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Die letzte Ehre

von

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25. Gegen den Willen

„Geh nicht zu weit weg“, rief Yin-Yu Shen nach, der es vorgezogen hatte für einen Moment ins Freie zu gehen.

„Nur keine Sorge“, beruhigte er sie. Er war ihr wegen ihrer Fürsorge nicht böse, dennoch fand er es etwas peinlich, wenn ihn jemand dabei beobachtet hätte.

Als er endlich ein paar Meter vom Haus entfernt war, atmete er erleichtert auf. Er liebte Yin-Yu sehr, trotzdem kam es ab und zu mal vor, wenn er sich zum Beispiel im Spiegel anschaute, dass er sich fragte, was nur aus ihm geworden war.

Vor vielen Jahren wollte er China mit eiserner Härte bezwingen, und jetzt, was war er jetzt?

Die Wahrsagerin hatte mit ihm oft genug über dieses zwiespältige Thema gesprochen. Sie musste ihn mehr als einmal beruhigen, damit er nicht wieder rückfällig wurde. Anfangs war es extrem schwer gewesen. Doch mit der Zeit legte sich der China-Eroberungsdrang, dennoch flammte er immer wieder auf.

Seufzend schaute der einstige weiße Tyrann über das Tal. Wenn er an damals dachte, begegneten er diesem mit gemischten Gefühlen. Zum einen fragte er sich, ob er Yin-Yu je wieder begegnet wäre, wenn er nicht auf die Worte des Drachenkriegers gehört hätte. Anderseits fragte er sich, was passiert wäre, wenn er den Kampf gegen die Kung Fu Meister gewonnen hätte. Was wäre er heute stattdessen? Ein stolzer unbeugsamer Herrscher? Mit einem mächtigen Reich? Shen malte sich aus, wie China dann aussehen würde. Würden an jeder Ecke Flaggen mit seinem Symbolen hängen? Wachen postiert in jedem Dorf und jeder Stadt? Und vor allem… hätte sich jeder vor ihm verneigt… aus Angst vor seinen Waffen?

Er musste wieder daran denken, wie sich die Dorfbewohner vom Tal des Friedens vor ihm verneigt hatten. Nicht aus Furcht, sondern aus Respekt. Selbst der Panda…

Der weiße Pfau schüttelte den Kopf. Egal wohin seine Gedanken gingen, sie endeten immer bei diesem schwarz-weißen Krieger.

Genervt setzte er sich ins Gras. Zu gerne würde er mal einen Tag erleben, wo er nicht an diesen Panda denken musste. Andererseits konnte er nicht leugnen, dass er wegen ihm nicht tot war…

Shen zuckte zusammen. Der leichte Schmerz in seinem Bauch erinnerte ihn wieder an die Schmerzen im Kerker, im Folterraum… Seine herausgerissenen Federn… sein gebrochener Flügel, sein gebrochenes Bein… Da war niemand gewesen, der ihm beistand… außer einem…

Shen stieß ein Schnauben aus und ließ sich ins Gras fallen. Schon wieder diese schwarz-weiße Sackgasse. Er musste an was anderes denken. Er schaute zum Himmel hoch. Weiße Wolken zogen über ihm am blauen Himmel vorbei…

Wieder stockte sein Gedankengang.

Blau.

Ich mag blau“, fielen ihm Shenmis Worte wieder ein.

Der Lord drehte den Kopf zur Seite.

Wieso ausgerechnet blau?

Und wieso musste ausgerechnet er blau sein?

Der weiße Pfau stützte sich auf die Ellbogen und sah zur Hütte runter. Bei dem Gedanken, dass dort die Person saß, die fast seine gesamte Zukunft ruiniert hätte, krampfte sich sein Magen zusammen.

Er seufzte.

Seine Zukunft…

Eine Zukunft, die er nicht eingeplant hatte. In seiner ganzen Jugendzeit hatte er auf was ganz anderes hingearbeitet. Schon zu der Zeit, als noch seine Eltern gelebt hatten…

Shens Gedanken machten einen gewaltigen Zeitsprung in die Vergangenheit.

Sein Vater war blau gefärbt gewesen. Lag es deshalb in Shenmis Natur, die Farbe Blau zu mögen?

Er hob den Flügel und beschaute sich seine weißen Federn. Anschließend rieb er seine Federfinger aneinander. Sein Blick wanderte wieder zum Himmel und er hielt seinen weißen Flügel gegen das blaue Firmament.

Wieso war er weiß? Hätte sein Vater sich gerne einen anders gefärbten Sohn gewünscht?

Wenn seine Federn auch blau geworden wären wie die von seinem Vater…

Blaue Federn…

Blau…
 

Vor fast 40 Jahren…
 

Shen war gerade ein paar Jahre alt, und war froh nicht mehr das Bett hüten zu müssen, nachdem er immerzu krank geworden war. Zumindest aus seiner Sicht. Eigentlich durfte er nicht aus seinem Zimmer, aber heute hatte er es nicht mehr ausgehalten. Immer, wenn er aus seinem Zimmer entwischt war, hatte man ihn immer wieder eingefangen. Aber heute sollte das nicht passieren. Er hatte sich ein Versteck ausgesucht, wo man ihn nicht so schnell finden würde. Im Schlafzimmer seiner Eltern. Kaum hatte er die Tür geöffnet, huschte er unter das große Bett. Er kicherte innerlich. Hier würde man ihn bestimmt nicht vermuten.

Er blieb auf seinem Bauch liegen und malte sich aus, wie die Hofdamen und Betreuer vergeblich nach ihm suchen würden. Vielleicht hatte er sogar Glück und seine Eltern würden mal nach ihm schauen. In letzter Zeit hatte er sie kaum zu Gesicht bekommen. Keiner von beiden hatte sich in letzter Zeit ernsthaft um ihn bemüht. Dafür war das Personal zuständig.

Während der kleine weiße Pfau so seinen Gedanken nachging, ließ er seelenruhig seinen Blick schweifen. Von dieser Stelle unterm Bett hatte er einen guten Blick auf den Fußboden. Sogar unter die Schränke konnte er sehen.

Er stutzte, als er unter dem Nachttisch etwas entdeckte. Neugierig robbte er darauf zu und griff unter den Schrank, wo er ein kleines schwarzes Kätschen hervorholte. Verwundert betrachtete er es. Es sah nicht sehr wertvoll aus. Die Oberfläche bestand aus schwarzem Grundbemalung, darauf gelbe Verzierungen und um den Rand war es mit Perlmutt beschichtet. Normalerweise wurden solche Sachen ordentlich in die Schränke geräumt, aber doch nicht darunter verstaut, wo sie von Staub beschmutzt werden konnten.

Shen kroch näher an den Bettrand, um im Licht genauer sehen zu können, was da drinnen verborgen war. Er löste den Verschluss und öffnete es. Verwundert schaute er hinein. Statt Gold oder etwas anderes wertvolles vorzufinden, befand sich nichts anderes als eine kleine blaue Feder darinnen.

Shen hob die Augenbrauen. Was war das denn für ein merkwürdiger Schatz?

Er nahm die blaue Feder heraus und betrachtete sie von allen Seiten. Die Feder war klein, doch es war keine Daunenfeder. Sie war stabil und gerade. Es musste von einem Flügel sein, doch dafür war sie viel zu kurz. Er schaute auf seinen Flügel, dann hielt er die blaue kleine Feder an eine seiner Fingerfedern.

„Passt ja.“

Er steckte sie ein und betrachtete die blaue Feder in seinem Flügel zwischen den weißen Federn.

Ob er damit vielleicht sogar fliegen könnte?

Er kroch unter dem Bett hervor und schlug kräftig mit dem Flügel, konnte aber keinen Unterschied feststellen. Vielleicht bräuchte er mehr von dieser kleinen Federsorte.

Er kniete sich hin und schaute unter den Nachtisch, doch darunter war alles leer. Er ging zum anderen großen Schrank rüber, doch darunter befand auch kein Kästchen.

„Shen!“

Erschrocken drehte sich das weiße Küken um. Im Türrahmen stand sein Vater Lord Liang.

Schnell stand Shen auf. „Oh, hallo Papa…“

„Was treibst du hier?“, fragte der blaue Pfau aufgeregt. „Alle anderen suchen schon nach dir! Du solltest doch nicht dein Zimmer verlassen!“

Schüchtern scharrte der Junge mit dem Fuß auf dem Boden. „Mir geht es doch gut…“

„Das meinst auch nur du!“, mahnte Lord Liang streng. „Jetzt geh wieder in dein Zimmer, bevor du wieder umkippst!“

Schmollend trat der junge Pfau den Rückzug an. Doch noch ehe er an seinem Vater vorbei konnte, fiel Liangs Blick auf das offene Kästchen auf den Boden.

Er lief sofort hin. Als er merkte, dass es leer war, wandte er sich aufgebracht an seinen Sohn.

„Shen! Hast du hier was rausgeholt?!“

Shen drehte sich verwundert zu ihm um. „Wieso? Da war nur die hier drin…“

Er hielt die kleine blaue Feder in seinem Flügel hoch.

„GIBT SIE WIEDER HER!“

Lord Liang riss seinem Sohn die Feder aus dem Flügel, als habe er Angst davor, Shen würde sie zerbrechen wie Glas. Der große blaue Pfau drückte die blaue Feder an sich, während der kleine weiße Pfau seinen Vater fragend ansah.

„Wem gehört diese Feder?“, wollte Shen wissen.

Der Pfauenvater zögerte.

„M-mir…“, antwortete er zaghaft.

Es klang irgendwie nicht so überzeugend.

„Jetzt geh wieder in dein Zimmer!“, befahl er streng, noch bevor der Junge ihn weiter mit Fragen bombardieren konnte.

Gekränkt wandte sich Shen zur Tür. Doch bevor er den Raum verließ, schaute das weiße Küken nochmal hinter sich und sah noch wie sein Vater die blaue Feder wieder ins Versteck legte und den Deckel verschloss…

Dieses kleine Kästchen hatte er nie mehr wieder gesehen…
 

Shen legte die Stirn in Falten. Wem hatte diese blaue Feder gehört? Diese Frage hatte er all die Jahre hindurch schon fast wieder vergessen. Er glaube nicht mehr daran, dass sie von seinem Vater stammte. Vielleicht gehörte sie jemanden von seinen Vorfahren.

Der Pfau hob den Kopf, als er einen dumpfen Schlag gegen einen Baumstamm im Wald vernahm. Anschließend stieß jemand einen gemurmelten Fluch aus dicht gefolgt von gezischten Worten.

„Selbstbeherrschung, Selbstbeherrschung, Selbstbeherrschung!“

Mühsam erhob sich der Pfau und folgte der vor sich hin schimpfenden Stimme. Ein paar Bäume weiter entdeckte er den Panda, der immer wieder gegen einen Baum schlug und dabei ständig erneut das gleiche Wort grummelte.

„Selbstbeherrschung, Selbstbeherrschung…“

„Panda!“

Sofort erstarrte Po zur Salzsäule. „Ja?“

Shen trat aus dem Dickicht heraus und schaute den schwarz-weißen Bären skeptisch an. „Ist das die Kung Fu Art seine Kraft in der Fauna zu verschwenden? Oder ist irgendetwas vorgefallen, was dein Verhalten rechtfertig?“

„Uh, mein Verhalten?“, Po legte verlegen die Hände zusammen. „Äh, sowas mache ich ständig…. Jeden Tag. Oder fast jeden Tag, manchmal verschlage ich auch Steine.“ Er sah sich suchend um. „Oh, hier ist schon einer.“

Schnell hob Po einen kleinen Stein auf. „Siehst du, der Baum war für die Schmerzbewältigung. Jetzt kommt Treffsicherheit.“

Er warf den Stein hoch, dann trat er dagegen. Das Geschoss flog durch die Büsche. Plötzlich schrie jemand erschrocken auf. „HUCH!“

Verwundert hob Po den Kopf. Hatte er aus Versehen jemanden getroffen?

Im nächsten Moment tauchte Liu aus dem Gestrüpp auf.

„Oh, Verzeihung“, entschuldigte sich Po. „Hab ich dich erwischt?“

Doch die Pfauenhenne schüttelte den Kopf. „Nein, ich war nur erschrocken.“

Der Panda war die ganze Sache unangenehm. „Das tut mir sehr leid…“

„Schon gut“, beruhigte Liu ihn. „Ich habe gerade nach Ihnen gesucht.“

„Nach wem? Nach mir oder ihm?“ Po zeigte zwischen sich und Shen, doch Lius Blick blieb auf Po haften.

„Ich wollte Sie fragen, ob Sie mir nicht bei einer Sache helfen könnten?“

Dem Panda fiel die Kinnlade runter. „Hilfe von mir?“ Doch dann wurde sein Blick wieder ernst. „Bei was?“

Lius Augen wanderten unsicher zu Shen, und dieser ahnte, bei was sie Hilfe suchte.

„Geht es etwa wieder um ihn?“, fragte Shen forschend.

Liu senkte ein wenig den Blick. „Ich möchte nur mich um seine Verletzungen kümmern. Aber er wird mich nicht an sich ranlassen. Von daher benötige ich etwas Unterstützung.“

Po stand zunächst völlig verdattert da. Gerade noch vor kurzem hatte er sich lautstark über Xiang beschwert, und jetzt erwartete sie von ihm, dass er ihr aushalf?

„Tja, also ich weiß nicht…“

„Sie sind doch so stark“, ging Liu ihm dazwischen. „Es wird auch nicht lange dauern.“

Der Panda warf einen Seitenblick zu Shen. Dieser sah ihn streng an.

„Wage es ja nicht, dich mit meinem Feind zu verbünden“, zischte der Pfau.

„Aber wenn sie doch nur mal kurz Hilfe braucht…“

„Kommt gar nicht in Frage!“, schnitt Shen ihm das Wort ab. „Ich erlaube ihm keine Extra-Behandlung.“

Liu kniff die Augen zusammen. „So wie bei Ihnen?“

Shen sah sie böse an. „Was willst du damit sagen?“

Die Pfauenhenne hob den Kopf. „Ich weiß auch eine Menge über Sie. Hätte es Ihnen was genützt, wenn man Sie einfach hätte stehen lassen, als Sie jemanden am meisten brauchten?“

Mit diesen Worten wandte sie sich ab und ließ die beiden ungleichen Krieger einfach stehen.

„Ich warte an der Hütte auf Sie, falls Sie sich dazu entschließend sollten zu kommen“, sagte Liu noch im Weggehen.

Kaum war sie zwischen den Bäumen verschwunden, sah Po Shen verwundert an. Normalerweise verschlug es den weißen Pfau selten die Sprache, doch in diesem Fall schien Liu einen wunden Punkt getroffen zu haben, sodass der weiße Herrscher nicht sofort antworten konnte.

Stattdessen stand Shen jetzt da, sein Gesicht überzogen von Wut und Kränkung. Und dennoch schien es so als hätte ihn jemand brutal wieder in den inneren Sumpf seiner verdreckten Vergangenheit gestoßen.

Po beobachtete ihn noch ein paar Sekunden, dann zuckte er die Achseln und ging weg.

„Panda“, hielt Shen ihn zurück. Seine Stimme klang seltsam monoton. „Wie lange müssen wir noch hier in diesem Dorf herumsitzen?“

„Wang sagte, er würde heute Nachmittag zurückkommen“, antwortete Po. „Er müsste noch ein paar Soldaten mobilisieren, für den Fall eines Falles. Aber er wird heute zurückkommen.“

Dann wandte er sich hastig ab, bevor Shen ihn noch mit etwas anderem konfrontieren würde.

Shen sah dem Panda misstrauisch hinterher.

„Na hoffentlich.“
 

Xiang war müde auf sein Bettlager gesunken. Diese ganzen Störungen durch den Tag hatten ihn ziemlich fertig gemacht. Umso genervter kauerte er sich auf der Decke zusammen, als er hörte, wie jemand wieder die Tür öffnete.

Der blaue Pfau machte sich nicht die Mühe aufzuschauen und verharrte in seiner Liegeposition, in der Hoffnung übersehen zu werden.

Schritte näherten sich ihm. Zu seinem Schrecken musste er feststellen, dass seine Flügel anfingen zu zittern.

Wieder dieses Gefühl der Hilflosigkeit. Das verlorene Gefühl allein jemanden ausgeliefert zu sein.

Jemand kam näher… näher… wie seine Mutter…

„Lord Xiang?“

Der blaue Pfau rollte sich blitzartig zur Seite und sprang auf sein gesundes Bein. Dabei blieb er in geduckter Haltung, als würde ihn jeden Moment ein Raubtier anfallen wollen. Seine Körperspannung wuchs, als er Liu vor sich stehen sah. Die Pfauenhenne trug eine kleine Tasche in den Flügeln und schaute ihn ruhig aber entschlossen an.

„Tut mir leid“, entschuldigte sie sich. „Ich wollte Sie nicht erschrecken. Ich hab nur gedacht, Sie würden schlafen und wollte Sie nicht wecken…“

„Was willst du hier?!“, fauchte er sie an. „Kann mich denn keiner in Ruhe lassen?!“

Liu atmete tief durch. „Ich würde Sie ja in Ruhe lassen, aber Ihre Beine müssen behandelt werden.“

Xiang sah an sich herunter. In seinem lahmen Bein spürte er nichts, nur auf seinem linken pochte es etwas unangenehm, was wohl von den Schnitten von dieser neuen Pflegerin herrührte.

Liu verengte die Augen. Ein paar Stellen hatten sich entzündet. Das war ihr schon gestern aufgefallen, hatte aber bei Xiangs Wut vorläufig nichts machen können.

Jetzt kniete sie sich hin, um einen genaueren Blick auf die Beine zu werfen.

„Ihre Schnittwunde hat sich etwas entzündet. Da hat sich etwas Eiter gebildet. Ich muss es ein wenig öffnen.“

„Öffnen?“

Xiang stieg der Horror in die Glieder. Liu versuchte sich so neutral wie nur möglich zu verhalten und nickte nur.

„Das wird nicht weh tun, nur etwas zwicken. Danach geht es Ihnen wieder besser.“

Der Pfau wich etwas zurück. „Wag es ja nicht! An mir fummelst du nicht herum!“

Liu hatte diese Reaktion erwartet und erhob sich.

„Aber wenn ich es nicht tue, dann werden sich die Wunde noch verschlimmern.“

Xiang drehte den Kopf weg. „Das ist mir egal!“

„Xiang… äh… Verzeihung, Lord Xiang, im schlimmsten Fall können Sie sonst beide Beine nicht mehr bewegen!“

„Dann freu dich. Dann hast du ja mehr Arbeit mit mir.“

Die Pfauenhenne schnappte nach Luft. Dann verengte sie erbost die Augen.

„Na schön. Sie lassen mir keine andere Wahl.“

Im nächsten Moment erschien Pos Kopf im Türrahmen, was Xiang überhaupt nicht behagte.

„Was will der denn schon wieder hier?“, schimpfte er.

„Er wird mir etwas helfen“, klärte Liu ihn auf.

„Helfen wobei?“

Darauf gab der Panda keine Antwort. Mit ernster Miene betrat er die Hütte. Allmählich begriff Xiang was er vor hatte und wich erneut zurück.

„Bleib mir gefälligst vom Leib! Nein!“

Doch Po war viel schneller. Er packte den Pfau an den Schultern und drückte ihn zu Boden.

Xiang war zwar auf einem Bein gelähmt, konnte sich aber immer noch extrem gut wehren.

„Lass mich gefälligst los!“, fluchte er und schlug wie wild auf den Panda ein.

Doch an Po prallten diese Faustschläge problemlos ab.

„Ach, jetzt stell dich nicht so an“, meinte er genervt und legte sich fast mit seinem gesamten schweren Körper auf den Vogel, wobei er ihn die Flügel runterdrückte.

„Geh sofort von mir runter!“, fluchte Xiang.

Liu unterdessen nutzte die Gelegenheit und beugte sich zu Xiangs Beinen runter. Da er ein Bein nicht bewegen konnte, war es für sie kein Problem nur ein Bein mit dem Flügel festzuhalten, um ungestört arbeiten zu können. Als der Pfau ihren Flügel spürte, wollte er sofort sein Bein wegziehen, doch Liu hielt ihn entschlossen fest. Als das nichts half, versuchte der Pfau sie mit Worten zu vertreiben.

„Lass mich los! Lass mich los…!“

„Jetzt sei doch mal ruhig“, entgegnete Po genervt. Er hatte immer noch eine Wut auf den Pfau, hielt seine Rügen aber so gut es ging zurück.

Liu hatte inzwischen ein kleines Skalpell hervorgeholt. Sie war froh, dass Xiang es nicht sah, weil der Panda ihm die Sicht nach hinten verdeckte, stellte sich aber sofort auf einen Protestschrei ein. Die entsprechende Wunde enthielt zwar nicht viel Eiter unter der Haut, dennoch würde Xiang wohl jede Berührung wie ein Messerstich vorkommen.

Sie holte nochmal tief Luft. „Okay, es sieht nicht schlimm aus. Ich muss nicht viel machen, nur ein wenig drücken.“

Po spürte, wie Xiang sich extrem anspannte. Und kaum hatte das Skalpell die Haut berührt, schrie der Pfau auf. Doch noch ehe er alles zusammenfluchen konnte, hielt Po ihm den Schnabel zu. Da konnte Xiang sich wehren so viel er wollte, aber gegen die festen Griffe des Pandas hatte er keine Chance.

„Po?“

Überrascht drehte Po den Kopf zur Tür. „Shenmi? Was machst du denn hier?“

„Tut es ihm wieder weh?“, fragte Shenmi zaghaft, die einsam im Türrahmen stand.

„Ist nichts Schlimmes“, wimmelte Po sie ab. „Bleib nur ruhig draußen.“

Doch das weiße Mädchen betrat den Raum und ging auf die zwei am Bodenliegenden zu.

Als das Mädchen in Xiangs Blickwinkel trat, riss der Pfau seinen Kopf so wild hin und her, dass er kurzfristig seinen Mund freibekam.

„DU VERDAMMTES…!“

„Das lässt du schön bleiben!“, mahnte Po entschieden und hielt Xiang schnell wieder den Schnabel zu.

Shenmi hatte irgendwie keine Angst. Als wäre der Panda wie ein Schutzschild in ihrer Gegenwart. Sie wagte es sogar Xiang so nahe ans Gesicht zu kommen, dass sie ihn fast berühren konnte. Sie tat nichts, sondern schaute nur auf ihn herab.

Liu inzwischen arbeitete so schnell sie konnte. Zum Schluss bestrich sie noch mal alles mit einer desinfizierenden Flüssigkeit und band einen Verband um die geöffnete Stelle. Am Zeh vom lahmen Bein, an dem Chiwa zuletzt herumgesägt hatte, sah es zum Glück besser aus. Die Schnittstelle war schon teilweise wieder gut verheilt. Liu hielt es für das beste es für heute zu belassen und erhob sich nach getaner Arbeit wieder.

„In Ordnung. Du kannst ihn wieder loslassen“.

Kaum hatte der Panda seinen Griff gelockert und stand gerade mal auf den Beinen, als Xiang ihn wutentbrannt einen gewaltigen Tritt versetzte. Po stolperte nach hinten, fand aber noch rechtzeitig seine Balance wieder. Xiang schwang sich geschickt, wenn auch wackelig auf seinen Fuß. Es sah so aus, als habe er vor den Panda zu verprügeln. Als auch noch sein Blick auf die kleine Shenmi fiel, schien er jedoch seine Wut zuerst an der „kleinen Frau“ auslassen zu wollen. Er stürzte nach vorne, doch kaum hatte er sie erreicht, schlug ihm jemand mit voller Wucht in den Brustkorb und der blaue Pfau knallte gegen die Wand. Stöhnend rappelte er sich wieder auf. Als er im nächsten Moment in Shens wütendes Gesicht sah, zog er ein wenig den Kopf ein.

Po war wie gelähmt. Shen hatte den blauen Pfau heftig abgewehrt. Jetzt starrten sich die beiden Rivalen voller Anspannung in die Augen. Es war wie, wenn Wasser auf Feuer traf, und umgekehrt. Selbst Wasser konnte eine ungeheure Zerstörungskraft entfalten. Doch der weiße Pfau hielt seine Macht im Zaum. Stattdessen blickte er nur herablassend auf Xiang herab. Dann drehte er sich zur Überraschung der anderen um und hob Shenmi auf.

„Mach das nicht noch einmal!“, zischte Shen ihn noch an, dann verließ er die Hütte mit seiner kleinen Tochter auf den Arm.

Panda und Pfauenhenne beobachteten alles mit offenen Mündern. Nur Xiang saß keuchend immer noch gegen die Wand gelehnt und schien gar nichts mehr um sich herum wahr zu nehmen, außer die offene Tür, zu der er immer noch nach draußen stierte.

Schließlich beeilten sich die anderen den Raum zu verlassen. Draußen standen Po und Liu erst mal schweigend auf der Wiese. Dann schielte die Pfauenhenne zum Panda rüber.

„Danke für deine Hilfe.“

Po sah sie verwundert an. Dann nickte er. „Bitte, bitte.“
 

„Jetzt sagt endlich wo sie sind!“

Tongfu wurde mit jeder Sekunde immer ungehaltener. Sie hatten sich inzwischen wieder mit den Geiern aufgemacht und das Schiff eingeholt, welches immer noch den Fluss hinuntersegelte. Doch als sie die gesuchten Flüchtenden nicht fanden, stellten sie die Mannschaft zur Rede.

Der Kapitän, eine Antilope, zuckte nur die Schultern und schwieg.

Der Gecko knirschte mit den Zähnen und hätte am liebsten die Geier auf sie losgelassen, wenn er nicht noch etwas anderes in petto gehabt hätte.

„So, so, du ziehst es also lieber vor den Stummen zu spielen, was?“, knurrte Tongfu bissig. „Na schön. Wie du willst.“

Er schnippte kurz mit den Fingern. Sofort holte ein anderer Gecko einen Stoffbeutel hervor und gab sie Tongfu. Der Gecko griff hinein und holte eine Feder heraus.

Das Gesicht der Antilope versteinerte sich, was Tongfu nur zum Grinsen brachte.

„Na, erkennst du dieses bunte Ding wieder?“

Er schwenkte die kleine grün weiße Pfauenfeder hin und her. „Da wo wir herkommen, haben wir noch massenhaft mehr von diesem Hühnerviech. Und soweit ich das beurteilen kann, sind es wohl die Sprösslinge deines Bosses, nicht wahr? Ja, wir haben sie zu einem kleinen Ausflug überredet. Es stellt sich nur die Frage, ob wir ihnen nicht noch ein Ticket ins Jenseits mitbringen sollen. Natürlich gratis.“

Über ihren Köpfen lachte der Geier Laishi. „Oh ja. Das wäre ein schöner Job für mich.“

Tongfu ignorierte seinen Beitrag und sah erwartungsvoll auf die Crew des Schiffes, die sich mehr als unschlüssig zu sein schien ihm eine Antwort auf seine Frage zu geben.

Tongfu verengte die Augen. „Oder willst du dafür verantwortlich sein, wenn wir eines der drei Küken tranchieren?“ Er ließ die Feder fallen. „Also, hat das jetzt deinen Mund gelockert?“

Die Antilope schluckte schwer, dann hob sie den Kopf. „Na gut.“



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