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Im Nebel der Vergangenheit

Mystery Spell
von

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Nicolae


 

Jeder Satz, gesprochen oder geschrieben,

trägt in sich das Potential des Missverständnisses.

Irmgard Nägele
 

Es dauert eine Ewigkeit, als würden die Sekunden wie zäher Brei dahinkriechen. Die junge Frau ist sich bewusst, dass dem nicht so ist, aber ihre Unruhe verstärkt dieses Gefühl einfach. Als sich die Tür endlich öffnet will sie am liebsten die Flucht ergreifen. Sie spannt sich unbewusst an um zu verhindern das sich ihr Körper verselbstständigt.

Nicolae wirkt … überrascht, aber irgendwie auch nicht. Seine graugrünen Augen sehen müde und traurig aus. Intensiv mustert er das Kindermädchen und tritt wortlos beiseite um sie herein zu lassen. Keine Frage warum sie hier ist, als würde er es wissen oder hätte sie erwartet.

Schüchtern geht Emma in die Bibliothek. Ihr Blick schweift die Regalreihen ab. Buchrücken an Buchrücken. Hunderte, vielleicht tausende? Vom Boden bis zur Decke ist der eigentlich recht kleine Raum vollgestopft mit Zeugen aus den unterschiedlichen Jahrhunderten. Hauptsächlich Bücher über Magie, magische oder verfluchten Kreaturen, alten Legenden und Zeitzeugenberichten. Die Atmosphäre ist erfüllt von Zeit und Vergangenheit, als würden sie in diesen vier Wänden greifbar werden. Zwischen zwei Regalen steht ein Kamin, in der Mitte des Raums ist ein Tisch und um den herum drei Sofas unterschiedlicher Stile.

Ihr Herz klopft ihr bis zum Hals und ihr Mund ist furchtbar trocken. Das Kindermädchen hat sich das nicht so wirklich gut überlegt … oder zu gut. Immer wieder ist sie in Gedanken durchgegangen was sie dem Familienoberhaupt sagen möchte, und vor allem wie. Immer wieder hat sie verschiedenen Szenarien durchgespielt; und keines hatte ein zufriedenstellendes Ende. Auf Grund dessen ist sie nun hypernervös und die Umgebung macht es nicht besser. Warum wollte sie auch so dringend Rücksicht auf Nicolae nehmen?

Weil er immer Rücksicht auf sie nimmt, und sich um sie kümmert, und nett und zuvorkommend ist, und … Natürlich weiß sie, warum sie das unbedingt so „angenehm“ wie möglich für ihn machen wollte, doch ihr selbst fällt es dadurch noch schwerer wie ohnehin schon.

Mit einem zaghaften Lächeln deutet der Älteste der Brüder ihr sich zu setzen. „Einen Tee?“, fragt er mit seiner gewohnten galanten Art.

Emma sieht Nicolae einen Moment an, als wäre er eine Geistererscheinung, schüttelt aber schließlich den Kopf. „Nein, danke“, antwortet sie etwas heiser. Sie seufzt kurz. Wenn ihr jetzt schon das Sprechen so schwer fällt, wird es nicht besser werden, wenn es dann gleich in die Vollen geht. Sie geht zu einem der Sofas und setzt sich. Verlegen zupft sie an ihrer Hose herum und überlegt fieberhaft wie sie den Einstig nun am besten gestalten soll. Wie immer kommt ihr das Familienoberhaupt zu Hilfe.

„Zwischen dir und Peter scheint es wieder besser zu sein?“, fragt er freundlich. Er setzt sich auf eines der anderen Sofas; oder nein, eigentlich lässt er sich fast schon schwerfällig darauf plumpsen. Seine graugrünen Augen sehen die junge Frau interessiert an.

Etwas stimmt nicht. Das Kindermädchen hat den Verdacht schon eine ganze Weile. Er bemüht sich zwar immer, dass es nicht auffällt, aber inzwischen ist sein eher desolat wirkender Zustand nicht mehr wirklich zu verbergen. Wenn selbst ihr das auffällt, dürften es für seine Brüder doch noch offensichtlicher sein … Warum unternehmen sie nichts? Oder gibt es nichts zu helfen? Emma wird mulmig bei dem Gedanken. Doch sie sollte erst einmal den seichten Einstieg nutzen, den er ihr bietet. „Ja, zwischen Peter und mir läuft es besser. Erheblich besser. Wir … wir haben uns ausgesprochen und die Dinge bereinigt“, erklärt sie mit einem Lächeln auf den Lippen.

„Das ist gut. Du hast ihm wirklich gefehlt, weißt du?“, spricht der Älteste der Brüder, während sein Blick beginnt in die Ferne zu schweifen. Einige Augenblicke verliert er sich in Erinnerungen, oder Gedanken. „Du bist inzwischen ein Teil der Familie, und für jeden von uns irgendwie wichtig“, fügt er seufzend hinzu.

Die junge Frau spürt wie sie unruhig wird durch seine Formulierung. Was will er ihr damit genau sagen? Von welchen „wichtig“ redet er? Es gibt so viele Möglichkeiten, so viele Wege das zu interpretieren … Spontan fallen ihr Peters Worte wieder ein: „Du bist immerhin eine Frau; und ich ein ziemlicher alter Mann. Ich habe oft genug erlebt, dass das weibliche Geschlecht Dinge gern missversteht … und sich dann auch nicht eines Besseren belehren lässt.“ Sie sollte abwarten, was er noch zu sagen hat … auch wenn es ihr schwerfällt.

„Danke, das du dich auch mit Drogo bemühst. Ich bin mir bewusst, dass es mit ihm um einiges schwieriger und problematischer ist. Er ist … war …“ Scheinbar ist das Familienoberhaupt einen Moment verwirrt über das was er sagen wollte. Als würde ihm gerade erst etwas gänzlich Anderes bewusstwerden, über das er erst einmal nachdenken muss.

Nun fühlt sie sich doch genötigt ihm in seine Erklärung zu fallen. „Wir gehen uns eigentlich ständig aus dem Weg und meiden uns. Ich verstehe das nur nicht so wirklich. Ich weiß, warum ich das tue; aber ich weiß nicht warum er das tut. Ich habe das Gefühl, dass es an mir liegt und deswegen habe ich mich das letzte Mal … bemüht es wieder mehr wie vorher sein zu lassen … zumindest für den Moment.“

„Die Situation damals dürfte einige seiner Dämonen wieder geweckt haben. Sie haben noch nicht sehr lang geschlafen, aber ihre Rückkehr macht ihm arg zu schaffen. Wenn er so abweisend und hart zu dir ist, hat das nichts mit dem zu tun, was er wirklich fühlt … Aber du solltest das mit ihm klären, und nicht mit mir.“ Ein geheimnisvolles Lächeln bildet sich auf Nicolaes Gesicht. Er mustert die junge Frau ganz genau, als er weiterredet, „Zumindest hoffe ich, dass du nicht deswegen zu mir gekommen bist.“

Ihr Magen macht eine gewagte Rolle rückwärts und Emma fühlt sich merkwürdig in die Ecke getrieben. Genau diese Situationen gab es seit den Geschehnissen im letzten Herbst immer wieder; und sie nagen an ihr. Bekundet er nun Interesse seinerseits, oder sind das die Versuche die Dinge etwas zu lockern? Sie weiß es nicht; sie weiß nur, dass sie sich extrem unwohl damit fühlt. Nun sie ist sie hier, und sie will die Chance nutzen. Ein tiefer Atemzug, um ihr selbst Mut zu machen, und dann fragt sie gerade heraus: „Warum sagst du solche Sachen?“

Betreten und scheinbar etwas beschämt sieht Nicolae einen Augenblick zu Boden. „Verzeih mir. Ich … ich weiß … ich wollte nicht …“ Genervt bricht er ab und seufzt.

Dem Kindermädchen sticht es kurz ins Herz. Das Familienoberhaupt so fast schon hilflos und überfordert zusehen tut ihr weh. Sie ist sich bewusst, dass es ihm selbst damit auch nicht gut geht. Er ist ein ausgesprochener stolzer Mann, der wahrscheinlich sehr unglücklich ist mit dem hier. Instinktiv versucht sie ihm unter die Arme zu greifen. „Sie hat mir gesagt, dass ich ihre … Reinkarnation bin. Also … dass ich sie bin … irgendwie … Ich will mir gar nicht vorstellen, wie das für dich ist.“

„Aber das warst du von Anfang an“, erklärt er wohlwollend. „Du sahst schon immer aus wie sie. Ich muss zugeben, dass ich das sehr … verwirrend und eigenartig fand. Ihr seid euch auch charakterlich recht ähnlich, aber eben auch nicht mehr. Du bist ihr genauso viel gleich, wie verschieden. Dennoch habe ich nie sie in dir gesehen, sondern immer nur dich. Das ich oft so besorgt um dich bin hat auch nichts mit ihr zu tun. Ich mag dich, und du gehörst zu Familie. Ich passe auf alle Mitglieder dieser Familie auf. Nur auf dich muss ich etwas mehr aufpassen, weil … nun, du bist ein Mensch und damit etwas … zerbrechlicher wie wir.“

Emma muss kurz lachen bei seiner Formulierung. „Wahrscheinlich auch Neuland für dich, oder? Auf einen Menschen aufpassen?“ Sie weiß das die Familie meistens unter sich bleibt. Ihr Geheimnis muss sicher sein und mit vielen Sozialkontakten würden sie Gefahr laufen das jemand erfährt was sie wirklich sind. Peter und Drogo gehen wenigstens noch zur Uni und Lorie in die Schule. Nicolae ist tatsächlich der einzige bei dem sie nicht weiß was er den ganzen Tag macht, wenn der Rest außer Haus ist.

Er schmunzelt amüsiert. „Ja, definitiv etwas, dass ich in meinem Zweihundert Jahren noch nicht so gemacht habe. Ich bin mir bewusst, dass ich manchmal etwas übertreibe, aber … mein eigenes Menschsein liegt so lange zurück, dass ich mich kaum erinnere.“ Der Älteste der Brüder lässt seinen Blick über seine Büchersammlung schweifen, als würde er dort etwas suchen.

Ihre Frage hat er immer noch nicht beantwortet, stellt die Studentin fest. Eine seiner charmanten Eigenschaften. Er lotst einen auf eine andere Fährte, macht einem diese schmackhaft und lässt einen dann den falschen Weg laufen … aber nicht mit ihr! Nicht heute! „Warum bist dann oft so zu mir? Ich … ich bin ehrlich verwirrt deswegen … weil … weil ich nicht weiß, wie ich es interpretieren soll …“, den letzten Teil haucht sie fast lautlos.

„Schlechte Angewohnheit“, flüstert er. Seine graugrünen Augen ruhen schwer und bedeutungsvoll auf ihr. „Jemanden um den Finger zu wickeln ist oft der einfachste Weg um an Informationen zu kommen. Ich habe das schon oft gemacht; auch schon als Mensch.“ Er räuspert sich verzieht kurz das Gesicht. „Ich … ich will das nicht, verstehst du. Ich will nicht, das du dich unwohl fühlst, oder die falschen Schlüsse ziehst. Ich habe dir versprochen nicht in deinen Gedanken zu lesen – daran halte ich mich auch. Aber ich spüre, dass du etwas vor mir verheimlichst …“ Man sieht die Unruhe und den Anflug von Wut der ihn bei seinen Worten überkommt.

Nun ist es an der jungen Frau, beschämt den Kopf zu senken. Peter hatte sie ja quasi schon vorgewarnt. Trotzdem fühlt sie sich ertappt. Und ein wenig pikiert. Sie hat sein Verhalten falsch eigeordnet, oder auch nicht. Er hat sie umgarnt, ja … aber nicht, weil er romantische Gefühle für sie hat, sondern weil er seinen alten Gewohnheiten verfallen ist. Sie ist erleichtert … gleichzeitig … enttäuscht? Sie weiß nicht so recht. An sich ist es auch erst einmal egal, sie muss sich nun entschieden, ob sie ihm die Wahrheit sagt … Einen Moment zögert sie, doch dann entscheidet sie sich und beginnt leise zu erklären, „Es … es war nicht Ludwig.“

„Das sagtest du mir bereits“, brummt das Familienoberhaupt. Seine Mine verfinstert sich, als er weiterspricht, „Ich weiß zwar nicht, wer stattdessen für den Tod meiner Verlo…“

„Das meinte ich nicht“, fällt Emma ihm ins Wort. Sie spürt wie ihr Magen rebelliert und sie eigentlich einfach nur hier wegwill. Doch jetzt hat sie angefangen, und nun muss sie es auch zu Ende bringen. Um ihrer selbst Willen und auch um dem Mann vor ihr seinen Frieden, zumindest in einem Punkt, wiederzugeben. „Ludwig hat versucht mich zu schützen. Die Alpträume dienten dazu, mich aus dem Schlaf zu holen um … um mich … vor ihrem Einfluss zu schützen. Er … er wollte mir helfen; ihr aber gleichzeitig nicht weh tun …“

Der Älteste der Brüder wirkt verunsichert. „Ihrem Einfluss?“, wiederholt er ungläubig. Er scheint bereits zu wissen, was sie ihm sagen möchte, doch noch nicht so recht zu begreifen.

„Sie war der Auslöser. Sie … sie wollte das du wieder glücklich wirst … mit mir, weil ich ja sie bin. Ludwig hat mir gesagt, dass es in der Zwischenwelt nicht nur verlorenen Seelen gibt, sondern auch böse Wesen. Diese Dinger nutzen das Elend der Seelen und nisten sich in ihnen ein. Sie … sie machen sie verrückt.“ Das Kindermädchen fühlt die nahenden Tränen. Ihr tut das alles so schrecklich leid. Sie kann nichts dafür, es ist nicht ihre Schuld; aber trotzdem fühlt es sich so an. „Deine Verlobte war die ganzen Jahrhunderte da, Nicolae. Sie hat dich gesehen, dein Leid gespürt und … die Dinge gesehen die du getan hast. Sie war anfällig für diese Dinger und …“, schluchzend bricht sie ab.

Der ganze Raum ist erfüllt von unerträglichem Schmerz und Elend. Als würden die Wände wiedergeben was die beiden die dort sitzen empfinden. Selbst das Knistern des Feuers klingt hart und kalt. Die Stille lässt langsam die Finsternis aus den Ecken kriechen.

„Sie … sie war es …?“, wispert Nicolae. Sein Blick ist ins Leere gerichtet, plötzlich bricht die Wut über ihn herein. „Nein, ich war es. Es ist meine Schuld … alles meine … Schuld …“ Er springt auf und läuft im Zimmer auf und ab – wie ein Tiger im Käfig. Er nimmt keinerlei Notiz mehr von seinem Umfeld, murmelt immer wieder dieselben Worte vor sich hin, während sich eine bedrohliche Aura um ihn herum aufbaut.

Die junge Frau überkommt ein ungutes Gefühl. Als würde ein Gewitter von unbekannten Ausmaß aufziehen scheint sich die Luft in dem kleinen Raum aufzuladen. Vorsichtig steht sie auf und steht kurz unschlüssig da. Sie beobachtet das aufgebrachte Familienoberhaupt, welches völlig weggetreten auf und ab läuft. Langsam geht sie, oder schleicht eher, zur Tür und verlässt dann fluchtartig die Bibliothek. Eilig geht sie nach oben – zu Peter. Sie weiß das sich die beiden recht nahestehen, also sollte vielleicht eher er seinem Bruder hilfreich zur Seite stehen.

Kaum das sie geklopft hat, steht der Pianist bereits in der Tür. Er fragt nicht, was genau sie Nicolae erzählt hat. Allerdings erkundigt er sich besorgt und mehrfach, ob mit ihr alles in Ordnung sei. Nachdem sie ihm versichert hat, dass sie klarkommt, geht er nach unten zu seinem Bruder.

Zurück in ihrem Zimmer legt sich Emma aufs Bett. Das war … schrecklich … und sie fühlt wie ihr die Energie fehlt. Diese Offenbarung zu machen hat sie mehr Kraft gekostet wie sie gedacht hätte. Zu wissen, dass sie das Familienoberhaupt über die letzten Monate verletzt hat ohne es zu wissen grämt sie schrecklich. Und es ihm jetzt gesagt zu haben fühlt sich auch nicht wirklich besser an. Sie hatte bereits geahnt das er sich selbst die Schuld für alles geben wird; einer der Gründe warum sie es ihm so lange verschwiegen hat. Inständig hofft sie, dass Peter seinem Bruder dabei helfen kann, dass alles zu verarbeiten und durchzustehen.

Die Müdigkeit überkommt sie immer mehr und ohne weitere Vorwarnung dämmert sie weg …


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ja, wir haben erst September, aber in den Läden findet man bereits Lebkuchen und Co. Und nachdem ich sofort eine nette Geschichte im Kopf hatte, als ich beim Fanfiction-Adventskalender reingeschaut habe (unabhängig von der Story hier), kam mir spontan noch eine andere Idee.

Im Zeitraum von Teil eins zu Teil zwei hier, ist ja Weihnachten, also dachte ich an ein kleines Spezial. Also eine Sidestory von Teil eins, die inhaltlich nichts zur Hauptstory beiträgt und auch nicht in den eigentlichen Ablauf hinein gehört.
Den Einstieg habe ich bereits abgetippt und auch die Ideen für die jeweiligen Kapitel stehen.

Warum erzähle ich das hier?
Ganz einfach. Wenn ich die Idee tatsächlich umsetze, werde ich den Upload-Plan straffen um bis Ende November hier fertig zu sein. Dann folgt der Prolog der Sidestory am 01. Dezember und die Kapitel jeweils zu den Adventsonntagen.
Warum?
Tja, vier Männer (wir reden ja von Teil eins) und vier Advente.
Ich denke man kann erahnen was ich geplant habe *smirk*

Aber im Moment ist noch nichts safe, aber ich sage Bescheid, wenn es so kommt wie geplant :3 Komplett anzeigen

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