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But sometimes love hurts

von

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~5~

Nach der Entdeckung im Park war alles wieder wie vorher. Wenn ich nicht schon wüsste, dass meine Mutter sich heimlich mit einem Mann traf, würde ich jetzt in der Gewissheit leben, dass sich rein gar nichts geändert hatte. Ihr Verhalten war an dem Tag nach dem Picknick recht auffällig gewesen, doch das hatte sich sofort wieder gelegt. Sie ging wie gewohnt zur Arbeit, besuchte zwischendurch mal meine Tante oder Reitas Mutter und hing den Rest des Tages zu Hause herum, um bei mir zu sein. Vielleicht.. Vielleicht hatte ich das Gesehene ja doch nur falsch aufgefasst und bildete mir jetzt irgendetwas drauf ein? Der Gedanke, dass ich doch nur alles falsch verstanden hatte, beruhigte mich ungemein. Ich ging an diesem Montagvormittag die Treppen nach unten, weil ich meine Mutter an der Tür verabschieden wollte, da sie zur Arbeit musste. Ich wiederum hatte heute frei und durfte den ganzen Tag faulenzen. „Bist du dir sicher, dass ich dich nicht doch fahren soll?“, fragte ich sie und presste missmutig die Lippen aufeinander, als sie den Kopf schüttelte und mir schnell einen Kuss auf die Wange gab. „Es kann sein, dass ich heute etwas länger arbeiten muss und es spät wird!“, informierte sie mich und zog sich dabei ihren schwarzen, taillenbetonten Blazer an, öffnete dann die Haustür und trat hinaus. Och ne, schon wieder Überstunden? Ah.. AH! Augenblick mal! Wieso fiel mir das erst jetzt auf?! Sie hatte schon vor längerer Zeit angefangen, mir immer wieder zu sagen, dass sie vielleicht Überstunden machen musste. Und sie war wirklich jedes Mal später nach Hause gekommen, als üblich. Konnte es etwa sein, dass sie sich nach der Arbeit mit diesem Schnösel traf und Überstunden als Ausrede verwendete?! So oft konnte man doch nicht länger machen! Mein Gesichtsausdruck musste ziemlich verwirrend ausgesehen haben, denn meine Mutter hatte wissen wollen, ob etwas nicht stimmte. „Nein, alles in bester Ordnung! Bis später!“, blockte ich ungewollt kühl ab und schlug die Haustür vor ihrer Nase zu. Gott, ich war so dumm! Wie blind war ich eigentlich? Meine Mutter nutzte die Zeit nach der Arbeit, um diesen Kerl zu sehen. Ah, ich wollte heulen!
 

Wie es zu erwarten gewesen war, kam meine Mutter heute tatsächlich nicht pünktlich um sechs nach Hause. Betrübt musterte ich mein Essen und blickte dann zur anderen Seite des Tisches rüber, auf der der Teller meiner Mutter stand. Ich hatte extra Essen gekocht und den Tisch gedeckt. Und außerdem wollte ich mich bei ihr entschuldigen, weil ich heute Morgen einfach so die Tür vor ihr zugeknallt hatte. Trübsal blasend stütze ich meinen Kopf in meinen Händen ab und schimpfte innerlich mit mir selbst, als ich auch sofort aus meiner Einsamkeit gerissen wurde. Es klopfte an der Tür. In der Hoffnung, dass es meine Mutter war, hastete ich in den Flur und riss die Haustür auf, doch schnell verwehte mein Lächeln, als ich nicht meine Mutter, sondern Reita vor mir sah. Der Blonde schaute verdutzt und schüttelte den Kopf, als ich mich seufzend zum Gehen umwandte. „Wenn du willst, geh ich wieder“, sagte er mit einem abgespreizten Daumen, mit dem er hinter seine Schulter deutete, doch konnte ich hören, dass er schmunzelte. Ich drehte mich herum und winkte ihn herein. „Ach was, schon gut. Tut mir leid, war nicht so gemeint. Komm rein, dann kannst du gleich mitessen“, sagte ich mit ansteigender Lustlosigkeit und schlurfte zurück in die strahlende Küche, die ich vor Stunden sauber gemacht hatte, weil mir langweilig gewesen war. Der Ältere folgte mir nach einigen Augenblicken in die Küche und setzte sich neben mich, um mich eingehend zu mustern. „Hm?“, machte ich nur und sah ihn leicht abwesend an. Er schaute sich kurz in der Küche um, fixierte mich dann wieder und fragte leise, „Müsste Nami nicht schon längst da sein?“ Auf seine Frage hin nickte ich nur. Doch dann entschied ich mich dazu, in einem vorwurfsvollen Ton, „Sie macht Überstunden!“, zu sagen und dabei düster vor mich hin zu starren. Reitas große Hand, die, seit er mit seiner Ausbildung angefangen hatte, viel rauer geworden war, streichelte mir leicht über die Wange und ließ mich erschaudern. Ich liebte es, wenn er mich so anfasste. Er drehte mein Gesicht sanft zu sich und lächelte beruhigend, was mich wohlig aufseufzen ließ.
 

Doch sofort verschwand dieser Ausdruck von Zufriedenheit aus meinem Gesicht, als er blauäugig, „Sie kann doch nichts dafür, wenn sie länger arbeiten muss“, sagte und mir dabei einige Strähnen hinters Ohr wischte. Ich schnippte ihm grob gegen die Stirn, was ihn perplex und leicht angesäuert gucken ließ, und brummte unzufrieden, „Denk doch mal nach, Rei. Ich glaube kaum, dass sie wirklich Überstunden macht!“, woraufhin es auch ihm langsam dämmerte. Seine Augen weiteten sich leicht und er gab ein verstehendes, „Oh!“, von sich, woraufhin ich, „Ja, oh!“, machte und schnaubend die Arme vor der Brust verschränkte. „Weißt du, du hast dich selbst dafür entschieden zu warten bis sie es dir selbst sagt. Also solltest du dich jetzt auch nicht so aufführen!“, meinte er besserwisserisch und regte mich somit unnötig auf. „Verschone mich mit deinem klugscheißerischen Gehabe!“, fuhr ich ihn an und fing an, das Essen murrend in mich hinein zu spachteln. Reita erhob sich tonlos, um sich ebenfalls etwas von dem Essen zu nehmen und dann schweigend zu essen. Nachdem wir fertig waren, entschuldigte ich mich kleinlaut bei ihm, weil ich kein Recht dazu hatte, ihn einfach so anzufahren, nur weil ich schlechte Laune hatte. „Schon gut“, versicherte er lächelnd und scheuchte mich aus der Küche, um für mich aufzuräumen. Nach einigen Minuten öffnete sich meine Zimmertür und der Blonde betrat den Raum, lächelte mir zu und setzte sich neben mich aufs Bett. Ich blickte nur verdutzt auf die Zeitung, die er in der Hand hielt. Hatte er wahrscheinlich aus dem Wohnzimmer mitgehen lassen. Er schnappte sich einige der kleinen Kissen, die auf meinem Bett verstreut waren, und lehnte sich dann an die Kopfseite des runden Bettgestells, faltete die Zeitung auf und räusperte sich laut, ehe er tatsächlich zu lesen anfing. Ich krabbelte neben ihn und neigte mich zur Seite, um ebenfalls in die Zeitung gucken zu können. Keine Frage, das war wirklich eine Zeitung! „Seit wann liest du Zeitung, um Himmels Willen?“, fragte ich verwirrt und sah ihn dementsprechend an. Er grinste mich nur kurz an, widmete sich dann wieder dem Schwarz-Weiß-Druck und antwortete knapp, „Seit eben!“
 

Ich schüttelte nur den Kopf und zwang ihn dazu, einen Arm um mich zu legen, damit ich mich gemütlich an ihn schmiegen konnte. Nachdem ich bequem neben ihm saß und meinen Kopf auf seiner Schulter ablegte, blätterte er auf die nächste Seite und erntete von mir ein Schnauben. „Reichen dir die Pornos auch nicht mehr, dass du dir jetzt auch noch die Kontaktanzeigen durchlesen musst, um dir hinter meinem Rücken ’ne Vorzeigeschwuchtel zu schnappen und mich mit diesem zu hintergehen, du Schwein?“, fragte ich gespielt vorwurfsvoll, während ich auf eben Genannte deutete, und wurde sofort leicht rot um die Nase, als er die Zeitung weglegte, mich am Kinn packte und mein Gesicht zu sich drehte, um leise, „Jetzt hör mir mal zu, du Trottel!“, zu flüstern. Mit jedem folgenden Wort seinerseits wurde mir nur noch wärmer, was sich in meinem Gesicht widerspiegelte. „Ich bin seit drei spektakulären Jahren mit dem wunderbarsten Mann Japans zusammen, wofür ich wirklich dankbar bin, und werde von diesem geliebt, was für mich noch immer ein Wunder ist. Denkst du, da habe ich es nötig, mir irgendwelche schmutzigen Kontaktanzeigen durchzulesen oder Pornos zu glotzen und mich dran aufzugeilen? Ich habe tagtäglich einen lebenden Porno neben mir sitzen, da habe ich so etwas echt nicht mehr nötig!“, redete er und schüttelte lachend den Kopf, als ich kleinlaut, „Wieso nicht der wunderbarste Mann der Welt?“, fragte, mich aber dichter an ihn kuschelte. Ich konnte nicht leugnen, dass mein Herz ob seiner Worte gerade wie verrückt hart gegen meine Brust hämmerte. Und als ich leicht mit einer Hand über seine Brust streichelte, fühlte ich, dass es ihm nicht anders ging. „Ich liebe dich so sehr, Rei“, flüsterte ich ihm ins Ohr und senkte mein Gesicht verlegen lächelnd in seine Halsbeuge, als er leise, „Siehst du? So ein verkorkster Typ wie ich wird von so jemandem wundervollen wie dir geliebt. Da stimmt doch was nicht!“, meinte, meine Aussage dann aber lächelnd erwiderte und mir einen Kuss auf den schwarzen Schopf hauchte. Und gleich danach schlug er die Zeitung wieder auf, blätterte um und riss eine Seite heraus. Ohne hinzugucken fragte ich, „Was machst du?“, und biss ihm beleidigt in den Hals, als er feixend, „Ich reiße mir die Kontaktanzeigen raus!“, antwortete, dann aber aufjaulte.
 

Sobald er den Papierfetzen in seiner hinteren Jeanstasche verstaut hatte, schubste er mich von sich und kletterte über mich, um mich grinsend zu kitzeln. Während ich so von Reita gequält wurde, merkte ich nicht, wie die Zeit verging. Sie hätte doch schon längst zurück sein müssen.. Als er endlich von mir abließ, holte ich versucht ruhig Luft, da ich nicht genug Sauerstoff bekam. Er hatte sich auf den Bauch gedreht und lag jetzt neben mir, betrachtete mich, während ich angestrengt Luft holend gen Zimmerdecke stierte und an nichts zu denken versuchte. „Meinst du nicht, dass es besser wäre, wenn du sie einfach darauf ansprichst?“, ertönte es plötzlich neben mir und ich sah ihn verwundert an, dachte dann schweigend über seine Worte nach. Ich wusste ja nicht, was das Beste war. Einerseits fand ich es falsch, ebenfalls darüber zu schweigen, aber andererseits war es auch so, dass mich das eigentlich nichts anging. Ah, halt! Natürlich ging mich das was an! Ich war immerhin ihr Sohn! „Ich brauche noch ein wenig Zeit“, sagte ich heiser, hustete kurz und drehte mich dann auf die Seite, um ihn besser ansehen zu können. „Du meinst, du musst dich für das Gespräch, was du so oder so bald mit ihr führen musst, vorbereiten?“, merkte er an und schloss lächelnd die Augen, als ich nickte. Ich betrachtete ihn eine Weile und wurde dann auf seine hintere Hosentasche aufmerksam. Der Papierfetzen lugte leicht heraus, also zog ich mit einer schnellen Bewegung den Fetzen aus seiner Tasche, was ihn die Augen schnell aufmachen ließ, und faltete das Papier auf, um mir die Kleinanzeigen anzusehen, die sich hinter den Kontaktanzeigen befanden. Während er versuchte, mir den Zettel hastig zu entreißen, indem er sich auf mich schmiss, las ich mir schwerfällig die Wohnungsangebote durch und musste unwillkürlich lächeln. Wie gerne würde ich gemeinsam mit Reita in eine Wohnung ziehen. Wir hatten uns schon des Öfteren darüber unterhalten. „Oh, schau mal. Das klingt doch eigentlich nicht schlecht, oder?“, sagte ich aus und deutete mit einem Finger auf die Anzeige, woraufhin sich Reita ergeben auf mich legte und ebenfalls aufs Papier schielte.
 

„Hmhm“, machte er nur desinteressiert, betrachtete dennoch die Anzeige wie gebannt, die ich mir jetzt noch einmal durchlas. Die Wohnung befand sich in der Stadt, in der Nähe von Aoi und Toshiya, hatte Küche, Bad, ein kleines Wohnzimmer und ein Schlafzimmer. Und der Preis stimmte eigentlich auch. Nur war es für mich zurzeit unmöglich, hier auszuziehen. Besonders jetzt, wo ich nicht wusste, was meine Mutter hinter meinem Rücken trieb, wollte ich nicht gehen. Ich wollte Gewissheit über die Situation haben. „Würdest du noch immer mit mir zusammenziehen wollen, auch wenn es noch länger dauert?“, fragte ich Reita einfach mal so, zog dabei einen Schmollmund und legte meine Arme lächelnd um ihn, als er, „Wieso sollte ich es nicht wollen? Ich warte nur auf dein Zeichen. Von mir aus könnten wir jetzt sofort zusammenziehen!“, sagte und seine Stirn gegen meine lehnte. „So würden wir uns wenigstens endlich jeden Tag sehen..“, murmelte er dann in meinen Kragen und presste sich fester auf mich, schnappte mir aber den Ausschnitt aus der Hand und stopfte ihn schwerfällig zurück in seine Hosentasche, um mir gleich danach einen dieser Küsse zu geben, die ich so sehr liebte und nie mehr auf diese verzichten wollte. Ich ließ mich von Reita auf andere Gedanken bringen, gab mich ihm hin und erlaubte es ihm wie so oft, mich zu dominieren. Gerade als ich anfing, seine rauen Finger zu genießen, die unter meinen Hosenbund geschlüpft waren und mich sanft aber dennoch bestimmend streichelten und abzulenken versuchten, hörte ich die Haustür auf- und wieder zu gehen. Dies trug dazu bei, dass ich mich sofort mit flachen Händen gegen seine Brust stemmte, damit er von mir runter ging. Doch der Ältere hatte seinen eigenen Willen. „Steh schon auf, Rei. Wenn sie plötzlich wieder reinplatzt, was dann?“, fragte ich leicht verzweifelt und zappelte unter ihm hin und her, was ihn jedoch nur grinsen ließ. „Wenn sie uns so erwischt, lernt sie vielleicht endlich, anzuklopfen und wieder zu gehen, wenn du sie nicht hereinbittest“, wisperte er mir mit einem erregten Knurren ins Ohr und zeichnete dieses sogleich provokativ mit seiner Zunge nach, was mir ein leises Seufzen entlockte.
 

Als er mir grob in den Schritt griff und sich an meinem Hals festsaugte, entfleuchte mir ein verzücktes Stöhnen und ich krallte mich in seinen Rücken, um ihn fester an mich zu drücken. Nur ging in dem Augenblick auch die Tür auf und meine Mutter blieb mit einem vereisten Gesichtsausdruck vor der Tür stehen. Ihre Gesichtsfarbe veränderte sich schlagartig, und so glich sie jetzt eher einer roten Ampel. Meine Beine, die ich vorher noch fest um Reitas Hintern geschlungen hatte, sackten auf die Matratze zurück und ich erhob mich leicht, so auch Reita. Doch während der Blonde nur verkrampft sein Lachen unterdrückte, versuchte ich mit rot angelaufenem Gesicht nicht zu stöhnen, da der Blödmann noch immer nicht von mir abgelassen hatte und mich weiterhin mit einer Hand in der Hose unauffällig massierte. „M-ma, ich wär’ dir echt dankbar, w-wenn du-“, gab ich zittrig von mir und ließ mich laut keuchend zurück auf die Matratze fallen, da sie wortlos die Tür schnell wieder zugezogen hatte. „Geht doch!“, gab Reita schelmisch von sich und ließ es sich nicht nehmen, meinen Schritt weiter zu massieren. „Wäre das deine Mutter gewesen, hättest du mich schon vorher aus deinem.. Aaaah, Rei.. Aus deinem-“ „Bett gekickt?“, beendete er leise meinen Satz nahe meinen Lippen für mich, und das war nicht das Einzige, was er beendete. Nachdem ich einige Augenblicke später erleichtert in mir zusammensackte, erhob sich der Ältere, um rüber ins Bad zu gehen und seine Hände zu waschen. Gleich darauf kam er mit einigen Tüchern zurück, um mich ebenfalls zu säubern. Ich schnaubte nur mit einem versucht bösen Blick, brachte ihn somit aber nur zum Lachen. „Den Blick musst du noch mal üben, Schönheit!“, stichelte er und verschwand erneut im Bad.
 

Ich hatte gar nicht gemerkt, dass es kurz vor halb zehn war. Diesmal war sie sogar noch länger weg gewesen! Ich erhob mich von meinem Bett und ging runter in die Küche, um nach meiner Mutter zu sehen, da ich wusste, dass sie dort war. Als ich eintrat, blickte sie kurz auf, senkte ihren Kopf aber sofort wieder über den Teller, weil sie ihre roten Wangen verstecken wollte. Verdammt, wieso geriet immer ich in solche peinlichen Situationen?! Mich verlegen am Nacken kratzend grüßte ich sie kleinlaut und setzte mich gegenüber von ihr an den Tisch. Sie murmelte nur eine kleine Begrüßung und aß weiter. Und in diesem Moment war mein Hirn wie leer gepustet. Unbeholfen schaute ich in der Küche umher und wusste auch nicht, was ich sagen sollte. Doch dann entkam mir leise, „Du hast in letzter Zeit wirklich viele Überstunden, kann das sein?“ Sie hielt daraufhin ihren Atem an, was ich bemerkte. Schnell kaute sie zu Ende, schluckte alles schwerfällig runter und druckste, „Hm, ja, es gibt zurzeit vieles zu tun in der Agentur!“, was für mich kein wenig glaubwürdig rüberkam. Ich konnte mich nur schwer zurückhalten, um nicht verächtlich zu schnauben. Wieso tat sie das? Was wollte sie damit bezwecken? Hatte sie sich denn nicht überlegt, dass ich irgendwann vielleicht herausfinden würde, dass sie sich mit einem Mann traf? Sie müsste doch wissen, dass es für mich noch schlimmer wäre, es auf diese Weise zu erfahren, als wenn sie es mir persönlich sagte. Während ich versuchte, mir das Verhalten meiner Mutter zu erklären, kaute ich auf meiner Unterlippe herum und zuckte verschreckt zusammen, als sich plötzlich zwei starke Arme von hinten um mich legten. Meine Mutter räusperte sich nur verhalten und ich sah leicht hinter mich und hatte sofort das fette Grinsen Reitas vor meinen Augen. „Du bist unmöglich!“, zischte ich ihm so leise wie möglich zu und erhob mich vom Stuhl, um ihn zu verabschieden. Der Blonde winkte meiner Mutter nur gut gelaunt zu, die mit roten Bäckchen und einem beschämten Lächeln zurückwinkte, und ließ sich dann von mir in den Flur ziehen.
 

„Musst du so sehr provozieren?“, fragte ich angesäuert, war aber bedacht darauf, dass meine Mutter uns nicht hören konnte. Immerhin gab es keine Tür, die die Küche vom Flur trennte. Der Blonde schnürte sich gerade die Chucks zu und giggelte dabei leise, wofür ich ihm leicht auf den Hintern schlug und ihn so zum Krächzen brachte. „Lass das!“, maulte er und zog eine Schnute, als ich unberührt, „Wieso? Du machst das auch andauernd bei mir!“, argumentierte und ihm fest an den Po langte. Hatte ich schon mal erwähnt, dass mein Freund einen tollen Hintern hatte? „Ja, aber ich darf das!“, motzte er und entkam meiner Hand, indem er sich einmal im Kreis drehte. Gleich darauf gab er mir einen feuchten Abschiedskuss und lief lachend aus dem Haus, weil ich ihm zeternd hinterher hasten wollte. Ich sah ihm lächelnd nach, wie er pfeifend die matt beleuchtete Straße entlangging, und verschwand wieder zurück ins Haus, nachdem ich ihn nicht mehr in der Dunkelheit erkennen konnte. Meine Mutter trat aus der Küche und lief schnell die Treppen hoch, und es wirkte für mich so, als wolle sie vor mir flüchten. Ich überlegte nicht lange, sondern öffnete schnell den Mund, um etwas von mir zu geben. „Ma!“, fing ich wahllos an, doch sie unterbrach mich, indem sie mit einem nervösen Lächeln, „Tut mir leid, mein Schatz, aber es ist schon so spät und ich bin völlig fertig. Ich werde mich jetzt schlafen legen, ja?“, von sich gab, sich wieder herumdrehte und die letzten Stufen nach oben hopste. Ja, so konnte man sich auch vom Acker machen! Unzufrieden mit der ganzen Situation schlurfte ich später in mein Zimmer, nachdem ich mir vorher einen Tee gemacht und diesen in der Küche ausgetrunken hatte. Ich warf mich rücklings auf mein Bett, faltete die Hände auf meinem Bauch zusammen und schloss die Augen.
 

Ich konnte einfach nicht in Ruhe über die Situation nachdenken. Ich war mir nicht einmal mehr im Klaren, was ich überhaupt für eine Beziehung mit meiner Mutter führte. War ich ihr inzwischen schon so unwichtig, dass sie es nicht für nötig hielt, mir beizubringen, dass sie sich wahrscheinlich neu verliebt hatte? Denn so war es doch, oder nicht? Mit einem abfälligen Laut raufte ich mir die Haare und rollte mich auf der Matratze hin und her. Wenn sie es mir nicht bald selbst sagen würde, würde ich wahrscheinlich platzen! Ich traute mich einfach nicht, sie von allein darauf anzusprechen. Wie würde sie reagieren? Was wenn sie es vielleicht sogar abstreiten würde, auch wenn ich sie selbst gesehen hatte? Oder was, wenn ich mir das alles wirklich nur einbildete und meine Mutter somit ohne Grund beschuldigte? Mir schwirrten plötzlich absurde Folgen eines Gesprächs im Kopf herum. Meine Mutter, wie sie so tat, als wüsste sie nicht, was ich meinte. Wie sie sich empört erhob, mich ohrfeigte und aus dem Zimmer schritt, um tagelang nicht mehr mit mir zu reden. Würde so etwas passieren, würde ich sicherlich innerlich sterben. Allein der Gedanke, dass meine Mutter enttäuscht von mir sein könnte, brachte mich fast um. Ich seufzte laut und lang gezogen und rollte mich zuletzt auf den Bauch, schaltete das Licht aus – ich hatte seit neuestem einen Lichtschalter gleich neben mir an der Wand, damit ich nicht immer aufstehen musste – und versuchte, meine Gedanken zu ignorieren, was mir kein wenig gelang. Ich fand keinen ruhigen Schlaf wegen all der Überlegungen, die mir nacheinander durch den Kopf brausten und mir somit Schmerzen bereiteten. Ich brauchte einfach den ultimativen Beweis, dass meine Mutter sich mit diesem Schnösel traf. Und was war da nicht besser als Stalken? Genau, und zwar gar nichts! Dass sie durch so eine Aktion meinerseits sicher enttäuscht wäre, blendete ich jetzt einfach mal aus.
 

Die Nacht war für mich nicht sehr erholsam gewesen. Immer wieder hatte ich mich im Bett unruhig hin- und hergewälzt, hatte aus dem Fenster den sternenlosen Himmel über mir betrachtet und hatte mir überlegt, wie ich am besten vorgehen sollte, wenn ich meiner Mutter nachspionieren wollte. Es wäre fatal, wenn sie mich entdecken würde. Aber ich hatte beschlossen, dass ich das durchziehen würde, jedoch nicht allein. Reita würde ich mitnehmen. Fragte sich jetzt nur, ob er auch mitmachen würde. Wenn er nicht freiwillig zustimmte, würde ich ihn schon mit anderen Mitteln dazu überreden. Am Morgen wachte ich überpünktlich und voller Tatendrang auf, sodass ich noch eine halbe Stunde in der Küche herumsitzen konnte, weil ich mich schon fertig gemacht hatte. Ich frühstückte in Ruhe und ging in Gedanken den Arbeitstag meiner Mutter durch. Sie würde eine Stunde nach mir das Haus verlassen, würde sicher wie immer keine Pause machen und müsste dann eigentlich um sechs Feierabend haben. Aber wahrscheinlich hatte sie heute wieder “Überstunden“. Ich hätte heute nach fünf Feierabend, und das hieß für mich, dass ich gleich nach der Arbeit rüber in die Agentur fahren würde, um sie dort zu beobachten. Aber wie sollte ich dann Reita mitnehmen? Er würde sicher lieber schlafen wollen, als sich meinem verrückten Entschluss anzuschließen und müde meiner Mutter hinterher zu spionieren. Ich kratzte mich überlegend am Hinterkopf, während ich mit einem Strohhalm meinen Saft trank, und schrak zusammen, als meine Mutter sich hinter mir verwundert zu Wort meldete. „So früh und du bist schon fertig?“, hatte sie überrascht gefragt und machte sich jetzt stumm einen Kaffee, nachdem ich nur genickt hatte.
 

Ich konnte die Spannung, die plötzlich zwischen uns herrschte, förmlich riechen. Sicher fragte sie sich, wieso ich mich so seltsam benahm. Aber irgendwie taten wir es ja beide, oder nicht? Sie verschwieg, dass sie jemanden kennengelernt hatte und ich verschwieg, dass ich darüber Bescheid wusste. Eigentlich waren wir beide doof. Ach, was soll’s. Ich wartete gerade darauf, dass mir meine Mutter mitteilte, dass sie heute wieder länger arbeiten müsste. Doch kam nichts in der Richtung von ihr. Sie setzte sich zu mir an den Tisch, nippte an ihrem heißen Kaffee und sah mich dann direkt an. „Ich werde heute nach der Arbeit noch in die Stadt, weil ich einige Besorgungen machen muss. Brauchst du vielleicht etwas?“, fragte sie aus heiterem Himmel und mir entkam nur ein verwirrtes Blubbern. „Ähm..“, machte ich einfallsreich, nachdem ich aufgehustet hatte, und überlegte kurz, ehe ich verneinte. „Bist du dir sicher?“, wollte sie wissen und verstummte lächelnd, als ich nur verwirrt nickte, um ihr erneut zu verdeutlichen, dass ich nichts brauchte. Ach, wollte sie sich also in der Stadt mit dem Kerl treffen? In aller Öffentlichkeit?! Ja, ich reagierte wieder über. Ich versuchte nicht zu zeigen, dass ich plötzlich ziemlich aufgeregt war. Ich erhob mich entschuldigend, räumte mein benutztes Geschirr weg und schrieb Reita sofort eine Nachricht, als ich aus der Küche raus ging, um mir im Flur Jacke und Schuhe anzuziehen. Nachdem die Nachricht versendet war, verabschiedete ich mich übereilig von meiner Mutter, die mir nur verdutzt nachsah, und verließ eilig das Haus. Es war nicht verwunderlich gewesen, dass mein Handy einige Augenblicke später zu klingeln begonnen hatte. Ich hatte mich in meinen Wagen gesetzt und mein Handy schnell aus meiner Jackentasche gefischt. Dass es Reita war, der mich anrief, wusste ich.
 

„Bist du bescheuert?“, ertönte es sofort in meinen Ohren als ich dranging, und ich entgegnete sarkastisch, „Dir auch einen guten Morgen, mein Schatz. Ich liebe dich auch!“ Ich hörte den Blonden nur am anderen Ende des Hörers schnauben und gleich darauf ertönte im Hintergrund ein Rufen, der sicher von einem seiner Arbeitskollegen abgelassen wurde. „Ich habe dich für etwas erwachsener gehalten, Uruha. Das ist doch wohl nicht dein Ernst, oder?“, sprach er, und ich hörte aus seinem Tonfall, dass er ungläubig die Brauen zusammengezogen und die Stirn in Falten gelegt hatte. „Was soll ich denn sonst tun, Rei? So habe ich wenigstens den Beweis vor Augen, verstehst du? Ansonsten kann ich noch lange warten, bis sie es mir von selbst sagt und ich endlich weiß, was Sache ist!“, rechtfertigte ich mich und Reita fing an zu protestieren, doch plötzlich wurde die Beifahrertür aufgerissen, was mich aufschrecken ließ, und meine Mutter hielt mir breit lächelnd mein Frühstück hin. „Du hast deine Bento-Box auf der Anrichte vergessen, mein Schatz!“, sagte sie und lehnte sich zu mir rüber, um mir einen sanften Kuss auf die Wange zu geben. „D-danke!“, gab ich aufgelöst von mir und hörte Reita gar nicht, der, „Hey, hörst du mir überhaupt zu?“, fragte und laut herummotzte, weil er es nicht mochte, wenn ich mich anderweitig beschäftigte, während wir telefonierten. Nachdem sich meine Mutter von mir mit einem, „Fahr vorsichtig und bis später!“, verabschiedet hatte, schnallte ich mich an, klemmte mein Handy zwischen Ohr und Schulter und startete den Motor.
 

„Jetzt kreisch nicht rum, du Blödmann. Meine Ma war eben da, deshalb habe ich auch nichts gesagt! Sie soll das doch nicht mitkriegen!“, informierte ich ihn meckernd und fuhr aus dem Parkplatz. „Was auch immer. Wenn du das wirklich durchziehen willst, dann tu das. Aber ich werd’ bei so ’ner Sache nicht mitmachen!“, meinte er eiskalt und gab nicht einmal nach, als ich zu schmollen anfing. „Aber Reita!“ „Ehrlich Baby, ich liebe und vergöttere dich, aber bei dem Scheiß mach ich trotzdem nicht mit. Sieh zu, wie du das allein hinkriegst!“ „Ab-“ „Kein Aber! Ich muss auflegen, der Meister kommt gerade um die Ecke. Ich liebe dich, du Vollidiot“ „Hm, ich dich auch, Arschloch“, verabschiedete ich mich liebevoll und schmollend von ihm und hörte sogleich das monotone Tuten. Dann würde ich das halt allein hinter mich bringen, war ja keine große Sache! Von wegen.. Irgendwie bangte es mir davor, ihr zu folgen, sie zu bespitzeln und dann vielleicht von ihr erwischt zu werden. War das wirklich richtig, was ich vorhatte? Aaach, ich hatte die ganze Nacht Zeit zum Überlegen gehabt und jetzt würde ich sicher keinen Rückzieher mehr machen! Entschlossen ging ich alles noch einmal in Gedanken durch, während ich zur Arbeit fuhr. Na, hoffentlich tat ich heute meinen Kunden nicht weh, da ich doch mit dem Kopf ganz woanders war.
 

Die Stunden vergingen nur schleppend, und genau das machte mich wahnsinnig. Warum nur verging die Zeit am langsamsten, wenn man etwas Wichtiges vorhatte? Es war schon immer so gewesen und es würde auch so bleiben, leider. Ich fieberte meinem Feierabend regelrecht entgegen und verfluchte nebenbei die Zeit, weil sie sich wie alter Kaugummi in die Länge zog. Als es aber soweit war, stürmte ich heilfroh aus dem Gebäude, hinaus auf den Parkplatz. Dass Hotaru mir heute besonders auf die Nerven gegangen war, brauchte ich ja nicht erwähnen, oder? Immer wieder hatte sie mich in der Praxis zwischen Terminen abgefangen und gefragt, ob ich nicht doch mal mit ihr in ein Café gehen wollte. Die gute Frau war eben schwer von Begriff. Ich schloss meinen Wagen auf und hetzte hinein. Wenn ich meine Mutter noch rechtzeitig erwischen und nicht im Verkehr stecken bleiben wollte, musste ich mich beeilen. Hier in Yokohama wusste man ja schließlich nie. Während der Fahrt knabberte ich unaufhaltsam auf meiner Unterlippe herum und trommelte dabei nervös mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. Schon zum tausendsten Mal an diesem sonnigen aber kalten Tag fragte ich mich selbst, ob ich das wirklich durchziehen wollte. Und immer wieder redete ich die Sache schön, sagte mir selbst, dass ich richtig handelte. Doch irgendwo in meinem Hinterstübchen herrschte mich dauernd eine Stimme an, die, mal nebenbei bemerkt, Reita gehörte, dass es alles andere als richtig war, was ich vorhatte. Ok, mir war in der Tat bewusst, dass ich kindisch handelte, dass ich mich nicht meinem Alter entsprechend benahm. Aber hey, ich durfte das auch mal.
 

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich vor dem pompösen Gebäude parkte, in dem meine Mutter seit vielen erfolgreichen Jahren arbeitete und so unser Leben finanzierte. Ich zog den Schlüssel aus dem Zündschloss, lehnte mich versucht ruhig im Sitz zurück und überlegte kurz im Stillen. Dass ein leichtes Lächeln auf meinen Lippen erschien, konnte ich nicht verhindern. Wer weiß, vielleicht wäre ich jetzt ein abgemagertes, drogensüchtiges Model und kein Masseur in der Ausbildung, wenn damals alles anders gelaufen wäre. Meine Mutter erzählte mir manchmal noch heute davon, dass die Leute aus ihrer Abteilung damals sehr enttäuscht gewesen waren, als ich ein Probe-Fitting und Fotoshooting in der Agentur abgelehnt hatte. Aber sie war auch glücklich und stolz auf mich gewesen, da ich mich zu der Zeit gegen diesen Weg entschieden hatte. Ich denke jedoch, hätte ich schon damals mein heutiges Selbstbewusstsein gehabt, hätte ich sicher probeweise zugesagt. Ja, ja.. Ich stieg nicht aus, sondern blieb im Wagen sitzen. Flüchtig und im Sekundentakt blickte ich immer wieder auf meine Armbanduhr, wandte meine volle Aufmerksamkeit aber wieder dem Eingang zu. Immerhin wollte ich nicht, dass sie mir entwischte. Von hier aus konnte ich den großen, goldenen Wasserspeier ausmachen, der in der Mitte der gläsernen Halle prangte. Gerade als ich versuchte, mich daran zu erinnern, wie der Wasserspeier aus der Nähe aussah, trat plötzlich meine Mutter aus der Drehtür und richtete den großen Kragen ihres schwarzen, taillenbetonten Blazers. Automatisch sank ich tiefer in meinen Sitz und krallte meine Hände krampfhaft um das lederne Lenkrad, als ich “ihn“ erblickte. Mr. NoName. Der Grund, weshalb ich mir in letzter Zeit Sorgen um meine Mutter machte und schlaflose Nächte hatte. Er ging neben ihr her, breit lächelnd und mit einer Aktentasche in der Hand. Gott, arbeiteten die etwa zusammen?!
 

Als sie sich immer weiter entfernten, sah ich keinen anderen Ausweg als auszusteigen, den Wagen in Windeseile zu verriegeln und schnell und unbemerkt hinter den Zielpersonen herzuhasten. Woah, ich kam mir wirklich vor wie ein Spion! Zur Sicherheit zog ich die Kapuze meiner Jacke über meinen Kopf und ging leicht gekrümmt, da ich nicht auffallen wollte. Dass ich mit der Aktion das genaue Gegenteil erreichte, war mir in diesem Moment völlig Schnuppe. Gespielt lässig schob ich meine Hände in die Hosentaschen und hielt beim Gehen sicheren Abstand zu den beiden. Jedoch sah es in mir ganz anders aus. Mit jeder verstreichenden Sekunde beschleunigte sich mein Herzschlag und ich merkte, wie meine Hände schwitzig wurden. Von hier konnte ich leider nicht hören, über was sie sprachen, das war völlig unmöglich. Wir gingen eine belebte Einkaufsstraße entlang, da konntet ihr euch ja denken, wie laut es gerade um uns herum war. Ich beschleunigte meinen Gang ein wenig mehr, stockte jedoch und fühlte mich plötzlich so seltsam und hilflos, als ich sah, wie sich meine Mutter bei dem Kerl einhakte und mit rosa schimmernden Wangen zu ihm auf lächelte. Ok, sie hatte zwar nichts angestellt, aber das war für mich gerade trotzdem unerträglich. Ich merkte allein durch ihren Anblick, dass es sie ziemlich erwischt haben musste. Oh Mann.. Was sollte ich jetzt tun? Es mochte durchaus kindisch rüberkommen, aber ich war nicht bereit dazu, jemanden anders an der Seite meiner Mutter zu sehen. Noch immer träumte ich von meinem Vater, wie er neben ihr stand und verliebt lächelnd zu ihr runter sah, als hätten sie sich gerade erst kennengelernt. Ich hatte plötzlich keine Lust mehr, ihnen noch weiter zu folgen. Dabei war ich nicht einmal zehn Minuten hinter den beiden her. Aber mir graute es davor, was ich wohl sonst noch zu sehen bekommen würde, also beschloss ich, kehrt zu machen. Ich blieb stehen und sah, wie meine Mutter mit diesem Mann im Menschengewusel verschwand. Und der Anblick versetzte mir einen harten Stich. Es fühlte sich beinahe so an, als hätte ich meine Mutter soeben an einen anderen verloren.
 

Geknickt und mit gemischten Gefühlen begab ich mich zurück auf den Weg zu meinem Auto. Ich wollte jetzt nur noch nach Hause und mich mit irgendetwas belanglosem ablenken. Ich hatte mich gerade angeschnallt und schloss jetzt die Augen, um etwas klarer im Kopf zu werden und die aufkommenden, nervigen Tränen zu verdrängen, bevor ich losfuhr. Als mein Handy laut zu klingeln begann, fuhr ich zusammen und kramte das schwarze Technikwunder dann aus meiner Jackentasche. Unverwandt schielte ich auf das blinkende Display, auf dem Reitas Foto und Name erschien, und ging kurz darauf dran. „Ja?“ „Wo bist du?“ Ich kratzte mich kurz hinterm Ohr und nuschelte kleinlaut, „Ich mache mich grad auf den Weg nach Hause“ Und somit startete ich auch den Motor und fuhr aus dem Parkplatz, um das große Gelände zu verlassen. „Ach, hat mein kleiner Vollidiot es sich also doch anders überlegt?“, neckte er mich lachend, doch sein Lachen verstummte, als ich ernst, „Nein, ich war bis eben noch hinter ihnen her!“, antwortete. „Aber?“, kam es nur neugierig von der anderen Seite. Ich seufzte leise und versuchte mich aufs Fahren zu konzentrieren. Telefoniert bloß nicht beim Fahren, Leute! Ich machte das gerade nur, weil ich Sonderrechte hatte. „Na ja, ich wollte halt nicht sehen, wie die beiden wie verliebte Teenager aneinander kleben und so..“, war mein kleinlauter Einwand, der Reita hörbar zum Schmunzeln brachte. „Hör auf, dir darüber ’nen Kopf zu machen, hm? Weißt du was? Ich geh jetzt rüber zu euch und warte dort vor der Tür, bis du da bist, ja?“, redete er aufmunternd und ich hob fragend und verwundert zugleich die Brauen. „Aber du bist doch sicher müde“, stellte ich fest, musste aber lächeln, als der Blonde sich räuspernd, „Eigentlich ja. Aber ich kann ja auch in deinem Bett schlafen, nicht?“, murmelte und freudig auflegte, als ich ihm versicherte, dass ich nicht lange brauchen würde.
 

„Das ging aber schnell“, begrüßte mich mein Schatz lächelnd und umarmte mich, als ich durch den Vorgarten schritt und auf ihn zulief, um mich ihm an den Hals zu werfen. Ich vergrub mein Gesicht in seinem Jackenkragen und meinte leise, „Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht lang brauche!“ Nachdem wir uns voneinander lösten, schloss ich die Haustür auf und ließ ihn herein. Ich selbst ging gleich darauf in die Küche, um Tee zu kochen. Reita folgte mir sofort und schmiegte sich stumm von hinten an mich. Leicht lächelte ich, während ich den Wasserkocher an die Steckdose steckte. Als ich genauer über meine Mutter nachdachte, wurde mir klar, dass sie eigentlich nichts falsch machte. Sie verschwieg mir zwar, dass sie verliebt war, aber eigentlich sollte ich ihr deswegen nicht sauer sein. Vielleicht traute sie sich einfach nicht, es mir zu sagen. Genauso wie ich mich nicht traute, sie darauf anzusprechen. Sie war jetzt schon seit drei Jahren allein, ich zählte da nicht, und da war es doch eigentlich vollkommen natürlich, wenn sie sich nach Nähe sehnte. Und ich konnte ihr diese Nähe nicht geben. Es gab da nun einmal gewisse Grenzen. Leise seufzend senkte ich meinen Kopf und schimpfte innerlich mit mir selbst, da ich so misstrauisch gewesen war und sie auch noch verfolgt hatte. Ich hatte gar nicht das Recht dazu. Und wenn meine Mutter sich verliebte, war das auch ihre Sache und ich durfte da nicht dazwischenfunken. Eigentlich sollte ich mich für sie freuen. „Woran denkst du?“, erklang es sanft an meinem rechten Ohr und ich erschauderte, als Reita es küsste und sich fester an mich presste. „An meine Ma..“, antwortete ich wahrheitsgemäß und ließ mich von ihm herumdrehen, sah sogleich in die dunklen, glänzenden Augen meines Freundes, in denen ich mich immer wieder aufs Neue verlieren könnte. „Denkst du immer noch, dass es richtig gewesen war, ihr zu folgen?“, wollte er leise wissen und lächelte schief, als ich geknickt die Lippen schürzte. „Ich wusste von Anfang an, dass es nicht richtig ist, Rei. Hör auf, mich damit aufzuziehen“, murrte ich und legte meine Arme um seine Taille, beugte mich vor und lehnte mich gegen ihn. „Du darfst nicht vergessen, dass sie auch Bedürfnisse hat, hm? Sie ist vielleicht glücklich, aber irgendwas wird ihr immer fehlen, das verstehst du doch?“, waren die gehauchten Worte Reitas, die mich nur ergeben nicken ließen. Ja, ich verstand.
 

Während Reita im Wohnzimmer saß und Tee trinkend fernsehen guckte, trank ich meinen Tee in der Küche und kochte nebenbei eine Kleinigkeit für uns, da wir beide Hunger hatten. Gedankenversunken rührte ich in dem Wok um und schrak auf, als mein Handy, das auf der Anrichte lag, plötzlich fröhlich zu klingeln begann. Mit Verwunderung las ich Kais Namen auf dem Display und schielte noch einmal zur Küchenuhr, die an der Wand neben dem Türbogen hing. Soweit ich wusste, musste er doch jetzt arbeiten. „Ja?“, meldete ich mich und lächelte leicht, als Kai mich grüßte und sofort feststellte, dass ich kochte. „Woher weißt du das schon wieder?“, fragte ich lachend und nickte mit zusammengepressten Lippen, als er hörbar grinsend, „Ich höre es bis hier hin brutzeln!“, anmerkte und leise lachte. Dann wurde es jedoch leise und Kai fragte einige Sekunden später zögernd, „Wie geht’s dir?“ Eigentlich eine normale Frage, aber in diesem Moment fühlte ich mich tatsächlich ertappt damit. „Also ich, ähm, kann nicht klagen. Alles bestens!“, redete ich wirr und fragte ihn, wie es ihm ging. Er erwiderte, dass es ihm blendend ging, was ich ihm nicht wirklich glaubte, und ich unterbrach ihn, indem ich, „Musst du nicht gerade arbeiten?“, fragte. „Ja, ich habe aber gerade Pause. Also bin ich raus aus dem Lokal und sitze jetzt in einem ruhigen Café. Eigentlich wär’ es ja toll, wenn du auch hier sein könntest“, sprach er und machte mich somit perplex. „Wieso denn ich?“, fragte ich verwundert und erinnerte mich unwillkürlich an unser Picknick zurück, als Kai, „Ich würde gerne ein wenig mit dir reden“, sagte und dabei ernst klang. Oh nein, mir schwante nichts Gutes. „Reden? Worüber denn?“, mimte ich den Ahnungslosen und seufzte tonlos, als er tatsächlich auf meine Mutter zu sprechen kam. „Wie geht’s ihr denn so? Ich habe Nami ewig nicht mehr gesehen“, fragte er erst einmal und gab einen überlegenden Laut von sich, als ich sofort sagte, dass es ihr besser nicht gehen konnte. „Ich wollte eigentlich nur wissen, seit wann deine Mutter jemanden an ihrer Seite hat und wieso du mir das nicht eher gesagt hast!“, platzte es endlich aus ihm und mir fiel vor Schreck der Löffel aus der Hand, direkt in den heißen Wok. „W-wie meinst du das?“, fragte ich wirr, fischte zischend nach dem Holzlöffel und schluckte trocken, als er, „Komm schon, Ruha. Wir wissen beide sehr gut, dass das deine Mom gewesen war, als wir picknicken waren“, feststellte und mich somit hilfloser machte, als ich sowieso schon war.
 

„Ich weiß es doch selbst nicht, Kai! Ich wusste bis zu diesem Tag ja nicht einmal, dass sie sich überhaupt mit jemandem trifft!“, warf ich ihm geknickt an den Kopf und hörte, wie er nur ein leises, „Oh..“, von sich gab. Reita hatte mich sicher rufen gehört, denn er stand im Türbogen und sah mit schief gelegtem Kopf zu mir rüber. „T-tut mir leid, das habe ich nicht geahnt“, murmelte es vom anderen Ende und ich winkte nur ab, was Kai natürlich nicht sehen konnte. „Schon in Ordnung. Hör zu, ich muss auflegen, sonst brennt das Essen an“, versuchte ich ungewollt kühl unser kurzes Gespräch zu beenden und hatte auch Erfolg. „O-ok, wir sehen uns doch hoffentlich bald?“, fragte er hoffnungsvoll und ich konnte mir vorstellen, dass er gerade lächelte. Ich bejahte und fügte noch, „Ich hab dich verdammt lieb, Kai“, hinzu, weil ich irgendwie das Gefühl hatte, dass ich zu harsch geantwortet hatte und er jetzt geknickt war. Der Schwarzhaarige erwiderte meine Aussage und legte sogleich auf. Ich legte mein Handy seufzend zurück und starrte Reita eine kurze Zeit an, ehe ich aufschreckte und quiekend im Essen herumrührte. Es roch schon ganz komisch in der Küche. „Was wollte er?“, fragte der Blonde nur und stellte sich neben mich. Ich nahm das Essen vom Herd, schaltete das Gerät aus und drehte mich zu ihm herum, um ihm zu verraten, wieso mich mein bester Freund angerufen hatte. „Hm..“, machte Reita nur. Mehr gab er nicht von sich.
 

Während wir gemeinsam aßen, schwieg ich vor mich hin. Ich konnte einfach an nichts anderes mehr denken, als an meine Mutter. Hatte ich mir nicht immer gewünscht, dass sie jemanden fand, der sich um sie kümmerte, sie liebte und sie glücklich machte? Wieso reagierte ich dann so? Ich sollte mich freuen, verdammt! Ich sollte es gut finden, dass sie anscheinend so einen Jemand gefunden hatte, aber was tat ich? Ich stellte ihr nach und war heimlich wütend auf sie, weil sie mir nichts davon erzählte. Wahrscheinlich erzählte sie mir deswegen nichts, weil sie wusste, dass ich so reagierte. Gott, ich benahm mich echt kindisch. Aber trotzdem.. Dieser Anblick, wie sie völlig verliebt dreingeschaut hatte. Dieser Blick galt doch nur meinem Vater! Nicht irgendeinem Fremden. Mann, mir war wieder zum Heulen zumute. „Baby, denk endlich an etwas anderes oder ich werf’ dir meinen Teller an den Kopf!“, schnarrte Reita neben mir und schnippte mir gegen die Wange, was mich aufschrecken ließ. „Wie würdest du dich in meiner Situation fühlen!?“, fuhr ich ihn laut an, nachdem ich mich zu ihm gedreht hatte, hielt mir aber sofort die Hand vor den Mund und sah ihn entschuldigend aus großen Augen an. „Tut mir leid!“, wisperte ich nur und drückte mich sofort an ihn, als er mich nachvollziehend umarmte und meinen Rücken zu streicheln begann. „Mir tut’s leid“, gab er nur leise von sich und küsste meine Wange.
 

Gegen acht ging Reita nach Hause und ließ mich somit allein zurück. Er hatte mir missmutig mitgeteilt, dass er morgen Unterricht hätte, und das hieß für ihn, dass er noch früher aus dem Bett musste. Nachdem ich das dreckige Geschirr weggeräumt hatte, setzte ich mich so an den Küchentisch, dass ich von hier nach draußen in den Vorgarten sehen konnte. Es war schon dunkel und die Straßen wurden von fahlem Laternenlicht beleuchtet. Was trieb diese Frau nur? Und wieso störte es mich eigentlich, dass sie noch immer nicht da war? Sie war doch erwachsen. Gott Uruha, mach endlich’n Kopf zu. Ich vergrub meinen Kopf unter meinen Armen und lauschte dem Ticken der Küchenuhr. Im nächsten Moment war das Klicken des Türschlosses zu hören und ich riss meinen Kopf hoch, um angespannt in den Flur hinauszusehen. Als meine Mutter mit einem leichten Lächeln im Türbogen erschien, fiel mir ein Stein vom Herzen und ich sprang von meinem Stuhl auf, um mit drei großen Schritten auf sie zuzugehen und sie sofort zu umarmen. Dass mein Verhalten sie verwirrte, merkte ich. Perplex legte sie ihre Hände auf meine Schulterblätter und fragte nuschelnd gegen mein Oberteil, „Was hast du denn, mein Schatz? Ist alles ok?“ Ich drückte sie daraufhin leicht von mir, um sie genauestens zu mustern, und gab ihr sogleich einen Kuss auf die Stirn, zog sie dann wieder fest an mich und murmelte nur, „Hab dich vermisst..“ „Oh, mein Prinzesschen. Ich war doch gar nicht so lange weg!“, lachte sie entzückt und schmiegte sich verschmust an mich, was mich lächeln ließ. In diesem Augenblick waren all meine nervenaufreibenden Gedanken wie weggeblasen und ich fühlte mich pudelwohl. „Ich werde mich nur mal schnell umziehen und dann können wir kuscheln, ja?“, sprach sie freudig und mit glänzenden Augen, was mein Herz erweichen ließ. Ich nickte nur und entließ sie, sah ihr dabei zu, wie sie aufgeregt die Treppen hinaufsprintete und auch sogleich vor meinen Augen verschwand.
 

Den Rest des Abends verbrachten wir eng umschlungen auf dem Sofa im Wohnzimmer und schauten irgendwelche Filme auf Netflix. Es war ein schönes Gefühl, meiner Mutter so nah zu sein. Ich schmiegte mein Gesicht an ihre Brust und schnurrte wohlig auf, als sie ihre kleine Hand durch mein Haar schweifen ließ und somit ein Kribbeln in mir auslöste. „Ma?“, gab ich nach einigen Momenten zögernd von mir und merkte, wie ihre Brust vibrierte, als sie ein, „Hm?“, von sich gab. „Du wirst mich immer lieben, egal was ist, oder?“, fragte ich leise, dachte aber erst darüber nach, was ich von mir gegeben hatte, nachdem ich es schon ausgesprochen hatte. Sie setzte sich daraufhin sofort auf und sah mich fassungslos an, weil ich sie damit unnötig verunsichert hatte, streichelte dann meine Wange und flüsterte mit einem beinahe traurigen Gesichtsausdruck, „Was ist das bitte für eine absurde Frage? Du bist mein Fleisch und Blut, ich würde es niemals wagen, geschweige denn übers Herz bringen, dich jemals zu hassen. So etwas ist gar nicht möglich. Ich liebe dich und werde es immer tun, mein Schatz!“, was mich ebenfalls traurig schauen ließ. Dankbar umarmte ich sie und seufzte langgezogen. Ja, ich wusste ganz genau, dass so ein Tag nie kommen würde. Dazu kannte ich meine Mutter zu gut. Sie hatte immer zu mir gestanden und das würde sich auch nie ändern. Ich sollte mich wirklich glücklich schätzen.
 

Am nächsten Morgen war ich richtig ausgeschlafen und fühlte mich einfach nur gut. Mit einem andauernden Lächeln auf den Lippen machte ich mich für die Arbeit fertig und ging dann in die Küche runter, um mir mein Frühstück für die Arbeit selbst zu machen. Es dauerte auch nicht lange, bis meine Mutter ebenfalls in der Küche erschien und gemeinsam mit mir aß. Wir scherzten miteinander herum und aßen dabei, und ich schaute immer wieder kurz auf die Uhr, da ich nicht zu spät aus dem Haus wollte. Als ich fertig war, erhoben wir uns gemeinsam und meine Mutter begleitete mich bis zur Tür, wo ich mich von ihr verabschiedete. Sie umarmte mich kurz und sagte dann, dass sie heute früher nach Hause kommen würde. Huh? Das war ja etwas, was in letzter Zeit sehr selten bei ihr geworden war. „Und du brauchst nichts zu essen machen, ja? Ich bringe etwas leckeres mit!“, sagte sie noch und schubste mich spielerisch hinaus, wo ich noch verwundert stehen blieb und mich am Kopf kratzte, dann aber lächelnd nickte und mich herumdrehte, um auf mein Auto zuzugehen. Ich fragte mich den ganzen Tag lang, wieso sie früher nach Hause kommen wollte. Eigentlich war es an sich ja gut, dass sie früher erschien, aber wieso so plötzlich? Hatte ich vielleicht irgendetwas verpasst? Ah, wieso machte ich mir schon wieder so viele Gedanken darum?! Ich brachte meinen Arbeitstag wie so oft erfolgreich hinter mich und fuhr gegen halb fünf los, da ich etwas früher raus wollte. Gott sei Dank hatte Ono-san mich gehen lassen. Sie konnte nämlich manchmal ganz schön launisch sein.
 

Pünktlich um fünf war ich zu Hause. Aufgeregt zog ich mir Schuhe und Jacke aus und ging schnell auf mein Zimmer, um mich umzuziehen. Meine Mutter müsste auch gleich da sein. Immerhin wollte sie ja eher nach Hause kommen. Ich entschied, schnell in die Küche zu gehen und etwas zu trinken, da ich Durst hatte. Nachdem dies getan war, verließ ich die Küche und wollte gerade ins Wohnzimmer, um alles für den gemütlichen Fernsehabend vorzubereiten, als es plötzlich hinter mir an der Tür klopfte. Verwundert blieb ich stehen und drehte mich herum. War das vielleicht meine Mutter? Aber wieso klopfte sie dann? Ah, wahrscheinlich konnte sie die Tür nicht aufschließen, weil sie das Essen in der Hand hielt. Aber irgendwie wirkte die Silhouette von hier so komisch, so als wäre sie nicht allein. Ach, was soll’s. Lächelnd hechtete ich auf die Tür zu und zog sie mit einem Ruck auf. Doch sofort erstarb mein Gesichtsausdruck und meine Augen weiteten sich ungläubig, als ich meine Mutter vor mir sah, in Begleitung von diesem Mann. Ich trat reflexartig einen Schritt zurück und brachte es nicht zustande, meinen Mund wieder zu schließen, da mir dieser aufgeklappt war. Das leicht hilflose Lächeln, welches meine Mutter zeigte, schwand sofort und sie sah sorgevoll zu diesem Typen auf, der auch nicht mehr lächelte, sondern mich nur verwirrt anstierte und dann zu meiner Mutter runter sah. Ohne zu wissen wieso, drehte ich mich einfach herum und ging ins Wohnzimmer. Mein Gehirn schaltete ab und mein Körper übernahm die Situation einfach. Dass das unhöflich war, juckte mich gerade herzlichst wenig. Oh Gott, er war hier, er war wirklich hier! Ich konnte hören, wie meine Mutter angestrengt leise, „Ich habe doch gesagt, dass es keine gute Idee ist. Wir hätten noch warten sollen..“, flüsterte und gemeinsam mit dem Fremden eintrat. Ich verspürte plötzlich den Drang, zurück in den Flur zu gehen und diesen Typen aus unserem Haus zu prügeln. Was wollte der hier?! Ah Uruha, komm endlich runter, verdammt!
 

Ich hörte, wie meine Mutter kurz die Küche betrat, um ihre Mitbringsel abzulegen, und gleich danach kam sie zu mir ins Wohnzimmer und setzte sich zögernd neben mich. „Kouyou?“, gab sie stockend von sich und allein der unsichere Ton in ihrer Stimme brachte mich wieder zur Vernunft. Mann, ich wollte meine Mutter mit meinem kindischen Verhalten nicht enttäuschen! „Hm?“, machte ich also und sah ihr dabei in die Augen. Sofort umarmte sie mich und entschuldigte sich leise, doch war das gar nicht nötig. Sie hatte keinen Grund, sich bei mir zu entschuldigen. Sie hatte doch nichts falsch gemacht. Ich müsste es tun. Gleich darauf erschien der Typ im Zimmer und setzte sich zögernd neben meine Mutter. Als sie mich entließ, versuchte ich, so nett wie möglich zu schauen. Er lächelte plötzlich wieder und ich musste zugeben, dass er vom nahen verdammt gut aussah. Sein rabenschwarzes Haar, was er sich hinten zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, hing ihm vorne leicht ins Gesicht, und er wischte es erst zur Seite, ehe er einfach seine Hand ausstreckte und mit fester Stimme und selbstbewusst, „Keisuke Takada. Freut mich, dich endlich kennen zu lernen, Kouyou. Deine Mutter hat mir schon sehr viel von dir erzählt!“, trällerte. Seine tiefe Stimme bescherte mir eine unangenehm angenehme Gänsehaut und brachte mich dazu, zusammenzuzucken. Und es schien mir so, als würden mich seine schwarzen, mandelförmigen Augen, die von langen, dichten Wimpern umrandet waren, in ihren Bann ziehen wollen. Ich griff zögernd nach seiner Hand und verkniff mir ein Quieken, als er fest zudrückte und meine Hand schüttelte. Zugegeben, seine Hand fühlte sich irgendwie behaglich an. „Ach, hat sie das?“, fragte ich mit einem leicht zynischen Ton, biss mir aber sofort auf die Zunge. Er nickte jedoch nur und lächelte noch breiter, präsentierte mir somit seine perfekten, weißen Zähne. Als er meine Hand entließ, legte ich sie mir reflexartig auf den Oberschenkel und wischte sie unbemerkt an meiner Jeans ab. Irgendwie war mir der nicht geheuer. Obwohl ich zugeben musste, dass er wirklich verdammt gut aussah, oh Mann. Was dachte ich hier wieder? Er wirkte noch ziemlich jung und ich hielt mich zurück, um nicht einfach nach seinem Alter zu fragen.
 

„Kouyou, mein Schatz, du kannst dich doch sicher noch daran erinnern, als ich dir vor längerer Zeit gesagt habe, dass mein Chef seinen Job aufgegeben hat, nicht wahr?“, sprach meine Mutter vorsichtig. Sie hatte ihre Hände in ihrem Schoß zusammengefaltet, saß leicht zusammengesunken neben mir, und ich merkte, wie sie lächelte, als Keisuke seine Hände von hinten auf ihre Schultern legte und dabei ebenfalls lächelte. Bah, mir wurde schlecht. „Vor einiger Zeit?“, gab ich mit gehobener Braue von mir und sagte noch, „Das war vor einem halben Jahr, Ma.“ Sie nickte daraufhin betreten und räusperte sich, ehe sie mir offenbarte, dass der Typ hinter ihr ihr neuer Chef war. Bitte was?! Die trafen sich schon so lange und ich erfuhr erst JETZT davon?! „Ich weiß, dass das falsch von mir gewesen war, mein Schatz. Aber ich hatte Angst vor deiner Reaktion.. Und wenn Kei nicht gewesen wäre, dann.. Wer weiß, vielleicht würde dieses Gespräch dann noch nicht stattfinden. Es war nämlich seine Idee gewesen, es dir zu sagen, weißt du?“, sprach sie zögernd und hatte mir somit das Wort abgeschnitten. Ich sah nur fassungslos zwischen den beiden hin und her und nur ganz langsam wurde mir klar, dass ich gerade den Abteilungschef meiner Mutter vor mir hatte. Und sie hatten was miteinander. Argh, Weltuntergang! Jeder normale Mensch wusste doch, dass man nichts mit seinem Chef anfangen sollte! Sowas machte doch nur Probleme! Mühsam schloss ich meinen Mund und fasste kurz einen klaren Kopf, ehe ich stotternd, „A-also, könnten wir jetzt mal Klartext reden? Ich bin nämlich gerade ziemlich verwirrt!“, offenbarte. Ich spürte, wie meine Gesichtszüge entgleisten, als Keisuke, „Ok, dann im Klartext. Deine Mutter und ich führen eine Beziehung, und das schon seit längerem. Und wir sind mehr als glücklich und wollten dich daran teilhaben lassen!“, redete und dabei noch immer so unausstehlich lächelte. Ah, halt dein Maul, Mann, von dir wollte ich das gar nicht hören! Hilfesuchend wandte ich mich an meine Mutter, doch diese nickte nur schweigsam und sandte mir einen scheuen Blick zu.
 

Mir kam es so vor, als würde sich plötzlich alles drehen. Ok, ich hatte ja befürchtet, dass die beiden zusammen waren. Wieso traf mich das dann so? Meine Reaktionen und Gedankengänge waren wirklich widersprüchlich. Aber ich war halt verwirrt, was konnte ich denn dafür? Ich druckste nur herum und senkte den Blick, spielte am Zipfel des Deko-Kissens, welches neben mir auf der Sitzfläche lag, und schaute auch nicht auf, als meine Mutter mich zaghaft ansprach. „Ich.. Ich werde jetzt erst mal in mein Zimmer. Ich wollte Akira noch anrufen“, murmelte ich meine Notlüge in den stillen Raum und erhob mich, drehte mich dann aber noch einmal herum und verbeugte mich knapp. „War mir eine Ehre, Sie kennen zu lernen, Takada-san“, sprach ich gespielt höflich und wollte mich wieder herumdrehen, als er plötzlich mit einem sanften Gesichtsausdruck, „Ach, lass das “Takada-san“ weg, Kouyou. Du kannst mich ruhig duzen. Immerhin spricht man seinen zukünftigen Vater ja anders an, nicht?“, aussagte und ich somit zu Eis gefror. Was- Was zum Teufel hatte der da gerade gesagt? „WIE BITTE?!“, schrie ich nur ungläubig und brachte somit die beiden Personen, die vor mir saßen, heftig zum Zusammenzucken. Ich hatte mich verhört. Nur verhört, mehr nicht!



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