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Orientierte Offenbarung

von

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Gedanken

Beinahe fasziniert beobachtete James seine Freundin. Hätte ihm irgendjemand vor Jahren erzählt, dass er eines Tages mit der Frau zusammenkommen würde, die seinen besten Freund geheiratet hatte, hätte er es nicht geglaubt. Stattdessen hätte er vehement darauf bestanden, dass Angela nie die Frau seines Lebens werden würde. Doch es kam alles anders.

James war schon immer sehr eng mit der Familie Starling verbandelt gewesen. Seinen Partner – Agent Starling – lernte er während der Ausbildung in Quantico kennen und war froh, als sie am Ende in der gleichen Niederlassung anfangen konnten. Neben der Arbeit trafen sie sich regelmäßig privat und er war auch der erste, dem sein Freund Angela vorstellte. Wie es sich für einen besten Freund gehörte, freute sich James natürlich und war letzten Endes auch der Trauzeuge auf der Hochzeit. Nach Jodies Geburt brachte er ihr oft Geschenke mit, erzählte immer mal wieder eine Gute-Nacht-Geschichte und spielte oft mit dem kleinen Mädchen. Er sah sich selbst als Onkel James und wollte – genau wie Jodies Vater – das Mädchen vor allen Grausamkeiten der Welt beschützen.

Nachdem sein Partner in Ausübung seiner Pflicht durch die Organisation getötet wurde, hatte Jodie viel geweint. Jedes einzelne Mal hatte er versucht das kleine Mädchen zu trösten. Manchmal erzählte er ihr sogar Geschichten aus dem Leben ihres Vaters oder zeigte ihr alte Fotos. Immer wenn er das Gefühl hatte, dass Jodie einen Schritt vorwärts machte, ging sie automatisch wieder zwei Schritte zurück. Dennoch war er weiterhin behutsam mit ihr und wartete ab. Selbstverständlich bemerkte er auch, wie sie versuchte für ihre Mutter stark zu sein. Als er sie darauf ansprach, leugnete sie es nicht einmal. Allerdings hatte Jodie ihn überrascht und verlangt, dass er vor ihrer Mutter schwieg. Schließlich hatte er sich ihrem Wunsch gefügt und geschwiegen, aber auch Angela hatte die Veränderung ihrer Tochter bemerkt und versucht entsprechend zu handeln. Letzen Endes hatten sie alle nur zu Jodies Wohl gehandelt und nie wieder darüber gesprochen.

Auch die Jahre danach hatte sich James um die Familie gekümmert. Offiziell waren sie allerdings in die Obhut des FBIs gekommen. Es dauerte nicht lange bis die kleine Familie sein Leben komplett auf den Kopf gestellt hatte. Seine Wohnung war einst nicht sehr opulent eingerichtet und erschien für viele wie die Wohnung eines ganz normalen Junggesellen. Aber von einem Tag auf den anderen lag überall Spielzeug verstreut und er bekam täglich selbst gekochtes Essen auf den Tisch gestellt. James hatte damals gar nicht bemerkt wie sehr er sich bereits an sein neues Leben gewöhnt hatte. Doch sein neues Leben führte auch zu neuen Konflikten, nachdem die ersten Gerüchte in Umlauf gebracht wurden. Einige behaupteten, dass der Brand im Hause der Starling von James oder Angelegt gelegt wurde, andere hingegen waren sich sicher, dass die Beiden bereits lange vorher eine Affäre hatten und sie eigentlich der Rache von Agent Starling zum Opfer fallen sollten, was schließlich in einer Katastrophe ausartete. Nur die wenigsten Agenten, Freunde und Bekannte hatten noch daran geglaubt, dass ein Fremder ins Haus eindrang und den Tod des Agenten verursachte. Für sie alle war es zwar eine sehr wahrscheinliche Erklärung, doch genau so war sie auch ein Klischee, welches als Ausrede herhalten musste. Aber was sollten sie auch machen? Die erste Beschattung der Organisation fand im Geheimen statt und nur die obersten Vorgesetzten kannten den Auftrag. Als schließlich – ohne einen Täter gefunden zu haben - der Fall zu den Akten gelegt wurde und keiner mehr darüber sprach, brachte es nichts mehr die alten Geschichten aufzuwärmen. Für James und Angela gab es von da an nur eine Möglichkeit: Sie mussten die Gerüchte ignorieren und dafür sorgen, dass Jodie nichts mitbekam. Da das Mädchen bereits genug durchgemacht hatte, sollte sie nicht wieder neue Qualen leiden und die Schuld bei ihrer Mutter suchen müssen. Denn eines war klar: Keiner wusste was in einer zarten Kinderseele vorging.

Knapp zwei Jahre später machten sie sich auf die Suche nach einer neuen Wohnung oder einem neuen Haus. Als ihre Planung langsam konkreter wurde und die beiden Erwachsenen immer mehr Zeit miteinander verbrachten, begann es zaghaft zwischen ihnen zu knistern. Sie gestanden sich diese Veränderung allerdings nicht ein und entschlossen sich – aus Überforderung – getrennte Wege zu gehen. Dennoch war James auch weiterhin für die Familie da. Er unterstützte Angela bei allen Belangen, führte Hintergrundprüfungen von Jodies Klassenkameraden, deren Eltern, den Lehrern, anderen Schülern und auch bei Angelas Arbeitskollegen und einigen Patienten durch. Wann immer es ging, holte er Jodie von der Schule ab und half ihr bei den Hausaufgaben. Manchmal machte er sie sogar für das Mädchen oder hielt als Ausrede her, wenn sie nach der Schule noch Zeit mit ihren Freunden verbringen wollte. Da Jodie zu einem wichtigen Menschen in seinem Leben wurde, wollte er ihr auch die bestmögliche Ausbildung ermöglichen und half ihr sogar bei der Wahl ihres Studienplatzes. Da sich Jodie bereits sehr früh dazu entschlossen hatte in die Fußstapfen ihres Vater zu treten, hatte er mit ihr die Wahl der Kurse und Fächer besprochen und für sie Weiterbildungen organisiert. Mit Angela war er mehr als einmal darüber in Streit geraten, hatte ihr aber immer wieder erklärt, dass Jodie irgendwann ihren eigenen Weg gehen musste und keiner sie auf ewig beschützen konnte.

Aber je mehr Zeit verging, umso schlechter fühlte er sich. Obwohl er nur für Jodie das Beste wollte, führte er sie auch auf ihren Weg und veränderte damit ihr Leben. Hätte er ihr nicht so viele Optionen geboten, hätte ihre Zukunft auch friedlicher verlaufen können. Es war schon schwer genug gewesen sie über die wahren Umstände des Todes ihres Vaters im Unklaren zu lassen. Irgendwie war er sogar froh, dass sie der Wahrheit langsam auf die Spur kam und die Lügengeschichten bald ein Ende finden würden. Doch jetzt wo sie es wirklich geschafft hatte und eine FBI Agentin wurde, wurde sein Herz schwer. Sie war nicht mehr das kleine Mädchen, nicht mehr die Tochter von Angela und seinem besten Freund, sie war mittlerweile auch irgendwie seine Tochter geworden.

James teilte die gleichen Sorgen wie Angela, verbarg sie aber besser. Er wusste auch, was die Kollegen denken würden und hatte bereits geahnt wie hart ihre ersten Wochen und Monate in der Niederlassung sein würden. Da er auch den gefährlichen Alltag eines Agenten kannte, sorgte er dafür, dass Akai ihr Partner wurde. Der junge Agent hatte in der Vergangenheit bereits viel Elan gezeigt, wusste sich durchzusetzen und würde auch mit Jodies Art klar kommen. Außerdem hatte James gehofft, dass er Jodie nicht so schnell am aktiven Dienst teilnehmen ließ, doch er hatte sich geirrt. Als er aber von Jodies Einsatz erfuhr, war er bereits vorbei gewesen. Am liebsten wäre er in das Büro des Agententeams gestürmt und hätte sich selbst von Jodies Verfassung überzeugt. Jetzt war es allerdings viel zu spät um sich einzumischen, daher konnte er nur noch abwarten und schauen, wie sich die Situation entwickeln würde.

Und dann war da noch die Sache mit Angela. Er hatte sie die ganze Zeit über in ihrer Sorge begleitet und versuchte sie zu trösten sowie zu beruhigen. Schließlich hatte es ein weiteres Mal zwischen ihnen geknistert und letzten Endes gaben sie endlich ihrem Verlangen nach. Aus einem Mal wurde ein zweites Mal, dann ein drittes…und schließlich dauerte es nicht lange bis sie sich endlich ihre Gefühle eingestehen konnten und ein Paar wurden. Doch die schwerste Prüfung stand ihnen noch bevor: Jodie.

Ihre Reaktion fiel anders aus als vorgestellt. Jodie hatte weder getobt noch sich gefreut. Sie hörte den Beiden einfach nur zu und nickte verstehend. Danach hatten sie es erst einmal gelassen und Jodie ihren Freiraum gegeben. Die junge Frau kam zwar weiterhin zum Essen am Sonntag nach Hause, doch ihre Beziehung zueinander hatte sich schlagartig verändert. Und auch Wochen später wusste James nicht, was in ihr vor sich ging. Im Büro schien sie ihm aus dem Weg zu gehen und wenn sie miteinander sprachen, dann auf der professionellen Ebene. Irgendwie war es auch für James ein Schlag ins Gesicht gewesen, da er doch gehofft hatte, dass sie sich freuen und ihn als Partner ihrer Mutter akzeptieren würde.

James reflektierte den Abend. Er hatte bemerkt, dass es Jodie lieber gewesen wäre, wäre er nicht im Haus ihrer Mutter, aber er konnte ja nicht wissen, dass sie ausgerechnet an jenem Abend vorbei kommen wollte. Auch hatte sich ihr Gespräch in eine sehr zwanghafte Richtung entwickelt und wann immer es ging, versuchte Jodie ihren Vater zu erwähnen. Zu bestimmten Zeitpunkten des Abends fühlte er sich wie das fünfte Rad am Wagen und war sogar ein wenig froh, als Jodie nach Hause fuhr. Doch wie sollte er weiterhin mit Jodie umgehen und sollte er mit Angela darüber sprechen?

„Ist alles in Ordnung?“, wollte die Frau wissen, als hätte sie seine Gedanken nachverfolgt.

„Ich bin nur froh, dass wir zueinander gefunden haben“, entgegnete James.

Angela nickte zaghaft. „Jodie kommt noch nicht mit dem allen klar“, murmelte sie. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer für sie sein würde.“

„Jodie ist erwachsen“, begann James. „Sie wird sich schon daran gewöhnen. Es ist normal, dass es am Anfang ein Schock für sie war.“

„Das stimmt wohl“, gab die Krankenschwester leise von sich. „Ich glaube, es ist für sie so schwer, weil sie dich ihr ganzes Leben bereits kennt und nicht damit gerechnet hat, dass wir zwei zusammen kommen würden.“

Daran hatte James auch gedacht. Er zog sogar die Möglichkeit in Betracht, dass Jodie ihr gesamtes Leben in Frage stellte oder Angst hatte, dass er sich nur um sie kümmerte um bei ihrer Mutter gut da zu stehen. „Sie wird sich irgendwann für uns freuen“, sprach James ruhig. „Er freut sich bestimmt auch für uns…“

Angela nickte. „Vielleicht…sollten wir trotzdem schauen, dass wir uns nicht so oft sehen…vor allem nicht, wenn Jodie da ist.“

James starrte sie ungläubig an. „Du willst, dass wir uns trennen?“

„Was? Nein, das hab ich nicht so gemeint. Ich…“ Sie sah auf die Hände in ihrem Schoß. „Ich will es Jodie nur leichter machen. Wenn sie nach Hause kommt, soll sie nicht das Gefühl haben, dass du hier schon eingezogen bist. Ich will sie nicht noch mehr überfordern und…“

James seufzte. „Jodie ist eine erwachsene Frau. Ich verstehe, dass es schwer für sie ist, jetzt zu sehen, dass du einen Freund hast. Du kannst Jodie aber nicht immer beschützen und dich nach ihren Wünschen richten. Haben wir uns nicht schon lange genug zurück gehalten? Angela, so kann es doch nicht weiter gehen. Ich glaube nicht, dass es die richtige Entscheidung ist, Jodie zu schonen, nur weil sie mit der Veränderung nicht klar kommt. Sie muss lernen damit umzugehen, auch wenn es dauert. Aber wenn du willst, dass ich nach meinem Feierabend nicht mehr herkomme, werde ich diesen Wunsch respektieren…“

Die Krankenschwester biss sich auf die Unterlippe. „Ich weiß doch auch nicht was das Richtige ist. Aber ich weiß, dass es Jodie nicht gut geht und…wenn sie wegen uns ihre Arbeit vernachlässigt und dann in Gefahr gerät…“ Angela schüttelte den Kopf. „…daran möchte ich nicht denken.“

James seufzte leise auf. Das Gespräch entwickelte sich in keine Richtung die er wollte. „Verstehe.“ Er warf einen Blick auf die Uhr. „Musst du nicht gleich zur Nachtschicht?“

„Muss ich“, entgegnete Angela und stand von ihrem Platz auf. „Lass uns morgen noch einmal darüber reden, ja?“

„In Ordnung“, stimmte James zu. „Soll ich dich fahren?“

„Nicht nötig.“ Sie versuchte zu lächeln. „James, ich mag dich wirklich sehr.“

Sein Herz wurde schwer. Es war ein ‚Ich mag dich sehr, aber‘ und er wollte nicht wissen, wo dies alles noch hinführte. Statt etwas zu sagen, gab er ihr einen Kuss auf die Lippen und setzte ein Lächeln auf. „Bis morgen und pass auf dich auf.“

„Bis morgen“, wisperte Angela und folgte ihm in den Hausflur. Zusammen zogen sie sich ihre Jacke und Schuhe an und verließen das Haus. Angela warf James einen sehnsüchtigen Blick zu, ging dann aber zu ihrem Wagen und stieg ein.

James tat das gleiche, seufzte und fuhr anschließend los. Die ganze Zeit über warf er einen Blick in den Rückspiegel, bis Angela an der Kreuzung nach rechts bog.

Die Krankenschwester unterdrückte ihre Tränen. Nie hatte sie gedacht, dass sich das Gespräch in diese Richtung entwickeln würde, aber ihre Worte konnte sie nicht mehr zurücknehmen. Obwohl sich die Frau auf die Straße konzentrierte, hatte sie keine Zeit mehr gehabt um zu reagieren und kollidierte mit einer schwarzen Gestalt. Ihr Wagen kam mit quietschenden Reifen zum Stehen und Angelas Herz raste.



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