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Im Nebel der Vergangenheit

Mystery Spell
von

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Traumfänger


 

Einen geistigen Diebstahl sollte nur der begehen,

der sich auch in der Lage befindet, das gestohlene Gut zu begreifen.

Martin Gerhard Reisenberg
 

Während Emma in ihren Laptop starrt ohne wirklich hinzusehen kommt ihr völlig zusammenhanglos Ludwig wieder in den Sinn. Und dieser Schatten; vor allem der. Ohne das sie es genau erklären könnte, reift eine eigenartige Überlegung in ihr heran.

Könnte das auch Viktor gewesen sein? Bei Lorie hatte sie immerhin das Gefühl, als hätte sich ein Schatten über sie gelegt. Und dieses eisige Angstempfinden war ebenfalls dasselbe. Wäre das möglich? Kann der Urvampir auch in die Zwischenwelt schlüpfen? Womöglich würde das erklären, was Ludwig ihr bei ihrem ersten Wiedersehen gesagt hat, dass etwas aus der Vergangenheit nun zu voller größer herangereift ist.

Ludwig …

Immer noch fühlt es sich eigenartig an, an ihn zu denken. War das alles nur ein Traum, oder war es doch „echt“ was da passiert ist? Und ihr drängt sich noch eine Frage auf: ihr geisterhafter Freund kann sie hinüber holen, offenbar auch recht mühelos; ob sie auch von sich aus in die Zwischenwelt kann? Sollte sie es vielleicht einfach mal versuchen?

Ein flaues Gefühl breitet sich im Magen der jungen Frau aus und ihr fällt etwas ganz Anderes wieder ein: Drogo! Er hat von zwei Kötern gesprochen, das war der Grund warum sie überhaupt draußen auf dem Flur war. Schnell setzt sie sich auf und überlegt einen kurzen Moment. Soll sie einfach rübergehen und das Thema jetzt besprechen? Gestern war sie auch einfach aufgesprungen und los, aber heute ist sie sich unsicher … Will sie die Antwort, die Wahrheit, überhaupt wissen?

Ja, will sie! Trotzdem hält sie irgendetwas zurück; zumindest für einige Sekunden. Dann steht die Studentin auf und verlässt ihr Zimmer. Sie will es wissen; jetzt! Scheiß auf das ungute Gefühl. Schnurstracks läuft sie den Gang entlang und klopft an die Tür des Blonden. Es brummt genervt auf der anderen Seite, mehr passiert nicht.

Wieder klopft Emma, diesmal kräftiger und energischer. „Ich habe dich gehört! Mach auf!“, knurrt sie fast schon. Sie verschränkt die Arme und wartet.

Tatsächlich öffnet sich die Pforte einen Spalt. Drogo wirkt misstrauisch und mustert das Kindermädchen, dann streckt er seinen Kopf heraus und inspiziert scheinbar den Flur. „Du solltest nicht hier sein, kleine Dings“, murrt er eher halbherzig. Er steht lässig im Türrahmen und versperrt ihr den Weg.

„Mag sein“, antwortet die junge Frau, „Aber wir müssen ein, zwei Sachen besprechen.“ Oder auch drei oder vier; eigentlich ein ganzes Buch voll, wenn man es genau nimmt. Aber man sollte nicht alles auf einmal wollen; erst recht nicht bei dem Vampir ihr gegenüber. Es dürfte schon an ein Wunder grenzen, wenn er ihr überhaupt irgendwas erklärt.

Der Blonde zieht die Augenbraue hoch und legt den Kopf schief. „Was du nicht sagst … Und wenn ich keine Lust habe?“, fragt er herablassend nach. Ein provozierendes Grinsen schleicht sich auf seine Lippen um die Zweideutigkeit seiner Worte zu unterstreichen.

Emma hätte sich beinahe hinreißen lassen ihm zu sagen, dass es nötig ist, dass sie reden, dass es sich einfach gehört und so weiter. Aber im letzten Augenblick besinnt sie sich eines Besseren; sie besinnt sich, wen sie da vor sich hat. Am besten schlägt man ihn mit seinen eigenen Waffen.

„Pff. Und da prahlst du ständig, das du immer Lust hättest“, kontert sie und geht einen Schritt zurück um ihn abfällig zu mustern. Keine gute Idee, wie sie schnell feststellt. Während ihre Augen ihn abwandern kommen ihr die Bilder von der Nacht im Wald wieder in den Sinn. Schnell sieht sie ihm die Augen bevor sie weiterredet um sich nichts anmerken zu lassen, „Aber wahrscheinlich sind die Jahre doch nicht so spurlos an dir vorbeigegangen wie du behauptest …“

„Nicht frech werden, das könnte böse für dich Enden“, knurrt Drogo angefressen. Er hadert sichtbar mit sich und gibt sich dann doch unerwartet geschlagen. „Aber nicht lang; ich habe noch wichtigeres zu tun“, sagt er betont lässig und geht bei Seite.

Erhobenen Hauptes, um sich nichts von ihren Zweifeln und ihrer Unruhe anmerken zu lassen, betritt sie das Zimmer des Jüngsten der Brüder. Sein Zimmer. Sie hätte vorher gründlicher über das alles nachdenken sollen. Als die Tür hinter ihr leise ins Schloss klickt zuckt sie zusammen. Sie ist manchmal echt zu impulsiv; oder zu dumm. Sie hätte auf ihr ungutes Gefühl hören sollen. Die junge Frau könnte sich selber Ohrfeigen wegen dem was sie hier fabriziert hat.

Der Blonde amüsiert sich über ihre Reaktion. Er stellt sich ganz nah hinter sie und beugt sich zu ihrem Ohr. „Das hast du dir wohl nicht so gut überlegt, kleines Ding“, flüstert er süßlich. „Du und ich, allein in meinem Zimmer … was da alles passieren könnte …“

Flüchtig und kaum spürbar streicht etwas über ihren Bauch. Gänsehaut krabbelt den Rücken des Kindermädchens hinauf und lässt sie schaudern. Eine Mischung aus Furcht und Euphorie machen sich in ihr breit. Sie würde ihm gern sagen, dass er ihr keine Angst macht; aber sie bekommt kein Wort heraus. Sie würde ihm gern sagen, dass sie keine Aufregung wegen seiner Nähe spürt; aber das wäre gelogen. Er schafft es wie kein anderer ein turbulentes Emotionschaos in ihr auszulösen.

Zittrig schluckt sie den Kloß in ihrem Hals hinunter und atmet durch; was dem Vampir ein leises Lachen entlockt. „Du hast zwei gesagt“, platzt es schließlich aus ihr heraus, als sie ihre Stimmbänder endlich im Griff hat.

„Zwei?“, hakt Drogo belustigt nach. Er weiß scheinbar genau was sie meint, stellt sich aber gewollt dumm. „Keine Ahnung. Das müsstest du schon genauer erklären.“ Gemächlich geht er um die junge Frau herum zum Fenster und lehnt sich gegen den Sims. Auffordernd grinst er und seine nussbraunen Augen funkeln belustigt.

Emma schwankt zwischen Scham und Wut. Er will das sie sich offenbart, es laut ausspricht, damit er sie verbal zerpflücken kann. Doch sie muss wissen was er weiß. Und vor allem woher! Also gibt sie sich einen Ruck, weicht aber seinem Blick aus. „Du hast gefragt, ob mir meine zwei Köter nicht reichen würden. Zwei, wie kommst du auf zwei?“

„Weil es zwei sind; also tu nicht so“, säuselt der Jüngste der Brüder und grinst hämisch. „Nur, weil der eine nicht mehr in dieser Welt existiert; heißt das nicht, das er nicht da ist“, fügt er noch an.

Ertappt und verlegen kaut das Kindermädchen auf ihrer Lippe. Sie weiß nicht, was sie im ersten Moment mehr beunruhigt. Dass er es weiß; oder das er es weiß. Bei seinen Launen und Anwandlungen bringt er es womöglich noch fertig und erzählt es bei passender Gelegenheit Professor Jones. Doch die wichtigste Frage ist eine andere. „Woher weißt du von ihm?“ Sie kann sich so gar keinen Reim darauf machen.

„Du hast es doch Nicolae selbst erzählt …“, gibt er vage zurück. Drogo richtet sich auf und geht einige Schritte auf sie zu. Er lässt sie keine Sekunde aus den Augen, als würde er sie mit seinem Blick festsetzen.

Er und sein herausreden immer. Nichts dergleichen hat sie erzählt. Niemandem hat sie gesagt, dass Ludwig immer noch da ist, also kann er es nicht von seinen Brüdern wissen. Wut packt sie, weil sie es leid ist, dass sie immer alle für dumm verkaufen wollen und sie pfeffert ihm entgegen: „Wir wissen beide, dass du nicht auf seine bloße Existenz angespielt hast.“ Kaum ausgesprochen bekommt Emma Angst. Hat sie sich womöglich gerade selbst verraten? Wusste er gar nicht was da genau gewesen ist; oder auch nicht – immerhin weiß sie selbst nicht so richtig was passiert ist. Ein kalter Finger legt sich unerwartet unter ihr Kinn und hebt ihr Gesicht an.

Der Blonde steht unmittelbar vor ihr, seine Augen versinken schamlos in ihren und er lächelt leicht. „Ja, du hast dich selbst verraten; aber nicht gerade eben erst, falls dich das beruhigt, kleines Ding.“

Die Studentin kann sich nicht mehr konzentrieren. Dieses warme Nussbraun zieht sie in seinen Bann und sorgt dafür, dass sie sich entspannt und unvorsichtig wird. Woher nimmt er das Wissen über das, was mit Ludwig passiert ist? Sie will ihn fragen, aber kein Wort kommt über ihre Lippen. Sie fühlt sich völlig machtlos und nicht mehr Herrin ihres Körpers.

„Jeder hat seine besonderen Spezialitäten zu bieten.“ Drogos Lächeln wird breiter und spielerischer. Sein Finger wandert von ihrem Kinn ihre Kieferlinie entlang hinter ihr Ohr – ganz zart und sanft. „In meiner Gegenwart sollte man aufpassen, wovon man träumt“, flüstert er leise und lasziv. In Sekundenschnelle presst er seine Lippen auf die Stelle wo eben noch sein Finger war.

Eine eigenartige Welle schwappt durch ihre Nerven. Die Berührung sorgt für Herzklopfen bei der jungen Frau und ihre Hände werden feucht vor Aufregung. Ihre Gedanken sind wie gelähmt und ihr Körper sowie so. Es scheint, als würde sich alles um sie herum auflösen. Nur sie und er existieren noch. Sein Duft umnebelt sie und seine leuchtenden Augen entführen sie in eine andere Welt …

Plötzlich schießen ihr seine Worte wieder durch den Kopf und ihr Gehirn setzt sich wieder in Bewegung. Ihr wird bewusst, dass sie noch nie darüber nachgedacht hat, was die Vampirfähigkeit des Jüngsten der Brüder ist – aber scheinbar hat er ihr es gerade verraten. Schamesröte schießt ihr ins Gesicht und sie weicht zurück bis die Tür ihr den Weg versperrt. Er kann ihre Träume wahrnehmen? Sehen? Fühlen? Was genau nimmt er war? Immer? Nur, wenn er sich darauf konzentriert?

Panik überkommt Emma und sie starrt ihr Gegenüber mit großen Augen an. Es fühlt sich unfassbar grässlich an. Man glaubt ja, dass einem seine Träume selbst gehören und niemand davon weiß, was dort geschieht. Die Erkenntnis, dass ein Fremder Zugang dazu hat ist das schlimmste Eindringen in die intimste Privatsphäre die sie sich vorstellen kann. Selbst nackt würde sie sich nicht so ausgeliefert und entblößt fühlen. Die Tatsache, dass Nicolae, theoretisch, ihre Gedanken lesen kann, findet sie im Vergleich hierzu nicht ansatzweise so schrecklich. Sie wusste um die Fähigkeit des Familienoberhauptes und er hat ihr versprochen sie nicht zu nutzen; trotzdem hat sie oft darauf geachtet, was ihr in seiner Gegenwart durch den Kopf ging. Ihre Träume kann sie nicht kontrollieren, sie gehen ihre eigenen Wege und das sollen sie ja eigentlich auch. Das Drogo in den geschütztesten Bereich ihres Geistes eindringen kann, und ihr das auch noch verschwiegen hat, reißt ihr völlig den Boden unter den Füßen weg.

„Was … wie … und überhaupt …“, stammelt sie überfordert. Zittrig reibt sie sich über die Oberarme und versucht den Blick des Vampirs zu deuten – ohne Erfolg.

Der Blonde antwortet nicht, grinst nur reißerisch. Langsam geht er auf das Kindermädchen zu, wie ein Raubtier das seine Beute fest im Visier hat. Eine Handbreit vor ihr bleibt er stehen. Wie in Zeitlupe streckt er eine Hand aus und legt sie neben ihrem Kopf auf die Tür. „Tststs. Das schamlose kleine Ding schämt sich wohl plötzlich?“ Er beugt sich zu ihr hinunter. Seine Wange berührt hauchzart ihre und sein Atem kitzelt ihr Ohr. „In den letzten Nächten warst du nicht so zurückhaltend und schüchtern.“

Die junge Frau spürt ihr Herz, das wie ein Motor auf Höchstgeschwindigkeit rast. Dass er sie so bedrängt und einkesselt gefällt ihr gar nicht. Sie hat Angst, gleichzeitig kribbelt es merkwürdig unterhalb ihres Bauchnabels.

„Ich mag das lüsterne kleine Ding lieber“, haucht Drogo verführerisch. Seine freie Hand legt sich wie selbstverständlich auf ihre Hüfte. „Das kleine Ding, das sich schamlos unter den ungezügelten Stößen räkelt und immer mehr will.“ Um seine Worte zu unterstreichen drückt er ruckartig seine Becken gegen ihres, was ihr ein gedämpftes Keuchen entlockt. „Das laut und ungeniert seine Lust hören lässt.“ Seine Hand gleitet ihre Seite hinauf und er presst seinen muskulösen Körper gegen ihren. „Das kleine ungezogene Ding, das sich mir damals im Wald offenbart hat“, flüstert er verschwörerisch.

Die Studentin bebt und zittert. Sie will schreien, aber ihre Kehle gehorcht ihr nicht. Ihr verdammter Körper tut nicht was sie will. Und sie weiß auch warum; oder glaubt es zumindest. Vampire sind in der Lage ihr Gegenüber zu hypnotisieren und die Pheromone die sie aussenden tun den Rest. Sie müssen ihre Beute nicht überwältigen, sie müssen sie nur in ihre Nähe locken. Sie ist ihm in die Falle gegangen, einfach so, weil sie unvorsichtig war. Weil sie sich in Sicherheit gefühlt hat, weil sie vertraut hat.

Das Stechen in ihrem Herzen ruft sie zur Vernunft. Sie hat vertraut, weil es nie einen Grund für das Gegenteil gab. Auch wenn der Blonde manchmal unausstehlich war, konnte sie ihm immer vertrauen, auf ihn bauen. Irgendetwas stimmt hier nicht!

Als würde sie schlagartig wieder in die Realität katapultiert bemerkt die junge Frau die eigenartige Kälte im Raum, und den befremdlichen Schleier in Drogos Augen. Ihre Starre löst und gibt ihre Kehle frei. „Nein!“, schreit sie so laut sie kann und duckt sich unter seinem Arm weg. Sie weicht so weit wie möglich von dem Vampir zurück, der zu tiefst verwirrt scheint.

Der Blonde sieht Emma an, als würde er sich ihrer Gegenwart gerade erst bewusstwerden. Er blinzelt mehrfach und öffnet den Mund um etwas zu sagen, da fliegt die Tür auf.

Nicolae kommt ins Zimmer, seine Miene schwankt zwischen Besorgnis und Ärger. Er stellt sich zwischen seinen Bruder und das Kindermädchen. Mehrere Sekunden herrscht unheimliche Stille, dann ergreift er das Wort. „Geh bitte in dein Zimmer, Emma.“

Sie fragt nicht, widerspricht nicht. Eilig verlässt sie den Raum ohne sich umzudrehen. Schnell geht sie den Flur entlang, bleibt aber vor ihrer Tür stehen und überlegt kurz. Ihr Blick geht zum Ende des Gangs und sie entscheidet sich um. Sie läuft weiter. Angekommen klopft sie nicht einmal, sondern platzt einfach rein.

Peter steht fast direkt hinter der Tür, als ob er gerade hinausgehen wollte. Er scheint nicht wirklich überrascht über den unangekündigten Besuch, breitet nur wortlos seine Arme aus.

Schluchzend wirft sich die Studentin in die angebotene Umarmung. Es fühlt sich gut an, sicher, und sie beruhigt sich ein wenig.

„Was ist passiert?“, flüstert der Pianist gegen ihre Haare. Tröstend streicht er ihr über den Rücken.

„Drogo“, antwortet Emma schniefend. „Drogo ist passiert.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Anmerkung meinerseits für diejenigen die die Games kennen:
Achtung! Spoiler Extra-Events von Drogo.


Drogos Fähigkeit ist nirgends genannt. Selbst auf der offiziellen Seite heißt es, das sie nicht bekannt ist bzw. dass er Gedächtnisse löschen kann (was Nicolae ebenfalls kann und somit für mich nicht unter "speziell" fällt) und er sehr gut im Nahkampf ist.

Ich stütze mich an dieser Stelle ein bisschen auf die ersten beiden Extra-Storys. In beiden Fällen "manipuliert" er in gewisser Weise die Träume des MC bzw. scheint zu wissen was dort passiert ist ... Komplett anzeigen

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