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Requiem

Teil Drei der BtB Serie
von

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Buried in the past and shadows

Zwei Meilen und ein paar tausend Schritte näher an einem Wegrennen, machte sich Shikamaru auf die Suche nach Wolken. Er fand allerdings nur eine; einen massiven bleiernen Unterbauch. Es waren keinerlei Risse in der Formation oder unvorhersehbare Muster zu finden…nur eine einzige riesige und zornige Gewitterfront, die ihren düsteren Umfang über das Dorf ausdehnte und sich in einem steten Nieselregen entleerte. Unter einer Eiche suchte er Schutz und beobachtete, wie die breite Herbstlaubkrone zitterte. 

 

Yep, er hasste Regen noch immer. 

 

Aber das hatte ihn nicht vom Wolkensuchen abgehalten und es hielt ihn auch nicht davon ab, eine Zigarette anzuzünden. 

 

‚Ich weiß, dass es nicht echt ist…aber…der Rauch sieht aus wie Wolken…‘

 

‚Du magst also Wolken, huh?‘

 

‚Sie sind das Beste.

 

‚Jo, ich schätze, sie sind wirklich ziemlich cool.‘

 

‚Rauchen ist nicht cool. Es ist lästig. Es brennt in den Lungen und sticht in den Augen.‘

 

„Jo, aber es ist immer noch meine beste schlechte Angewohnheit“, murmelte Shikamaru laut und erinnerte sich genau so an die Worte, wie sie vor all diesen Jahren von Asumas Lippen gerollt waren. Vor all diesen Jahren an dem Tag, an dem sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Verdammt, wie alt war er gewesen? Sieben? Er fragte sich, ob Asuma diese Erinnerung ebenfalls behalten hatte. 

 

Ich wette, du hast niemals daran gedacht, dass du diesen Bengel sechs Jahre später unterrichten würdest, huh?

 

Oder dass besagter Bengel hier stehen würde – zehn Jahre später – und daran dachte. Seltsam, wie die Erinnerung einfach so gekommen war, fast wie eine dunkle Wolke…die herein schwebte und hängen blieb, um ihn mit derselben unerschütterlichen Schwere zu belegen, die er am Tag von Asumas Beerdigung verspürt hatte. Er sah zu, wie der Regen fiel und blinzelte sich das Stechen aus den Augen, während er finster auf die Zigarette stierte, die zwischen seinen Fingern hing. 

 

‚Ich hasse Rauchen.‘

 

‚Bleib auch dabei.‘

 

Solange jeder andere das glaubte, konnte er auch weiterhin so tun, als stimmte das. Allerdings klebte dieser abgestandene Geruch an seinen Kleidern und der Nachgeschmack blieb lange als pelzige Schicht auf seiner Zunge. Er saugte an den Zähnen und zischte angewidert. 

 

Beschissene Marke…

 

Die von Asuma war leider gerade aus gewesen. 

 

Er rümpfte die Nase und hob mit einer zitternden Hand die Zigarette, um noch einen weiteren scharfen Zug zu nehmen, der trocken wie ein Wüstenwind durch seine Kehle fegte, bevor er in einem Seufzen durch die Nase ausgestoßen wurde. Kein Zweifel. Es war einfach nicht dasselbe, wie Asumas Marke zu rauchen. 

 

Kann nicht ersetzt werden.

 

Seine Brust zog sich zusammen. Doch er schrieb den Schmerz als simples Protestieren seiner Lungen über ihre derzeitige Misshandlung ab. 

 

‚Darauf kannst du wetten. Lauf lieber weg und rette deine kleinen Lungen.‘

 

‚Du bist komisch und du wirst Ärger bekommen.‘

 

‚Ich bin ein Shinobi von Konoha. Ich kann mich aus dem Ärger herausholen, in den ich mich gebracht habe. Ich habe keine Angst vor Ärger.‘

 

Nein. Nicht damals. Nicht einmal am Ende. Nicht verängstigt. Kein Feigling. 

 

Nicht so wie ich.

 

Shikamaru schluckte hart und schnippte die halb gerauchte Zigarette in eine Pfütze, bevor er die Hände in den Taschen vergrub und zusah, wie der Regen auf die geschwungenen Dachvorsprünge der Akimichi Residenz trommelte, die nur einen Steinwurf von dort entfernt war, wo er stand. 

 

Er konnte nicht einmal die Nerven aufbringen, die letzten paar Schritte zu gehen. 

 

Er hatte nicht vorgehabt, hier zu landen. Aber auf der anderen Seite, hatte er auch nicht vorgehabt, beim Yamanaka Blumenladen zu landen. Nachdem er das Trainingsareal verlassen hatte, hatte er jeden Sinn für eine Richtung verloren; hatte nichts mehr wahrgenommen außer einen flüchtigen Blick auf seine Umgebung…war einfach nur gelaufen, darauf fokussiert, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Vermeidend…und noch etwas mehr vermeidend…bis er schließlich an Inos Türschwelle angekommen war; und das hatte seine Vermeidungsstrategie direkt aus dem Fenster getreten. 

 

Was zur Hölle hätte ich auch überhaupt zu ihr gesagt?

 

Wie gut, dass sie nicht dort gewesen war; nur eine nervtötende weinerliche Göre mit knallroten Haaren, die sich zeternd über irgendeinen psychotischen Kunden aufgeführt hatte, dessen Beschreibung ziemlich, wenn nicht sogar übertrieben auf Kiba passte. Kein Rätselraten erforderlich und eigentlich interessierte es ihn auch einen Dreck. Shikamaru war gegangen und hatte sich direkt in eine Wolkensuche gestürzt, wobei seine Füße einem vollkommen unbewussten Pfad gefolgt waren. Einem Pfad, der ihn hierher geführt hatte. 

 

Zuerst Ino…jetzt Chōji…

 

Er konnte beinahe Asumas Geist in seinem Rücken spüren und Hände, die auf seinen Schultern lagen und ihn zu all den Orten lenkten, zu denen er nicht gehen wollte. Seufzend schob er eine Hand in seine Tasche und strich mit dem Daumen über das glatte Metallfeuerzeug; sein Daumennagel folgte langsam der Rille des Deckels.

 

Ja. Ich höre dich.

 

Energisch ignorierte er die Stimme, die ihn dazu drängte, sich umzudrehen und die Beine in die Hand zu nehmen und zog den Kopf ein, bevor er hinaus in den prasselnden Regen trat, um die kurze Distanz zum Haus zu überbrücken. Gerade hatte er die Hand gehoben, um anzuklopfen, als das Paneel auch schon zur Seite geschoben wurde. Chōzas breite Gestalt füllte den Türrahmen aus und seine kleinen Augen bogen sich in einem Lächeln. 

 

„Shikamaru!“ Chōza trat zur Seite und streckte einen kräftigen Arm aus, um Shikamaru auf den Rücken zu klopfen, wobei er den jungen Nara geradezu über die Schwelle und in den großen steinernen Genkan schubste. „Gerade rechtzeitig zum Mittagessen.“

 

Stolpernd hatte Shikamaru nicht einmal Zeit, den schweren würzigen Geruch der Hausmannskost der Akimichis zu genießen. Ein großer, schlanker Schatten glitt über die Shoji Paneele, die den Salon abtrennten. Die schnelle, geisterhafte Bewegung sandte ein seltsames Frösteln über Shikamarus Haut. Er versteifte sich und Anspannung hielt ihn starr aufgerichtet – bis das Paneel zur Seite geschoben wurde und er von einem Paar tief sitzender blaugrüner Augen angeblinzelt wurde, die einen Hauch von Lachfältchen zeigten, als sich ernste kantige Züge zu einem lockeren Halblächeln verzogen. „Nun, wenn man vom Sohn des Teufels spricht.“

 

Shikamaru entspannte sich, verfluchte seine Scheu und brachte ebenfalls ein Lächeln zustande. „Inoichi-san.“

 

Inoichi trat hinaus in den Eingangsbereich, um in seine Sandalen zu schlüpfen. Sein scharfer Blick war wie ein Laser, bevor das Glimmen von Spekulation zu einer weit weniger einschüchternden Begutachtung verblasste. 

 

Shikamaru erkannte diesen Ausdruck sofort. Es war genau derselbe, den seine Mutter jedes Mal auf ihn richtete, wenn er zur Tür herein kam – oder direkt bevor er das Haus verließ. Schuldgefühle vergruben ihre Fangzähne in ihn; gifttriefend wie der Biss einer Viper. Ein wenig verzog er das Gesicht. 

 

Inoichi legte bei dieser Reaktion den Kopf leicht schief und zeigte ein strahlendes Lächeln. „Schön, dich zu sehen, Junge. Du bist gekommen, um gefüttert zu werden.“

 

„Schätze schon.“

 

„Das war keine Frage. Sie zwangsfüttern dich hier.“ Der Yamanaka täuschte eine Grimasse vor und tätschelte seinen flachen Bauch. „Man sieht es nicht, aber ich verdaue gerade Essen im Wert von fünf Gängen.“

 

Chōza kicherte; es war ein tiefer und warmer Klang. „Fünf Gänge Dessert. Du hast dich nicht mal zurückgehalten.“

 

Verschwörerisch zwinkerte Inoichi Shikamaru zu. „Und dein alter Herr denkt, Frauen wären meine Schwäche.“

 

Der Schattenninja brachte ein schmallippiges Schmunzeln zusammen, um seine Belustigung in sich zu halten. Gemessen an dem wenigen, was er über Inoichis argwöhnische Frau und ihre Aversion gegen alles Kalorienreiches wusste, war es durchaus amüsierend daran zu denken, dass Inoichis größte Sünde darin bestand, zu verbergen, dass er eine Naschkatze war, statt eine Geliebte zu haben. 

 

Augenrollend nickte Chōza mit dem Kinn den Gang entlang. „Chōji ist draußen, Shikamaru.“

 

Da er halb erwartet hatte, dass Chōza die felsigen Hügel hinter der Akimichi Residenz gemeint hatte, war Shikamaru überrascht – und erleichtert – festzustellen, dass sein Freund nur bis zu einem der riesigen Steingärten gegangen war. Auf der Veranda hielt Shikamaru inne und ließ seinen Blick über mehrere große Findlinge wandern. Sie lagen in willkürlichen Abständen zwischen weißen Kiesstreifen da, die zu Wellen und Spiralen gerecht waren. 

 

In der Nähe stand ein Pavillon mit roten Ziegeln und Chōji saß unter dem weiten und sanft abfallenden Dach. Getragen von fünf karmesinroten Säulen, die alle mit unzähligen Schmetterlingen verziert waren, war die große runde Struktur zu allen Seiten offen. Ein perfekter Ort, um auf die Gärten zu blicken…obwohl Chōji mehr in seine dampfende Schüssel versunken zu sein schien, die er in seinen großen Händen hielt. 

 

Shikamaru nahm einen diagonalen Weg, der weniger aufdringlich erschien, als sich seinem Freund direkt von hinten zu nähern. Er begab sich in die periphere Sicht des Akimichi und betrat die Gartenlaube, um sich neben seinem Kindheitskumpel niederzulassen, während er die Schultern gegen die Kühle hochzog. 

 

Lächelnd wandte Chōji ihm den Kopf zu. „Hey.“

 

Shikamaru nickte nur langsam und atmete den würzigen Dunst von Buchweizennudeln ein, die nach gebratenem Fleisch dufteten. Er schloss die Augen und lehnte sich etwas nach vorn, während er die Hände lose zwischen seinen Knien hängen ließ. „Yam Soba, huh?“

 

„Ja, mit-“

 

„Würstchen“, beendete Shikamaru den Satz und seine Lider glitten mit einem Schmunzeln auf. „Asumas Liebstes. Wirklich buddhistisch von ihm, huh?“

 

Chōji kicherte leise über diesen Kommentar und seine Aufmerksamkeit teilte sich zwischen seinem Essen und dem leisen Summen des Regens auf, der von dem Kies abprallte. Letztendlich stieß er ein schweres Seufzen aus und schüttelte den Kopf. „Du riechst nach Rauch, weißt du.“

 

Shikamaru lächelte trocken. „Jo.“

 

„Das ist nicht cool. Asuma würde dir den Hintern versohlen.“

 

„Ich weiß.“

 

„Ino auch.“

 

„Jo.“

 

„Ich will es irgendwie auch.“

 

„Stell dich hinten an“, murmelte der Schattenninja und war nicht in der Lage, sein Lächeln niederzukämpfen. 

 

Die Stille, die sich um sie legte, fühlte sich leicht und lebendig an; vertraut auf eine Weise, die Shikamaru über all das nachdenken ließ, was sich verändert hatte. Er schluckte schwer und sah zu, wie das Regenwasser in silbernen Rinnsalen eine Rille in einem der Findlinge hinab strömte, bevor es sich in eine kleine Pfütze ergoss und einen kleinen Lavendelstrauch wässerte, der sich durch den Kies drängte. 

 

„Wo ist Ino?“, fragte er und verzog bei dem Raspeln seiner Stimme das Gesicht. 

 

Leise lachend fuhr Chōji mit den Essstäbchen durch seine Schüssel. „Guck unter die Bank. Ignorier die Hundeschüssel einfach.“

 

Shikamarus Braue schoss bei dieser seltsamen Antwort nach oben, aber er tat wie ihm geheißen und entdeckte eine weggeworfene Schüssel voll mit Hundekeksen und einen Styroporbecher, der hinter einem steinernen Bein stand. Er runzelte die Stirn wegen der Schüssel und streckte eine Hand aus, um den Becher zu retten, wobei er das regenbogenfarbene Design sofort erkannte. 

 

Niji.

 

Mit dem Daumen drückte er den Deckel auf, schnupperte und stieß ein atemloses leises Lachen aus. „Lässig. Könnte allerdings drauf wetten, dass sie da Zucker rein gekippt hat…einfach nur um lästig zu sein.“

 

„Oder sie hat reingespuckt.“

 

Shikamaru schnitt eine Grimasse und schloss den Deckel wieder. „War sie sauer?“

 

Der Blick, mit dem Chōji ihn bedachte, war freundlich, aber auch ernst. „Nicht sauer.

 

Was bedeutete, dass sie etwas anderes gewesen war; etwas, das schlimmer war als angepisst zu sein. Shikamaru verzog schon wieder das Gesicht und ließ den Becher von seinen Fingerspitzen baumeln. Inos Zorn konnte er aushalten, aber ihre Enttäuschung? Dieser niedergeschlagene Ausdruck, den sie immer mit schnippischen Sarkasmus oder einem Anflug falschen Lachens zu kaschieren versuchte?

 

Was willst du, das ich tue? Was willst du, das ich sage?

 

Shikamaru seufzte durch die Nase, setzte den Kaffeebecher an seine Füße und stierte auf die Regenbogenstreifen, während er darüber nachdachte, wie simpel und strukturiert die Natur mit all ihren leuchtendsten Farben sein konnte…und wie chaotisch sie mit all ihren Grauschattierungen gewesen war; besonders wenn es zu der Naturgewalt kam, die Yamanka Ino war. 

 

Er schüttelte den Kopf. „Warum muss es so ein verdammtes Drama sein?“

 

„Huh?“

 

„Hinata bereitet keinen Kummer und Sakura schlägt Naruto einfach, um es direkt aus ihrem Kreislauf zu treiben“, erklärte Shikamaru und streckte eine Hand aus, um die leichten Fälle zu illustrieren, während er die andere hob und zu einer Faust ballte. „Keine bösen Blicke oder verrücktes langes Schweigen. Warum kann Ino nicht einfach zuschlagen, mich bluten lassen und dann drüber weg kommen?“

 

Chōji bedachte ihn mit einem skeptischen Blick. „Holst du dir jetzt schon Ratschläge von Kiba?“

 

Mit den Händen rieb sich Shikamaru übers Gesicht. „Ugh.“

 

Während er die Essstäbchen aufnahm, drehte Chōji ein paar Nudeln darum herum zu einem Nest, schob sie sich in den Mund und schlürfte leise. „Denn das wäre ziemlich dumm von dir, Shikamaru.“ Der Akimichi hielt kurz inne und kicherte dann wie zu sich selbst. „Wow, es ist einer von diesen Momenten.“

 

Shikamaru grunzte abgelenkt. „Hm?“

 

„Du weißt schon. Wenn Shikamaru und dumm zusammen in einem Satz vorkommen.“

 

„Hn. Ist ja auch nicht so, als hätte ich eine Strategie, mit der ich hier arbeiten könnte.“

 

Leise seufzend hörte Chōji auf, die Nudeln um seine Essstäbchen zu drehen. „Du hast wirklich überhaupt keinen Schimmer.“

 

Shikamaru hörte ihm nicht zu; sein Fokus verengte sich auf die Ansammlung lilaner Blumen und ihre willkürlichen Anordnung. Willkürlich, unvorhersehbar. Hier konnte er nicht gewinnen. Es gab einfach keine Möglichkeit; denn es lag keinerlei Logik in den Sprüngen, die Ino machte, oder von denen sie darauf bestand, er würde sie machen. Ein Wort, ein Blick, eine gescheiterte Reaktion konnte auf so viele Arten falsch ausgelegt werden und trotz all seines Vorausdenkens, konnte er niemals vorhersehen, was zur Hölle sie damit meinte. Wenn er sie vorhin angetroffen hätte, was für Schlüsse hätte sie daraus gezogen, dass er sie aufgesucht hatte? Und wie viele dieser Schlüsse würden wahrscheinlich zu diesem niedergeschlagenen Blick führen, der ihn fühlen ließ, als ob…

 

Ja…was fühlen lässt?

 

Er wollte es nicht benennen. Aber da war es. Dämliches verdammtes Ding. Dieser Knoten stacheliger Emotionen, der in seiner Brust herum und herum rollte, scheuerte und kratzte und drohte, sein Blut zu vergießen. 

 

„Ich weiß nicht, was sie von mir will. Es ist, als würde sie all die Regeln in der Hand halten und ich weiß nicht, wie ich dann spielen soll.“

 

Chōji zog mit nach vorn fixierten Augen die Brauen zusammen. Mechanisch und steif kaute er weiter. „Jo“, murmelte er mit vollem Mund. „Viel Glück dabei.“

 

Der Missklang in Chōjis Tonfall erschütterte Shikamaru; harsch wie eine falsch gespielte Note. 

 

Blinzelnd spähte der Schattenninja nervös zu seinem Freund und stupste ihre Knie aneinander, wobei er mit einem unsicheren Lächeln in der Bewegung mitschwang. „Hey. Du solltest der Mittelmann sein.“

 

„Und du solltest ein Genie sein.“

 

Auch wenn es als Scherz gesagt wurde, lag mehr in dieser Aussage – der feinste Hauch einer Kante und sie traf Shikamaru wie eine rostige Klinge. Scharf atmete er ein und zog sich in einem weiteren Schwung von Chōji zurück, wobei er die Bewegung beiläufig erscheinen ließ. „Jo“, murmelte er. „Ist es denn klug, dass ich vorhin auf der Suche nach einer Gardinenpredigt von ihr war?“

 

Ein erstickter Klang. Chōji klopfte sich mit der Faust auf die Brust, um eine Nudel aus seiner Luftröhre zu lösen und hustete. „Im Ernst?“

 

Shikamarus Lippen zuckten. „Ist das so schwer zu glauben?“

 

„Ganz ehrlich? Ja.“

 

Und sagte das nicht schon alles? Der Schattenninja konnte nur in bitterer Erwiderung den Kopf schütteln und stierte hinaus in den Regen. „Klar“, seufzte er. Er konnte Chōjis Blick auf sich spüren; weitäugig und besorgt. Unter der prüfenden Musterung spannte er sich an. „Was?“

 

„Du solltest ihr sagen, dass du sie gesucht hast.“

 

„Auf keinen Fall.“

 

Chōji setzte seine Schüssel auf der Bank zwischen ihnen ab. „Warum nicht?“

 

„Weil…“ Shikamaru warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Sie reagiert über. Bei allem.“

 

„Ja, weil du es nicht tust.“

 

Shikamarus Wirbelsäule verkrampfte sich. So gut er konnte bekämpfte er den Drang, sich aufzusetzen und brachte stattdessen seine Hände langsam zwischen seinen Knien zusammen, bevor er sehr leise sprach. „Was soll das heißen?“

 

Chōjis Seufzen rauschte zwischen ihnen hindurch; wie Wasser unter bebenden Brücken. Als wäre es Schnee von gestern; aber Schnee, der zu schmelzen begann. „Nichts.“

 

„Du denkst, dass mich nichts berührt?“, fragte der Schattenninja in demselben leisen Tonfall und die Venen seiner Hand traten stark hervor. „Was? Willst du, dass ich mich an deiner Schulter ausheule?“

 

Chōji zuckte zusammen. „Mach das nicht“, sagte er, während sich seine großen Hände zu zwei festen Knüppeln ballten. „Du weißt, dass ich es so nicht gemeint habe.“

 

„Na dann gib es mir einfach direkt.“ Shikamaru linste auf die bebenden Fäuste. „Du musst nichtmal Worte nutzen.“

 

„Das ist nicht witzig, Shikamaru.“

 

„Ich scherze auch nicht.“

 

Chōji wandte sich ab und ein Beben jagte seine Arme hinunter. Anspannung stieg mit jedem Schaudern. „Warum bist du so?“

 

„Wie?“

 

Kopfschüttelnd setzte Chōji seine Füße weit auseinander und erhob sich mit der langsamen Besonnenheit von jemandem, der versuchte, auf unsicherem Boden das Gleichgewicht zu halten. „Ich wollte dich nicht verärgern. Es tut mir leid, okay?“

 

Shikamarus Kiefer zuckte heftig bei dieser Entschuldigung. „Es tut dir leid…“, echote er flach. „Weswegen? Weil du nett bist? Oder deswegen, weil du ein Feigling bist?“

 

Abrupt wirbelte Chōji herum. Mit bröckelnder Miene stierte er durch Augen auf Shikamaru hinunter, die ebenso verletzt und ungläubig waren wie die eines geohrfeigten Kindes. Und auf einen Schlag war er ein Kind; das Kind aus Shikamarus Erinnerungen, die Fäuste erhoben, um sich gegen Asumas schwache und flüchtige Hiebe zu verteidigen, während er keinerlei Anstalten machte, seinen Sensei anzugreifen. 

 

‚Chōji! Kämpf, du Feigling!‘

 

Asumas Knöchel trafen hart. Und sogar damals hatte Shikamaru verstanden, dass Chōji anzugreifen niemals der richtige Weg war, denn…

 

‚Es liegt nicht daran, dass Chōji Angst hat. Er will Asuma-sensei nicht auf die Weise verletzen, wie er jetzt verletzt ist.‘

 

Jetzt. 

 

Jetzt im Moment. 

 

Shikamaru umfasste seine Hände noch krampfhafter und bemühte sich, seine Handlungen in den Griff zu bekommen. Seine Nasenflügel bebten gegen das Stechen von Salz, das sich einen Weg bis hinauf in seine Nase und hinter seine Augen brannte. Seine Brauen hoben sich trocken. „Ich habe kein Problem damit, direkt zu dir zu sein. Als tu mir den Gefallen und sag einfach, was du denkst.“

 

Chōji presste die Lider aufeinander und trat mit hängenden Fäusten von ihm weg bis zum Rand des Pavillons; mit Waffen, die er nicht einsetzen würde. Auch seine Worte konnten nicht wirklich tief schneiden, da sie immer weich waren von Sorge, Sanftheit, Güte…

 

‚Er ist freundlich und gütig. Bis in seinen innersten Kern.‘

 

Schmerz stieg hinter Shikamarus Augen auf, bevor sie sich zu zwei dunklen Schlitzen verengten und die Feuchtigkeit zu einem silbernen Faden über seinen Wimpern zusammenschnitten. „Sag es, Chōji“, biss er hervor, während er gegen sein Herz kämpfte und seinen Freund durch Willen allein dazu zu zwingen versuchte, ihn darauf anzusprechen, ihn zu erwischen…ihm nachzujagen. „Asuma ist nicht hier, um dir den Kopf zu tätscheln oder deine Hand zu halten.“

 

Chōji schlug mit der Faust gegen eine der Schmetterlingssäulen und grub seine Knöchel in das Holz. Er schüttelte den Kopf. „Aber wir sind immer noch hier, oder nicht?“ Und dann fügte er sanfter hinzu: „Bist du es nicht?“

 

Shikamaru spürte, wie die Tränen brannten, ignorierte sie aber und schob sich auf die Füße, wobei er den Kaffee umstieß; schwappend verteilte er sich schwarz und kalt auf den Steinen. „Verdammt, Chōji“, knurrte er und stach mit einem Finger in Richtung der Akimichi Residenz. „Wenn Ino pissig auf mich ist, wenn du pissig auf mich bist, dann seid auch pissig auf mich!“

 

„Wir sind nicht pissig auf dich“, sagte Chōji rau und seine Knöchel rieben härter; rissen Fleisch auf und ließen Holz splittern. „Aber es ist, als würdest du das von uns wollen. Als würdest du…“ Seine Stimme erstarb zu einem Wispern und erstickte beinahe an seinen nächsten Worten. „Es war nicht deine Schuld, Shikamaru.“

 

Schmerz; wie ein schraubstockartiger Griff an seiner Kehle.

 

Atme.

 

Ein rauer, bebender Atemzug und Shikamarus Augen kletterten zurückhaltend aufwärts, als er versuchte, die Tränen zurück zu drängen. Er stierte mit verkrampftem Kiefer auf die tropfenden Dachrinnen; die Luft wie ein schaler Stein in seiner Kehle. „Chōji“, krächzte er leise und heiser. 

 

Chōji lehnte sich auf seine Faust; die kraftvollen Muskeln seiner Schultern hoben sich zu zwei wogenden Bergen, zitterten unter dem Gewicht von Emotionen und luden sich mit mehr Schmerz auf, als Shikamaru ertragen konnte zu sehen, wie er ihn mit sich trug.

 

Und DU hast ihn dort abgeladen.

 

Shikamaru erstarrte und sein Zorn blutete fort. 

 

Du hast das auf deinem besten Freund abgeladen…

 

Übelkeit rammte sich in ihn, prügelte allen Atem aus seinen Lungen. Fast hätte er sich mit den Händen auf den Knien vornübergebeugt. Galle kroch seine Kehle hinauf; ein erstickendes Feuer. Er hob die Hände, starrte sie an, dann auf Chōjis Rücken, als erwartete er, eine Klinge dort vorzufinden; hineingestoßen und festgehalten von Schattenhänden, die sich um den Griff legten, drehten und den Schmerz noch tiefer trieben. 

 

Du hast das deinem besten Freund angetan…was für ein Bastard bist du eigentlich?

 

Die schlimmste Art. Die Art, die es besser wusste und weit weniger verdient hatte. Asuma hatte ihm einmal gesagt, er solle die Last teilen, aber wenn das der Preis dafür war, dann war für nichts auf der Welt bereit, ihn auch zu zahlen. Nicht jetzt und niemals wieder.

 

Shikamaru wischte sich über die Augen und trat mit einem zaghaften Schritt nach dem anderen hinter den Akimichi. „Chōji“, hauchte er. „Es tu-“

 

„Es war nicht deine Schuld…“, sagte Chōji ihn mit tränenschwerer Stimme. „Asuma wa-“

 

„Asuma würde mir in den Arsch treten dafür, dass ich so ein Trottel bin“, erwiderte Shikamaru und unterbrach seinen Freund rasch, um eine Absolution zu vermeiden. Er wollte keine Vergebung für das, was er getan hatte, aber verdammt, er wollte es wieder richten. Langsam schlang er einen Arm um die breiten Schultern seines Kumpels und hakte seinen Ellbogen um Chōjis kräftigen Stiernacken, bevor er zaghaft daran zog. „Hey, komm schon. Du wirst dich nicht besser fühlen, wenn du dir die Faust brichst.“ Und mit einem Schnauben fügte er hinzu: „Vertrau mir, ich weiß, wovon ich rede.“

 

Vertrauen war etwas, mit dem Chōji noch nie ein Problem gehabt hatte, es zu geben; von ganzem Herzen und ohne Fragen. Es traf Shikamaru heftig zu sehen, wie leicht sich sein Freund in seinen Griff entspannte und den Kampf aufgab; ganz so, als hätte der Schattenninja ihn nicht provoziert. 

 

„Ich würde meine Faust durch hunderte Mauern schlagen, bevor ich dich schlage, Shikamaru.“

 

Zeit zog sich zusammen; ein Streifen aus Erinnerung blätterte von den Wänden in Shikamarus Geist, um Kindheitserinnerungen zu offenbaren, die er an Stellen aufbewahrte, die weit mehr geschützt waren als sein Kopf. Die viel empfindlicher waren. Zwei Kinder, die ihre Hände ausstreckten, die Zeigefinger in dem Äquivalent eines Versprechens ineinander verhakt. 

 

Du bist mein bester Freund, weißt du das?

 

Shikamaru zog den Kopf ein und verstärkte seine Umklammerung um Chojis Nacken in einem kurzen Zudrücken. Der Akimichi zuckte leicht vor Überraschung zusammen, aber er kannte Shikamaru gut genug, um die Umarmung nicht zu erwidern und ihn somit in Verlegenheit zu bringen. Ohne Aufhebens oder zusätzliche Unbeholfenheit akzeptierte der Akimichi die vollkommen untypische Geste auf diese sanfte und anspruchslose Weise, auf die er alle Handlungen des Schattenninjas akzeptierte; ob richtig oder falsch, zum Guten oder Schlechten – er ging einfach mit den Schlägen, die Fäuste erhoben, aber sie nie schwingend. 

 

Du bist mehr als nur mein bester Freund. Du bist die beste Person, die ich kenne…

 

Und allein dafür schuldete Shikamaru ihm mehr, als er jemals geben konnte. 

 

Ich werde dich nicht wieder hängen lassen. Dich oder Ino.

 

Langsam zog er den Arm zurück, blieb aber wo er war, um neben Chōji zu stehen. Ihre Schultern berührten sich und gemeinsam sahen sie hinaus in den Regen. Nach einer Weile räusperte er sich und murmelte in die Stille: „Schätze, ich schulde euch beiden heißes Schweine-Soba.“

 

Chōji lachte leise und rieb sich mit dem Unterarm über die Augen. „Klingt gut finde ich, aber Ino wird es nicht anrühren.“ Bei Shikamarus fragenden Blick zuckte er mit den Achseln. „Sie ist schon wieder auf einer neuen Diät.“

 

Ah.

 

Was bedeutete, dass jeder Laden, der Gerichte mit mehr als fünfhundert Kalorien oder fünf Gramm Fett servierte, außer Frage stand. Shikamaru kratzte sich die Nasenwurzel und strich mit den Fingern über eine Augenbraue, als er über Alternativen nachdachte. 

 

Viel zu lästig.

 

„Schätze, dass ich sie dann einfach mit dem Schattenbesitz durch die Gegend ziehen muss. Du kannst dann das Zwangsfüttern übernehmen.“ Chōji lachte und der Klang davon erwärmte Shikamaru so sehr, dass er die Belustigung mit einem schiefen Lächeln erwiderte. „Ist schon lustig, dass du denkst, ich scherze.“

 

„Als würdest du das tun.“

 

Es gibt immer ein erstes Mal…

 

Wobei sich das erste Mal sehr gut auch als das letzte Mal herausstellen könnte, wenn Ino immer noch pissig auf ihn war. Shikamaru trödelte noch etwas am Rand des Pavillons herum und wippte in einem Moment des Zögerns auf den Ballen vor und zurück, bevor er hinunter auf den nassen Kies sprang und in einem faulen Trotten zurück zum Haus schritt. 

 

„Bereite schonmal mein Grab fertig“, rief er über die Schulter. 

 

„Whoa, warte. Du willst das wirklich machen?“ Chōji blieb zurück und trat nervös von einem Fuß auf den anderen; unfähig, sich davon abzuhalten, ihm nachzurufen. „H-hey! Brauchst du vielleicht Hilfe?“

 

Shikamaru lächelte leicht und hob eine Hand in einem Rückwärtswinken. „Ich pack das schon.“

 

Was für ein blasierter Schwachsinn. Asuma hätte es direkt durchschaut. Und unglücklicherweise schien der subtile Einblick des Sarutobis abgefärbt zu haben, denn Chōji und Ino begannen es ebenso zu durchschauen. Bereits seit seinem Geburtstag hatte Shikamaru dasselbe Gefühl von Transparenz verspürt, das sich festzusetzen begann, wenn er mit seinen Teamkameraden zusammen war. Er musste dringend einen Weg finden, das zu reparieren, ohne die beiden von sich zu stoßen oder sich in die Schatten zurück zu ziehen. 

 

Ich werde tun, was auch immer ich tun muss, um sie zu schützen.

 

Denn sie mussten nicht den Teil von ihm sehen, den Asuma zu Gesicht bekommen hatte. 

 

Damit werde ich sie nicht belasten, Sensei…

 

Außerdem; je weniger sie wussten, umso weniger musste er sich erinnern. Und je weniger er sich erinnerte, desto weniger musst er wegrennen. Und wenn er jetzt wegrannte…

 

‚Renn nicht weg.‘

 

Das werde ich nicht.

 

Trotz all seiner gebrochenen Versprechen und verfehlten Pläne, hatte er sich in der Nacht von Asumas Bestattung geschworen, dass er nicht mehr wegrennen würde. Ein Versprechen, das er mit dem Begräbnis von Hidan besiegelt hatte; einer Tat, die viel tiefer ging als bloße Rache. Als er in die Flammen und die Trümmer gestarrt hatte, hatte er gewusst, dass er weit mehr als nur den Mörder seines Senseis in dieses Grab geschickt hatte, denn in diesem Vorgehen hatte er auch einen Teil seines Selbst beigesetzt. 

 

Wache über meine Vergangenheit, Sensei. Halte sie begraben in den Schatten…wo sie immer schon hingehört hat. 

 
 

~❃~
 

 

‚Ich würde niemanden in der Vergangenheit begraben, egal ob tot oder lebendig, von dem ich glaubte, er hätte einen signifikanten Part dabei gehabt, mich zu der Person zu machen, die ich heute bin. Ich würde meine eigene Entwicklung entehren, wenn ich mich weigern würde, die Menschen und Orte anzuerkennen, die mich bis zu diesem Moment gebracht haben.‘

 

Als sie über Nejis Worte nachdachte, beschwor Ino ein Bild des toten Mannes herauf, dessen kleiner aber durchaus bedeutender Part in ihrer Vergangenheit sie zu diesem derzeitigen Moment gebracht hatte. Sie verharrte am Türrahmen zum Reich ihrer Mutter; ein großer luftiger Raum, der der Kunst des Ikebana gewidmet war. Ein riesiger Eichentisch dominierte den Arbeitsplatz und war überladen mit Floristikwerkzeug und Haufen von Stängeln, Zweigen, Blumen und Blättern. An den Seiten des Raumes standen in eleganter Ruhe diverse Blumengestecke; manche aufrecht, manche schräg, alle perfekt hergerichtet, makellos ausbalanciert und die Gestaltung so präzise…

 

So ordentlich. So hübsch. So perfekt. 

 

Ino biss sich auf die Lippe und hob eine Hand, um ein paar verirrte Strähnen aus ihrem Gesicht zu streichen und tadelte sich selbst dafür, dass sie dem Drang nachgegeben hatte, es zu kämmen. Von solch makelloser Schönheit umgeben fühlte sie sich wie das hässlichste Unkraut, während sie ihren Blick zu der Frau wandern ließ, die die pure Eleganz und Haltung personifizierte, die in jedem einzelnen Blumenarrangement festgehalten war. 

 

Ihre Mutter. 

 

Yamanaka Sayuri saß an der linken Seite des Tisches, ihre anmutige Gestalt in blaugrüne Seide gehüllt, die jede schlanke Linie betonte. Keine Kurven, nur weiche Winkel; veredelt wie ein ausgestellter Kristallstab. Sie bewegte sich mit der Finesse einer Geisha, pflückte Blätter von einem zarten Mimosenzweig und die winzigen violetten Blütenköpfe zitterten mit jedem kräftigen Zupfen. Ein weiterer Tag des Strebens nach ästhetischer Perfektion. 

 

Ino strich mit den Händen über das riesige formlose Shirt, in das sie wieder geschlüpft war und glättete den knittrigen Stoff, der sämtliche Details ihres Körpers verbarg. „Mom…“

 

Blassbraune Augen hoben sich und verengten sich in unmittelbarer Missbilligung, als Sayuri ihre Tochter flüchtig von Kopf bis Fuß musterte und sich ihre Brauen zu einem Stirnrunzeln zusammenzogen. „Liebling, Daddy hat dir eine vollständige Garderobe geschenkt und dennoch bestehst du darauf, diese abgelegte Scheußlichkeit zu tragen.“
 

Inos Gesicht errötete zu einem gesprenkelten Rosa. Mit den Fingern nestelte sie am Saum des übergroßen Oberteils. „Jo, ich-“

 

Ja“, artikulierte Sayuri überdeutlich in einem Zischen. 

 

„Ja“, korrigierte sich Ino rasch und entblößte in einem gezwungenen Lächeln die Zähne. „Ich werde es auch zurückgeben.“ Sie rieb den Stoff zwischen den Fingern. „Aber es ist ziemlich bequem zum Faulenzen.“

 

Sayuri schnaubte grazil und wandte sich wieder ihren Blumen zu. „Es ist nicht gut für dich, faul zu sein, Ino. Eine Frau kann es sich niemals leisten, selbstgefällig zu sein. Erinnerst du dich, was ich dir darüber gesagt habe, stets auf alles vorbereitet zu sein? Du weißt schließlich nie, wer vorbei kommen könnte.“ Sie hielt inne und ein listiges Lächeln verzog ihren Mund. „Hyūga Neji, zum Beispiel?“

 

Ino spürte, wie sämtliche Farbe aus ihren Wangen wich und wünschte sich, sie könnte noch tiefer in die Geborgenheit von Chōjis Shirt hinein schrumpfen. „Es ist nicht was du denkst, Mom. Ich helfe ihm nur bei seinem Training.“

 

Sayuri schmunzelte summend dieses ganz eigene, nachsichtige Lächeln, das Erwachsene gerne ahnungslosen Kindern schenkten. „Natürlich, Liebes.“

 

Ino presste die Lippen aufeinander. Es hätte keinerlei Sinn, die Meinung ihrer Mutter in dieser Angelegenheit herauszufordern. Zuzugeben, dass Hyūga Neji in etwa so viel Interesse an ihr hatte wie daran, welche Farbe ihr Nagellack zurzeit hatte, würde nur geradezu um eine Predigt mütterlicher Ratschläge betteln, die ihr sagten, wie sie am besten die Aufmerksamkeit des gutaussehenden Jōnin auf sich ziehen konnte. Sie war nicht hierher gekommen, um sich von den scharfen Augen und der schneidenden Zunge ihrer Mutter zurecht stutzen zu lassen. 

 

Sie macht das, weil sie dich liebt, weißt du.

 

Sie glaubte es vollkommen; hielt sich an dieser blühenden Hoffnung fest und ignorierte all die Dornen, die sich in ihr Herz gruben. Sie sah zu, wie ihre Mutter ein Anthurienblatt musterte, jede breite und wächserne Kurve betrachtete und mit den Fingern über die herzförmigen Kanten strich. Solch akribische Aufmerksamkeit für eine zarte und ordentliche Form. 

 

„Wie ist Naoki gestorben?“ Die Worte explodierten aus Inos Mund; keine Zartheit, keine ordentliche Form. Entsetzt widerstand sie dem Drang, sich die Hand vor den Mund zu schlagen. 

 

Für einen schrecklichen Augenblick verharrte Sayuri genau in der Haltung, in der sie innegehalten hatte; mit einem Stiel halb in den Steckschaum geschoben. Sekunden später machte sie weiter und drehte die Anthurie, bis sie in die richtige Richtung blickte, bevor sie sich auf ihrem Stuhl aufrichtete und einen weichen Zweig Federspargel aufnahm. „Wie entsetzlich, so etwas zu fragen“, sagte sie. 

 

Ino zuckte zusammen, als wäre sie geschlagen worden. 

 

‚Mommy, warum halten du und Daddy keine Händchen mehr?‘

 

‚Wie entsetzlich, so etwas zu fragen!‘

 

Während sie sich mit einer Hand den Hals hinauf strich, krümmte Ino die Finger und schluckte hart. „Warum?“, drängte sie leise. „War es ein entsetzlicher Tod? Ist das der Grund, aus dem ihr es mir nie erzählt habt?“

 

„Ino“; so weich ausgesprochen und doch mit einer subtilen Kante. Ihre Mutter wusste ganz genau, wie sie ihre Missbilligung übermittelte; zart, gefährlich. „Du warst ein kleines Mädchen. Ich bin überrascht, dass du dich überhaupt an ihn erinnerst.“

 

„Ist es denn so falsch, sich an ihn erinnern zu wollen?“

 

Sayuri musterte den farnartigen Zweig, legte ihn beiseite und schüttelte den Kopf. „Eher Rosen, glaube ich.“

 

Ino biss die Zähne zusammen. „War er nicht Familie? Wir waren verwandt.“

 

Entfernt verwandt“, stellte Sayuri klar und stutzte das Blutsband hinunter auf einen dünnen Faden. „Ihr standet euch nicht einmal nahe.“

 

Als wäre ein kostbares Spielzeug aus einer Erinnerungsbox stibitzt worden, fühlte sich Ino, als wäre sie wieder sechs Jahre alt. „Aber er hat mit mir gespielt, als ich ein Kind war.“

 

„Er hat für uns auf dich aufgepasst, Ino“, erwiderte Sayuri schneidend. „Um Himmels willen, wir haben den Jungen dafür bezahlt.“

 

„Er hat mir dieses Bild gemalt.“

 

„Ich habe es in Auftrag gegeben.“

 

Weggeschnappt. Fort. Setzlinge dummer kindischer Phantasien, die weggefegt wurden…

 

‚Er hat es extra für mich gemalt.‘

 

Inos Finger fielen von ihrem Hals und krallten sich in den tiefroten Stoff, als sich ihr Herz in ihrer Brust verdrehte. „Aber…ich dachte…“

 

Seufzend schnitt Sayuri das Ende von einem Rosenstiel. „Ino. Du weißt, wie sehr ich diese Gemälde geliebt habe. Ich wollte, dass du dich auch besonders fühlst, also habe ich ihn gebeten, es zu malen. Er wusste, wie viel es mir bedeuten würde.“

 

DIR?

 

‚Er hat es extra für mich gemalt.‘

 

Ino schüttelte den Kopf und sog bebend die Luft ein. „Aber er hat mit mir gespielt, hatte Interesse an mir“, beharrte sie und betrat das Zimmer; betrat ein Territorium, das sie nie hatte erkunden wollen und nicht verstehen konnte, warum das so war, als sie mit jedem Wort an Schwung zunahm. „Ich war ihm vielleicht nicht wichtig, aber er war mir wichtig.“

 

„Jetzt bist du einfach nur kindisch.“

 

„War er überhaupt wichtig für dich und Daddy?“

 

Sayuri ließ die Rose fallen und eine Hand hob sich flatternd zu dem großen Aquamarin, der um ihren Hals hing. Sie durchbohrte Ino mit den verletzten Augen eines Opfers; ein Blick, den sie schon unzählige Male auf Inoichi gerichtet hatte. „Du boshaftes Mädchen. Natürlich war er wichtig.“ Sie schüttelte völlig entsetzt darüber den Kopf, so zu Unrecht beschuldigt zu werden. Mit zitternden Fingern hob sie die gefallene Rose auf. „Wie kannst du nur so etwas Bösartiges-“

 

„Mutter, bitte“, wisperte Ino und die Formalität war dabei ebenso krampfig wie ihre Stimme. „Bitte sag mir einfach nur, wie er gestorben ist.“

 

„Ehrenhaft.“ Die Antwort war flach und endgültig. Und genauso stoppte Sayuris Zittern. Während sie sich aufrichtete und den Kopf in einer Geste herumschwenkte, an die sich Ino aus ihrer Kindheit erinnern konnte. Gleichzeitig strich sie sich über die Rückseite ihrer kunstvollen braunen Frisur, um imaginäre gelöste Strähnen zu glätten. „Er ist gestorben, als er seine Pflicht getan hat. Und am Ende ist das das Einzige, was wichtig ist. Wie dir mit Sicherheit sehr gut bewusst ist.“

 

Ino runzelte die Stirn; aus dem Konzept gebracht von dieser Aussage. „Sehr gut bewusst?“

 

Sayuri wandte sich wieder ihrem Blumenarrangement zu und schob präzise wie ein Chirurg einen weiteren Stängel in den Schaum. Ein leichtes Zupfen und Drehen und sie wandte sich wieder Ino zu; bedacht darauf, ihre Knie zusammenzuhalten und sie im korrekten, damenhaften Winkel zu neigen. Als sie ihre Hände in ihrem Schoß faltete, blieben ihre Züge vollkommen gefasst und undurchlässig für das wässrige Starren ihrer Tochter. „Liebling, ich weiß, dass du Asuma vermisst.“

 

Was…?“, hauchte Ino; fassungslos über diese grausame und plötzliche Fehlleitung. Tränen stiegen schlagartig und heiß und zornig auf. Sie nahm einen scharfen Atemzug und bemühte sich, wieder zum Thema zurückzukehren. „Das ist nicht der Grund, warum ich-“

 

„Doch“, schnitt Sayuri ihr das Wort ab. „Ich denke schon. Aber nur, weil du Kummer hast und verletzt bist, ist das keine Entschuldigung dafür, in dem Rest von uns schmerzhafte Erinnerungen zu wecken.“

 

Selbst wenn sie Worte gehabt hätte, um darauf zu antworten…Ino konnte sie nicht um den dichten Knoten aus Tränen herum zwingen, der in ihrer Kehle feststeckte. Ihre Luftröhre hatte sich verschlossen und ließ nichts hindurch außer einen dünnen Atemstrom. Die erste Träne fiel heimtückisch langsam. 

 

„Oh, Ino.“ Sayuri erhob sich von ihrem Stuhl und blütenblättrige Lippen welkten in elegantem Mitgefühl. Mit ausgestreckten Armen trat sie nach vorn und umfasste das Gesicht ihrer Tochter mit dünnen, juwelenbesetzten Händen. „Genau wie dein Vater. Was mach ich nur mit euch beiden?“ Sie küsste Inos Stirn und schob die langen goldenen Strähnen mit der Rückseite ihrer Finger fort, bevor sie die Enden eindrehte und die Locken neu arrangierte wie Büschel in einem Blumengesteck, um eine tränenbenetzte Wange zu umrahmen. „Morgen wird dir alles heller erscheinen. Geh jetzt und mach dich frisch, Blütenblatt. Es stört mich, dich so zu sehen.“

 

Verärgere Mommy nicht…, wisperte die kindliche Stimme. Sie wird wieder einen ihrer Anfälle haben…

 

Ino stierte ihre Mutter an; ihre Tränen standen wie eine Mauer zwischen ihnen. 

 

Offensichtlich fasste Sayuri Inos Schweigen als Reue auf, denn sie lächelte milde. „Das ist mein süßes Mädchen. Und gib das da endlich zurück.“ Sie zupfte an Inos Shirt als wäre es hartnäckiges Unkraut. „Du magst ja vielleicht die Tochter deines Vaters sein, aber wir können dich ja nicht wie ein Junge rumlaufen lassen, nicht wahr?“

 

Wenn Sayuri sonst noch etwas sagte, dann hörte Ino es nicht. Sie sah ja kaum noch durch das verwaschene Netz aus Farben, wie die Gestalt ihrer Mutter davon schwebte; zurück zum Tisch, zurück zu den Blumen, zurück zu diesen perfekten, ordentlichen Formen…

 

Sie macht das, weil sie dich liebt, weißt du. 

Ino drehte sich um als befände sie sich in Trance; benommen und desorientiert. Langsam streckte sie eine Hand aus, fühlte den Türrahmen und trat hinaus in den Korridor, während ihre Finger über die Wand kratzten und nach einer Stütze suchten. Sie versuchte nach Luft zu schnappen und erstickte beinahe. Eine Dringlichkeit zu entkommen trieb sie voran und sie spürte, wie sich ihre Füße rasch bewegten; blanke Sohlen strichen in schnellen Schritten über trockene Tatamimatten, über die Türschwelle auf nasse Dielen und durchweichten Rasen…Gras kitzelte ihre Knöchel, der feuchte Saum des Shirts hing schwer um ihre Knie…Regen in ihrem Haar…Feuer in ihren Augen…es flutete in heißen Strömen ihre Wangen hinab…Emotionen wirbelten…die Welt drehte sich…

 

Und dann ein Zusammenstoß mit etwas Schwarzem und Festem, das still dastand…

 

„Ino.“

 

Ihr Kopf ruckte nach oben und sie stierte durch eine Mauer aus Tränen und einen Schleier aus Regen in dunkelbraune Augen, die schärfer geschnitten waren als Dornen. Entsetzen; es wusch eiskalt über sie hinweg. Weitäugig und eingefroren starrte sie; wartete darauf, dass sich all die Anzeichen von Ablehnung auf seinem Gesicht zeigten, seine Wangen straff zogen und seine Lippen zu einer dünnen Linie verzerrten. 

 

Wie Ranken legten sich seine Arme um sie. 

 

Geschockt stand Ino stocksteif da…jeder Muskel auf den Schubs vorbereitet, der sie letztendlich zersplittern lassen würde. Sie wartete auf das Wegschieben, die kalte Schulter, unter Füßen zermahlen zu werden, wenn er sich auf dem Absatz umdrehte und einen Ausweg suchte. 

 

Sie spürte, wie ihre Knie zitterten und ihr Herz pochte…

 

Und dann spürte sie sein Kinn auf ihrem Scheitel und einen sanften weichen Atem über ihr Haar. „Weißt du“, murmelte Shikamaru. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das gerade richtig mache. Ich hab das mal in einem Film gesehen.“

 

Erleichterung…so übermächtig, dass es ihr die Kraft aus den Knien raubte. Ino lachte; ein heiseres Beben von Atem, das sich in ein Schluchzen verwandelte. Sie schlang ihre Arme um ihn, grub ihre Finger in seinen Rücken und ließ die perfekte Welt und die ordentliche Form direkt zur Hölle fahren, als sie schließlich zusammenbrach. 

 

Und Shikamaru zog sie wieder nach oben und lehnte sie an sich. 

 

Benommen schüttelte Ino ihren Kopf in stummen Unglauben und war sich dabei vage bewusst, dass sich sein Kinn hob und senkte, um sich ihren Bewegungen anzupassen. Shikamaru? Der entgegenkommend war? Witzig, wie sich die Welt auf den Kopf stellen konnte, obwohl sie auseinander fiel. Vielleicht würde es in einer Minute ja auch Sinn machen. Sie würde aufwachen und das alles wäre nur ein grausamer Traum gewesen. Genau wie der, in dem Asuma so beiläufig am Ende ihres Bettes gesessen und Weisheiten geteilt hatte, an die sich nicht erinnern konnte. Ja, das erklärte es. Sie würde aufwachen und Shikamaru wäre nicht hier. Er wäre zurück in ordentlicher Form, anwesend aber unerreichbar, da er sie und Chōji immerzu auf Armeslänge auf Abstand hielt. 

 

Seine Arme zogen sich um sie herum leicht zusammen. „Lästiges Mädchen“, sagte er sanft; ohne den Biss, ohne die Unbeholfenheit. 

 

Eine frische Flutwelle aus Tränen und Ino drückte ihre Wange gegen seine Brust, fühlte das stete Klopfen seines Herzschlages, das Heben und Fallen seiner Atmung. Sie klammerte sich an ihn, verfluchte sich selbst dafür, dass sie Unterstützung brauchte und verfluchte Shikamaru dafür, dass ausgerechnet er es war, der sie ihr gab. Er würde sie ihr nur wieder wegschnappen, sie zappelnd und sich töricht vorkommend zurücklassen. 

 

Aber sie hatte nicht die Kraft, ihn von sich zu schieben. 

 

Als würde er ihren inneren Kampf bemerken, neigte Shikamaru leicht den Kopf. „Hey“, murmelte er. „In der Not frisst der Teufel Fliegen, richtig?“

 

Heftig schniefend ließ Ino ihren Kopf gegen seine Brust sacken, atmete tief durch und versuchte, etwas von ihrer schnippischen Art zusammenzukratzen, doch ihre Stimme brach so oder so. „Du schuldest mir was“, wisperte sie. 

 

Kein bissiger Kommentar, kein langes, leidendes Seufzen. Nur ein steter Schlag tief in seiner Brust, gefolgt von einem Murmeln, das so leise war, dass sie es beinahe nicht gehört hätte. „Ich weiß.“

 
 

~❃~
 

 

Er kannte das Muster, erkannte das Spielprinzip und konnte sich den Plan vorstellen.

 

Silber anstreben.

 

Er hatte es schon einmal gesehen, genauso ausgelegt wie hier; all die Teile in Position, eine eingefrorene Nachstellung dessen, was an diesem Tag geschehen war.

 

„Verdammt, Junge…“, seufzte Shikaku. 

 

Ein Flattern von Flügeln. 

 

Tropfen sprühten von hinten über die Tatamimatten. 

 

Shikaku spähte über die Schulter und sah zu, wie der Wanderfalke kühn die Veranda entlang direkt bis zur Türschwelle hoppelte. Die Schwingen an die Seiten gezogen beugte der Vogel den Kopf zwischen Shikakus Beine und versuchte schiefäugig, an dem Nara Ältesten vorbei und in die Leere des Gästezimmers zu sehen. 

 

Amüsiert neigte Shikaku ebenfalls den Kopf und eine seiner dunklen Brauen hob sich. „Keine Brotkrumenspuren, hmn?“

 

Der Vogel sah auf und stieß ein leises Kee aus, während sich seine Federn in dem aviären Äquivalent eines Achselzuckens aufplusterten. Shikaku lachte leise und rau, schob eine Hand in seine Tasche und zog einen Hirschkeks zwischen zwei langen Fingern hervor, mit dem er vor und zurück wedelte. Fasziniert folgte der Vogel der Bewegung. Shikaku fuhr mit dem Schwung fort, gefangen in der Bewegung seines Schattens, der von Seite zu Seite schwankte…fühlte das Pendulum eines Hypnotiseurs, das in seinem Verstand schwang…und seine Augen wurden glasig und abwesend von Erinnerung. 

 

„Er ist schon wieder total abwesend und bekommt so glasige Augen.“

 

„Genau wie du.“

 

„Nein. Das bin nur ich, wie ich energisch darüber nachdenke, wie ich dieses Kind bespaßen soll.“
 

„Du solltest lieber energisch darüber nachdenken, wie du seine ersten Schritte bespaßt.“

 

„Ich habe dir schon gesagt, ich kann das jederzeit beschleunigen.“

 

„Shikaku, du wirst unser neun Monate altes Kind sicher nicht mit dem Schattenbesitz belegen.“

 

„Es wird ihm Spaß machen. Es wird mir Spaß machen.“

 

Yoshino bedachte ihn über den Rand der Kühlschranktür hinweg mit einem langen, flachen Blick. „Nein.“

 

Shikaku hob kapitulierend die Hände, nur um sofort nach vorn zu zucken, als Shikamaru in seinem Schoß nach hinten kippte. Er fing seinen Sohn an der Hüfte ab; starr wie ein Mann, der eine Zeitbombe hielt. Kopfschüttelnd stieß er seinen angehaltenen Atem aus. „Hast du das gerade gesehen?“, er hob die Brauen in Richtung seines Sohnes. „Das ist durchtrieben.“

 

„Ich schätze mal, das hat er von dir“, murrte Yoshino und kehrte wieder zum Kühlschrank zurück, da sie beim ersten Anzeichen eines Problems sofort nach von geeilt war. „Erinnere mich nochmal daran, warum genau ich in deinen Clan eingeheiratet habe?“

 

„Ah, das ist leicht.“ Shikaku wippte auf den Knien, hielt Shikamaru in die Luft und brachte ihn dann gleich wieder nach unten, um grinsend seine kleine Stupsnase zu küssen. „Nara Männer haben alle Wege gemeistert, ein Bett zu benutzen.“

 

Yoshino schnaubte. „Als wüsste ich das nicht.“

 

„Das will ich doch hoffen, Liebes“, sagte Shikaku gedehnt. „Ich habe nämlich nicht von Mittagsschläfchen gesprochen.“

 

„Shikaku!“

 

„Entspann dich, Weib.“ Lachend kniete er sich weiter nach unten und setzte Shikamaru auf einer großen Spielmatte ab, die übersät war mit einer Vielzahl an Spielzeugen, die hauptsächlich auf Bildung und Lernen ausgerichtet waren. Yoshino hatte sie speziell dafür ausgewählt, um eine frühe Entwicklung sensorischer, numerischer und sprachlicher Fähigkeiten zu fördern; manche schimmernd, manche quietschend, die meisten weich und alle sicher, um darauf herum zu kauen. 

 

Shikaku griff sich ein Spielzeug, das zum Kuscheln gedacht war; ein schlaksig wirkender ausgestopfter Hirsch. Er versuchte, dem Tier Leben einzuhauchen, legte seine Finger hinter den Kopf des Hirsches und stupste das schlaffe Geweih spielerisch gegen Shikamarus Füße. Reflexartig zogen sich die kleinen Zehen ein, doch Shikamaru blinzelte nur schläfrig und seine kleinen Lider schwebten auf Halbmast. 

 

„Nicht beeindruckt, hmn?“, kicherte Shikaku und beugte sich vor, um seinen Sohn auf die Stirn zu küssen, wobei sein Bart ein Nießen und dann ein Stirnrunzeln bei dem Kind auslöste. 

 

Mit einem griesgrämigen Schmatzen ließ sich Shikamaru seitwärts auf den Bauch fallen und stieß ein langes krächzendes Wimmern aus, das auf Tränen vor der Schlafenszeit hindeutete. 

 

Yoshino fing das Geräusch auf und wurde sehr still. „Shikaku?“

 

Das Gesicht verziehend streckte sich Shikaku neben seinem Sohn aus, stellte einen Ellbogen auf und stützte seinen Kopf in eine Handfläche. Mit den Fingern strich er durch das kleine Haarbüschel stacheliger Strähnen, das von Shikamarus Kopf abstand, sodass sie am Ende noch mehr zu Berge standen. „Sei ein bisschen nachsichtig mit deinem alten Herrn, hmn?“

 

Shikamaru blinzelte zu ihm auf und begann sich zu winden, während er das Gesicht abwandte. 

 

Seufzend legte Shikaku eine große Hand auf den Rücken seines Sohnes und sein Daumen klopfte zaghaft direkt unterhalb von Shikamarus Nacken. Eine beruhigende Berührung, die von einem leisen ‚ssh‘ begleitet wurde, das, nach ein paar Minuten, scheinbar den Zweck erfüllte, den Jungen mit Schlaf einzulullen. 

 

Oder zumindest hatte er das gedacht. 

 

Doch als sich Shikaku vorbeugte, bemerkte er, dass Shikamarus Augen weit offen waren; eingefroren in einem Starren. Shikakus Herz blieb ruckartig in seiner Brust stehen. Sein Kopf zuckte aus seiner Handfläche und sein Verstand überschlug sich mit Panik, bis ihm klar wurde, dass ja, Shikamaru atmete noch immer und nein, er stierte nicht einfach nur leer ins Nichts…tatsächlich war das Kind äußerst wachsam und hatte alle Aufmerksamkeit auf die gegenüberliegende Wand fixiert. 

 

Und erst als Shikaku den Blick hob, realisierte er, warum…

 

Shikamaru beobachtete ihre Schatten. 

 

Erleichterung; gefolgt von einem Nervenkitzel, der durch Shikakus Blut kribbelte wie eine Mischung aus Stolz und Aufregung. Und gleich darauf kam der vertraute Strom von Chakra. Mit einem langsamen Schmunzeln hob er die Hand und fing an, Schattenpuppen zu formen. 

 

Gebannt sah Shikamaru zu, wie sich Ranken von der Wand schälten und in trägen Windungen und Drehungen auf ihn zu schlängelten. Der Bub wackelte mit den Zehen und streckte leise glucksend eine kleine Hand nach den Schatten aus. Unglaublich, wie reaktionsfreudig er zu sein schien mit seinen leuchtenden und weit offenen Augen und den Lippen zu einem zahnlosen Grinsen erhoben, wobei sich Grübchen in seine weichen runden Wangen gruben. All diese winzigen Gesichtszüge spielten mit mehr Ausdruck und glücklicher Aufregung, als Shikaku je zu hoffen gewagt hatte, es einmal zu sehen. 

 

Leise lachend sah er auf, um dem Blick seiner Frau zu begegnen. 

 

Das Lächeln fiel schlagartig von seinen Lippen. 

 

Yoshino stand wie erstarrt am Küchentresen und eine Hand packte heftig die marmorne Kante, während die andere fest um den Griff eines Küchenmessers gelegt war. Ihr Puls schlug sichtbar in ihrem Hals, die Lippen geöffnet und kein Atem wurde eingesogen oder entwich. Diese schönen braunen Augen – so voller Furcht – waren auf ihn fixiert und sahen ihn an, als wäre er ein Fremder in ihrem Heim; eine Gefahr für ihr gemeinsames Kind. 

 

„Was machst du da?“

 

Bei dem Klang von Yoshinos Stimme wandte sich Shikaku um. 

 

Die Wucht seines Blickes rammte sich in sie und ließ sie einen Schritt zurückweichen. Sie stützte eine Hand gegen die offene Shojitür und musterte ihn mit einem leichten Stirnrunzeln. „Shikaku?“ Keine Anschuldigung, keine Furcht, kein Entsetzen, das in ihrer Kehle flatterte. Nur offene Besorgnis, sanft eingraviert in ihre Augenwinkel und die Form ihres Mundes. „Was ist los?“

 

Der Vogel hüpfte zurück und stieß ein empörtes Squawken wegen ihrer Störung aus. 

 

Der Schrei durchbrach Shikakus Trance. Räuspernd wandte er sich wieder dem Falken zu. „Nichts“, sagte er und ging in die Hocke, um mit zitternden Fingern den Hirschkeks auf der Veranda zu zerkrümeln und sich die Hände von den Bröseln freizuklopfen. „Habe mich nur gefragt, wo der Junge ist.“

 

Er hörte wie Yoshino hinter ihn kam. Kaum stand er wieder, da befand er sich auch schon im unmittelbaren Kreis ihrer Arme und ihre Wange legte sich warm gegen den feuchten Stoff, der an seinem Rücken klebte. Energisch versuchte er, sich nicht anzuspannen und zwang seinen Verstand dazu, die Erinnerung loszulassen und seine Muskeln, sich zu lockern. 

 

„Er ist mit Chōji und Ino unterwegs“, erwiderte sie. 

 

Shikaku schloss die Augen; Erleichterung huschte über sein Gesicht. „Gut.“

 

Was für ein warmes Gefühl es war, das zu wissen. Er berief sich darauf und ließ es die kalten Überreste der Vergangenheit auftauen. Vage hörte er das Kratzen von Krallen, als der Falke herum hüpfte und Kekskrümel aufpickte. Jenseits der Veranda hielt das kalte Plätschern des Regens an. Er spürte Yoshinos Atem wie ein Feuer zwischen seinen Schulterblättern, das sich einen sanften Pfad direkt bis zu seiner Brust brannte. 

 

Als sie Anstalten machte, sich zurückzuziehen, schob Shikaku einen Arm nach hinten und hielt sie an sich gedrückt; vielleicht sogar etwas härter als es nötig gewesen wäre. Rasch lockerte er seinen Griff und wartete darauf, dass sie sie ging. 
 

Doch ihre Arme blieben weiter um ihn gelegt. „Das Abendessen wird anbrennen.“

 

„Dann gehen wir eben aus.“

 

„Hmn. Alles, nur um einer Bestrafung zu entgehen. Du und dein furchtbares Timing“, murmelte sie ließ ihre Hände weiter nach unten wandern und verschränkte die Finger über seinem Bauch. „Oh, übrigens, Inoichi war vorhin da.“

 

Shikakus Augen öffneten sich halb. Er wartete. 

 

„Er ist nicht lange geblieben, aber ich habe ihm was zu essen gegeben“, fuhr Yoshino fort. „Wusstest du, dass der Mann Essen schneller verputzen kann als Chōza? Hat das ganze Abendessen von meinem Sohn weggemampft“, grummelte sie und rieb über Shikakus straffen Bauch. „Gibt Sayuri ihm denn nichts zu essen?“

 

Schmunzelnd ließ Shikaku seinen Kopf nach hinten kippen und streifte sie dabei mit seinem Pferdeschwanz. „Nicht jede Ehefrau ist so gut trainiert wie meine.“

 

Ein scharfes Stechen und Shikaku zuckte zusammen, als Zähne in sein Ohr zwickten, bevor er das heißkalte Kribbeln von Zunge und Atem spürte, dem ein unmittelbares Prickeln von Erregung folgte. Schnaubend linste er aus den Augenwinkeln zu ihr. „Oder so gewalttätig.“

 

Auf den Zehenspitzen stehend grinste Yoshino zuckersüß und küsste die misshandelte Haut. „Du hast meine Frage nicht beantwortet. 

 

„Und du weißt es besser, als mich nach dieser Frau zu fragen.“

 

Yoshino zog eine Schnute gegen sein Ohr und drohte mit einem weiteren Biss, nur um ihre Lippen dann harmlos über seine Wange streichen zu lassen. „Dann schätze ich mal, dass es keinen Sinn hat zu fragen, warum Inoichi wie ein geprügelter Welpe ausgesehen hat, als ich ihm gesagt habe, du wärst nicht da.“

 

Seufzend schüttelte Shikaku den Kopf. Es überraschte ihn doch immer wieder, wie jemand, der so radikal rational und analytisch war wie Inoichi, die emotionale Intelligenz eines Teenagers besitzen konnte, kaum dass Alkohol oder Zorn in sein Netzwerk flossen. Normalerweise ruhig und besonnen selbst unter extremstem Druck, schien Inoichi in der Lage zu sein, mit allen Stresssituationen umzugehen, die den Blutdruck in die Höhe katapultierten – bis etwas tief Persönliches diese kühle Schale aufknackte und es unterdrückten Emotionen gestattete, wie Lava heiß und stechend hervor zu sickern. Für gewöhnlich kühlte er sich auch ebenso schnell wieder ab, aber bis dahin war der Schaden bereits angerichtet. 

 

Und selbst dann…

 

Shikaku lächelte leicht. Selbst wenn er die Energie aufbringen könnte, auf Inoichi zornig zu sein; seine Zuneigung für den Yamanaka und seine tiefe Wertschätzung für ihre Freundschaft würden immer über Verstöße triumphieren, die in betrunkenem Fehlverhalten begangen wurden. Sie alle waren aufgerieben, sie alle waren besorgt und sie alle waren sich unsicher über die Zukunft und was das für ihre Kinder bedeutete…

 

Nicht.

 

Diese Gedanken, diese Ängste…sie gehörten an Orte, die sich jenseits der normalen Standards von ‚persönlich‘ bewegten; tief begraben in den Hohlräumen von Shikakus Verstand und Herz…Orte, die nicht einmal er zu betreten wagte, ohne feste Rettungsleinen zu haben, die ihn wieder zurück führten. 

 

Führe mich zurück.

 

Shikaku stieß einen leisen Atem aus. „Yoshino…“

 

Etwas in seiner Stimme zog ihren Kopf nach oben. Sie trat um ihn herum, legte ihre Handflächen gegen seine Brust und neigte den Kopf, um seinen Blick einzufangen. „Mmn?“

 

Shikaku sah zu ihr hinab und Emotionen schimmerten direkt unter der Oberfläche seiner Augen, als sich die Vergangenheit wie eine Wunde auf seinem Gesicht öffnete; so viel bösartiger als seine Narben. „Weißt du noch, was ich zu dir gesagt habe? In der Nacht, als ANBU mich freigelassen hat?“

 

Schock jagte wie eine Welle über Yoshinos Gesicht, gefolgt von einem unmittelbaren Schmerz. Er fror ihre Miene ein, aber zerbrach in ihren Augen, um diese schönen dunklen Tiefen mit Bändern aus Silber zu durchziehen. Sie hob eine Hand, strich mit den Fingerspitzen über Shikakus Narben und dann kopfschüttelnd weiter hinunter zu seinen Lippen. „Warum fragst du mich das…?“

 

Er packte sie bei den Hüften und zog sie näher; sein Griff grob, seine Augen weich und seine Stimme irgendwo dazwischen gefangen. „Sag mir, was ich gesagt habe.“

 

Yoshino starrte auf seinen Mund, stählte sich selbst und ummantelte dann sein Gesicht mit ihren Händen, um seinen Kopf anzuheben und ihm in die Augen zu blicken…sie sah direkt durch den Rauch und die Schatten, direkt durch all die Schichten der Vergangenheit und Gegenwart…direkt durch den Mann, den sie beinahe verloren hatte. Derselbe Mann, der manchmal verschwand…und die Hälfte ihres Herzens mit sich nahm…um es zu nutzen, ihn wieder zurück zu führen. 

 

„Dich daran zu erinnern“, wisperte sie. „Du sagtest mir, ich solle dich erinnern.“

 

Shikaku hielt ihren Blick, fiel hinein in das Schwarz und Silber, die Tränen und die Zärtlichkeit. Er stieß ihre offenen Münder mit einem zerfetzten Atem aneinander. „Erinnere mich“, wisperte er in den Kuss. „Erinnere mich.“

 

 __________________

 

Oja, ein sehr emotionales Kapitel...finde ich zumindest. Es gibt so viel mitzuleiden und auch den ein oder anderen Hassmoment, wie ging es euch dabei? ;) 

Und ja, endlich betritt auch mal Inos Mutter die Bildfläche...ich bin ja schon sehr gespannt, was ihr von ihr haltet. ^^ Sogar auf Shikamaru kann mir hier einen Moment lang ziemlich sauer sein finde ich ;) 
 

Auf jeden Fall hoffe ich sehr, dass euch das Kapitel gefallen hat! :) 
 

Vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen <3



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Von:  Lady_Ocean
2023-05-13T13:39:40+00:00 13.05.2023 15:39
Shikamaru kämpft doch weiter. T_T Ich bin so erleichtert, dass er versucht, die Fortschritte, die er dank und mit Asuma gemacht hat, zu erhalten, und nicht jetzt schon aus lauter Überforderung den Kopf in den Sand steckt und alles schwarz sieht. Dass er erst mal Ino und Choji aufgesucht hat, als ihn die Emotionen so übermannt haben, ist eine großartige Sache. Andererseits hat sich hier aber dennoch eine kleine, aber wichtige Tür für seine Genesung geschlossen. Er hat beschlossen, dass es Choji und Ino selbst schlimm genug geht und er sie mit seinem Ballast nicht auch noch belasten kann. Damit ist er nun erst mal wieder allein mit seinen Problemen und so wird meist nichts besser. :(

Chojis Verhalten bei seinem Gespräch mit Shikamaru hat mich etwas überrascht. Bzw. das ganze Gespräch. Erst Chojis Pikiertheit, Distanziertheit. Zuerst wirft er mit Andeutungen um sich, dass Shikamaru dämlich ist, weil er Ino nicht versteht (und er hat da ja gewissermaßen auch einen Punkt. Shikamaru hat sogar Neji entschlüsselt. Wenn er sich halbwegs so viel für Ino interessieren würde, hätte er auch längst raus, warum sie so ist, wie sie ist). Er wirkt da echt sauer auf Shikamaru. Aber das scheint sich ganz plötzlich zu verflüchtigen in dem Moment, wo Shikamaru ihm sagt, dass er zuerst Ino gesucht hat, dann ihn. Und in dem Moment, wo Choji dann sanfter wird (ihm z. B. den Rat gibt, Ino zu sagen, dass er sie gesucht hat) und dann doch ehrlich versucht, ihm zu erklären, warum Ino so ist wie sie ist, tickt Shikamaru total aus. Ich vermute aber, die Message "du kämpfst nicht" ist grad ein dunkelrotes Tuch für ihn. Shikamaru kämpft seit Kurzem so sehr gegen seine inneren Geister wie noch nie in seinem Leben. Nur Choji kann das nicht wissen. Aber wer ist schon rational, wenn er an einem so wunden Punkt getroffen wird? Daher könnte wohl Shikamarus plötzliche Bissigkeit gekommen sein. Und klar, Shikamaru ist gut darin, den schlimmstmöglichen Punkt zu treffen, wenn er verbal austeilen will und wirklich auf Schaden aus ist. Chojis Sanftheit ist garantiert verdammt oft als Feigheit interpretiert worden. Dabei hat er sich in Kämpfen oft genug behauptet und gezeigt, dass er nicht feige ist. Shikamaru weiß ja eigentlich auch, dass Choji ihn einfach nicht verletzen will. Weil er weiß, dass auch Shikamaru bereits mehr als verletzt ist. Aber dass Shikamaru ihm ausgerechnet in diesem Moment Feigheit unterstellt hat, hat dennoch weh getan (und ich werde das Gefühl nicht los, dass da noch was dahinter steckt, weswegen Choji auf Shikamarus Kommentar hin so super wütend geworden ist und seine Faust sogar immer tiefer in diese Säule gerammt hat. Aber ich komm nicht drauf). Aber spätestens in diesem Moment hat Choji wahrscheinlich auch verstanden, dass Shikamaru so gehandelt hat, weil er mit seinem Selbsthass nicht klarkommt und daher versucht, den auf andere umzuleiten. Mit den Anschuldigungen von anderen umzugehen ist immer noch leichter, als vor sich selbst geradestehen zu müssen. Ich denke nicht, dass sich an seinem schlechten Gewissen irgendwas gebessert hätte, wenn Choji und Ino tatsächlich ernsthaft wütend auf ihn wären und mit Anschuldigungen kommen würden. Aber diesen Drang, dieses Gefühl irgendwie aus sich rauskriegen zu wollen, kann ich echt verstehen.

Und nun haben wir Inos Mutter mal live und in Farbe gesehen. Mich erinnert sie ja an 'ne Venus Fliegenfalle. Oder eher noch an einen Sonnentau. Sehr hübsch anzusehen, funkelnd, aber die Beutetiere, die sich von seinem funkelnden Tau angezogen fühlen, verkleben drin und sterben. Werden zersetzt, ihre Nährstoffe geraubt. Diese Frau ist genauso. Wenn man sich in ihrem Dunstkreis aufhält, saugt sie jegliche Lebensfreude aus einem raus. Kein Wunder, dass Ino sich in ihrer Gegenwart wie ein Unkrauft fühlt. T_T Und natürlich bemerkt sie selbst nicht im Geringsten, wie sehr sie Schuld daran trägt, dass das, was ihr innigster Vertrauenskreis sein sollte, total kaputt ist. Dass sie und ihr Mann bereits seit Inos Kindheit im kalten Krieg leben (ich frage mich, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass die zwei heiraten. War das arrangiert? Denn Inoichi ist ja eigentlich ein sehr guter Beobachter und wird Sayuris psychischen Knacks sicher ziemlich früh bemerkt haben - selbst wenn der damals noch nicht die Ausmaße angenommen hatte von heute). Dass Ino ihrer Mutter lediglich gehorcht, weil sie eingeschüchtert ist, aber nicht aus Liebe die Nähe zu ihr sucht. Ich frag mich, was sie wohl für eine psychologische Diagnose bekommen würde, wenn man sie zu einem modernen Psychiater schicken würde. Narzissmus vielleicht? Sie hält sich ja offenbar für die Krone der Schöpfung und alles, was unter ihrem Niveau ist, ist es nicht wert, auch nur angeschaut zu werden. Gut, dass sich Ino im Kern versucht, von ihr abzunabeln. Mit Chojis T-Shirt z. B., das sie nicht zurückgeben will. Dass sie es sich traut, in diesem Outfit vor ihrer Mutter zu erscheinen, auch wenn es ihr gleichzeitig schwerfällt, der unausweichlichen Missbilligung standzuhalten. Ich finde, daran merkt man sehr deutlich, wie verzweifelt Ino versucht, sich als eigenes Individuum gegenüber ihrer Mutter zu behaupten - was unglaublich schwer ist, weil sie ihr Leben lang der Gehirnwäsche ihrer Mutter ausgesetzt war und so was hinterlässt einfach tiefgreifende Spuren, auch wenn man rein logisch weiß, dass das krank ist, was die Alte da macht und verlangt.
Und mit Naoki ist Ino in ein unerwartetes Hornissennest getreten. Hoffentlich wird das nicht noch zu einer Gefahr für sie. Falls Genmas Warnung, die Gefahr für Shikamaru sei aufgrund von Asumas Einmischung näher gerückt, der Wahrheit entspricht. Diese äußerst seltsame Reaktion ihrer Mutter auf eine so simple Frage wie "Warum ist Naoki damals eigentlich gestorben?" kann Ino doch nur skeptisch werden lassen. Und gewisse Tendenzen, sich ihrer Mutter zu widersetzen, sieht man ja. Das könnte ausreichen, damit sich dieses Thema in ihrem Kopf verfestigt und sie dazu bringt, auf eigene Faust weiterzuschauen, ob sie woanders mehr über Naoki erfahren kann.

Und dann Shikaku und Yoshino - das totale Kontrastprogramm zu Inoichis kaputter Ehe. Die zwei schätzen und lieben sich noch immer. Ich frage mich, ob das trotz oder wegen der schlimmen Dinge ist, die sie beide durchgemacht haben mussten. Shikakus Probleme müssen wenigstens zu einem Teil mit ANBU zu tun gehabt haben, wenn man sich Yoshinos Reaktion so ansieht. Und da er jetzt der Anführer von ANBU ist, muss das damals in einer Zeit gelegen haben, als er noch nicht Teil dieser Organisation war. ("Als ANBU mich freigelassen hat".) Offenbar ist er vor vielen Jahren einmal zum Ziel von ANBU geworden. Und ich vermute, irgendwann werden wir wissen, wie das passiert ist und was ANBU ihm angetan hat.
Und Yoshino - irgendein richtig schlimmer Vorfall mit Shikakus Schatten muss einmal vorgefallen sein, wenn der Anblick, wie Shikaku Shikamaru mit seinem Jutsu bespaßt, solch einen blanken Horror bei ihr ausgelöst hat. Das ging weit über ein normales Maß von Angst hinaus. Es wirkte, als fürchtete sie in dem Moment um Shikamarus Leben. Oder vielleicht sogar um ihr aller Leben. Wie die Szene damals wohl geendet hat? Wahrscheinlich wird Shikaku sein Jutsu augenblicklich beendet haben, aber um Yoshinos aus ihrer Panik zu holen, wird es garantiert noch einiges mehr bedurft haben.

(Über einen kleinen Tippfehler bin ich noch gestolpert: "Als tu mir den Gefallen" :) )

Bis zum nächsten Kapitel! ^^
Von:  Kuro_Kami
2021-10-19T23:59:12+00:00 20.10.2021 01:59
Das die Fragerunde über Naokis tot so ausartet hätte ich nicht gedacht fand das danach aber voll süß wie Shikamaru Ino wieder "aufgefangen" hat. Die Diskussion zwischen Shikaku und Yoshino ob man Schikamaru nun mit Schatten spielen lässt oder nicht finde ich sehr lustig.😁👍 Freu mich aufs nächsten Kapitel. ♥️
Antwort von:  _Scatach_
26.10.2021 18:06
Ja dieser Naoki scheint auf jeden Fall eine Art rotes Tuch für Sayuri zu sein ;)
Shikamaru verhält sich hier zwar wirklich sehr untypisch, aber das war auch dringend nötig - vor allem für Ino!
Schön, dass dir das Kapitel gefallen hat :)
Von:  SasukeUzumaki
2021-10-19T09:14:21+00:00 19.10.2021 11:14
Hey Scatach 😊

Ui was für ein Kapitel 🥺 wenn ich Choji gewesen wäre, hätte ich Shikamaru eine reingehauen. 🙈 Aber zum Glück hat er sich wieder eingekriegt.

Ich mag Inos Mama nicht. Sie ist eine böse Frau und sie weiß echt nicht was sie ihrer Tochter antut. Ino kann einem echt nur leid tun. 😣

Shikaku hat definitiv auch sein Päckchen zu tragen, zum Glück hat er eine tolle Frau die für ihn da ist.

Mach weiter so. 🥰

Liebe Grüße ❤

SasukeUzumaki
Antwort von:  _Scatach_
26.10.2021 17:53
Hey :)
Auch bei dir sorry für meine verspätete Antwort -.- Animexx fällt bei mir im Gegensatz zu ff.de leider ein bisschen hinten runter -.-
Shikamaru hätte eine Ohrfeige von Chōji hier auf jeden Fall verdient :D

Ich glaube, es gibt niemanden, der Inos Mutter hier mag :D Wäre auch irgendwie ein wenig komisch...

Ja, auch Shikaku hat eine düstere Vergangenheit, aber Yoshino ist wirklich eine wichtige Stütze für ihren Mann!

Vielen lieben Dank für dein Review und ganz liebe Grüße,
Scatach
Von:  Scorbion1984
2021-10-18T19:09:41+00:00 18.10.2021 21:09
Inos Mutter verstehe ich irgendwie nicht ,sie tut so als wäre sie nicht von dieser Welt .
Ino kann einen da nur leidtuen.
Shikamaru kann wenn er er es darauf anlegt ,ein schönes Arschloch sein .
Aber eigentlich kriegt er sich immer wieder ein .
Er weiss was er an seinen Team hat .
Shikaku muss auch mal durch die Hölle gegangen sein ,da es ihn immer wieder einholt ..
Gut das er eine Frau hat die zu ihm hält .
Antwort von:  _Scatach_
26.10.2021 17:51
Ja Inos Mutter ist auf jeden Fall eine sehr sehr spezielle Person...natürlich wird man hier noch überhaupt nicht schlau aus ihr, aber es ist ja auch erst ihr erster Auftritt :) Ino hat es aber auf jeden Fall nicht besonders leicht mit ihr, das stimmt.
Oja, Shikamaru kann auch ein abartiges Arschloch sein, das werden wir vor allem in UtS noch merken!
Auch Shikaku hat sein Päckchen zu tragen und wir werden auch noch erfahren, was es damit auf sich hat, keine Sorge ;) Mit Yoshino hat er aber auf jeden Fall eine sehr sehr wichtige Stütze! :)


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