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Orientierte Offenbarung

von

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Nähe

Jodie stand unter Schock. Das Gespräch mit Chris hatte ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. Konnte es wirklich sein, dass ihr Vater eine Affäre mit Sharon Vineyard hatte? Hatte er mit dieser Frau wirklich ein Kind gezeugt? War sie wirklich ihre Schwester? Wusste ihre Mutter von der Affäre? Hatte diese ihrem Mann etwa verziehen oder würde die Wahrheit auch für sie ein Schock werden? Konnte Jodie es überhaupt ihrer Mutter sagen oder würde sie schweigen müssen? Da ihr Vater nicht mehr am Leben war, würde Jodie mit der Wahrheit ein Fass aufmachen. Es konnte ihre Mutter zerstören sowie alles, was ihr Vater zu Lebzeiten erreicht und aufgebaut hatte. Aber mit wem konnte sie darüber reden? Da James nun mit ihrer Mutter zusammen war, fiel diese Option weg. Auf einmal fühlte sich Jodie vollkommen alleine und auf sich gestellt.

Als die Tür zu ihrem Wagen aufgerissen wurde, konnte die junge Agentin ihre Gefühle nicht mehr kontrollieren. Sie ließ ihre Deckung komplett fallen und brach in Tränen aus. Ihr bitterliches Weinen hallte durch den ganzen Wagen.

„Jodie? Was ist passiert?“, wiederholte Shuichi erneut. Man konnte ernsthafte Sorge heraushören, obwohl er weiterhin sehr darauf bedacht war, seine Umgebung nicht aus den Augen zu lassen. Akai biss sich auf die Unterlippe, sah zu Jodie und im nächsten Moment zu dem Wohngebäude aus dem sie kam. Er war eindeutig zu spät gekommen. Aber was war passiert? Was hatte man Jodie angetan, das sie so dermaßen durch den Wind war? Der Agent ärgerte sich über sich selbst. Eigentlich hätte er es besser wissen müssen. Er hätte Jodie aufhalten und während ihres Gesprächs mit Chris in der Nähe bleiben sollen. Am besten sie hätten das Gespräch über eine Wanze aufgenommen. Aber jetzt war es zu spät. Sie saß wie ein Häufchen Elend in ihrem Wagen und er wusste nicht einmal wieso. Und nun begann sein nächstes Problem. Er war zwar immer für seine Familie da, hatte sein Herz aber schon lange verschlossen. Wann immer es ging, versuchte er so gefühllos wie möglich zu wirken und hatte sich somit einen gewissen Ruf aufgebaut. Aber jetzt musste er Jodie trösten und er wusste nicht wie. Was sollte er sagen oder machen, damit es ihr besser ging? „Jodie?“, fing er erneut an, merkte aber schnell, dass es nichts brachte.

Jodie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Dem Weinen folgte ein Schluchzen und sie war nicht mehr sie selbst. Sie wollte die Zeit zurückdrehen und lieber unwissend bleiben. Wie sollte sie nur mit den Neuigkeiten leben? Es war viel zu viel für sie.

Akai blickte ein weiteres Mal zu dem Wohnkomplex. Augen zu und durch, sagte er zu sich selbst. Shuichi räusperte sich und ging in die Hocke, sodass er nun auf Augenhöhe mit Jodie war. „Agent Starling“, begann er sachlich und in der Hoffnung, dass er wenigstens damit zu ihr durchdringen konnte.

Seine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Jodie nahm ihre Hände langsam runter und blickte ihn mit glasigen und leicht geschwollenen Augen an.

„Du hast jetzt drei Optionen. Erstens: Du rutscht rüber auf den Beifahrersitz. Zweitens: Du steigst aus und kommst mit mir zu meinem Wagen. Oder drittens: Du fährst mir hinterher“, entgegnete er. „Für was entscheidest du dich?“

Jodie wirkte unentschlossen und schien alle Optionen durchzugehen. Letzten Endes tastete sie mit der linken Hand an ihrem Sitz, bis sie den Regler fand. Jodie verschaffte sich genügend Platz, indem sie den Fahrersitz nach hinten schob. Dann sah sie auf den Beifahrersitz und setzte sich rüber. Für das Aussteigen und um den Wagen gehen, sowie zu seinem Wagen zu gehen oder ihm gar hinterherzufahren, fehlte ihr die Kraft. Sie war fertig. Fix und fertig.

Akai sah kurz in die Richtung, wo er seinen Wagen abgestellt hatte und auch wenn er diesen lieber nicht einfach so stehen ließ, war er über Jodies Entscheidung froh. Denn auch er fand, dass sie nicht in der Lage war, um selbst nach Hause zu fahren. Aber dennoch wollte er ihr zumindest die Möglichkeit geben. Shuichi stand wieder auf, ehe er auf dem Fahrersitz Platz nahm. Er schnallte sich an und stellte Rück- und Seitenspiegel sowie den Sitz auf seine Bedürfnisse ein. Anschließend nahm der Agent den Wagenschlüssel aus Jodies Hand und startete den Motor. „Schnall dich bitte an“, wies er seine Partnerin an.

Jodie gehorchte und legte langsam den Sicherheitsgurt um sich. Es schien, als hätte sie sich beruhigt, doch im nächsten Moment brach sie erneut in Tränen aus.

Was ist da drinnen nur passiert?, wollte der Agent wissen und fuhr los. Immer mal wieder blickte er aus dem Augenwinkel zu ihr. „Gut, dass ich weiß, wo du wohnst. Oder möchtest du, dass ich dich woanders hinbringe?“

Jodie reagierte nicht auf seine Frage. Shuichi seufzte leise auf und war froh, dass er bereits vorab ausreichend Recherchen zu seiner Partnerin betrieben hatte und wusste, wo er hin musste. Im Notfall hätte er sie aber auch zu ihrer Mutter oder zu James gebracht.

Als Shuichi den Wagen auf dem Parkplatz abstellen konnte, war er froh. Obwohl sie bereits in der Nähe von Jodies Wohnung waren, kam ihm der Weg unendlich lang vor, was vor allem an Jodies derzeitiger Konstitution lag. Akai entfernte den Sicherheitsgurt, stellte den Motor ab und stieg aus. Er ging zur Beifahrerseite und öffnete die Tür. „Wir sind da“, entgegnete er und sah zu Jodie.

Die Agentin wirkte überrascht und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie nahm ihre Tasche, entfernte den Gurt und stieg aus. Da sie sich kaum auf den Beinen halten konnte, stützte er sie und legte seine Hand um ihre Taille. Automatisch drückte er sie näher an sich, ehe er die Tür schloss und Jodie zu ihrer Wohnung brachte.

Vor der Haustür kramte sie in ihrer Handtasche, fand aber den Schlüssel nicht. Erst als Shuichi ihr auch diese Arbeit annahm, konnten sie endlich die Wohnung betreten. Akai betätigte den Lichtschalter und sah sich um. Sofort versuchte er sich mit Jodies Apartment vertraut zu machen, um im Notfall auch einsatzbereit zu sein. Während Jodie aus ihren Schuhen schlüpfte, ihre Jacke aufhängte und ihre Tasche auf den Boden stellte, beobachtete Akai seine Partnerin. Anschließend tat er es ihr gleich und folgte ihr in das Wohnzimmer. Jodie ließ sich auf das Sofa sinken und blickte auf das Bild auf ihrer Kommode. Es zeigte ihre Eltern einige Wochen vor dem Anschlag. Sie waren glücklich, aber jetzt stellte Jodie alles in Frage.

Akai sah zu ihr. „Soll ich Tee aufsetzen?“

Jodie schwieg auf seine Frage.

„Jodie?“

Die Angesprochene sah überrascht zu ihrem Partner. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass er ihr in die Wohnung gefolgt war. Und ausgerechnet dies durfte ihr als FBI Agentin nicht passieren. „Shu…“, wisperte sie leise. „Was…machst du denn…hier?“

Es überraschte ihn, zeigte aber auch, wie schlecht es Jodie gehen musste. „Ich setz Tee auf.“

„Das…kann ich doch machen“, murmelte Jodie. „Ich weiß…wo alles steht.“

„Schon gut, bleib ruhig sitzen“, entgegnete Akai. „Ich find die Küche alleine, genau wie den Wasserkocher und den Tee, vorausgesetzt du hast Tee auch da“, fügte er hinzu und verließ das Zimmer.

Jodie wollte ihm nach, bewegte sich aber nicht von der Stelle. Shuichis Abwesenheit kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Doch als er mit einer Tasse Tee zurück kam, lächelte sie. „Danke.“

Shuichi stellte die Tasse auf den Tisch und setzte sich neben sie. „Erzählst du mir jetzt, was bei der Schauspielerin passiert ist?“

Jodie schluckte. Für einen Moment hatte sie das Gefühl, dass sie sich wieder gefangen hatte, doch nun war sie wieder den Tränen nahe. Sie versuchte sie aufzuhalten, doch die ersten Tränen rollten schon über ihre Wangen.

Akai verzog das Gesicht. „Jodie, nicht…wieder weinen…“, murmelte er. „So…meinte ich das nicht…du kannst natürlich weinen…wenn du willst…“

Jodie sah nach unten. „Sie wollte…wegen meinem Vater mit mir reden“, antwortete Jodie. „Chris hat mir erzählt, dass sie herausfinden wollte, wer ihr…Vater ist. Sie glaubt, dass es mein Vater sein könnte. Er war…wohl der Leibwächter ihrer Mutter…und einige Monate später wurde sie geboren…“

Shuichi sah sie überrascht an. „Du glaubst, dass dein Vater noch ein weiteres Kind hat?“

„Ich weiß nicht, was ich glauben soll“, gestand Jodie. „Mein Vater…er würde meine Mutter doch nie betrügen…und wenn er ein weiteres Kind hat, hätte er sich doch darum gekümmert…ich wäre mit…einer Schwester aufgewachsen. Er hätte es…doch nicht vor meiner Mutter…verschwiegen…so war er nicht…“ Jodie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Sie schlug mir vor, dass wir…einen DNA-Test machen lassen könnten, um sicher…zu sein…“ Jodie begann erneut zu schluchzen. „Ich weiß nicht, was ich…machen soll. Was wenn, sie wirklich…meine Schwester ist? Das ist…mir zu viel…“

Akai beobachtete sie. „Wieso hat sie dich erst jetzt kontaktiert? Versteh mich nicht falsch, Jodie, aber ich finde das Timing sehr komisch.“

„Ihre Mutter…hat es ihr auch verschwiegen. Sie hat nur zufällig herausgefunden, dass ihr Vater sie...adoptiert hat. Daraufhin hat sie, einen Detektiv mit der Suche nach potentiellen Vätern beauftragt“, erzählte die Agentin. „Keiner von ihnen hat er sich als ihr Vater herausgestellt, daher kam sie auf die Idee, dass es…der Leibwächter ihrer Mutter war. Und sie wusste nicht, dass mein Vater…nicht mehr am Leben ist. Daher war sie auch überrascht, als ich am Set vor ihr stand. Sie wollte eigentlich…erst meinen Vater kennenlernen, ehe sie ihm ihre Vermutung…gesteht. Und jetzt…möchte sie mich kennenlernen.“ Jodie sah tränenüberströmt zu ihm. „Was soll…ich jetzt denn machen?“

„Ehrlich gesagt, würde ich mir an deiner Stelle nicht so viel Gedanken darüber zu machen. Sie scheint sich selbst nicht sicher zu sein und vermutlich kommen noch andere Männer in Frage. Es könnte auch sein, dass dein Vater gar nichts mit ihrer Mutter gehabt hat. Und wenn er tatsächlich für Sharon Vineyard als Leibwächter tätig war, wird es in den Akten beim FBI vermerkt sein. Lass mich die Fakten erst einmal überprüfen, ehe du etwas Unüberlegtes tust, ja?“ Dennoch drehten sich die Räder in seinem Kopf bereits und er dachte daran, was ihm James erzählte. Mit der Zeit kamen wir ihnen immer mehr auf die Spur und schließlich hatten wir Glück und konnten eines ihrer Mitglieder identifizieren. Es handelte sich um eine Schauspielerin. Ihr Leibwächter wurde damals verletzt und Starling konnte sich bei ihr einschleichen. Während seiner Zeit als ihr Leibwächter sammelte er Informationen über diese Person und die Organisation. Doch dann...flog seine falsche Identität auf. Wir haben bis heute nicht herausgefunden, wie das passiert ist. War es tatsächlich möglich, dass Sharon Vineyard zur Organisation gehörte und den Tod des Agenten verschuldete?

Shuichi biss sich auf die Unterlippe. Wenn Jodie weiter grub, würde sie Sachen herausfinden, die nicht gut für sie waren. Er musste etwas tun. Sofort. „Lass dich am besten von diesem Auftrag freistellen. Und vergiss nicht, du kennst deinen Vater am Besten. Traust du ihm so etwas wirklich zu?“

Jodie schüttelte den Kopf. „Aber…was wenn…“

„Es bringt nichts darüber zu grübeln“, warf der Agent ein. „Du malst dir ansonsten nur das Schlimmste aus und kannst dich auf deine Arbeit nicht mehr konzentrieren.“

„Dann könnte…der Test…doch helfen.“

Shuichi seufzte. „Jodie, wenn du diesen Test wirklich machen willst, dann bitte jemanden aus unserem Labor darum. Wir laden die Schauspielerin zu uns ein und besprechen mit ihr das weitere Vorgehen. Unsere Leute arbeiten diskret und präzise, dann hast du das Ergebnis schon innerhalb weniger Tage.“ Und wir können Chris beim FBI unauffällig zu einem Verhör bewegen und kommen so vielleicht an ihre Mutter.

„James…er darf nichts davon erfahren“, murmelte Jodie. „Er würde es…meiner Mutter erzählen und…“

„Ich weiß“, gab Akai von sich. „Jetzt schau nicht so“, fügte er hinzu und legte seinen Arm um sie. „So ein deprimiertes Gesicht steht dir gar nicht. Wo ist die Agentin, die immer lächelt?“

„Die hat…gerade Pause“, murmelte Jodie. „Kannst du…heute Nacht…bleiben?“

„Okay“, nickte der Agent. Eigentlich hatte er etwas Anderes geplant, doch er war sich nicht sicher, ob er Jodie unter diesen Umständen allein lassen konnte. Wer wusste schon, was sie anstellen würde? Dass Jodie auch eine spontane Art hatte, hatte er schon vor einiger Zeit herausgefunden.

Aber das Jodie ihn im nächsten Moment küssen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Sachte drückte er sie von sich weg. „Jodie, das ist keine gute Idee“, begann er. „Du bist gerade sehr verletzlich und das werde ich nicht ausnutzen.“

„Ich aber“, antwortete sie und küsste ihn erneut, ehe sie sich auf seinen Schoss setzte.



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