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Die letzte Ehre

von

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22. Aus heiterem Himmel

Das Rot der Morgendämmerung hing wunderschön über der Stadt Gongmen. Die alte Ziege war schon lange wach und hantierte bereits in der Küche. Aber nicht unbedingt, weil sie eine Frühaufsteherin war. Sie machte sich Sorgen, dass etwas passiert sein könnte. Auch war noch immer keine Nachricht aus der Stadt Mendong eingetroffen und sie hegte ihre Zweifel, ob alles in Ordnung war. Das Einzige was sie beruhigte war, dass der Drachenkrieger mitgekommen war. Sie war sich zwar sicher, dass Po gut auf die beiden aufpassen würde, doch selbst ein Drachenkrieger hatte Schwachstellen.

Seufzend nippte sie an ihrem Tee. Wieso hatte sie nur so ein schreckliches Gefühl im Bauch?

Ihre Grübelei wurde unterbrochen, als Sheng mit seinem kleinen Bruder Zedong die Küche betrat. Dicht gefolgt von Fantao, der sich müde über das Gesicht rieb.

„Na, du siehst aber nicht gerade munter aus“, bemerkte die Wahrsagerin lächelnd. „Ist Xia noch oben?“

„Sie kämmt sich noch die Federn“, antwortete Sheng, der nicht viel für Mädchenkram übrighatte.

Die Ziege schüttelte lächelnd den Kopf. Sheng begab sich mit seinen Brüdern an den Tisch. Die Ziege zählte durch.

„Wo ist Jian?“

„Im Bett“, antwortete Zedong kurz und knapp.

„So? Dann werde ich mal noch nach ihm schauen.“

„Wo sind denn die anderen?“, wollte Zedong wissen.

„Die Fünf?“ Die Ziege strich sich über den Bart. „Die sind schon lange wach. Sie stehen immer mit der Sonne auf.“

Fantao verzog den Schnabel. „Müssen das alle Kung Fu Krieger so machen? Ich könnte darauf verzichten.“

Die Ziege lächelte leicht. „Das hat dein Vater auch manchmal gesagt, als er noch ganz klein war.“

Fantao verzog den Schnabel. „Dann hat er sich aber nicht viel verändert, wenn er morgens schon länger schläft als wir.“

Die Mundwinkel der Ziege sanken wieder. „Na ja, ich hol mal euren kleinen Bruder runter.“

Damit verschwand sie aus der Küche.
 

Die Ziege ging ein paar Stockwerke höher, wo das Gästezimmer für die Jungs lag. Jian lag tatsächlich noch in den Decken und hielt sein Musikinstrument fest umklammert.

„Aber Junge“, tadelte die Ziege ihn. „Du kannst doch sowas nicht mit ins Bett nehmen.“

„Sonst nimmt man es mir noch weg“, grummelte Jian.

Die Ziege schmunzelte. „Du bist dickköpfig wie dein Vater. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, hat er sich immer daran festgebissen.“

Maulend drehte sich der Pfauenjunge auf den Rücken. „Wann kommt Mama denn wieder?“

„Sehr bald.“

Sie strich dem Jungen über den Kopf. „Aber nun komm, die anderen sind schon auf den Beinen.“

Nur widerwillig ließ der Junge sein Musikinstrument einen Moment lang unbeobachtet und ließ sich ein neues Hemd von der Ziege bringen. Er hätte das Hemd bestimmt falsch angezogen, wenn sie ihm nicht noch darauf aufmerksam gemacht hätte.

„Ach Junge“, kicherte die Wahrsagerin und strich ihm nach getaner Arbeit sein Hemd glatt. „Hast du heimlich wieder in der Nacht musiziert?“

„Es macht einfach Spaß, wenn der Mond am Himmel steht“, klärte Jian sie auf. „Bei dem muss ich keine Farben sehen, um glücklich zu sein.“

Er zuckte zusammen, als die Ziege ihm die Kopffedern zurechtzupfte. „Dazu muss man doch nicht extra zum Mond schauen“, meinte sie. „Deine Mutter hatte auch anfangs ziemliche Schwierigkeiten damit. Aber sie hat gelernt damit umzugehen. Auch ohne Musik.“

Der Pfauenjunge senkte den Blick. „Wäre schön, wenn sie mitgekommen wäre.“

Die Ziege tätschelte ihn an der Schulter. „Na ja, komm, die anderen warten bestimmt schon auf dich.“

In diesem Moment öffnete sich die Tür und Xia steckte den Kopf hinein.

„Hat Jian schon wieder verschlafen?“, fragte sie missbilligend.

Die Ziege winkte mit der Hand. „Nein, er hat nur die Zeit vergessen.“ Sie schob den Jungen zur Tür, doch dieser entwand sich noch aus ihren Griffen und holte sein Musikinstrument aus dem Bett.

Die Ziege verdrehte die Augen. „Wie sein Vater.“
 

Die Sonne hing schon höher über den Dächern. Sheng, Zedong und Fantao waren als erste mit dem Frühstück fertig. Anschließend begaben sie sich auf den Platz, wo die Furiosen Fünf gerade mit den zwei großen Meistern ein paar Übungen machten. Erst als die drei Pfaue erschienen hielten sie inne. Sheng ließ sich nichts anmerken und verneigte sich respektvoll.

„Es ist uns eine Ehre mit euch die Kunst des Kung Fu zu verfeinern“, sagte er nobel.

Seine beiden kleinen Brüder mussten bei dieser Begrüßung kichern.

Die Meister hingegen nahmen es ihm nicht übel. Auch nicht als Zedong sich wagemutig in Position begab. „Hey, wollt ihr mal etwas mit uns Kung Fuen?“

Diese Frage war an die Fünf gerichtet und Monkey erklärte sich sofort dazu bereit.

„Na gut, dann zeig mal was du kannst.“

Kleiner Pfau und Affe verbeugten sich vorher bevor Zedong sofort auf Monkey losging. Doch seine ganzen Angriffe konnten den abwehrenden Handgriffen des behaarten Meisters nichts anhaben.

Meister Ochse und Meister Kroko zogen sich aus dem Getümmel zurück. Als sie außer Hörweite waren, konnte sich der Ochse eine Bemerkung nicht verkneifen.

„Manchmal frage ich mich, ob es überhaupt gut ist, dass wir ihnen das Training erlauben.“

Meister Kroko sah überrascht zu ihm auf. „Was?“

„Du hast mich schon richtig verstanden.“

„Wie kommst du denn darauf?“

„Shen hatte man auch hart trainiert. Bis er auf die schiefe Bahn bekommen ist.“ Sein Blick fiel auf Sheng und Zedong, die immer am eifrigsten trainierten. „Wer garantiert, dass wir nicht noch einmal denselben Fehler machen?“

„Aber du hast doch zugesagt.“

„Weil sie es gesagt hatte.“

Der Ochse deutete mit einem Kopfnicken auf die alte Ziege, die gerade mit Jian im Huf über den Platz kam, dicht gefolgt von Xia.

„Aber Sheng ist doch nicht so einer und er ist schon erwachsen“, bemerkte das Krokodil. „Er ist umsichtig und gewissenhaft. Er würde nie so etwas tun wie sein Vater in seinem Alter.“

Der Ochse schnaubte. „Schlimm genug, dass er auch noch allein mit seiner Tochter ist.“

Meister Kroko schluckte. „Glaubst du denn wirklich, dass von der Bosheit ihres Vaters etwas auf sie abfärben könnte? Das kann ich mir nicht vorstellen. Dafür ist sie ein zu gutes Mädchen.“

„War er das anfangs nicht auch gewesen?“, knurrte Meister Ochse düster. „Krank kam er auf die Welt, und genauso krank ist sein Gehirn immer noch.“

Das Krokodil schüttelte missbilligend den Kopf. So sehr er Shen auch manchmal seine früheren Taten übel nahm, so konnte er angesichts seiner Kinder nur schwer von ihm noch schlecht reden. Meister Ochse hingegen schien dafür keine Hemmungen zu haben.

Sein Blick wanderte wieder auf den Übungsplatz, wo gerade Fantao an die Reihe kam. Allerdings war sein Gegenspieler nicht Monkey, sondern Tigress.

Tigerin und Pfau sahen einander an. Tigress hob verwundert die Augenbrauen.

„Warum schaust du denn so entsetzt?“

Fantao schüttelte hastig den Kopf. „Dein Streifen gefallen mir.“

Im Hintergrund erklang ein Gekichere. Tigress versuchte das Lachen ihrer Freunde zu ignorieren und strich sich über die Arme mit einem gezwungenen Lächeln. „Danke.“

Fantao hob die Schnabelwinkel. „Ich könnte auch mal ein Bild von dir malen…“

Er hob seinen Pinsel, doch im nächsten Moment wurde dieser von seiner großen Schwester Xia wieder abgenommen.

„Du sollst nicht malen“, tadelte sie ihn. „Sondern üben.“

Schmollend verzog der Pfau den Schnabel und musste zusehen, wie Xia seinen Lieblingsgegenstand in ihrem Mantel verschwinden ließ.

Widerwillig schluckte Fantao seinen Ärger hinunter und begab sich in Stellung. Dann kam der Start und beide Tiere gingen aufeinander los. Fantao wich mehr Tigress‘ Hieben aus als das er angriff. Stattdessen sprang er um sie herum, bis er einen schnellen Schlag nicht mehr frühzeitig bemerkte und zu Boden fiel. Er schlitterte über die Fliesen, überschlug sich kurz und blieb endlich liegen.

„Oh!“ Erschüttert musste der Junge feststellen, dass ihm dabei eine bunte Schwanzfeder rausgefallen war.

Schnell eilte Tigress zu ihm und hob die Feder auf. „Oh, tut mir leid.“

Sie hielt sie ihm hin. Doch Fantao winkte ab. „Kannst du behalten. Vielleicht kannst du sie Po schenken.“

Wieder erhob sich ein Kichern hinter ihrem Rücken. Mit festem Griff umklammerte die Tigerin die Feder, beherrschte sich aber noch rechtzeitig. Sie murmelte ein kurzes Danke, steckte die Feder in ihr Hemd und ging mit strammen Schritten an ihren Freunden vorbei, wo sie sich etwas in den Hintergrund stellte. Verwundert sahen die vier Freunde sie an. Es wunderte sie, dass sie sich nicht verärgert zeigte. Oder lag es an den Kindern?

Fantao hingegen hatte erst einmal genug vom Training und gab die Reihe an Jian weiter. Dieser trat mit großer Unsicherheit auf den Platz. Die Fünf wollten es ihm leichter machen und schickten Mantis in den Ring.

Obwohl das grüne Insekt so harmlos aussah, so wusste der Pfauenjunge wie geschickt dieser kleine Meister war und umklammerte ängstlich sein Instrument.

„Komm das brauchst du nicht zum Trainieren“, meinte Xia und nahm ihm die Pipa aus den Flügeln.

„Hey!“ Jian wollte wieder danach greifen, doch seine ältere Schwester ließ sich nicht erweichen und schob ihren Bruder wieder nach vorne.

Viper unterdessen hatte sich zu Tigress gesellt und sah sie prüfend an. „Du bist heute so still. Was ist los?“

Tigress verschränkte die Arme. „Es ist nichts.“

Die Schlange zischelte. „Ach, komm schon. Ich kenn dich doch. Ist es wegen Po?“

Tigress wich ihrem Blick aus und Viper hielt es für das Beste dann doch zu schweigen. Ob wirklich Grund zur Sorge um ihren besten Freund bestand?

Ihre Grübelei wurde unterbrochen als Jian von Mantis einmal zu hart gestoßen wurde und auf sein Knie fiel. Zedong schüttelte missbilligend den Kopf.

„Wie konntest du seinen Angriff übersehen?“, tadelte er seinen Bruder. „Der war doch direkt vor dir.“

Jian musste zugeben, dass er absolut unkonzentriert war, doch das half ihm jetzt nichts gegen sein abgeschrammtes Knie. Schnell eilte die Wahrsagerin zu ihm und half ihm hoch.

Der Junge weinte zwar nicht, aber man sah ihm an, dass es ihm weh tat.

„Ist nicht schlimm“, beruhigte sie ihn. „Das kriegen wir schon wieder hin.“

Mit dem Jungen begab sie sich zur Treppe. Mantis zitterte mit seinen Antennen, dann drehte er sich zu seinen Freunden um.

„Was? Ich hab ihn gar nicht mal hart gestoßen.“

„Dann tritt mal gegen mich an“, forderte Zedong ihn heraus.

Viper und Monkey tauschten verwunderte Blicke aus.

„Der hat ganz schön Kampfgeist“, bemerkte die Schlange.

Die Ziege, die nicht weit von ihnen entfernt stand, hörte nur mit einem halben Ohr zu.

„Wie sein Vater“, murmelte sie, wobei sie in der Zwischenzeit Jians Knie säuberte.

„Ich kann dir auch eine Salbe auftragen, wenn du willst“, bot schließlich an.

Der Junge sah zu ihr hoch. „Könntest du nicht unsere Nanny sein?“

Die Ziege sah ihn verlegen an. „Nun, ich…“

Monkey verkniff sich das Lachen und schien sich sogar zu fragen, ob das Shen überhaupt gefallen würde.
 

Auf Fantao achtete inzwischen niemand mehr. Der Pfau hatte sich wieder an die Mauer des Palastes zurückgezogen und pinselte wieder mit seinem Pinsel an der Steinwand herum. Nach und nach entstand ein Bild, das mehr und mehr Ähnlichkeit mit Tigress hatte. Der kleine Pfau trat kurz ein paar Schritte zurück und betrachtete stolz sein Werk.

Plötzlich packte ihn etwas am Hemd und riss ihn in die Höhe. Fantao schrie erschrocken auf, sodass die anderen verwundert die Köpfe hoben. Doch noch ehe der Pfauenjunge erst recht um Hilfe schreien konnte, blickte er ein paar Meter über den Boden auf der Mauer in das grinsende Gesicht eines Geckos.

Tongfu klatschte kurz Applaus für den Geier, der den Jungen einfach so dem Boden entrissen hat.

„Irgendwie macht es mir langsam Spaß Pfaue einzusammeln“, scherzte der Gecko. „Das könnte ein neues Hobby für mich werden.“

Fantao hingegen fand das gar nicht zum Lachen. „Hey! Lass mich runter!“

„Halt die Klappe“, fuhr der Gecko ihn an und zwei seiner Leute holten einen großen Sack hervor. „Los rein mit ihm.“

Ohne Umschweife warf der Geier das Kind da rein und der Sack wurde sofort zugeschnürt. Vergeblich versuchte Fantao wieder herauszukommen.

Tongfu kümmerte sich nicht länger darum und wandte sich an sieben seiner Geckos. „Jetzt holt mir noch die zwei restlichen.“

„Hey, lass ihn runter!“, schrie Xia zu ihnen hoch. Auch die anderen waren an den Tatort geeilt.

Tongfu belächelte die Gruppe mit einem gleichgültigen Achselzucken.

„Sorry für den Eintritt ohne Eintrittskarte, aber die Show geht eh schnell zu Ende. Wir brauchen nur die drei bunten kleinen Hühner und dann sind wir auch schon wieder weg.“

Zedong stellte erbost seinen Pfauenkamm auf. „Dann hol uns doch!“

Die Furiosen Fünf waren nicht gerade von Zedongs Übermut begeistert, doch Tongfu hätte sowieso das Angriffssignal gegeben.

Im Nu schossen die Geckos auf die Truppe zu. Tigress und die anderen gingen sofort in Verteidigung über und versuchten die Angreifer abzuwehren. Doch diese sprangen über sie hinüber und vollführten mit ihnen das reinste Katz-und-Maus Spiel.

Sheng und Xia nutzten die Gelegenheit und brachten sich mit Zedong über den Platz in Sicherheit. An der Treppe standen immer noch die Wahrsagerin und Jian und konnten sich nicht erklären was los war.

Zedong hingegen war hellauf begeistert. „Wow, ein richtiger Überfall. Da kann ich ja gleich weiter trainieren.“

Doch Sheng nahm ihn beiseite. „Nein, dazu bist du nicht erfahren genug. Das ist kein Spiel hier. Versteck dich!“

Einer der Geckos hatte die Kung Fu Mauer gerade durchbrochen und raste auf die Gruppe an der Treppe zu. Doch dann donnerte Meister Ochse wie aus dem Nichts hervor und schleuderte den Gecko zur Seite.

Doch dann stürzen sich zwei weitere Geier, die die Geckos nach Gongmen geflogen hatten, auf den Ochsen und er war für einen Moment wieder abgelenkt. Sheng eilte ihm sofort zu Hilfe und wehrte die Flattermänner ab. Xia krallte sich einen Kampfstab und schlug auf den Gecko ein, der sich von Ochses Zusammenprall wieder erholt hatte und beide lieferten sich ein Gefecht ab. Meister Kroko stand zunächst ziemlich verwirrt da. Als zwei weitere Geckos es auf den Platz schafften, nahm auch er am Kampfgeschehen teil.

In diesem Moment fiel Jian sein Musikinstrument wieder ein. Suchend schaute er über den Platz. Die Pipa lag alleine auf den Pflastersteinen. Sofort rannte er darauf zu, noch ehe die Wahrsagerin ihn festhalten konnte.

„Jian!“, rief sie ihm nach. „Bleib hier!“

Doch der Junge hörte nicht auf sie. Aber kaum hatte er die Pipa aufgehoben, bäumte sich vor ihm der größte Geier auf.

„Wo willst du denn so schnell hin, buntes Küken?“, spottete der dunkle Vogel.

Jian umklammerte sein Musikinstrument, als auch er vom Geier gepackt und in seinen Sack gesteckt wurde. Die Ziege musste hilflos mitansehen wie der Junge vom Geier in den Krallen davongetragen wurde. Jetzt war es Zedong, der sich genötigt fühlte etwas zu unternehmen.

„Hey, lass meinen Bruder los!“

Der Pfau sprang auf den Sack, der schon mehrere Meter über den Boden hing, kletterte daran hoch und verabreichte den Geier ein paar Schläge auf den Kopf.

„Aua, was soll das?!“, beschwerte sich der große Geier erbost und versuchte den Jungen wenigstens abzuschütteln. Doch dieser war wendig genug. Der Geier musste nicht mehr wo er hinfliegen sollte. Er war jetzt schon so hoch oben, dass er fast auf Augenhöhe mit der obersten Etage des Palastes stand.

Tongfu, der sich bis jetzt aus der ganzen Rangelei herausgehalten hatte, pfiff den nächsten Geier zu sich.

„Los, da hoch!“, befahl er dem Vogel, der ihn sofort durch die Luft transportierte.

Tigress bemerkte das zuerst. Mit gewaltigen Schlägen schleuderte sie den nächsten Gecko von sich, raste über den Palastplatz und kletterte an der Fassade des Palastes hoch.

Zedong hatte den großen Geier inzwischen soweit gebracht, dass dieser unkontrolliert durch die Luft wirbelte und als Resultat gegen eine Kante des Daches der vorletzten oberen Etage knallte.

Der Sack, in dem Jian noch gefangen war, purzelte einen Stockwerk tiefer und blieb gerade noch am Rand des nächsten Daches hängen.

Sofort sprang Zedong runter und zog den Beutel auf die sichere Dachplatte. Doch noch ehe er seinen Bruder befreien konnte, wurde es im nächsten Moment schwarz um ihn, als Tongfu ihm einen Sack über den Kopf stülpte.

„Ha, hab ich dich!“ Triumphierend hielt er den zappelnden Stoffbeutel über seinen Kopf.

Doch dann sah er die wütende Tigerin die Wände hochrasen und er zog es vor den Rückzug anzutreten. Er packte den zweiten Sack und hechtete mit ihnen übers Dach. Gerade in diesem Moment erreichte Tigress die Etage. Tigress machte einen gewagten Satz nach vorne. Doch noch ehe sie den Gecko erreichen konnte, wurde sie von einem heranrasenden Schatten zur Seite geschleudert. Die große Katze verlor das Gleichgewicht und stürzte vom obersten Dach in die Tiefe.

Der große Geier, der vorhin so heftig gegen das Dach geknallt war und sie so brutal geschupst hatte, lachte. „Kätzchen sollten nicht so hoch oben stehen.“

Tigress wäre bestimmt hart auf den Boden aufgeschlagen, wurde aber gerade noch rechtzeitig von Crane aufgefangen.

Tongfu hatte sich inzwischen die nächsten Geier als Lufttaxi genommen und flog mit der Beute davon. Dann pfiff er einmal laut.

Die anderen Geckos erkannten sein Signal und zogen sich blitzartig zurück. Sie schwangen sich auf weitere Geier und flogen davon.

Als endlich Ruhe eingekehrt war besannen sich die anderen was überhaupt passiert war.

„Wo sind sie?“, fragte Viper völlig aufgewühlt.

„Dort fliegen sie!“ Tigress deutete in eine bestimmte Richtung am Horizont.

„Oh, nein!“, rief Xia geschockt. „Wo bringen sie sie hin?“

„Jede Wette, dass das was mit Shen zu tun hat?“, knurrte Meister Ochse.

Alle sahen ihn verwundert an. „Woher wollen Sie das wissen?“, fragte Xia.

„Sie fliegen direkt nach Norden. Außerdem ist mir dieser große Geier nicht unbekannt.“

Viper sah ihn fragend an. „Wieso?“

„Das ist Laishi. Ein verrückter Geier. Redet anderen immer ein, er wäre der Vorbote für die Unterwelt. In den letzten Jahren hält er sich an der Hunnengrenze auf.“

Alle sahen einander an, bis Tigress ein Machtwort sprach. „Crane, Mantis, Viper! Fliegt ihnen hinterher.“

Die drei sahen sie verwundert an.

„Und was ist mit euch?“, fragte Viper.

„Wir kommen nach“, mischte Meister Ochse sich ein.

Das verwunderte die Schlange nur noch mehr. „Dafür werdet ihr aber mindestens zwei Tage brauchen.“

Der Ochse verschränkte die Arme. „Wir werden schon schneller da sein als ihr denkt.“

„Jetzt fliegt schon los“, drängte Tigress.

Sofort krallte sich Crane das kleine Insekt und die Schlange und flog nach Norden.

Xia sah ihnen besorgt nach. „Wie sollen wir so schnell hinterherkommen?“

„Ja“, stimmte Meister Kroko ihr zu. „Wie sollen wir so schnell hinterher?“

Der Ochse winkte ab. „Da hab ich schon eine Idee. Kommt mit.“

Die Übriggebliebenen folgten dem Ochsen in den Palast. Von dort bestellte er eine Flugtaube, an die er eine Nachricht ansteckte.

Sein Kollege Meister Kroko sah ihn verwundert dabei zu. „An wen schickst du jetzt einen Brief?“

„Meister Pfeilschneller Adler hat mir mal einen Gefallen geschuldet“, klärte Meister Ochse ihn auf.

„Aber ist er nicht schon lange tot?“, bemerkte das Reptil verwundert.

„Seine Familie sind zwar keine Kung Fu Kämpfer“, belehrte ihn der Ochse, während er die Taube losschickte. „Aber sie könnten uns in dem Fall nützlich sein. Sie sind stark genug um uns bis nach Mendong zu fliegen.“

Xia blieb der Mund offen. „Warum haben Sie das nicht sofort vorgeschlagen, als mein Vater schnell nach Mendong reisen musste? Dann wäre er schneller in Mendong angekommen.“

Meister Ochse sah sie grimmig an. „Dein Vater ist und bleibt ein…“

Meister Kroko zog den Kopf ein. „Sag es bitte nicht…“

„… ein Mörder!“

Meister Kroko schlug sich gegen die Stirn. „Er hat’s schon wieder gesagt.“

Xia ballte die Flügel. „Wollen Sie ihm das für den Rest seines Lebens nachhängen?!“

Sofort begab sich das Krokodil zwischen sie.

„Er war es, er war es!“, versuchte er die aufgebrachten Gemüter zu beruhigen, doch Meister Ochse dachte nicht daran seinen Satz zu korrigieren. Stattdessen beendete er diese Beurteilung mit einem kräftigen Schlusssatz.

„Daran wird sie nie etwas ändern.“

Xia hätte ihn am liebsten ausgeschimpft, doch Sheng nahm sie beherzt beiseite und die Diskussion war damit vorzeitig beendet.
 

Die Stunden zogen sich wie Jahre über den Tag. Die Meister und der restliche Teil der Pfauenfamilie hatte sich auf den Palastplatz zurückgezogen und warteten sehnsüchtig auf die Ankunft der Adler.

Tigress hatte sich in ein stilles Eckchen zurückgezogen. Sie hatte die Arme verschränkt und scharrte hier und da mit dem Fuß auf dem Boden.

Monkey bemerkte ihre Nervosität und gesellte sich zu ihr. „Keine Sorge. Ich bin sicher, Po geht es gut.“

Tigress warf ihm einen stechenden Blick zu, weshalb der Affe sich schnell korrigierte. „Aber auch den anderen geht es sicher gut. Bestimmt sind sie in Sicherheit.“

„Aber warum entführen sie dann meine Brüder?“, mischte sich Xia ein. „Erst meine Mutter, jetzt auch noch sie. Was soll das bringen?“

„Ich schätze, das werden wir schon herausfinden“, meinte Monkey.

Im nächsten Moment erklang ein Rauschen über ihre Köpfe. Ehrfurchtsvoll sahen sie nach oben, wo sechs Adler über sie kreisten. Mit einem hohen Luftwirbel landeten sie.

Meister Ochse wandte sich sofort an den vordersten Adler zu. Sie verneigten sich voreinander.

„Danke, dass ihr gekommen seid“, grüßte ihn der Ochse.

Der Adler nickte. „Machen wir doch gerne. Ein guter Freund von Meister Blitzschneller Adler ist uns alle ein Freund.“

„Schon gut“, meinte der Ochse „Wir haben es eilig. Fliegt uns sofort nach Mendong.“

Xias Blick fiel auf die Wahrsagerin, die sich artig im Hintergrund hielt. „Möchtest du nicht mitkommen?“

„Sie hat Flugangst“, klärte Meister Kroko sie auf.

Die Ziege lächelte ihr zu. „Fliegt nur. Ich hoffe es geht den anderen gut.“

Endlich war man zum Abflug fertig. Mit kräftigen Schwingen hoben die Adler mit ihren Passagieren entweder auf den Rücken oder mit den Krallen ab.

Die Ziege winkte ihnen nach. Sie hatte zwar immer noch ein schlimmes Gefühl im Magen, aber sie hoffte, dass alles gut ging.

Als sie nicht mehr zu sehen waren, verfiel die alte Dame wieder ins Grübeln.

„Shen“, murmelte sie. „Pass auf deine Familie auf.“



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