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Orientierte Offenbarung

von

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Der Morgen danach

Jodie öffnete langsam ihre Augen. Sie fühlte sich wie gerädert, obwohl sie eigentlich genügend Schlaf bekommen hatte. Trotzdem war der Morgen viel zu schnell gekommen und wenige Minuten später erinnerte sich die Agentin wieder an die Ereignisse des Vortages. Eigentlich hätte sie froh sein müssen, dass der katastrophale Abend endlich vorbei war, doch ihre Gefühle waren gespalten. Sie hatte viel geweint und musste noch immer so viel verarbeiten. Mit einem Mal wurde ihr gesamtes Leben auf den Kopf gestellt. Und welche Entscheidung sollte sie nur treffen? Was war richtig und was falsch? Sollte sie mit ihrer Mutter sprechen? Mit James? Oder doch noch einmal mit Chris? Sollte sie den DNA-Test machen oder so tun, als wäre nichts passiert und ganz normal weiterarbeiten? Sollte sie versuchen alles nur zu vergessen?

Aber wenigstens gab es eine Person der sich Jodie anvertrauen konnte. Ohne Shuichi hätte sie nicht gewusst, wie der gestrige Abend geendet hätte. Sie war verloren und er war für sie da. Er hörte ihr zu, tröstete sie und gab ihr gute Ratschläge. Bei ihm fühlte sie sich sicher. Dabei war es komisch, wenn Jodie an ihre ersten Tage beim FBI dachte. Hätte ihr damals jemand gesagt, dass sie sich einst so wohl bei ihm fühlen und sich ihm sogar anvertrauen würde, sie hätte es nicht geglaubt. Irgendwie war die Agentin froh gewesen, dass alles anders gekommen war. Vielleicht hatte es das Schicksal doch gut mit ihr gemeint und sie bekam einen Partner auf den sie sich verlassen konnte. Nahezu automatisch tastete Jodie mit der Hand neben sich. Shuichi! Mit einem Mal setzte sich die Agentin auf und sah auf die leere Stelle neben sich. Er lag nicht mehr neben ihr oder hatte sie sich alles nur eingebildet? Jodie wurde unsicher. „Was hab ich getan“, wisperte sie zu sich selbst. Nein. Jodie schüttelte den Kopf. Es war keine Einbildung.

Nachdem Jodie am Abend ihren Emotionen freien Lauf ließ, war sie ihrem Partner wortwörtlich an die Wäsche gegangen. Sie hatte schon immer eine recht spontane Art, konnte sich aber kontrollieren, wenn es darauf ankam oder sie in die Situation geriet, einen Fehler zu begehen. Aber bei Shuichi war alles anders. Bei ihm hörte ihr Kopf auf einmal auf zu denken. Sie hatte nur noch reagiert und in jenem Moment wollte sie ihn küssen. Die erste Berührung mit seinen Lippen fühlte sich gut an, zu gut. Sie wollte mehr. Sie wollte ihn spüren, seine warme Haut auf ihrer fühlen, die Leidenschaft, die Geborgenheit und die Nähe zu einem anderen Menschen. Sie wollte fest umschlungen mit ihm am nächsten Morgen aufwachen. Doch er hatte ihrem Treiben ein Ende bereitet und sie abgewiesen. Er hatte ihre Verletzlichkeit nicht ausnutzen wollen, was sie ihm sehr hoch anrechnete. Dennoch hatte sie einen weiteren Vorstoß gewagt und ihn erneut geküsst. Sie hatte sogar alles auf eine Karte gesetzt und ihm gezeigt, wie weit sie gehen wollte. Damit er sie kein weiteres Mal abwies, hatte sie sich auf seinen Schoss gesetzt und damit begonnen sein Hemd aufzuknöpfen. Sobald sich Shuichi mit ihr erhob, schlug ihr Herz schneller und sie dachte, alles vergessen zu können. Allerdings hatte er sie wieder auf dem Sofa abgesetzt und sie im Stehen beobachtet.

Im Nachhinein war Jodie dieser Versuch mehr als peinlich und einen dritten Versuch wollte sie nicht unternehmen – zumindest nicht an jenem Abend. Doch Shuichi schien zu wissen, was in ihr vorging und fragte sie ganz unverblümt nach ihrem Badezimmer. Jodie war irritiert im Wohnzimmer zurückgeblieben und hatte gewartet. Als er wiederkam, fragte er lediglich ob er bei ihr im Schlafzimmer bleiben sollte, bis sie eingeschlafen war oder nicht. Es hatte Jodie überrascht, aber sie war froh, dass er an seiner Zusage festhielt. Schließlich waren sie zusammen in ihr Schlafzimmer gegangen und Jodie hatte sich bettfertig gemacht. Da Akai keine Sachen bei ihr hatte, setzte er sich mit Hemd und Hose auf das Bett. Jodie hatte sich schließlich langsam ins Bett gelegt, schloss sie die Augen und versuchte zu schlafen. Nachdem sie sich allerdings von ihm beobachtet fühlte, hatte sie den Agenten auch auf das Bett gedrückt und sich auf die andere Seite gedreht. Shuichi hingegen hatte die ganze Zeit geschwiegen und irgendwann waren sie gemeinsam eingeschlafen. Jodie konnte allerdings nicht sagen, ob er die gesamte Nacht über neben ihr lag oder sich auf das Sofa zurückzog. Vielleicht war er aber auch schon nach Hause gefahren?

Langsam stand die Agentin auf, ging an ihren Kleiderschrank und holte ein paar Sachen raus. Sie verließ das Schlafzimmer, betrat das Badezimmer und machte sich für die Arbeit fertig. Einige Minuten später kam Jodie in die Küche. Als sie Shuichi an der Kaffeemaschine erblickte, lächelte sie. „Guten Morgen.“

„Morgen.“ Shuichi sah zu ihr. „Kaffee?“

„Gerne“, entgegnete sie und bekam eine Tasse mit der schwarzen Flüssigkeit eingeschenkt. Jodie nahm diese entgegen und blickte hinein.

„Geht es dir heute besser?“, wollte der Agent wissen.

„Wie mans nimmt“, antwortete sie wahrheitsgemäß. „Ich glaube, ich werde dem DNA-Test zustimmen. Ich brauche einfach diese Gewissheit. Wenn ich es nicht mache, werde ich mir immer die Frage stellen, ob sie nicht doch meine Schwester sein könnte. Meiner Mutter möchte ich allerdings nicht sagen, sie würde…es nur nicht verkraften und sich Vorwürfe machen, dass mein Vater unglücklich gewesen ist. Und wenn sich dann herausstellt, dass Chris nicht meine Schwester ist, würde immer noch der Verdacht einer Affäre im Raum stehen. Das kann und will ich meiner Mutter nicht antun. Deswegen werde nur ich damit leben, dass diese Möglichkeit besteht.“

Shuichi nickte verstehend. „Und was wird aus deinem Auftrag? Ich kann verstehen, wenn du ihn nicht zu Ende bringen willst.“

Jodie seufzte leise auf. „Es wird zwar nicht einfach sein, aber ich werde den Auftrag auf professionelle Art und Weise zu Ende bringen. Als FBI Agentin darf ich mir Aufträge oder Fälle nicht aussuchen. Und falls sie meine Schwester ist, lerne ich sie in den nächsten zwei Wochen ein wenig kennen.“

„Verstehe“, gab Akai murmelnd von sich. „Du bleibst allerdings bitte bei meinem Vorschlag. Der DNA-Test wird durch das FBI durchgeführt. Wenn sie dich zu etwas Anderem überreden will, lehnst du ab und informierst mich.“

Jodie sah ihn überrascht an. „Siehst du eigentlich überall nur das Schlechte?“

„Nicht überall, aber ich möchte sichergehen, dass du nicht enttäuscht wirst. Vielleicht steckt auch ein Plan dahinter und sie will an Berühmtheit gewinnen, wenn herauskommt, dass ihre Mutter eine Affäre hatte und sie das Kind eines FBI-Agenten ist. Wir sollten nicht ausschließen, dass alles von ihr nur gespielt ist. Außerdem können auch bei DNA-Tests Fehler passieren, daher wäre es mir lieber, wenn der Test bei uns durchgeführt wird.“

„Ich werds ihr vorschlagen, ok?“

„Gut“, stimmte Shuichi zu. „Am besten du nimmst mich gleich mit und setzt mich vor ihrer Wohnung ab. Von dort fahr ich dann mit meinem Wagen ins Büro und du zum Set. Wann musst du beim Dreh sein?“

„Es fängt immer um 9 Uhr an.“
 

Als Shuichi sein Büro betrat, fühlte er sich unwohl. Zum einen war es sehr komisch, dass Jodie nicht da war und ihm mit ihrer Art ein wenig auf die Nerven ging und zum anderen machte er sich Sorgen um sie. Die nächsten Stunden wäre sie auf sich alleine gestellt und er wusste nicht, ob Chris ihr nicht wieder unbewusst wehtat. Akai hatte den Großteil der Nacht wachgelegen und gegrübelt. War es wirklich nur ein Zufall, dass Chris jetzt mit ihren Erkenntnissen konfrontierte oder tatsächlich Berechnung? Und hatte FBI Agent Starling, von dem er bereits so viel Gutes hörte, tatsächlich eine Affäre?

Akai biss sich auf die Unterlippe. Es gab nur wenige Personen, die den Agenten kannten und eine von ihnen – Jodies Mutter - durfte er nicht fragen. Aus diesem Grund hatte Shuichi keine andere Wahl. Und schließlich hatte er Jodie kein Stillschweigen gegenüber James versprochen. Außerdem erinnerte er sich noch sehr genau an die Erzählung seines Vorgesetzten. Eine Schauspielerin war der Untergang von Starling. Zufall?

Ehe sich der Agent auf seinen Platz setzte, verließ er den Raum und ging zum Büro seines Vorgesetzten. Shuichi klopfte an und nachdem ein Herein ertönte, trat er ein. „Agent Black? Dürfte ich Sie für einen Moment stören?“

James blickte auf und nickte. „Setzen Sie sich doch“, fing er an. „Wie kann ich Ihnen helfen? Ist etwas mit Jodie?“

„Jodie…“, murmelte Shuichi. „Ihr geht es…den Umständen entsprechend. Haben Sie schon von ihrem neuen Auftrag gehört?“

Agent Black verzog keine Miene. „Leider nicht. Gestern war mein freier Tag und ich muss mich noch durch einen Haufen an Papierkram wühlen. Haben Sie bedenken, dass Jodie dem Auftrag nicht gewachsen ist?“

„Nun ja“, begann der FBI Agent. „Sie haben mir doch vor einiger Zeit erzählt, dass Jodies Vater bei einem Anschlag von dieser Organisation ermordet wurde. Starling war zu der Zeit der Leibwächter einer Schauspielerin, die zu ihnen gehörte. Sie hatten zudem erzählt, dass Sie die Schauspielerin auch weiterhin beobachtet haben. Mich würde interessieren, ob Starling vorher bereits als Leibwächter tätig war und…ich würde gern wissen, wer diese Schauspielerin war.“

James runzelte die Stirn. „Das war sein erster Einsatz als Leibwächter“, sagte der Agent. „Agent Akai, ich kann Ihnen den Namen leider nicht sagen.“

„Ich verstehe“, entgegnete Shuichi und beugte sich nach vorne. „Dann lassen Sie mich noch eine Frage stellen. War die Schauspielerin Sharon Vineyard?“

Black erschrak. „Woher…?“

„Das dachte ich mir…“ Shuichi wirkte trotzdem unglücklich. „Verdammt…haben Sie eine Ahnung, ob ihre Tochter Chris Vineyard ebenfalls zur Organisation gehört?“

James schwieg.

„Agent Black, bitte, es ist wichtig.“

„Wir haben keinen Hinweis darauf“, antwortete der Ältere. „Es ist möglich, allerdings…“

„Allerdings? Agent Black, lassen Sie sich nicht alles aus der Nase ziehen.“

„Allerdings wissen wir auch erst seit einigen Jahren, dass Sharon Vineyard eine Tochter hat.“ James atmete tief durch. „Sie haben mir immer noch nicht gesagt, was das alles mit Jodies Auftrag zu tun hat.“

Akai verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann müssen wir schnell handeln. Gestern wurde Jodie als Leibwächterin angeheuert. Vor Ort stellte sich heraus, dass es sich um Chris Vineyard handelt. Zunächst einmal ist dies nichts worüber man sich Sorgen machen müsste, allerdings behauptet sie, dass Starling ihr Vater sei.“

„Was?“ James wurde bleich. „Wieso? Nein…das…das kann nicht…“, murmelte er. „Der Auftrag hätte nie intern freigegeben werden dürfen.“

„Das wurde er aber“, gab Shuichi von sich. „Die Schauspielerin will einen DNA-Test. Ich habe Jodie vorgeschlagen, dass dieser hier durchgeführt wird, damit ich der Frau ein wenig auf den Zahn fühlen kann. Jodie war gestern außer sich und neben der Spur. Trotzdem ist sie heute wieder zum Set und möchte den Auftrag so gut es geht, beenden. Wenn es nach mir geht, sollte sie von diesem Auftrag abgezogen werden. Die Situation ist zu heikel und wenn Chris Vineyard auch zur Organisation gehört, ist Jodie in Gefahr.“

James nickte. „Ich versteh das nicht“, murmelte er leise. „Warum jetzt? Warum nimmt sie jetzt zu ihr Kontakt auf?“

„Fragen Sie nicht mich“, antwortete Shuichi. „Vielleicht ist alles auch nur ein Zufall und Sharon benutzt ihre Tochter für irgendeinen Plan. Vielleicht arbeiten sie auch zusammen. Vielleicht weiß Chris auch von nichts und versucht tatsächlich ihren leiblichen Vater zu finden. Wer weiß. Mein Vorschlag wäre, dass Sie Jodie von dem Auftrag abziehen und Chris um ein Gespräch bitten. Wenn sie ablehnt, wissen wir, dass sie etwas zu verbergen hat und wenn sie kommt, müssen wir alle Register ziehen um Informationen zu erhalten. Sie ist eine gute Schauspielerin, sie kann uns sehr leicht etwas vormachen.“

„Ich fahre los und hole Jodie höchstpersönlich ab.“

„Das halte ich für keine gute Idee“, sagte Akai. „Wenn Sie dort erscheinen, wird Jodie wissen, dass etwas im Argen liegt. Vielleicht glaubt sie auch, dass es nur um ihren Vater geht und versteht nicht das große Ganze. Als ihr Partner habe ich andere Möglichkeiten und sie wird eher auf mich hören, als auf Sie.“

James runzelte nachdenklich die Stirn.

„Agent Black, Sie wissen, dass das die beste Entscheidung ist. Sie sollten in der Zwischenzeit herausbekommen, warum der Auftrag nicht an höherer Stelle abgefangen wurde.“ Shuichi stand auf. „Und bereiten Sie in der Zwischenzeit das Verhörzimmer so vor, dass sie glaubt, in einem normalen Besprechungsraum zu sein. Das gleiche gilt auch für ihren Manager. Ich möchte die Beiden fürs Erste nicht aus den Augen lassen.“

James nickte. „Ich verlasse mich auf Sie, Akai.“



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