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But sometimes love hurts

von

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~6~

Nach dem Schock war ich sofort aus dem Wohnzimmer gelaufen und hatte mich in meinem Zimmer verbarrikadiert, war es mir in dem Moment doch egal gewesen, dass ich für so eine Aufführung eigentlich schon viel zu alt war. Noch immer hallten Keisukes Worte unangenehm in meinen Ohren wider und ließen die Wut und Zweifel in mir aufkochen, wobei erstere den Großteil einnahm. Ich wollte das nicht wahrhaben! Was bildete der sich eigentlich ein? Woher nahm er sich das Recht, sich zu meinem Vater zu erklären?! Ich hatte nur einen Vater und das würde auf immer so bleiben. Punkt. „Immerhin spricht man seinen zukünftigen Vater ja anders an, nicht?“ Mit zusammengekniffenen Augen hielt ich mir die Ohren zu und murmelte immer wieder wie in Trance, „Sei still!“, weil ich diesen schrecklichen Gedanken aus meinem Kopf verdrängen wollte. Als ich dann auch noch bemerkte, dass es leise aber stetig an meiner Tür klopfte, riss mir der Geduldsfaden und ich brüllte mit enormer Lautstärke, „Lass mich in Ruhe, verdammt!“ Nach einigen Sekunden realisierte ich jedoch, dass ich überreagierte. Plötzlich konnte ich die weinerliche Stimme meiner Mutter auf der anderen Seite vernehmen. Anscheinend standen sie beide vor meiner Tür, denn sie fragte wehklagend, „Wieso, zum Teufel, musstest du es ihm so sagen, Kei? Wir wollten es ihm schonend beibringen, das hast du mir doch versprochen!“ Als ich dann auch noch hörte, wie sie plötzlich leise schniefte, traten mir sofort Tränen in die Augen und ich vergrub mein Gesicht in meiner Bettdecke, um gedämpft hineinzukeifen. Ich ertrug es nicht, wenn sie traurig war. „Kouyou, mach doch bitte die Tür auf! Das war nicht so gemeint!“, drang Keisukes dunkle Stimme laut zu mir rüber und ich schüttelte nur den Kopf und krächzte betreten, „Geht endlich weg, alle beide!“ Ich wollte ihm nicht ins Gesicht sehen. Nicht nachdem er so dreist gemeint hatte, dass er mein Vater war. Ja, ok, er hatte es nicht so direkt gesagt, es aber angedeutet. Und genau das war schon dreist genug für mich. Wie konnte er einfach so, ich meine, was.. Ach, ich war gerade selbst nicht mehr klar im Kopf und wollte einfach nur meine Ruhe!
 

Dass meine Mutter anscheinend leise weinte, tat mir im Herzen weh, aber ich brachte es nicht über mich, zu ihr zu gehen. Ich wollte diesen Mann gerade nicht sehen. Ich wusste nicht, ob ich der Grund dafür war, dass sie weinte. Aber ich hatte ja nichts Falsches getan, oder? Während ich die Zähne fest zusammenbiss, um nicht laut zu schluchzen, malte ich mir stumm aus, was wohl als nächstes kommen würde. Sie waren zusammen, schön und gut, aber würde da noch mehr passieren? Ich wagte es nicht einmal, weiter zu denken, wollte ich auch gar nicht. Also verscheuchte ich meine Gedanken, indem ich mich aufsetzte und verzweifelt den Kopf schüttelte. Gleich darauf versteckte ich mein Gesicht in meinen Händen, weil mir verdammt schwindelig wurde. Leise wimmernd legte ich mich wieder der Länge nach hin und langte nach meinem Handy, welches auf der Nachtkonsole lag. Ich brauchte jetzt Reita! Ich wollte, dass er mich in seinen Armen hielt und mir versicherte, dass alles in Ordnung war und ich nur ein wenig verunsichert war, weil ich mich plötzlich in einer völlig neuen Situation befand. Abgehackt schrieb ich ihm eine Nachricht und lauschte zeitgleich in die Stille hinein. Sie standen anscheinend nicht mehr vor meiner Tür, denn ich konnte keine Geräusche vernehmen. Umso besser. Was sie wohl gerade machten? Ob meine Ma noch immer weinte? Innerhalb weniger Sekunden bekam ich eine Nachricht zurück, die nur drei Worte beinhaltete. “Bin gleich da!“
 

Es dauerte wirklich nicht lange, bis es an der Haustür klingelte, und dies etwas zu stürmisch, wie ich registrierte. Ich wagte mich aus meinem Zimmer und rannte die Treppen hinab. Doch war meine Mutter genauso schnell gewesen. Sie war mit einem perplexen Blick aus dem Wohnzimmer gehastet, um Reita die Tür zu öffnen. Ich war indessen auf der letzten, beziehungsweise ersten Treppenstufe stehen geblieben und hatte aus Reflex von meinem Standort aus ins Wohnzimmer geguckt. Als sich Keisukes und meine Blicke trafen, überkam mich ein unangenehmes Gefühl und ich schaute sofort wieder schluckend weg und sah nur flehend zu Reita, der schnell auf mich zukam, nachdem er meine Mutter kurz umarmt hatte. Der Blonde schloss mich sofort fest in seine Arme und reichte mir gerade mal bis zur Brust, da ich noch immer auf der ersten Stufe stand. Während er an mir hing, sah ich flüchtig zu meiner Mutter rüber, die traurig wirkend den Mund verzog und sofort ihren Kopf senkte, um zurück zu Keisuke zu gehen. Gott, sie sah mir ja nicht einmal in die Augen! Schlagartig fühlte ich mich nur noch mieser, was mir wohl deutlich anzusehen war. „Was ist denn los, Baby?“, drang Reitas sanfte aber sorgevolle Stimme an meine Ohren und ließ mich wieder richtig zu mir kommen. Anscheinend hatte er noch nicht mitbekommen, dass der Typ auch anwesend war. Ich drückte ihn leicht von mir, griff aber sofort seine Hand, um ihn hinter mir her zu bugsieren. „Komm mit!“, flüsterte ich nur verunsichert und konnte dabei genauestens die neugierigen Blicke des Schwarzhaarigen, der im Wohnzimmer saß, in meinem Rücken spüren. Ich fühlte mich nicht wohl und deshalb bevorzugte ich es, mich zurückzuziehen. Was Keisuke bei diesem Anblick von Reita und mir wohl dachte? Mir sollte es jedoch egal sein. Sicher wusste er schon, dass ich homosexuell war, denn immerhin hatte meine Mutter ihm ja so viel von mir erzählt!
 

„Hey, war das nicht-“, fing Reita oben im Flur verwundert an, doch ich unterbrach ihn, indem ich nur leise und mit einer abwinkenden Handbewegung, „Shh!“, machte und ihn ins Zimmer hineinzog. Gleich darauf entließ ich seine Hand und schloss vorsorglich die Tür ab. Das sollte ich vielleicht mal öfter tun. Langsam drehte ich mich zu Reita herum, blickte ihm somit entgegen und lehnte mich mit einem Gefühl von Abgeschlagenheit gegen die kalte Tür in meinem Rücken. „Er heißt Keisuke Takada und ist der neue Chef meiner Mutter..“, hauchte ich nur zusammenhanglos und blickte dabei betrübt zu meinen Füßen hinunter. Im nächsten Moment fand ich mich in Reitas starken Armen wieder. Der Blonde streichelte leicht meine Seiten und hielt mich einfach nur fest, wofür ich ihm wirklich dankbar war. Ich brauchte seine Nähe jetzt mehr denn je. Schweigend legten wir uns in mein Bett und Reita nahm mich zwischen seine Beine, drückte mich fester an sich und spielte mit meinem Haar. Genau wie damals, als er das allererste Mal bei mir übernachtet hatte. Ihm war sicher bewusst, dass ich gerade nicht in der Verfassung war, ihm den Stand der Dinge zu erläutern, zumal ich selbst ja nicht einmal wirklich wusste, was nun Sache war, hatte ich immerhin dafür gesorgt, dass das Aufklärungsgespräch frühzeitig abgebrochen wurde. Und deshalb schwieg er auch. Ich seufzte tief, schmiegte meine Wange verschmust an seine Brust und verhakte unsere Finger ineinander, als er meine Hand ergriff, die ich bis eben noch von mir gestreckt hatte. „Soll ich heute bleiben?“, fragte er in die Stille hinein und ich überlegte kurz. Sicher würde meine Mutter mit mir reden wollen, nachdem Keisuke gegangen war. Aber ich wusste, dass ich ohne Reita an meiner Seite sicherlich nicht gefasst bleiben würde, wenn wir miteinander reden würden. Immerhin wusste ich ja nicht, was mich erwartete, und genau deswegen hatte ich ein wenig Angst vor dem kommenden Gespräch. Also bejahte ich mit kratziger Stimme und drückte sanft seine freie Hand, als er mir liebevoll durch den Schopf wuschelte, um mir zu verdeutlichen, dass er sich denken konnte, was gerade in mir vorging.
 

Ungefähr eine halbe Stunde lang lagen wir einfach nur gemeinsam im Bett und lauschten dem Herzschlag des jeweils anderen. Doch kurz darauf mischte sich mein Magenknurren dazu. Verdammt, ich hatte bis jetzt nichts gegessen und hatte Hunger! Reita lachte leise, als er diesen verräterischen Laut hörte, welcher soeben die ruhige und entspannte Atmosphäre zwischen uns zerstört hatte. Ich schob schmollend meine Unterlippe vor, quietschte aber leise auf, als Reita seine freie Hand in meine schwabbelige Trainingshose schob und mir durch meine Panty hindurch in meine linke Pobacke kniff. „Autsch!“, gab ich murrend von mir und bequemte mich dazu, mich von ihm runter zu rollen, als er, „Es ist halb neun. Lass uns runtergehen, damit du was essen kannst!“, sagte und sich dann erhob, sobald ich neben ihm lag. Ich folgte ihm ergeben nach draußen in den dunklen Flur. Während Reita unbeschwert die Treppen hinab ging, lauschte ich ins Haus hinein und vernahm keine auffälligen Geräusche. Also musste Keisuke schon gegangen sein. Irgendwie fand ich ihn so gar nicht sympathisch und wollte ihn am liebsten auch nie wieder hier sehen. Aber ich konnte mir denken, dass ich ihn von nun an öfter zu Gesicht kriegen würde, als mir lieb war. Oh Ma, wieso hattest du dir gerade so einen Kerl ausgesucht? „Sind dir kalte Instant-Nudeln lieb?“, riss mich Reitas schmunzelnde Stimme aus meinen Gedanken. Da ich vor mich hingeträumt hatte, hatte ich auch nicht bemerkt, wie ich die Küche betreten hatte. Ich drehte mich einmal im Kreis, um zu schauen, ob meine Mutter nicht doch im Wohnzimmer war. Aber das Licht dort war aus. Also nahm ich an, dass sie schon schlafen gegangen war. Ob das jetzt positiv oder negativ war, ließ ich einfach mal außer Acht.
 

„Ist mir recht. Hauptsache ich kriege endlich etwas zu essen. Ich merke nämlich, wie mein Magen sich selbst verdaut!“, sprach ich und legte mir mit einem verzerrten Gesichtsausdruck die Hand auf den Magen, als dieser laut zu brummeln begann. „Oho, ich hör’s!“, scherzte Reita lachend und schnappte sich wahllos zwei Paar Stäbchen aus einer der Schubladen, um mir das eine Paar in die Hand zu drücken und mich dann Richtung Küchentisch zu schieben. Ich setzte mich auf einen der gepolsterten Stühle und bedankte mich leise, als Reita mir die Pappschachtel mit den Nudeln überreichte. „Trinken?“, erkundigte er sich und drehte sich nickend zum Kühlschrank herum, als ich knapp, „Saft“, von mir gab und dann schon einmal anfing, große Mengen an kalt gewordenen Nudeln in mich zu stopfen. Dass ich gerade ziemlich verfressen wirkte, war mir egal und ich ignorierte es auch, als Reita anfing, mich wie immer mit meinem Essverhalten aufzuziehen. Das tat er gerne, wenn ich aß. Aber mir war bewusst, dass es dieses Mal dazu dienen sollte, mich aufzuheitern und auf andere Gedanken zu bringen und nicht, um mich zu verärgern. Unbeteiligt trank ich ein wenig von dem kalten Saft, welchen Reita mir gebracht hatte, und lehnte mich automatisch gegen ihn, als er seinen Stuhl näher an meinen rückte, um dicht bei mir zu sitzen. Auch er stocherte in der Pappschachtel herum, die vor ihm auf dem Tisch stand. Minuten, die mir wie gefühlte Stunden vorkamen, verstrichen, ohne dass einer von uns auch nur etwas sagte. Ich hasste es, wenn solch eine einengende Stille zwischen uns herrschte. Als wüsste Reita, dass mir die Situation missfiel, drehte er sich zu mir herum und öffnete den Mund. Doch genau da, als er etwas sagen wollte, dudelte plötzlich der ansteckende Opening-Song von Jujutsu Kaisen durch die große Küche und Reita kramte seufzend und augenrollend nach seinem Handy. Na, bei den ganzen Taschen wünschte ich ihm viel Spaß dabei.
 

Die Melodie wurde immer penetranter und ich merkte, wie bei mir schon langsam genervt die Gesichtsmuskeln zuckten, doch Gott sei Dank bekam er sein Handy endlich aus der engen Tasche, die sich unpraktischerweise knapp über seiner linken Kniescheibe befand, und ging räuspernd dran. Während ich die letzten paar Nudeln in mich schlang, lauschte ich dem kurzen Gespräch, welches Reita unüberhörbar mit seiner Mutter führte. „Ja Mom, es tut mir leid. Ja, das nächste Mal sag ich vorher Bescheid. Jetzt? Geht nicht, ich bin bei Kouyou. War ein Notfall. Wieso überhaupt um solch eine unmenschliche Uhrzeit? Anständige Leute schlafen doch schon längst. Hm, wenn’s nötig ist. Ja, nein! Ich sagte doch, ich bin bei Kou!“ Während Reita dagegen protestierte, anscheinend mit seinen Eltern irgendwo hinzufahren, wohin auch immer, musterte ich gierig die Pappschachtel vor Reitas Nase, die noch so gut wie unberührt war. Reita legte sich gerade die freie Hand auf die Augen und grunzte gereizt, was ich sofort ausnutzte und mich weiter zur Seite lehnte, um mir ein wenig Nudeln von ihm zu klauen, da ich keine mehr hatte. Ich war nun mal ab und an unersättlich und gerade jetzt war so ein Zeitpunkt, in dem ich am liebsten all meinen Frust und meine Verwirrtheit überfressen hätte. Der Blonde hatte trotzdem bemerkt, dass ich ihm etwas vom Essen stibitzt hatte, aber er lächelte mich nur an, noch immer mit dem Handy am Ohr und diesem müden Ausdruck in den Augen, und streichelte leicht meine Wange, während ich verlegen dreinschauend weiterkaute. „Ist ja gut, Mom. Ich habe es mir zur Kenntnis genommen. Wenn du jetzt bitte so gütig wärst und- Hallo?! Ey! Bah, das gibt’s doch nicht. Da legt die Alte einfach auf! Und so etwas schimpft sich Mutter!“, entrüstete er sich kopfschüttelnd, was mich beinahe dazu brachte, mich an den Nudeln zu verschlucken, da ich geprustet hatte.
 

Er legte sein Handy auf den Tisch und schob mir dann sein Essen zu, was mich noch etwas verlegener machte. „Du hast doch sicher auch Hunger“, protestierte ich kleinlaut, die Schachtel wieder zu ihm rüberschiebend, doch er verneinte nur und sagte, „Iss ruhig. Ich nehm’ mir etwas anderes!“ Und somit stand er auf, um sich wahllos ein Nutellabrot zu schmieren. Wieso sich dieses Zeug in unserer Küche befand, obwohl meine Mutter und ich noch immer nicht der Fan von Süßigkeiten waren, fragt ihr euch? Ganz einfach, weil Reita Süßes liebte. Er setzte sich wieder zu mir und animierte mich zum Weiteressen, indem er mir die Stäbchen aus der Hand nahm und mich fütterte. Ich schüttelte ihn jedoch gleich wieder ab, ergatterte meine Stäbchen zurück und fragte ihn, was seine Mutter gewollt hatte. Ja, ich war halt neugierig. Außerdem wollte ich nicht, dass wir uns wieder anschwiegen. Immerhin gab es dafür keinen Grund. „Na ja, erst hat sie mich angemeckert, weil ich einfach aus dem Haus gerannt bin, ohne sie vorher darüber zu informieren“, sprach er und biss sogleich in sein Brot, kaute dann genüsslich und hob eine Hand, um mir zu verdeutlichen, dass ich warten sollte, weil ich wissen wollte, wieso er seiner Mutter nicht Bescheid gesagt hatte. Er schluckte seinen Bissen runter, sah mich dann an und erklärte, „Nachdem ich deine knappe Nachricht erhalten habe, dachte ich mir, dass etwas nicht stimmt. Deswegen habe ich mir schnell etwas übergezogen und bin überstürzt aus dem Haus gelaufen“, was mich verliebt quietschen ließ. “Du bist so süß“, hauchte ich leise, sein Brummeln ignorierend, da ich ihn als süß bezeichnet hatte, und fügte noch, „Und hast Nutella am Mundwinkel!“, hinzu und wischte sogleich mit einem Finger darüber. Er wiegte seinen Kopf danach nur hin und her und nahm noch einen Bissen, ließ mich somit noch etwas warten. „Und dann hat sie gesagt-“, schmatzte er später weiter und grinste extra breit, als er merkte, dass ich angeekelt das Gesicht verzog, „dass sie zu meiner Tante fahren wollen und ich mitkommen soll. Frag mich aber nicht wieso, ich habe selbst keinen blassen Schimmer! Ich meine, um die Uhrzeit?!“ Ich nickte nur und presste sogleich die Lippen aufeinander. „Könntest du bitte runterschlucken, bevor du redest?“, bat ich ihn angeekelt und gab ein, „Ihhh!“, von mir, als er mir glucksend den Inhalt in seinem Mund präsentierte. Wie ein verspieltes Kleinkind, also wirklich.
 

Ich bediente mich an den restlichen Nudeln und bemerkte dabei, dass mich Reita eingehend musterte. Als er fertig gegessen hatte, erhob er sich, um seinen Teller wegzuräumen. Sobald ich ebenfalls mit Essen fertig war, bedankte ich mich bei ihm, da er den Abfall wegbrachte. Und als er wieder neben mir saß, hakte ich mich bei ihm ein und bettete meinen Kopf auf seine Schulter. Er streichelte mir leicht über den Kopf und meine Befürchtungen traten ein, als er mich fragte, was genau los gewesen war, dass ich ihn zu mir gebeten hatte. „Also, ich-“, fing ich an, hob meinen Kopf dann wieder und löste mich von ihm. „Lass uns erst hoch gehen, ja?“, bat ich, nebenbei nervös an meinen Fingern spielend, damit ich noch ein wenig Zeit gewinnen konnte. Ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte. Würde er es kindisch finden, wenn er den Grund dafür erfahren würde? Reita erhob sich nur und nahm mich bei der Hand, um mich hinter sich her aus der Küche zu leiten. Seine Rückansicht betrachtend folgte ich ihm und verspürte plötzlich den Drang, von ihm huckepack genommen zu werden. „Ähm.. Rei?“, hauchte ich fragend und er machte, „Hm?“ Ich leckte mir flüchtig über die Lippen, da diese unangenehm trocken waren, und fragte dann nuschelnd, „Nimmst du mich huckepack?“ Es mochte ja sein, dass das jetzt kindisch rüberkam, aber ich wollte es gerade so. Leise lachend drehte er sich zu mir herum und gab dann, „Klar, komm her!“, von sich. Im nächsten Moment drehte er sich wieder nach vorne und ging leicht in die Knie, damit ich mich von hinten auf ihn werfen konnte. Sofort kuschelte ich mich an ihn und vergrub mein Gesicht in seinen etwas längeren Nackenhaaren, während er mich die Treppen hinauftrug.
 

Sobald wir wieder im Zimmer waren, ging ich direkt auf mein Bett zu und legte mich darauf. Reita folgte mir, nachdem er die Tür abgeschlossen hatte, und setzte sich neben mich, und ich bettete meinen Kopf auf seinen Schoß und konnte somit zu ihm hochsehen. “Also?“, wollte er leise wissen und spielte dabei an meinem Haar. „Versprich mir, dass du nicht lachst“, bat ich leise und ließ die Lider leicht sinken, da es sich viel zu gut anfühlte, als Reita meine Wange zu streicheln begann. „Werde ich nicht, versprochen“, versicherte er mir und lauschte dann. Ich atmete leise ein und aus und öffnete leicht den Mund, merkte, wie Reita angespannt die Ohren spitzte. „Weißt du, heute Morgen bin ich mit einem guten Gefühl aufgewacht und bin zur Arbeit gefahren. Und beim Frühstück hat mir meine Mutter noch gesagt, dass sie früher nach Hause kommen würde, was mich noch einmal mehr gefreut hat. Du weißt, immerhin schiebt sie seit Ewigkeiten Extraschichten“, redete ich leise und fuhr fort, als er nickte. „Ich bin deswegen auch extra etwas früher raus, damit ich vor ihr da bin, was auch der Fall gewesen ist. Aber sie ist nicht allein angekommen, wie du bemerkt hast. Ok, an sich war das ja nicht so schlimm, na ja, irgendwie schon-“, druckste ich unbeholfen und schob weinerlich die Unterlippe vor, als Reita leise lachend in meine Wange kniff, weil er meine Unsicherheit anscheinend als lustig befand. „Weiter!“, stachelte er mich an und ich gewährte ihm den Wunsch. „Er hat sich mir vorgestellt. Ich fand ihn richtig unausstehlich, aber irgendwie auch wieder nicht. Meine Gefühle waren in dem Moment völlig widersprüchlich, weißt du?“ Der Blonde nickte nur und überlegte kurz, als ich ihn zusammenhanglos, „Weißt du noch, als ich dir davon erzählt habe, dass der alte Chef meiner Mutter in der Agentur aufgehört hat und meine Mutter deswegen ziemlich angeknackst gewesen war, weil sie den Alten doch so gemocht hatte?“, fragte. „Das war ungefähr vor einem halben Jahr, wenn ich mich recht entsinne“, erinnerte er sich und seine Augen weiteten sich ungläubig, als ich mit einem leichten Knurren, „Schon seit dem dieser Typ ihr neuer Chef geworden ist, ist sie mit ihm zusammen!“, hervorpresste.
 

„So lange schon?“, fragte er fassungslos und schien nicht minder geschockt. Ich nickte nur betreten und verflocht unsere Finger ineinander, als er nach meiner rechten Hand griff, um sie mit seiner zu umschließen. „Wieso hat sie dir das erst heute gesagt?“, überlegte er leise, hatte die Frage eigentlich nur sich selbst gestellt, und seine Brauen hoben sich, als ich herablassend, „Sie hätte es mir nicht einmal heute gesagt, wenn Mr. Perfect nicht gewesen wäre. Sie hat mir gesagt, dass es seine Idee gewesen war, es mir “auf schonende Art“ beizubringen!“, schnarrte und verachtend schnaubte. Gerade jetzt stieg erneute Wut in mir auf. Sie hatte es nicht von sich aus gemacht, nein. Dieser Typ hatte es ihr eingeredet! Reaktion hin oder her, sie hätte es mir von selbst sagen müssen. Ich erzählte ihr doch auch alles, das war sie mir also schuldig! „Das passt gar nicht zu Nami. Wie hat sie sich gerechtfertigt?“, wollte er wissen und kräuselte die verdeckte Nase, als ich, „Sie meinte, sie hätte Angst vor meiner Reaktion gehabt“, aussagte und meine freie Hand zur Faust ballte. „Na ja, irgendwie ist es wiederum verständlich. Aber sei doch froh, Baby. Jetzt weißt du wenigstens, was los ist“, versuchte er mich aufzubauen, doch half dies nicht wirklich und seine Gesichtszüge wurden starr, als ich einfach das Thema wechselte und mit aufkommenden Tränen, „Keisuke hat gesagt, dass ich ihn nicht bei seinem Nachnamen anreden muss, weil man seinen Vater so nicht anspricht!“, druckste und schnell die Augen zukniff, damit mir keine Tränen entkamen. „Was hat er?!“, war Reitas laute, rhetorische Frage, die mich schluchzen und zugleich schlucken ließ. Ich drehte mich auf die Seite, sodass ich mein Gesicht an seinen Bauch schmiegen konnte. „Ist der Kerl noch ganz?! So etwas kann er doch nicht einfach so raushauen!“, erbost sich Reita, hielt mich aber fest und drückte mich weiter an sich. „Seine genauen Worte waren “Lass das Takada-san weg. Immerhin spricht man seinen zukünftigen Vater ja anders an“, flüsterte ich, um das Zittern in meiner Stimme zu verbergen. Ja, ich war nun mal nah am Wasser gebaut. Gott, ich fühlte mich einfach nur mies.
 

„Hey, nicht weinen“, nuschelte der Ältere hilflos und drehte mein Gesicht auf seinem Schoß wieder zu sich, damit er mich angucken konnte. „Ich mag es nicht, wenn du weinst. Das weißt du“, flüsterte er mit einem traurigen Gesichtsausdruck und legte seine Arme um meinen Körper, um mich in eine sitzende Position aufzuziehen. Ich nickte nur stumm, während ich mich an Reita schmiegte und meine Arme um seine Schultern legte. Ich war ihm wirklich sehr dankbar, dass er mich gerade festhielt und einfach nur bei mir war. „Du sagtest, ich soll dich nicht auslachen. Wieso hätte ich das überhaupt tun sollen?“, fragte er nahe an meinem Ohr, gab mir einen leichten Kuss auf die Wange und schüttelte stumm den Kopf, als ich kurz die Nase hochzog und dann wimmernd, „Weil, ich weiß nicht, vielleicht denkst du ja, dass ich kindisch reagiert habe oder so..“, von mir gab. „Niemals. Außerdem ist deine Reaktion völlig berechtigt. Ich denke, ich werd’ den Kerl ein wenig bearbeiten müssen!“, murrte Reita, mich fester an sich pressend, und brachte mich somit leise zum Lachen. „Lieber nicht..“, hauchte ich und atmete Reitas angenehmen Duft tief ein, was mich wieder ein wenig zur Ruhe kommen ließ. Wie konnte ein einziger Mensch so eine beruhigende Wirkung auf mich haben? „Am besten ist, du gehst jetzt ins Bad, wäschst dir das Gesicht und kommst wieder zurück, um dich schlafen zu legen!“, schlug Reita vor und schob mich leicht von sich, erhob sich dann und führte mich rüber ins Bad. Ich gehorchte ohne zu widersprechen und tat genau das, was Reita eben noch gesagt hatte. Bevor ich wieder ins Zimmer ging, putzte ich mir die Zähne und wusch mir das Gesicht. Mit einem Seufzen erkannte ich im Spiegel, dass meine Augen leicht gerötet waren, obwohl ich eigentlich nicht so viel geweint hatte. Na ja, was soll’s. Als ich wieder ins Zimmer trat, saß Reita an meinem Rechner und drehte sich auf dem Stuhl zu mir herum. „Ich darf doch kurz?“, war seine überflüssige Frage, die mich nicken ließ. Mir war gerade alles egal, denn ich fühlte mich plötzlich ziemlich müde. Ich fragte gar nicht erst, was er denn machte, sondern zog mich bis auf die Unterwäsche aus und legte mich ins Bett. Mit Reita neben mir würde mir sowieso nicht kalt werden, also von daher. Er würde mich schon noch wärmen.
 

Ich hatte in der Nacht ziemlich unruhig geschlafen und hatte Reita immer wieder ungewollt und brutal geweckt, indem ich ihn entweder hart getreten oder ihm meine Faust ins Gesicht gerammt hatte. Aber es war wirklich nicht absichtlich gewesen. Was ich geträumt hatte, wusste ich nicht mehr. Ich hatte mich nicht daran erinnern können. Gegen acht wachte ich auf und war froh darüber, dass ich heute nicht arbeiten musste. Reita musste es anscheinend auch nicht, denn er schlief noch immer seelenruhig. Irgendwie tat er mir leid, wenn ich ihn mir so ansah. Ich setzte mich richtig auf und blickte dann erneut neben mich. Der Blonde hatte sich zu einer kleinen Kugel zusammengerollt, sich mit dem Rücken zu mir gedreht und fiel auf der anderen Seite schon fast aus dem Bett. War aber auch verständlich, wenn ich ihn im Schlaf schlug. Ich erhob mich so leise wie möglich und ging gähnend rüber ins Bad, um mich zu duschen. Als ich gerade dabei war, mich aus meiner Unterwäsche zu schälen, ging plötzlich die Tür auf und mein verschlafen dreinschauender Schatz lugte schielend herein, grinste aber augenblicklich verschmitzt, gähnte dann jedoch und trat ebenfalls ein. „Lass uns gemeinsam duschen..“, nuschelte er mir mit tiefer, kratziger Stimme ins Ohr, zog mir das letzte Stück Stoff selbst von den Beinen und befreite sich dann auch aus seiner Boxershorts. Nach langer Zeit stiegen wir mal wieder gemeinsam unter die Dusche und ich musste zugeben, dass ich es vermisst hatte, mich so von ihm unter dem Wasser verwöhnen zu lassen. Wir duschten ausgiebig und verließen gemeinsam das Bad, nachdem wir uns dort schnell fertig gemacht hatten. Es war noch still im Haus, also schloss ich daraus, dass meine Mutter noch immer schlief, was eigentlich nie vorkam. Um diese Uhrzeit war sie schon längst wach und machte sich für die Arbeit fertig. Beim genaueren Überlegen fiel mir ein, dass sie heute ebenfalls frei hatte. Aber trotzdem.. Selbst in ihrer freien Zeit saß sie schon morgens in der Küche und trank ihren Kaffee.
 

„Ich werde hiernach erst mal wieder nach Hause und mich auf ’ne Predigt von meiner Mom gefasst machen“, sagte Reita, der gerade im Kühlschrank herumkramte, weil er den Tisch für uns beide decken wollte. „Was meinst du damit?“, hinterfragte ich, da ich mir nicht denken konnte, wieso Reitas Mutter ihn wieder zurechtweisen sollte. Immerhin hatte er ja nichts angestellt. „Na, weil ich heute eigentlich zur Arbeit gemusst hätte!“, grinste er mich knapp über die Schulter hinweg an und stieg dann beinahe in den Kühlschrank und bot mir somit einen lustigen Anblick. „Du sollst dich doch nicht vor der Arbeit drücken, Rei! Geh da weg, ich mach das schon“, meinte ich und zog ihn an dem Kragen seines weiten T-Shirts zurück, um selber nach den benötigten Sachen zu suchen. Sobald der Tisch fertig gedeckt war, setzten wir uns, wobei Reita mich auf seinen Schoß nahm und mich während des Essens immer wieder fest umarmte. „Sprichst du heute mit ihr darüber?“, hinterfragte er nach einer kurzen Zeit des Schweigens - wir hatten nur einige Witze gerissen, damit es nicht so still war und ich nicht so betreten vor mich hin schaute - und biss in den Marmeladetoast, welchen ich ihm hinhielt. Ich biss danach ebenfalls ab und kaute nachdenklich. Natürlich würde ich heute mit ihr reden. Noch einmal würde ich mich sicher nicht davor drücken können. Immerhin lebten wir unter einem Dach, und solche Dinge durfte man nicht unausgesprochen lassen. „Ja, werde ich!“, antwortete ich also und wir richteten beide unsere Blicke in Richtung Flur, weil leise Schritte zu hören waren. Im nächsten Augenblick erschien meine Mutter verschlafen in der Tür und starrte uns beide wie eine Erscheinung an, als sie uns bemerkte. „Guten Morgen!“, rettete Reita die Situation sofort, entließ mich aber nicht, als ich versuchte, von seinem Schoß herunterzuklettern. Meine Mutter sah zuerst unbeholfen drein, lächelte dann aber zögerlich und wünschte uns ebenfalls einen guten Morgen. „Willst du dir die Beine in den Bauch stehen? Setz dich zu uns!“, machte Reita meine Mutter auf ihre Starre aufmerksam und schob mich letztendlich von seinem Schoß runter, um sich selbst zu erheben und meiner Mutter Besteck rauszukramen.
 

Sie ergab sich mit hängenden Schultern und betrat die Küche vollends. Irgendwie konnte ich mir denken, dass sie lieber allein frühstücken würde und nicht bei uns sein wollte. Ich merkte, wie sie es sich verkniff, mich anzusehen. Sie setzte sich auf den Stuhl neben mir, schaute aber nicht auf. Doch als ich sie einfach umarmte, weil ich es nicht ertragen konnte, wenn wir uns so verhielten, seufzte sie sofort erleichtert auf und legte ihre Arme um meinen Hals, um mich näher zu sich zu ziehen. Reita, der gerade nach einem Teller kramte, besah sich die Situation und lächelte knapp, ehe er den Teller rüberbrachte und dann sanft, „Ich werd’ jetzt erst mal nach Hause. Bis später, ihr beiden!“, sagte, was mich zum Aufsehen brachte. Ich wollte gerade etwas erwidern, aber er legte sich nur einen Finger auf die Lippen, zwinkerte mir dann zu und verließ sogleich das Haus. So.. Dann war es jetzt also an der Zeit, ein klärendes Gespräch mit meiner Mutter zu führen. Ohne diesen Keisuke. Würde schon schief gehen, hm? „Ma..“, fing ich unsicher an, wurde von ihr jedoch dazu gebracht, zu schweigen, indem sie mir ins Wort fiel. „Es tut mir wirklich leid, Kouyou. Er hätte so etwas nicht sagen dürfen. Es war einfach nur respektlos von ihm dir gegenüber. Das war alles meine Schuld, dass das so kam. Ich wollte doch nur, dass ihr beide euch kennen und mögen lernt, verstehst du?“, sprach sie leise und ich registrierte, dass ihre Augen wieder zu glänzen anfingen. Bitte, alles nur nicht das! Schnell zog ich sie wieder in eine Umarmung und küsste sie auf den Schopf, was sie dazu antrieb, sich enger an mich zu schmiegen. „Mir tut es leid, dass ich so reagiert habe. Ich hab ein wenig übertrieben“, entschuldigte ich mich, doch entgegnete sie mir genau dasselbe, was Reita gestern gesagt hatte. „Du hattest ein Recht darauf, so zu reagieren. Immerhin war das, was er gesagt hat, wirklich-“ „Ich weiß, ich weiß!“, unterbrach ich meine Mutter mit einem leichten Lächeln und war froh darüber, dass sie ebenfalls lächelte. Ich wollte nicht, dass sie das noch einmal aussprach, schallten die Worte doch seit gestern immer wieder wie ein böser Fluch in meinen Ohren wider. „Wie wär’s, wenn wir erst einmal zu ende frühstücken und du mir später ein wenig von ihm erzählst?“, schlug ich vor und seufzte innerlich, als sie eifrig nickte und anfing, sich ein Brot zu schmieren. Auf in den Kampf!
 

Ich bemerkte, wie sie das Gespräch hinauszögerte, indem sie beinahe wie in Zeitlupe kaute und sich auch langsamer bewegte als sonst. Doch als ich sie darauf hinwies, dass sie schneller machen sollte – ich war schon längst fertig mit essen – nickte sie hastig und beeilte sich dann doch. Sobald sie fertig war, räumten wir zusammen den Tisch ab und ich nahm sie sofort bei der Hand, um sie ins Wohnzimmer rüber zu ziehen, damit wir dort reden konnten. War immerhin gemütlicher. „Also dann, Ma“, gab ich von mir und musste irgendwie lächeln, weil sie gerade wie ein verliebtes, unsicheres Schulmädchen wirkte. Der einzige Unterschied war, dass sie weitaus älter war. Sie zwirbelte den Bindegürtel ihres orangenen Morgenmantels unsicher zwischen ihren Fingern hin und her und sah dabei auf das Sofa, auf dem wir saßen, anstatt in mein Gesicht. „Ma!“, weckte ich sie aus ihrer Träumerei und sie zuckte zusammen und stierte mich mit halb geöffnetem Mund an. Wie schon so oft merkte ich, dass wir beide dieselben Lippen hatten. Diese Ähnlichkeit war einfach erstaunlich. „Ja, also, wo soll ich anfangen?“, druckste sie und lachte nervös auf. Sie fuhr sich mit gespreizten Fingern durchs rabenschwarze Haar und biss sich auf die Unterlippe. Ich entschied, den Anfang zu machen und sie zu fragen, wie alt der Typ überhaupt war. Als sie mir das Alter nach einigem Hin und Her aber nannte, klappte mir die Kinnlade runter und ich war drauf und dran, aufzuspringen. „Ma! Der könnte ja mein älterer Bruder sein!“, entrüstete ich mich und sprang auch nicht auf ihre Beruhigungsversuche ein. 29! Der Typ war 29! „SO ein Altersunterschied!“, rief ich und riss dabei die Arme zur Veranschaulichung weit auseinander. „Schatz, bitte, setz dich“, redete sie auf mich ein und zog mich an meinem Oberteil näher zu sich. Sobald ich aufhörte, herumzukeifen, nuschelte sie mit gesenktem Kopf, „Das sind doch nur zehn Jahre Unterschied..“ „Nur?!“, rief ich ungläubig und sprang dann doch vom Sofa. „Nur?! Mama, du hast doch einen weg! Der Typ ist doch viel zu jung für dich!“, blaffte ich laut und mir wurde erst dann klar, was ich gesagt hatte, als ich es schon längst ausgesprochen hatte.
 

„Junger Mann, ich höre wohl nicht richtig! Ich bin immer noch deine Mutter. Und meines Wissens nach redet man nicht so mit seiner Mutter, hast du gehört?“, schimpfte sie mit zusammengezogenen Brauen und wirkte plötzlich ziemlich einschüchternd. Sie war zwar klein, aber wenn sie so schaute, bekam ich wirklich Angst vor ihr. „Und außerdem verliert niemand auch nur ein Wort darüber, wenn der Mann zehn Jahre älter ist als seine Partnerin, also bitte!“ „Entschuldige, so war das definitiv nicht gemeint“, murmelte ich reuleidig und nahm beschwichtigend ihre Hände in meine. Sie lächelte sofort wieder und neigte dabei den Kopf leicht zur Seite. Anscheinend litt sie jetzt auch noch unter Stimmungsschwankungen. Lag das an den Wechseljahren oder so? „Als ich damals erfahren habe, dass ich einen neuen, jüngeren Chef zugeteilt bekomme, wollte ich das alles nicht wahrhaben und dachte mir sofort “Oh nein, bitte! Das ist sicher ein totaler Schnösel!“ Immerhin hatte ich mehrere Jahre mit meinem alten Chef zusammengearbeitet und er war immer sehr liebenswürdig und fair zu uns allen gewesen. Zumal das Wissen unseres alten Chefs unermesslich und für uns nicht wegzudenken war. Deswegen wollte ich auch keinen anderen akzeptieren. Aber dann, als ich den Neuen am nächsten Tag gesehen und auch etwas besser kennengelernt hatte, dachte ich mir nur Wow!“, fing sie einfach an und blickte dabei äußerst träumerisch durch das große Zimmer. Ich schluckte leicht und verkniff mir jeglichen Kommentar. Dass sie diesen träumerischen Ausdruck nur deswegen aufsetzte, weil sie an jemand anderes dachte, gefiel mir wirklich nicht. Aber unterbrechen wollte ich sie jetzt immerhin auch nicht, da sie schon zu erzählen angefangen hatte. Also konnte sie es ja auch gleich zu Ende bringen und ich hätte somit einige Informationen über seine Person, nicht? „Zuerst verlief alles recht normal. Er erwies sich schnell als sehr guter Chef, hatte sogar erstaunlich gutes Wissen über unsere Agentur gesammelt, und dies innerhalb nur weniger Tage. Zudem hatte er gleich in der ersten Woche einen Riesendeal mit einer bekannten Modemarke ausgehandelt. Wir waren alle sofort hin und weg. Und dann-“ Sie stockte kurz und ich rollte mit den Augen, da sie leise kicherte und dabei leicht auf ihrem Platz hin- und her wippte. War das gerade wirklich meine 39 Jahre alte Mutter? Schien mir eher wie ein kleines, verliebtes Schulmädchen. „Ich hatte eine Akte zu ihm ins Büro bringen müssen, und als ich dann da gewesen bin, hat er mich noch ein wenig bei sich behalten, um sich mit mir zu unterhalten. Es war recht amüsant gewesen, muss ich zugeben. Er hat so einen tollen Charakter und behandelt jeden sehr gut und respektvoll. Noch an diesem Tag haben wir uns verabredet. Er hatte damals gesagt, er wolle mich näher kennenlernen, indem er mich zum Essen einlädt!“, plapperte sie mit leicht geröteten Wangen und ich hob sofort meine Hände und presste, „Die Details kannst du ja für dich behalten!“, aus mir, was sie die Unterlippe vorschieben ließ.
 

„Es ist nichts passiert, du Dummerchen. Ich bin doch kein Teenager mehr, der seine Hormone nicht unter Kontrolle hat. Und Kei genauso wenig!“, entrüstete sie sich und schlug mir mit einem empörten Gesichtsausdruck gegen den Oberarm, als ich augenrollend, „Oh bitte, wer’s glaubt wird selig. Das ist ein Typ. Und Typen haben immer dreckige Hintergedanken, ob nun jung oder alt! Ich muss es wissen, ich bin immerhin auch einer!“, schnaubte und mir gleich darauf mosernd über den Oberarm rieb. „Hör auf zu spinnen und tu nicht so, als würdest du deine eigene Mutter nicht kennen!“, meckerte sie und ihre Gesichtszüge wurden sofort schlaffer, als ich unbewusst und flüsternd, „In mancher Hinsicht ist es so, dass ich dich nicht richtig kenne. Ich habe eigentlich immer gedacht, dass ich alles über dich weiß, aber dem ist offensichtlich nicht so“, von mir gab, dann aber die Augen weitete und direkt in ihre sah. „Ich-“, fing ich hilfesuchend an und legte unsicher meine Arme um ihren Oberkörper, da sie sich schnell an mich geworfen und, „Es tut mir wirklich leid!“, gewispert hatte. Ich streichelte immer wieder leicht über ihren Rücken hinweg und versicherte ihr leise, dass es in Ordnung war. Sie hatte ja keine Schuld. „Ich habe mich innerhalb kurzer Zeit in ihn verliebt und hätte es dir am liebsten sofort gesagt“, flüsterte sie jetzt weiter und ein leichter Schüttelanfall durchzog meinen Körper, weil ihre Lippen ziemlich nahe an meinem Ohr waren und mich kitzelten. Sie zog sich leicht zurück, um mir einen entschuldigenden Kuss auf die Wange zu hauchen, und umarmte mich dann wieder fest. Und dann fuhr sie fort. „Aber dann wurde mir klar, dass das nicht so leicht geht. Ich habe mich einfach nicht getraut, es dir ins Gesicht zu sagen. Mir selbst war es ja auch irgendwie zu früh gewesen, all diese Gefühle und Empfindungen plötzlich für jemanden ganz anderen zu haben. Ich hatte mich anfangs sogar geschämt und hatte richtig schlimme Schuldgefühle, als würde ich deinen.. deinen Vater betrügen. Ändern kann ich es jetzt aber auch nicht mehr..“
 

Bei ihren Worten wurde mir immer komischer. Ich wusste, worauf sie anzuspielen versuchte. Ob drei Jahre nun viel zu kurz waren, um sich neu zu verlieben, wusste ich nicht. Einerseits dachte ich mir, dass es wirklich zu schnell ging. Aber anders betrachtet war es dann doch wieder eine verdammt lange Zeit. Wisst ihr was ich meinte? Ah, schon gut. Als sie erneut zu reden begann, merkte ich, wie sich Tränen in meinen Augenwinkeln bildeten und ich alles um mich herum nur noch schwummrig wahrnehmen konnte. „Dein Vater hatte immer gewollt, dass ich.. dass wir glücklich sind. Und ich bin sehr, sehr glücklich. Also kann das, was ich mache, doch nicht falsch sein, oder Schatz?“ Eifrig schüttelte ich den Kopf und unterdrückte ein Schluchzen. Ich wollte nicht schon wieder weinen! Herrgott noch mal, musste ich auch so weinerlich sein?! „Nein, ist es nicht“, sprach ich versucht ruhig und lächelte ehrlich, als sie sich komplett von mir löste, um mich anzusehen. „Schatz, ich weiß, dass du ihn nicht als deinen Vater akzeptieren kannst. Das würde ich auch niemals von dir verlangen, hat immerhin nur dieser eine besondere Mensch für immer diesen Platz in deinem Herzen, aber.. Wenn es denn mal soweit kommen sollte, dann wirst du ihn doch wenigstens als ein Familienmitglied akzeptieren können, oder?“, fragte sie mit weinerlicher Stimme und ich konnte hören, wie etwas in mir in tausende Einzelteile zersplitterte. Also würde es wirklich so weit kommen, dass die beiden.. Ich sollte nicht so egoistisch sein! Ich wollte einfach nur, dass sie bedingungslos glücklich war. Und wenn Keisuke diese Person war, die sie glücklich machen konnte, dann würde ich ihn auch akzeptieren, das stand fest. Nicht als meinen Vater, aber immerhin als einen Teil der Familie. Ich verstand mich selbst nicht. Ich war es doch immer gewesen, der sich einen Mann an der Seite meiner Mutter gewünscht hatte, der auf sie aufpasste und ihr die Liebe gab, die sie verdiente. Und jetzt, wo sie anscheinend jemanden gefunden hatte, spielte ich mich so auf. Eigentlich.. war ich doch an allem schuld. Nur wegen mir war es so weit gekommen, dass meine Mutter vor Jahren ihren geliebten Ehemann verloren hatte. Wenn ich nicht geboren wäre, würde mein Vater noch immer glücklich mit meiner Mutter zusammenleben, nicht von ihrer Seite weichen und würde immer für sie da sein. Das alles war nur wegen mir passiert.. Wegen meinem Geburtstag und einem blöden Geschenk, was ich mir gewünscht hatte. Gott, ich hasste mich und meine Gedanken.
 

Ich unterdrückte meine Tränen nicht, sondern ließ sie einfach frei und schluchzte dabei leise, was meine Mutter anscheinend ziemlich irritierte. Mit geweiteten Augen, die von Sorge erfüllt waren, sah sie mich an und nahm mein Gesicht in ihre warmen Hände, um Augenkontakt mit mir zu erzwingen. „Kou, Schatz, was ist los?!“, fragte sie und wirkte plötzlich panisch, da ich einfach nicht aufhören konnte, hektisch zu schluchzen. Wie oft war mir schon klar geworden, dass ich der einzige Schuldenträger an der Situation meiner Mutter war? Nur ich allein war der Grund, weshalb sie einsam war. Und genau diese Tatsache konnte niemand leugnen. Ich schüttelte nur den Kopf, um sie zu beruhigen, doch zog dies nicht bei ihr und sie löcherte mich ununterbrochen mit Fragen, die bei mir zwar in einem Ohr rein gingen, aus dem anderen jedoch nur wieder herauskamen. Ich musste mich jetzt einfach ausweinen. All diese aufgestauten Emotionen waren zu viel für mich. Wie lange ich dort saß, an meine Mutter geschmiegt und leise weinend, weil meine verdrängten Gedanken mich wieder einmal eingeholt hatten, wusste ich nicht. Aber es tat gut zu wissen, dass meine Mutter mich trotz alledem liebte und mich niemals allein lassen würde. Eigentlich hatte ich all diese Liebe nicht verdient.
 

„Wie jetzt? Hat er dich denn nicht angerufen?“ Es waren einige Stunden vergangen, seit ich mich wieder beruhigt hatte. Lustlos saß ich zusammengesunken auf meinem Sofa und sah unbeteiligt zu Reita auf, der sich zurecht gemacht hatte und mich dazu aufforderte, mich zu erheben und mich angemessen anzuziehen. Er war vor zehn Minuten hier aufgekreuzt und versuchte jetzt schon seit dem, mich zum Anziehen zu animieren. „Keine Ahnung. Mein Handy ist aus und auf dem Festnetz hat er auch nicht angerufen“, teilte ich ihm müde mit und legte meinen Kopf zurück. Vom Weinen wurde ich wirklich sehr schnell müde. Der Blonde kratzte sich leicht überfordert am Hinterkopf und umrundete dann das Sofa, um sich neben mich plumpsen zu lassen. „Hey.. Du weißt doch, dass Aoi und Toshiya sich freuen, wenn wir sie besuchen. Also los, sei mal nicht so miesepetrig. Außerdem wird es dir sicher guttun, wenn du bei ihnen bist!“ Nein, Reita wusste nicht, wie das Gespräch zwischen meiner Mutter und mir verlaufen war. Sicher, ich würde es ihm erzählen, aber nicht jetzt. Denn ich hatte keine Lust, schon wieder in Tränen auszubrechen. Gott, ich war zwar schwul, aber keine mosernde Heulsuse! Oder doch? „Rei, ich fühl mich wirklich nicht gut“, murmelte ich meinen Einwand, den Reita jedoch gespielt überhörte. „Kai wird auch da sein!“, wippte er nur grinsend mit den fein geschwungenen Brauen und brachte mich somit dazu, ihn anzusehen. „Sadistisches Schwein“, seufzte ich ergeben und erhob mich letztendlich, um mir das Gesicht zu waschen, damit ich etwas frischer wirkte. Kai zu sehen würde mir sicher guttun. Immerhin hatte er mich damals auch immer mit Leichtigkeit aus solchen Launen herauszerren können. Reita rief mir nur, „Aber für Sie doch immer, der Herr!“, hinterher und wartete, bis ich fertig war. Meine Mutter verabschiedete uns an der Haustür und schenkte mir vorher noch einen vielsagenden Blick, woraufhin ich nur geknickt lächelnd den Kopf senken konnte.
 

Zufälligerweise herrschte heute nicht so viel Verkehr. Vielleicht lag es aber auch nur an der Uhrzeit, da die meisten Arbeitnehmer gerade jetzt noch in ihren Büros saßen und sich einen abschufteten. Reitas Fahrstil ließ wie immer zu wünschen übrig, aber diesmal blieb ich still und beklagte mich nicht. Das brachte mir immerhin so oder so nichts. Als wir endlich vor dem hohen Gebäude parkten, stieg ich aus und wartete auf Reita, der seinen Wagen abschloss und mich dann an der Hand nahm. Ein Blick zur Seite zeigte mir, dass anscheinend auch Kai und Ruki da waren, denn immerhin stand Rukis kleiner Honda etwas weiter weg. Nur zur Aufklärung, Kai hatte keinen Führerschein und missbrauchte somit Ruki als seinen eigenen Chauffeur. Bei dem Gedanken, dass ich die anderen gleich wieder sehen würde, musste ich irgendwie lächeln, was Reita natürlich nicht entging. Als Zeichen dafür, dass er meinen Ausdruck registriert hatte, drückte er leicht meine Hand, schwieg jedoch weiterhin. Selbst im Fahrstuhl sagten wir beide nichts und warteten geduldig, bis wir im zehnten Stock angekommen waren. Hand in Hand und dicht nebeneinander hergehend trotteten wir auf die Tür zu, und ehe Reita zweimal geklopft hatte, flog die Tür auch schon auf und ein breit strahlender Toshiya stand vor uns, um uns auch sofort zu umarmen. „Schön, dass ihr da seid. Kommt rein!“, rief er freudig und zog uns beide ins Innere des hübschen Appartements. Ich entledigte mich meiner Schuhe und meiner Jacke, was Reita mir gleichtat, nachdem er sich von Toshiya befreit hatte, und bekam dann Augen wie Untertassen, als Aoi aus dem Wohnzimmer gehüpft kam, mit einem kleinen Kind im Arm, welches sicher nicht älter als zwei war. „Hä?“, machte ich nur überaus intelligent und wurde sowohl von Aoi, als auch Toshiya ausgelacht. Der Jüngere von beiden erklärte mir, dass das die kleine Tochter seiner Schwester war und er sich bereiterklärt hatte, heute auf diese aufzupassen, weil die Mutter einen wichtigen Termin hatte.
 

„Ach, die Tochter deiner Schwester also?“, wiederholte ich und Toshiya nickte daraufhin. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Toshiyas Schwester eine Tochter hatte. Was war ich bitte für ein Freund? „Ich mache mir nur große Sorgen wegen später“, flüsterte mir der Schwarzhaarige mit vorgehaltener Hand verschwörerisch zu, nachdem er sich dicht neben mich gestellt hatte. „Wieso?“, wollte ich genauso leise wissen und prustete hinter hervorgehaltener Hand, als Toshiya mir offenbarte, dass Aoi, der sich wohl damals bei der Geburt der Kleinen sofort in diese verliebt hatte und ständig nach ihr fragte, sie seit ihrer Ankunft heute nicht mehr runtergelassen hatte. Und sie war meines Wissens nach schon seit halb zwölf hier, was mir der Jüngere noch eben zugewispert hatte. Und gerade jetzt war es viertel nach drei. Das arme Kind. „Was stehen wir hier so rum? Kommt ins Wohnzimmer!“, sprach Aoi gut gelaunt und gab dem kleinen Wesen auf seinem Arm ein Küsschen auf die Wange, was die Kleine zum Giggeln brachte. Hach ja, Kinder waren schon etwas Niedliches. Ich hastete hinter Aoi her, wurde von Reita lächelnd verfolgt, und als ich Kai und Ruki auf dem Sofa sitzen sah, ging es mir automatisch besser. „Heeey!“, rief ich und breitete die Arme aus, was jeden im Raum zum Lachen brachte. Ohne weiter zu warten lief ich auf das Sofa zu und warf mich grinsend auf Kai, der noch immer wie verrückt lachte und mich an sich drückte. Im nächsten Augenblick befand sich Ruki über mir, da er sich auf mich geschmissen hatte, und somit zerquetschten wir gemeinsam Kai, der langsam zu prusten anfing, da er keine Luft bekam. Als sich auch noch Reita und Toshiya als krönenden Abschluss auf uns warfen, lief Kai langsam aber sicher rot an und fing an, sich atemlos zu beklagen. „Ich kriege keine Luft, ihr Fettsäcke. Geht von mir runter!“, druckste er versucht laut und zappelte hin und her, was ihm aber nicht wirklich half. Aoi enthielt sich als einziger und nahm auf einem der vereinzelten Sessel Platz, um uns belustigt zu mustern. Die Kleine saß auf seinem Oberschenkel und sah ziemlich verängstigt zu uns rüber, da sie nicht verstand, was gerade vor ihren Augen ablief.
 

„Runter mit den Klamotten, und zwar alle!“, trällerte Aoi und lachte amüsiert, als wir ihn verpeilt ansahen und selbst Kai kurz zu zetern aufhörte. Freunde waren doch etwas Tolles, nicht wahr? Bis vor kurzem war ich noch dabei gewesen, Trübsal zu blasen, doch jetzt benahm ich mich so, als wäre nichts passiert. Na ja, eigentlich war ja auch nichts vorgefallen. Wir bequemten uns alle nacheinander von Kai runter und setzten uns dann anständig hin. Ich grüßte Kai und Ruki danach angemessen und Reita tat es mir gleich, nahm gleich darauf Toshiya in den Arm und setzte sich etwas bequemer hin, während ich mich an Kai schmiegte und zu ihm hochlächelte, als er an seiner Brust hinuntersah, um mir in die Augen zu schauen und mich ebenfalls anzulächeln. „Ja, und was ist mit mir?!“, beschwerte sich Ruki, der alleingelassen zwischen uns saß und beleidigt die Arme vor der Brust verschränkte. „Komm her, mein kleiner Flummi!“, lachte Kai bei dessen Anblick und klopfte auf seine rechte Seite, die frei war. Ruki ließ sich das nicht zweimal sagen. Er hetzte schnell auf Kais Seite zu und presste sich an diesen, streckte mir dann die Zunge raus und versuchte zeitgleich, mich wegzuschubsen. „Verpiss dich!“, grummelte er zickig, schaute jedoch sofort mit einem Lammblick drein, als Kai sich entrüstete und ungläubig Rukis Namen aussprach. „Tut mir leid“, nuschelte der Kleinere und ich hatte dafür nur ein belustigtes Grinsen übrig. Ab und zu passierte es, dass Ruki seine Eifersucht einfach nicht im Zaum halten konnte, obwohl er wusste, dass Kai und ich seit vielen Jahren beste Freunde waren und keinerlei Hintergedanken hegten, wenn wir so eng umschlungen nebeneinandersaßen. Also hatte er auch nichts zu befürchten. Irgendwie machte es jedoch Spaß, Ruki so zu ärgern und zu provozieren. Ich wippte nur mit den Brauen, was ihn anscheinend noch mehr reizte, denn er presste die Lippen fest aufeinander und klammerte sich immer mehr an Kai, der dies nicht wirklich beachtete, sondern mit Reita redete, der immer wieder automatisch mit dem Kopf leicht zur Seite wegzuckte, weil Toshiya, der sich ebenfalls dicht an meinen Schatz geschmiegt hatte, mit dessen Haaren zu spielen versuchte. Der Blonde mochte es nicht, wenn man sein Haar anfasste. Es sei denn, ich war diejenige Person.
 

Aoi saß noch immer auf dem Sessel und es schien, als sei er in eine andere Welt abgedriftet. Er gab irgendwelche komischen Laute von sich, welche uns allen nicht entgingen, und zog hier und da sanft an der Wange des kleinen Mädchens, welches ihn ununterbrochen anlächelte und sich an seine großen Hände klammerte. Ich denke, Aoi wäre ein sehr guter Vater. „Schatz, hör auf damit. Du machst ihr sonst noch Angst mit deinem komischen Gegluckse!“, redete Toshiya plötzlich und brachte Aoi somit dazu, schmollend die Unterlippe vorzuschieben. „Aber Liebling, Yui versucht mir etwas mitzuteilen, und ich will wissen, was es ist!“, beklagte sich Aoi und sah nur noch beleidigter drein, als wir alle prusteten und ihn auslachten. „Ihr habt doch alle keine Ahnung vom pädagogischen Umgang mit Kleinkindern!“, patzte Aoi beleidigt herum und drückte die Kleine vorsichtig an sich, die mit ihren kleinen Händen auf seine Brust patschte und ihren Kopf sogleich bei ihm anlehnte und die Augen entspannt schloss. „Oh, wie süß!“, fiepten Ruki und ich gleichzeitig entzückt, was Reita und Kai ein Grinsen entlockte. „Seht ihr? Ich bin als Vater total gut geeignet! Also Toto, du weißt was das heißt!“, sprach Aoi mit vor Stolz geschwellter Brust und grinste verschmitzt, als Toshiya die Beine überschlug, seinen Kopf nebenbei auf Reitas Schulter bettete und sarkastisch, „Ach, tue ich das, ja?“, fragte. „Natürlich tust du das. Heute Abend wird im Schlafzimmer schön fleißig weitergeübt. Ich bin mir sicher, dass es diesmal klappen wird!“, wippte der Älteste in der Runde mit den Brauen und brachte Toshiya somit schwer zum Aufseufzen. Ob Aoi jetzt Spaß machte oder es ernst meinte, war ziemlich schwer zu erraten. Man erwartete eigentlich von ihm, dass er realistisch genug war, um zu wissen, dass das, was er vorhatte, niemals klappen würde. Aber in der Hinsicht hatte er anscheinend einen eigenen Kopf und ließ sich nichts einreden. Oder es war einfach nur sein verkorkster Humor, wer wusste das schon? Mir fiel mal wieder auf, wie unterschiedlich und leicht verrückt meine Freunde doch waren. Jeder für sich hatte irgendein beklopptes Merkmal. Bei Aoi war es nun einmal diese Schwangerschaftsgeschichte. Bei Toshiya wiederum seine versaute Ader, die er aber nur noch sehr selten hervorbrachte, weil er uns mit seinen Fetischen keine Angst einjagen wollte. Ruki hatte seinen Eifersuchtsfimmel und Kai.. Ja, das war die Frage. Ich glaube, Kai war perfekt. Und Reita war sowieso eine Sache für sich, also brauchte ich das Thema auch nicht weiter ansprechen.



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