen. Er beantwortete Nejis Frage nicht, aber er hielt keine Informationen zurück, als seine Stimme eine seltsam distanzierte Qualität annahm. „Es gab eine Mission direkt außerhalb der Grenzen von Kusagakure während der Chūnin Prüfungen vor zwei Jahren. Nein. Drei Missionen.“ Stirnrunzelnd schüttelte er den Kopf, als würde er Staub von der Erinnerung rütteln. „Drei Nebenmissionen. Ich war eine davon.“

 

„Allein?“

 

„Nein. Nicht allein. Aber ich erinnere mich nicht, mit wem ich unterwegs war. Habe es auch nie rausgefunden. Vielleicht haben sie es nicht raus geschafft. Vielleicht schon.“ Ausgesprochen mit der kühlen Gleichgültigkeit eines Risikoanalytikers, der eher Wahrscheinlichkeiten abwog statt Menschenleben. Kalt. Gefasst. Beinahe beiläufig.

 

Sprachlos vertuschte Neji die Risse in seiner Maske und hielt seinen Gesichtsausdruck neutral. Neutralität schien zu funktionieren. Besser, wenn Shikamaru die Informationen darlegte, während er in einem logischen Zustand der Tatsachen und Zahlen operierte, statt dass sie von einem Ort der Emotionen kamen. Es war nicht zu sagen, wie hässlich das vielleicht werden würde, oder was nötig wäre, um es zu kontrollieren. 

 

Ich fass es nicht, dass er überhaupt darüber spricht…

 

Besonders wenn man bedachte, wie hartnäckig der Schattenninja bei unzähligen früheren Gelegenheiten gewesen war, dieses Thema zu meiden. 

 

Hat in Kusagakure zu sein das alles getriggert?

 

Neji konnte sich keinen anderen Grund vorstellen, der dieses Vertrauen rechtfertigte. Er war Shikamaru gegenüber kalt genug gewesen, um notwendigen Abstand zwischen ihnen zu schaffen und hatte jeden Sinn von Trost oder Nähe verweigert, der vielleicht dazu geführt hätte, dass sich Shikamaru sicher genug fühlte, ihm diese Informationen anzuvertrauen…diesen Einblick…etwas, das er nicht einmal mit ihm geteilt hatte, als sie sich vor Wochen am nähesten gewesen waren…

 

Es macht keinen Sinn, dass er das jetzt mit mir teilt…wenn überhaupt…

 

Nein. Es machte keinen Sinn. Aber zumindest eine Sache machte Sinn. Endlich verstand Neji die Bedeutung seiner Aufgabe. Wenn Kusagakure irgendeine Art psychologischen Trigger in Bezug auf Shikamarus Vergangenheit beinhaltete, dann war es wenig verwunderlich, dass er mit dem Befehl geschickt wurde, über dem Ganzen wie ein Falke zu schweben…

 

Ein Geier…suchend nach den Knochen seiner Vergangenheit, die er begraben hat…

 

Dieser Gedanke sorgte dafür, dass ihm speiübel wurde. Er spürte, wie dieser Ozean aus Fragen und Gefühlen um die Insel wogte, auf der er stand. Und er konnte nicht hinab sehen in dieses aufgewühlte Chaos. Kämpfte darum, seine Augen auf den weit entfernten Horizont gerichtet zu halten; auf das Endziel. 

 

Fall hier nicht. Wenn du hier fällst, dann scheiterst du…

 

Zahnräder innerhalb von Zahnrädern, Wände innerhalb von Wänden. Er wiederholte dieses Mantra in seinem Verstand, fand sein Zentrum und machte sich daran, weitere Informationen zu sammeln. „Woran erinnerst du dich sonst noch?“

 

Shikamaru hob eine Schulter und sein Achselzucken war dabei so lässig, dass es verstörend war, wenn man das Wesen seiner nächsten Worte bedachte. „Nichts, an das ich mich erinnern möchte. Und nur drei Dinge sind von Bedeutung. Ich habe es vermasselt, ich habe ein Monster umgebracht und habe bei meiner Mission versagt. Davon abgesehen, ist alles, was ich weiß, dass ich in einem Krankenhaus zurück in Konoha aufgewacht bin, ohne zu wissen, wie ich dorthin gekommen bin oder aus welchem Grund ich dort war. Niemand hat es mir gesagt. Niemand hat gefragt…und ich habe auch nicht gefragt.“

 

„Aber mit Sicherheit…“ Neji stockte und schüttelte den Kopf. „Asuma?“

 

Der Name traf wie ein physischer Hieb. 

 

Zusammenzuckend presste Shikamaru für eine angespannte Sekunde die Lider aufeinander, bevor er sich von den Statuen fort bewegte, fort von Neji, fort von dem Namen seines Senseis. „Während der anschließenden zwei Wochen habe ich angefangen, Flashbacks zu bekommen. Albträume. Bin in Panik aufgewacht. Ich hatte bereits vollständige medizinische Entwarnung und wusste, dass es nichts Organisches war. Also war mir klar, dass es irgendwas Psychologisches sein musste. Ich habe meine Symptome nachgeschlagen und es eigenständig als Dissoziative Amnesie diagnostiziert.“

 

Einfach so. So verdammt nüchtern, dass es ein totales Gespött aus dem horrenden Ausmaß dessen machte, was er sagte…was er niemals zuvor gesagt hatte. „Warum zur Hölle hast du damals nichts gesagt?“, drängte Neji und versuchte verzweifelt, die anklagende Kante aus seiner Stimme zu halten. Er holte langsam Luft, bevor er hinzufügte: „Nicht einmal zu Asuma?“

 

Das ließ Shikamaru stocksteif werden. Zumindest hatte es irgendeine Wirkung. Neji hätte schwören können, dass er bemerkte, wie etwas von dieser Chamäleon-Haut Risse bekam und sich löste. Doch genauso schnell entspannte sie dich Haltung des Schattenninjas wieder, als er sich umwandte und ein silbernes Feuerzeug aus seiner Hosentasche fischte. 

 

Asumas…

 

Sanft runzelte Neji die Stirn und beobachtete, wie Shikamaru das Feuerzeug in seiner Handfläche wog, während er mit solch verlorener Verwirrung auf das angelaufene Metall stierte, dass sich der Hyūga schmerzhaft danach sehnte zu verstehen, was zur Hölle es eigentlich war, das der Schattenninja sah – oder sehen wollte – wie es zu ihm zurück reflektiert wurde. 

 

„Shikamaru“, drängte er sachte. „Warum hast du es ihm damals nicht erzählt?“

 

Als er seinen Kiefer etwas hob, starrte Shikamaru direkt geradeaus, krümmte seine Finger um das Feuerzeug und schloss es in seiner Faust ein. „Ich hatte meine Gründe, Neji.“

 

Zweifelsohne. Neji behauptete nicht, die Natur der Beziehung zu verstehen, die Asuma mit seinen Schülern geteilt hatte, oder die Anstrengungen, die Shikamaru unternommen hätte, um sie zu schützen. Das waren Dynamiken, die sich außerhalb von Nejis Erfahrungen befanden. Weit vielschichtiger als das übliche Sensei-Schüler Paradigma, das er erkannt und umgesetzt hatte. 

 

Weswegen ich es auch als unmöglich erachte zu glauben, dass es Asuma nicht wusste…

 

„Hat er dich jemals gefragt?“

 

Schwer schluckend seufzte Shikamaru und steckte das Feuerzeug weg. „War nicht nötig. Ich hatte es schon abgehakt. Ich wusste, was es war und ich wusste, dass ich aufstehen und weiter machen musste. So wie es jeder andere auch getan hätte.“

 

„Ist es das, was du denkst?“

 

„Es ist das, was ich weiß.“ Shikamaru stieß ein leises, rostiges Lachen aus und seine Brauen hoben sich in resignierter Quittierung. „Das Leben eines Shinobi, richtig? Wie ich gesagt habe, ich war ein Fall aus dem Lehrbuch. Nichts Einzigartiges. Viele Ninja haben irgendeine Art der PTBS. Wahrscheinlich sogar der Großteil. Auf jeden Fall habe ich mich besser gefühlt, das zu wissen. Also habe ich mich selbst fortgebildet und ein paar Techniken gelernt, um mir zu helfen, sollte ich wieder ausflippen.“

 

„Ein paar Techniken…“, echote Neji, während er mit einer Übersichtlichkeit durch vergangene Ereignisse wühlte, die durch Rückblicke entstand. „Und war das, was du in der Nacht von deinem Geburtstag in dem Becken abgezogen hast eine davon?“

 

Dunkle Augen schnitten scharf zu ihm. „Ja“, sagte Shikamaru und ein Hauch von Abwehrhaltung verfärbte seinen Tonfall. „Das war es. Das habe ich dir damals aber auch gesagt.“

 

„Du hast mir gesagt, es würde dabei helfen, dich von deiner Panik zu lösen. Dass du etwas finden würdest…oder genauer gesagt, dass etwas dich finden würde.“

 

Shikamaru blinzelte ihn an und seine Brauen zogen sich verwirrt zusammen. „Das habe ich gesagt?“

 

„Ja. Das hast du. Hast du von Zorn gesprochen?“

 

„Zorn?“, krähte Shikamaru nach und ein düsterer Funken von Belustigung erhellte seine Augen, bevor er den Blick abwandte. „Nein. Es war kein Zorn. Ich weiß nicht einmal, wie ich dir sagen soll, was es war. Nur, dass es dafür gesorgt hat, dass ich mich nicht mehr erinnere. Hat mich zur Hölle von dem fortgeführt, was auch immer gekommen ist und angeklopft hat…“

 

Eine finstere Vorstellung und Neji runzelte die Stirn über das Bild, das sein Verstand herauf beschwor. „Und hast nie daran gedacht, dass dieses ‚Anklopfen‘ vielleicht ein Zeichen dafür sein könnte, dass du dich mit dem auseinandersetzen musst, was auch immer passiert ist?“

 

„Ich habe mich damit auseinandergesetzt. Ich habe mich davon distanziert.“

 

„Das ist nicht auseinandersetzen.“

 

„Zur Hölle ist es das nicht.“ Shikamaru warf ihm einen komischen Blick zu. „Was ist denn bitte die Alternative? Etwa Hypnose und Handhalten? Nein, danke. Mein Hirn hat damals bereits das Klügste und Sicherste getan; nämlich alles in einem Schließfach einzusperren. Ist mir recht. Ich muss mich nicht erinnern.“

 

Oder du willst es nicht…

 

Verständlich, aber nicht immer vermeidbar. Neji hatte durch rohe und bittere Erfahrung gelernt, dass etwas tun zu wollen und es tun zu müssen, zwei sehr unterschiedliche Zwänge waren. Und sie spielten nicht immer gut ineinander. 

 

„Also ist das dein Plan, Nara?“, sagte Neji mit dem skurrilsten Hauch von Ironie. „Verleugnung?“

 

Distanzierung“, schoss Shikamaru zurück und bedachte ihn mit einem scharfen Blick. „Nicht Neji. Mach das nicht zu dem, was du in Hanegakure getan hast.“

 

„Wie du so gerne betonst, entzieht sich mir diese Ironie.“

 

„Dann hör auf, sie zu verfolgen.“

 

„Das ist es nicht, was ich verfolge.“

 

Für einen langen Herzschlag hielten sich ihre Blicke und ein Muskel in Shikamarus Kiefer pochte, als würde er welche Worte auch immer niederkauen, die er vielleicht als Erwiderung darauf hätte fliegen lassen. Doch statt umzukehren und in die erwartete Meidung zu schlüpfen, hielt der Schattenninja seine Stellung und verteidigte seine Sache, als er einen langsamen Atemzug nahm. 

 

„Pass auf“, murmelte er und sprach dabei mit erzwungenem Gleichmut. „Ich leugne nicht, dass mir vor zwei Jahren etwas zugestoßen ist. Aber Scheiße passiert, Neji. Wir kommen damit klar oder eben nicht. Und mein Hirn dachte, der beste Weg, damit klarzukommen, wäre, es loszulösen, daher auch die Dissoziative Amnesie.“

 

Nejis Brauen zogen sich ruckartig zusammen. „Sei nicht so altklug zu mir, Shikamaru. Ich weiß sehr wohl, was Dissoziative Amnesie ist.“

 

„Warum zur Hölle schaust du mich dann an, als würde ich eine fremde Sprache sprechen?“

 

„Weil ich ungeachtet all der Techniken, die du während der letzten beiden Jahre genutzt hast, nicht glaube, dass du so losgelöst von dieser Sache bist, wie du denkst.“

 

Shikamaru würgte ein heiseres Lachen hervor. „Warum? Weil ich mich nicht einem konstanten Zustand verfickten Zens befinde, so wie du?“

 

„Das habe ich nicht-“

 

„Du weißt, wie froh ich bin, dass dieses ganze ‚Tief atmen‘-Ding für dich funktioniert, aber ich bin eben nicht so verkabelt.“

 

„Gottverdammt, Shikamaru“, knurrte Neji und trat einen halben Schritt nach vorn, während er warnend den Kopf neigte. „Die bloße Tatsache, dass du weißt, dass Kusagakure ein Trigger für dich ist, lässt darauf schließen, dass-“

 

„Was?“, blaffte Shikamaru, wich einen halben Schritt zurück und breitete weit die Arme aus, als er herausfordernd die Brauen hob. „Dass ich absichtlich einen Satz in kalte, tiefe Wasser mache? Glaub mir, das tue ich nicht. Und selbst, wenn ich das täte, würde ich wissen, wie ich mich selber wieder da raushole. Ich habe es schon vorher gemacht. Ich brauche es nicht, dass du mich durch das alles hindurch führst.“

 

Ungläubig starrte Neji ihn mit offener Fassungslosigkeit an. War es das, wie er selbst vor Monaten geklungen hatte? War es diese Frustration, dieses Gefühl vollkommener Vergeblichkeit, dem sich Shikamaru gegenüber gesehen hatte, als sie unzählige Male gekämpft hatten wegen Nejis eigener Weigerung, dem Nara zuzuhören und aus seinen Fehlern zu lernen?

 

Shikamaru musste seine Gedanken erraten haben, denn diese scharfen Augen zogen sich irritiert auf ihn zusammen, bevor der Zorn wie ein ausgetretener Funke erlosch. „Nicht, Neji.“

 

Neji sagte gar nichts, hob nur die Brauen. 

 

Seufzend drückte sich Shikamaru in den Nasenrücken. „Ich weiß, dass du dir Sorgen machst, okay? Mir ist wegen dieser Sache auch nicht wohler. Ich höre dich dabei.“ Seine Augen zuckten nach oben. „Aber hierbei musst du mir vertrauen. Bei dieser Mission. Ich werde nicht kompromittieren, weswegen wir hier sind. Du weißt, dass ich die Mission immer an erste Stelle setze. Ich schaffe es immer. Egal wie.“

 

Nejis Kiefer verkrampfte sich bei dieser Erinnerung und der Splitter ihrer Vergangenheit grub sich wie ein Spreißel direkt unter die Oberfläche dieser Worte. Eine scharfe Spitze wie immer. Aber es war nicht so, als hätte Neji diese Spitze nicht genutzt, um Blut zwischen ihnen zu vergießen…Blut und dünne, rote Linien. 

 

Bei seinem Schweigen hoben sich Shikamarus Brauen. „Du hast mir bisher immer vertraut, Neji. Ich bitte nicht um viel.“

 

Doch, das tust du…um weit mehr, als du dir vorstellen kannst…

 

Um weit mehr, als Neji sich leisten konnte, es zu geben. Doch Shikamaru musste das genauso wenig wissen, wie Neji es erklären musste. Wie der Nara bereits betont hatte, war die Mission alles, was zählte…und Neji hatte seine ganz eigenen Ziele zu bedenken, mit nur einem einzigen Weg, um seine Züge auf dem Spielbrett zu decken, das vor ihm ausgebreitet lag. 

 

„Unter einer Bedingung“, sagte Neji letztendlich. 

 

Shikamaru begegnete seinem Blick direkt. „Sag es.“

 

„Lüg mich nicht an.“

 

Bei jedem anderen wäre das wie eine unnötige Bitte und eine offensichtliche Voraussetzung erschienen. Bei jedem anderen waren Ehrlichkeit von einem Kameraden und Untergebenen eine Selbstverständlichkeit. Aber Neji bat nicht als ein Kamerad…und nichtmal als Hauptmann. 

 

Und Shikamaru hatte den Verstand, das auch zu erkennen. Er hatte auch den Verstand, das Gewicht und den Wert von allem hinter diesen Worten abzuwägen, weswegen er auch eine lange Zeit brauchte, um zu antworten. 

 

Neji wartete und die Zeit ruhte dabei auf seiner Geduld. 

 

Shikamaru debattierte mit sich und die Zukunft ruhte dabei auf seiner Entscheidung. 

 

Das Schweigen hielt gerade lange genug an, sodass sich Neji fragte, ob Shikamaru nicht bereits ohne Worte geantwortet hatte. Doch dann sprach der Schattenninja, seine Antwort rollte weich wie Rauch zwischen seine Lippen. „Ich werde dich nicht anlügen.“

 

Neji suchte diese dunklen Augen ab und ein trauriger Kummer zerrte sich in einer Welle durch ihn, bevor die Zahnräder übernahmen und sich die Wände um sein Herz herum aufrichteten. 

 

Lügner…

 
 

~❃~
 

 

Amaguriamas Süßspeisenladen, versteckt in einer gemütlichen kleinen Ecke, wo die Heißen Quellen lagen, dampfte vor Leuten und duftete nach den sirupartigen Gerüchen heißer Geschäfte. 

 

Und das war genau der Grund, weswegen Kakashi ihn ausgewählt hatte. 

 

Während man die Wärme der Atmosphäre aufsog und Unterhaltungen um einen herum sprudelten, bestand keine Gefahr, belauscht zu werden. Niemand würde einen Gedanken daran verschwenden, warum er dort war. Ein gesellschaftlicher Zwischenstopp, müßiges Plaudern, nichts weiter. 

 

Seitlich in einer Nische lümmelnd, blendete Kakashi das schrille Giggeln der Kleinkinder aus, die den Gang auf und ab rannten und drehte einen Spieß unberührter Klöße auf ihrem Spieß hin und her, während sein abgeschirmter Blick träge über die rissigen Seiten des buddhistischen Buches mit Sprichworten wanderte, das er aus der Jōnin Station gerettet hatte, da er sich immer noch nicht davon trennen konnte.

 

Sein Blick pflückte einen Spruch heraus und eine silberne Braue hob sich trocken: Alle Lust ist Leid.

 

Nun. Lust, wenn es denn eine solche war, hatte ihm heute Morgen mit Sicherheit Leid verursacht. Es hatte noch keine wirkliche Wirkung gezeigt, bis er ganz alleine zu dem abgestandenen Geruch von Sex und Shōchū und bittersüßem Salz aufgewacht war und jede Stelle an seinem Körper katalogisiert hatte, die sich verletzt und verbrannt und vielleicht auch ein bisschen gebrochen anfühlte. 

 

Es hat einen Grund, aus dem ich Menschen nicht einlasse…

 

Figurativ. Sprichwörtlich. Peinlich berührt schob er es aus seinen Gedanken; genau wie Genma die Bruchstücke der zersplitterten Shōchū Flasche zu einem ordentlichen, kleinen Haufen zusammengeschoben hatte. Kakashi hatte sehr lange auf diese scharfen, spitzen Teile gestiert, die durch die Weste stachen wie Knochensplitter aus Fleisch. Er hatte es nicht aufgeräumt. Wusste, dass etwas Symbolisches, wenn nicht sogar Psychologisches in seinem Vermeiden lag. 

 

Mach dir später deswegen Gedanken…

 

Er blätterte eine weitere Seite um und ließ den Blick über die Schrift wandern, ohne ein einziges Wort zu lesen. 

 

Er war bereits seit zehn Minuten hier.

 

Und er musste nur noch fünf weitere warten. 

 

Bewegungen den Gang entlang und Kakashi spürte das Näherkommen seines Gastes, ohne hinsehen zu müssen – obwohl es ziemlich amüsant war, zuzusehen, wie der andere Ninja ein paar betrunken wirkende Tanzbewegungen vollführte, um den Kleinkindern auszuweichen, die den Durchgang entlang walzten.

 

Eine schikanierte Minute später blieb der Mann an seinem Tisch stehen. „Senpai.“

 

„Tenzō.“

 

Ein belästigtes Seufzen, gefolgt von einem missgönnenden, „Kakashi.“

 

„Yamato.“

 

„Ich zeige nur etwas langjährigen Respekt, weißt du“, betonte Yamato, als er sich auf die gegenüberliegende Bank schob. 

 

„Diese Kinder könnten das sicher brauchen.“ Grummelnd riss er sein Bein aus der Gefahrenzone, als ein Kind, nicht älter als drei, über seinen Fuß trampelte.

 

„Ich habe kein Problem, mein Angstgesicht bei kleinen Kindern einzusetzen.“

 

„Ah, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die Kosten ihrer anschließenden Therapie dich davon abhalten werden.“

 

Mit zusammengebissenen Zähnen bedachte Yamato ihn hinter einem falschen Lächeln mit Unschuld. „Ich liebe Kinder.“

 

Ein graues Auge bog sich belustigt und Kakashi markierte seine Seite mit einem Streifen abgewetzten Leders, bevor er das Buch wegsteckte, ohne sich auf seinem Platz nach vorn zu beugen. Da er an Stellen wund war, von denen er ganz vergessen hatte, dass sie weh tun konnten, dachte er sich, dass Bewegungseinsparung guter Haltung und Höflichkeit vorzuziehen war. Nicht, dass es irgendeinen angemessenen oder höflichen Weg gab, um seine kommenden Fragen zu formulieren. 

 

Doch glücklicherweise bemerkte Yamato den seltsamen Haken in der Luft und machte sich daran, ihn zu demontieren, indem er seinen Daumen über die Speisekarte krümmte. „Was steht auf der Tageskarte?“, fragte er; eine Codephrase, die bedeutete, Was brauchst du?

 

Kakashi opferte ein wenig von seiner Starre und schob den Teller mit bedacht ausgewählten, glasierten Klößen zu dem anderen Ninja, während sein graues Auge das Restaurant in einem trägen Schwung musterte. „Kuri Dango“, sagte er. Informationen zu einer Person.

 

Unbeirrt griff Yamato nach dem Spieß und seine dunklen, diamantförmigen Augen fixierten sich auf Kakashi. „Sind sie süß oder bitter?“ Kamerad oder Feind?

 

Kakashi hob eine Schulter. „Kommt auf deinen Geschmack an, aber ich schätze mal süß. Unser Dorf macht wirklich ausgezeichnete Dangos.“ Ich weiß es nicht, aber vermutlich ein Kamerad aus Konoha.

 

Summend pflückte Yamato einen Kloß vom Ende des Spießes. „Leistet uns noch jemand Gesellschaft, oder ist das alles nur für mich?“ Wer ist sonst noch involviert und werde ich Unterstützung brauchen?

 

Ein Kind sprang an ihnen vorbei und ein großer, gelber Ballon mit lachendem Gesicht hüpfte an einer Schnur hinter ihr her. Kakashi sah ihm nach und grübelte kurz, wie er antworten sollte. „Alles für dich. Obwohl ich gehört habe, dass Yamanka Inoichi eine Vorliebe für Dangos haben soll. Finde ich aber irgendwie schwer zu glauben, ich habe ihn mir immer anders vorgestellt. Aber auf der anderen Seite, wer hätte sich schon vorstellen können, dass sich ein ehemaliger KERN und ein ehemaliger ANBU Agent einfach nur um alter Zeiten willen hier treffen?“ Du kommst allein damit klar. Vielleicht ist Yamanka Inoichi involviert. KERN oder ANBU ist definitiv involviert.

 

Nickend nahm Yamato einen Bissen von dem Dumpling, schluckte mit einer Grimasse und hob den Spieß, um damit in Kakashi Richtung zu wedeln. „Jo. Und genau wie in alten Zeiten schätze ich, dass du ohne mich angefangen hast, oder?“ Wie weit hast du dich schon damit befasst?

 

„Erraten. Ich bin voll, kann nichts mehr essen.“ So weit ich gehen konnte. Während er sich auf seinem Platz nach hinten lehnte, hob Kakashi eine Hand und tat so, als würde er die angebotenen Dangos ablehnen. „Du musst es eben selber aufessen. Denkst du, du kriegst das hin?“ Du musst den Rest für mich erledigen. Kannst du mir helfen?

 

Langsam legte Yamato den Spieß beiseite, nahm eine Serviette auf und tupfte sich den Mund ab, bevor sich seine Lippen grimmig wegen des Geschmacks verzogen – oder eher wegen der Aufgabe. „Werde ich davon Magenprobleme kriegen?“ Wie sensibel sind diese Informationen?

 

Es hatte keinen Sinn zu lügen. Erneut zuckte Kakashi mit den Achseln. „Bin mir nicht sicher. Aber höchstwahrscheinlich.“ Unbekannt, aber wahrscheinlich extrem sensibel.

 

Yamato stieß ein Alibilachen aus und wischte sich die klebrig süße Paste von den Fingern. „Klasse. Tja, wenn du nichts essen willst, dann können wir uns auch genauso gut auf was zu Trinken treffen. Wann passt es dir denn?“ Wann brauchst du die Informationen?

 

„Gestern hätte besser für mich gepasst. Aber heute muss dann eben irgendwie gehen.“ Sofort.

 

Ihre Blicke trafen sich und Verständnis wurde zwischen ihnen ausgetauscht, ohne dass eine weitere Codephrase nötig wäre. Von irgendwo hinter ihnen erscholl ein lautes PENG, als der lachende Ballon platzte. 

 

Kakashi und Yamato waren die einzigen Gäste, die nicht zusammenzuckten. 

 

Das kleine Mädchen fing an zu plärren. 

 

Mit verschleierten Augen warf Yamato einen raschen Blick auf das Geschehen. „Gib mir eine Stunde.“ Er löste sich aus der Sitzecke, zerrte ein paar Geldscheine heraus und ließ sie auf den Tisch fallen. „Wir treffen uns dann im Shushuya.“

 

Kakashi packte das Geld, schob unbemerkt eine Notiz von sich zwischen die Scheine und schob sie zurück in Yamatos wartende Hand; für einen Augenblick hielt er den Griff aufrecht. „Ich habe schon gezahlt“, sagte er. 

 

Yamato nickte und drückte kurz Kakashis Hand. 

 

Zur selben Zeit ließen sie los.

 

 

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  ladypegglin
2022-04-01T16:17:23+00:00 01.04.2022 18:17
super FF. Schreib bitte weiter. ich lese sie seit einer woche und tue seid dem fast nichts anderes mehr. mach weiter so.
Antwort von:  _Scatach_
01.04.2022 18:28
Hey :) Wie schön, einen neuen Namen zu lesen *-* Es freut mich sehr, dass dir die Geschichte so gut gefällt!
Danke für deine Worte und ich würde mich freuen zu hören, wie du die nächsten Kapitel findest! :)
Von:  Scorbion1984
2022-03-29T18:18:03+00:00 29.03.2022 20:18
Spannend ,nun ist Yamato auch noch dabei ,hoffentlich geht das gut .
Die beiden Anderen wälzen auch ihre Probleme und dann schleicht noch ein Anbu hinter Neji her ,frage ob und wie sie alle da wieder rauskommen.
Antwort von:  _Scatach_
01.04.2022 18:27
Ja, es werden immer mehr Leute in die ganze Sache mit reingezogen...bleibt abzuwarten, ob das so gut ist ;)
Oja, Neji hat noch einen ANBU im Nacken hängen :D
Es bleibt hoffentlich spannend! :)


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