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Break to Breathe

von

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Because I'm his friend

‚Was ist ‚starkes‘ Hyūga Blut, Vater?‘

 

‚Blut ist nichts weiter als Wasser in unserem Clan.‘

 

‚Was bedeutet das?‘

 

‚Nichts. Halt still. Wer hat dir das angetan?‘

 

‚Hitaro-sama hat gesagt, dass ich die Hauptfamilie beschützen muss.‘

 

‚Warum hat er dich geschlagen?‘

 

‚Weil ich gesagt habe, dass ich dich zuerst beschützen würde.‘

 

‚…diese Dinge darfst du zu den Ältesten nicht sagen, Neji. Sag sie überhaupt nicht.‘

 

‚Aber du hast mir gesagt, dass ich immer die Wahrheit sagen soll.‘

 

‚Manche Wahrheiten fühlst du, aber du darfst sie niemals aussprechen.‘

 

‚Kann ich sie mir denken?‘

 

‚Es spielt keine Rolle, was wir denken. Was eine Rolle spielt, ist, was wir tun.‘

 

Neji blinzelte und sein Verstand schlug die Tür zu dieser Erinnerung zu.

 

Die Welt begann zurückzukehren, oder vielleicht war er es, der zurückkehrte; zurück von der Vergangenheit als würde er aus einem Traum aufwachen. Die Realität machte sich in flüchtigen Irrlichtern bemerkbar. Das Brüllen des Sturms…ein grelles Aufflammen von Blitzen…der Geruch von Holz und Erde…das schmerzerfüllte Beben einer Atmung…die wässrigen Finger aus Regen, die sich auf zerfetzter Haut spiegelten und darüber wanderten.

 

Sehr langsam und durch den Schleier seines unfokussierten Blickes, nahmen die verschwommenen Eindrücke schärfere Definitionen an. 

 

In der Dunkelheit sah Shikamarus Blut schwarz aus. 

 

Surreal, doch es rann wie Tinte aus der Wunde; beinahe, als würden stattdessen Schatten aus ihm bluten. Ein Schwall davon drang schimmernd mit jedem ruckartigen Heben und Fallen der Brust daraus hervor. 

 

Neji starrte mit weiten Augen; unfähig, sich zu bewegen. 

 

Er fühlte sich in dem Griff einer Kälte gefangen, die scheinbar jeden Muskel in ihm einzementiert hatte. Der rote Nebel hatte seinen Verstand vollkommen verlassen und ließ ihn mit einer schlagartigen Klarheit seiner Gedanken zurück, der er sich nicht stellen wollte. Er hatte darauf reagiert, indem er sich in eine Erinnerung zurück gezogen hatte; an einen Ort und zu einer Zeit, die weit von der Gegenwart entfernt waren, die durch seine eigenen Hände zerstört worden war. 

 

Aber davon gab es jetzt kein Entkommen. 

 

Seine Augen wanderten über Shikamarus Rippen. 

 

Repariere es.

 

Der Befehl erklang aus einem Teil seines Hirns, der nicht von dem Schock betäubt worden war, der jetzt rasch verging.

 

Repariere, was du zerbrochen hast.

 

Das konnte er verstehen. Das war etwas, das er wusste. 

 

Das konnte er tun.

 
 

xXx
 

 
 

Es war ein langer Prozess, durchgeführt mit einer Geduld und Zärtlichkeit von Berührungen, die es schwer machten zu glauben, dass Neji auch derjenige war, der diesen Schaden überhaupt erst verursacht hatte. 

 

Er ging absolut akribisch vor. 

 

Kein Teil von Shikamarus Haut blieb unberührt. 

 

Der Hyūga reinigte ihn mit gewissenhafter Konzentration; wie ein Archäologe, der jeder Kontur dessen, was er restaurierte, mit absoluter Hingabe und Liebe zum Detail folgte. Doch es war das, was nicht gesehen werden konnte, was den Jōnin mehr besorgte als das, was an der Oberfläche lag. 

 

Der Hyūga legte die nassen Tücher, Salben und medizinischen Mittel beiseite und ließ sich zurück auf die Knie sinken. Langsam schloss er die Augen und hob zwei bebende Finger in einem Zeichen, um die Glieder nur wenige Zentimeter entfernt an seine Lippen zu halten. 

 

„Byakugan!“

 

Der Schmerz fühlte sich wie eine Detonation in seinem Schädel an und sein erschöpftes Chakra brüllte vor Anstrengung. Neji drängte sich gnadenlos hindurch und sein Kiefer verkrampfte sich, als er sich darum bemühte, seinen Fokus aufrecht zu erhalten. 

 

Ich werde das halten.

 

Er ließ seine Augen auffliegen und die unheimlich definierten Pupillen schrumpften und dehnten sich aus, als er darum kämpfte, sein Dōjutsu aufrecht zu erhalten. Ein rasches Zucken seines Blickes über Shikamarus Körper lokalisierte schnell alle gebrochenen Rippen. Drei. Eine weitere Überprüfung bestätigte ihm, dass die Lungen nicht entzündet oder durchstochen waren. Und der dritte Schwung seines Blickes scannte alle anderen lebenswichtigen Organe. Klar erkennbar, gesund, stark.

 

Neji verharrte bei dem Herzen des Nara und sah zu, wie der Muskel schlug. 

 

Und dann schrumpften die Venen um seine blassen Augen und glätteten sich; die weißen Seen zogen sich vor Schmerz zusammen. Neji ignorierte es völlig und machte sich stattdessen daran, Verbandsmull über dem hässlichen Riss an Shikamarus Rippen anzubringen. Die Verwendung einer Kompressionsbinde auf den gebrochenen Knochen würde das Risiko einer Pneumonie nur erhöhen. Sicherzustellen, dass Shikamaru richtig atmen konnte war essentiell. 

 

Atme…

 

Die Ironie war bitter. 

 

Als Neji sich um alle anderen Schnitte und die schwärzlichen Hämatome gekümmert hatte, war das Brüllen des Donners schon lange etwas Leiserem und Sanfterem gewichen; die Blitze entschwanden zu einem zaghaften Wetterleuchten unter einem sich ergebenden Himmel. 

 

Der Regen hatte aufgehört. 

 

Und er ließ eine aufgeladene und schwere Stille zurück; als würde die Zeit den Atem anhalten. 

 

Neji lehnte sich etwas zurück, während seine Augen über den bewusstlosen Körper vor sich wanderten. Aufmerksam suchte er, ob es noch weitere Verletzungen gab, die er behandeln müsste. Sehr bald stellte er fest, dass er an den unwahrscheinlichsten und unbedeutendsten Orten nachsah. Er drehe Shikamarus Hände, um die Handflächen zu überprüfen und wünschte sich beinahe, noch irgendetwas zu finden, nur um sich davon abhalten zu können, die Situation in einem neuen Licht betrachten zu müssen. 

 

Doch alles, was er fand, waren die Falten in der Haut des Schattenninjas. 

 

Bestimmung…

 

Vielleicht, wenn er nur genau genug hinsehen würde, hätte er sich selbst gefunden; hinein geschrieben in die Linien der Hand des Nara. Er konnte mit Handlesen überhaupt nichts anfangen, auch wenn Tenten es einmal geschafft hatte, ihn dazu zu bringen, sich ein einziges Mal aus der Hand lesen zu lassen; die Vorstellung einer Zukunft, die in Haut verschlüsselt und festgelegt war, hatte seine einst fatalistische Philosophie nur noch mehr verschärft. 

 

Hat uns das Schicksal zum Narren gehalten, Shikamaru? Vielleicht warst du schon immer unter meiner Haut. 

 

Unter seiner Haut, in seinen Venen, in seinem Blut…es war purer Wahnsinn. 

 

Aber er konnte es nicht leugnen. 

 

Neji strich mit dem Daumen über Shikamarus Lebenslinien, bevor er die Handfläche des Nara drehte und die aufgekratzten Knöchel examinierte. Dann legte er die schlaffen Hände sehr ruhig ab und stierte auf die Quetschungen, die die Handgelenke wie dunkellilane Handschellen umrandeten. 

 

Er wusste, dass sich Shikamarus Hals in einem noch schlimmeren Zustand befand. 

 

Und so hob er nicht die Augen. 

 

Stattdessen schloss er sie und neigte den kalten Stahl seines Hitai-ate gegen Shikamarus Bauch. Für einen langen Moment verharrte er angespannt gegen den Ansturm in sich. Muskeln zogen sich straff, bevor die verkrampfte polierte Fassade seiner Gesichtszüge zerbarst. 

 

Seine Lippen öffneten sich. 

 

Sag es nicht…

 

Seine Kehle zog sich zusammen. 

 

‚Manche Wahrheiten fühlst du, aber du darfst sie niemals aussprechen.‘

 

Neji zertrümmerte seine Worte und bebte einen strangulierten Atem hinaus in die Sicherheit der Stille, während er mit den Handflächen über Shikamarus Haut streichelte; hinauf und hinunter in sanften Schwüngen, die schließlich in den Armbeugen des Nara innehielten. Er drückte zaghaft zu; hielt sich sogar dann noch fest, als er damit begann, sich selbst fort zu ziehen, während er energisch das Brennen in seinen Augen zurück blinzelte. 

 

Ihm blieb keine Zeit, die Füße auf dem Boden abzustellen oder auch nur einen mentalen Halt zu finden. 

 

Eine Tür schlug den Gang hinunter zu. 

 

Neji erstarrte. 

 

Die Tränen hingen an seinen Wimpern, als wären sie kristallisiert. 

 

Stimmen wurden von der Türschwelle durch das Haus getragen; die einer Frau bäumte sich in empörter Verwirrung auf, bevor sie von einer männlichen abrupt unterbrochen wurde. 

 

Die fassungslose Stille hielt nicht länger als einen Herzschlag an. 

 

„Shikamaru?“

 

In dem Augenblick, in dem die Frau schrie, stürzte Neji los – aber er war nicht der Einzige. 

 

„Shikaku!“

 

Als ein Schatten den Gang entlang raste, war Neji bereits aus dem Fenster verschwunden.

 
 

xXx
 

 
 

Es gab keine Richtung. 

 

Neji hätte in seinem Kopf in die eine und mit seinem Körper in eine andere spurten können und es hätte keinerlei Rolle gespielt. Überall war besser als dort, wo er gewesen war, auch wenn er nicht die geringste Ahnung hatte, wo er überhaupt hinlief. Es kam ihm überhaupt nicht in den Sinn, einen inneren Kompass zu Rate zu ziehen oder zu versuchen, seine Geschwindigkeit zu drosseln. 

 

Er rannte einfach nur. 

 

Bleib nicht stehen.

 

Er schnitt durch den Wald und bewegte sich, als wäre der Teufel hinter ihm her. 

 

Mondlicht stach durch den schweren Mantel der Wolken, doch was für eine Beleuchtung es auch immer erzeugte; es war mager und bedeutungslos. Neji konnte sowieso kaum durch den Schleier über seinen Augen sehen. Aber wenn man bedachte, dass er kein Ziel hatte, dann war es egal, wenn er sich blind bewegte. 

 

Die Welt war nichts weiter als ein verwässerter Hauch von Grau und Schatten. Und als würde er sich durch Wasser bewegen, wurden seine Schritte schleppend; er fand kaum Halt auf dem trügerischen Teppich aus nassem Laub und weicher Erde. 

 

Als er Shikamaru verfolgt hatte, war es nicht so schwer gewesen, sich zu bewegen. 

 

Doch plötzliche fühlte es sich an, als würde er in die Tiefe gezogen werden. 

 

Bleib nicht stehen.

 

Das Bellen von Hirschrufen durchstach die kalte nasse Luft wie Shuriken – scharf und schrill.

 

Neji schwang zur Seite, um zwei springenden Hirschkühen auszuweichen und spurtete einen Abhang hinauf. Die Muskeln in seinen Schenkeln arbeiteten ohne Unterlass, um ihn schneller und weiter voran zu treiben. 

 

Ein Hirschbock brach aus der Dunkelheit. 

 

Neji schlitterte auf der glitschigen Erde und wirbelte herum, um nicht mit dem angreifenden Tier zusammenzustoßen. 

 

Die Masse aus spielenden Muskeln und schwingendem Geweih blieb abrupt stehen und drehte sich; die Lenden des Tieres bebten vor verheerender Kraft. Ganz anders als Neji fand der Hirsch mühelos Halt auf dem instabilen Untergrund und er bäumte sich auf, um mit den Vorderläufen in die Luft zu treten, während Ströme aus Dunst wie Rauch aus seinen Nüstern flossen. 

 

Neji duckte sich unter den schlagenden Hufen hinweg. 

 

Der junge Bock schnellte herum und fing den Jōnin beinahe mit seinem Geweih ein, als seine Beine krachend auf dem Boden aufschlugen und er brutal stampfte. Die riesigen dunklen Augen rollten und ein heiseres Röhren explodierte aus seiner Kehle, während sein Kopf herum schwang; sein bandagierter Hals zuckte, als er seine Wut heraus brüllte. 

 

Bleib nicht stehen.

 

Neji sprang los, vermied mit einem Drehen ein Aufspießen und stieß sich von einem Baum ab, um über den Rücken des Hirsches zu springen und erneut über den Abhang zu sprinten, wobei er kaum den natürlichen Fallen aus Wurzeln und abgestürzten Ästen entkam. Er griff hoch nach oben, packte einen tief hängenden Zweig und schwang sich hoch hinüber auf die andere Seite des Hangs, um dort rennend wieder auf dem Boden aufzukommen. 

 

Das Zucken an seinen Schläfen war so instinktiv, dass er es nicht bekämpfte. 

 

„Byakugan!“

 

Der Schmerz flammte grell auf, bevor er zu einem Pochen abstumpfte. 

 

Er hielt seine Füße in steter Bewegung und die eisige Luft drang in seine Lungen und wieder hinaus, als er zwischen den Bäumen hindurch schnitt; immer weiter vorwärts getrieben, während sich die Welt in monochromer Klarheit vor ihm ausdehnte. Der Wald wurde zerfurchter und wilder, als er sich immer tiefer seiner Umarmung entgegen drückte. 

 

Bleib nicht stehen.

 

In irgendeinem isolierten Teil seines Verstandes wusste er, dass er den falschen Weg entlang rannte.

 

Habe ich meine Richtung verloren, als du mich gefunden hast?

 

Ein lächerlicher Gedanke. 

 

Aber keine Lüge…

 

Neji versuchte, den nassen Schleier von seinen Augen zu blinzeln, nur um sie vor Schock weit aufzureißen, als seine Sicht seinen rennenden Füßen voraus griff. Sein Fokus fixierte sich auf die Gestalt, die etwas weiter entfernt auf dem Pfad stand. Sein Herz vollführte einen Sprung und seine Beine stolperten in der Mitte einer Lichtung zu einem gebrochenen Halt; das Blattwerk um ihn herum schimmerte wie eine Fata Morgana. 

 

Aber es war nicht das Wasser auf den Blättern, das seine Sicht verzerrte; es war das Wasser in seinen Augen.

 

Wie flüssiger Mondstein starrten seine tränenüberschwemmten Augen benommen nach vorn. 

 

Die Venen seines Byakugans verschwanden und er stand bewegungslos da, während er abgehackt keuchte. 

 

Um ihn herum wurde der Wald zu einem Rascheln aus Laub im Wind; ein Anschwellen und Schrumpfen von Geräuschen, die durch die heimsuchenden Schreie von Hirschrufen auf der Brise erkalteten. Surreal, melancholisch…wie ein Traum…

 

„Hyūga Neji.“

 

Neji stierte angesichts des Klanges seines Namens geradeaus. 

 

Die Silben rollten mit einem rauchigen Ton durch die Nacht, der beinahe vertraut war; aber die Stimme war heiserer an den Kanten und tiefer mit dem Hauch von Rost. 

 

Älter. 

 

Neji konzentrierte sich auf das Echo seines Namens und starrte blicklos auf den Umriss, der sich aus dem nebligen Schwarz zwischen den Bäumen löste. 

 

Mit vollkommener Bewegungslosigkeit tauchte Shikaku auf. 

 

Es war, als würde sich die Dunkelheit zurückziehen, um ihn zu enthüllen; er musste sich nicht einmal bewegen. Es wäre unheimlich und verstörend gewesen, das zu erleben, aber Neji konnte außer dem nassen Brennen in seinen Augen kaum etwas wahrnehmen. 

 

Er konnte es einfach nicht fort blinzeln. 

 

Nicht einmal sein Stolz kam zu seiner Verteidigung. 

 

Er schluckte hart und versuchte, den Knoten aus zertrümmerten Emotionen in seiner Kehle nach unten zu zwingen; versuchte, sie genug zu klären, um antworten zu können, zu reagieren – irgendetwas. Doch seine mentalen Kommandos schienen sich auf ihrem Weg zu verkürzen und dann jeden Sinn zu verlieren. 

 

Da war kein Gedanke mehr; nur Gefühle. 

 

Gefühle, die ihn auf der einen Seite nach oben und auf der anderen nach unten rissen. 

 

Ein erstickter Klang erscholl hinter seinen zusammengebissenen Zähnen. 

 

Ich kann das nicht in mir halten…Götter bitte, nicht hier…nicht so…

 

Er war sich Shikakus Blick nicht bewusst; oder der Art und Weise, wie der scharfe, tödliche Schnitt der Augen des Nara zuckte, bevor er weicher wurde. Die Kante verließ niemals die Züge des Jōnin Kommandanten, aber in der Dunkelheit nahmen sie einen anderen Ausdruck an. 

 

„Du hast meinen Sohn angegriffen.“

 

Neji presste heftig die Lider aufeinander. 

 

Weder hörte er das entfernte Rufen im Wald, noch bemerkte er, wie sich die Hirsche unruhig um sie herum bewegten; er war viel zu beschäftigt damit, sich an der Würde festzuhalten, die ihm gerade entrissen wurde. Versuchte verzweifelt, das zu verbergen, was er nicht länger in sich halten konnte. 

 

Er wusste, dass wenn er die Augen öffnen würde, dann könnte er niemals verstecken, was in ihnen stand. 

 

Und wenn Shikamaru ihn so gut lesen konnte, als all seine Verteidigungen noch bestanden hatten; was zur Hölle würde dann der Vater des Schattenninjas sehen können, wenn er vollkommen ohne Defensiven war?

 

Gott…nicht so…

 

Das Quetschen von Schlamm und Laub machte ihn auf Bewegungen aufmerksam. 

 

Neji wollte schon seine nassen Wimpern heben, doch Shikaku war schneller. 

 

Bevor Neji überhaupt die Chance bekam, seine Lider zu öffnen, legte sich der Unterarm des Nara über seine geschlossenen und brennenden Augen. 

 

Mit einem scharfen Atemzug wurde Neji vollkommen still. 

 

Doch Shikaku unternahm sonst nichts. Er stand einfach nur seitwärts gerichtet und hielt seinen Arm wie eine provisorische Augenbinde über die Lider des jungen Jōnin. Er blockierte damit den Beweis einer tiefen Wunde, die Neji so verzweifelt zu verstecken versuchte.

 

Ohne irgendeinen Grund bot Shikaku ihm eine Verteidigung an. 

 

Nejis Brauen zogen sich verwirrt zusammen; seine Kehle war angespannt und verschlossen. 

 

Für einen langen Moment bewegte sich keiner von ihnen und selbst die Hirsche, die um die Lichtung herum standen, wurden still und ernst. Und dann, nach dem Langziehen einer schmerzerfüllten Stille, spürte Neji, wie das salzig feuchte Gewebe von Shikakus Ärmel leicht gegen seine Augen strich, als der Nara tief einatmete und die Luft in einem langsamen leisen Seufzen entließ. 

 

„Du wirst dich umdrehen und dem Hirschbock aus unserem Wald hinaus folgen.“, sagte Shikaku und seine raue Stimme rieb wie Sandpapier über Nejis Nerven. „Und du wirst nie wieder einen Fuß hier hinein oder in mein Haus setzen. Nicke, wenn du das verstanden hast.“

 

Neji nickte kaum merklich. 

 

Er hörte Shikaku summen. „Geh.“

 

Und dann war der Druck gegen seine Augen fort. 

 

Er hörte nicht, wie Shikaku verschwand, aber er spürte es. 

 

Fassungslos und erschüttert hielt sich Neji steif aufgerichtet; als wäre er im Schattenbesitz gefangen. Er wusste, dass er es nicht war; was aber nicht erklärte, warum er es nicht war. Shikaku hätte ihn zerfetzen müssen, als all seine Verteidigungen fort waren, statt ihm einen Ausweg zu bieten.

 

Geh. Nimm ihn an und geh.

 

Der sanfte Atemzug gegen seinen Kopf brachte ihn dazu, sich umzudrehen. 

 

Als er endlich die Lider hob, fand er die tiefen, seelenvollen Augen des besten Hirsches der Nara vor sich, die ihn ansahen. Ein beeindruckendes, schönes Tier, das ihn mit einer Art zeitlosen Wissens betrachtete, das Neji ebenso sehr erschütterte wie jeder Blick, den er von Shikamaru erhalten hatte. Doch dann kam ihm die Erinnerung an das in den Sinn, was er vor wenigen Stunden auf dem Gesicht des Nara gesehen hatte. 

 

Neji schloss krampfhaft die Augen. 

 

Aufmerksam stellten sich die Ohren des Hirsches nach vorn auf; seine großen Augen waren sanft und beständig.

 

Neji fühlt ein zaghaftes Stupsen an seiner Stirn. 

 

Und dann schnaubte Rikumaru leise und beschlug den Stahl des Hitai-ate mit einem einzigen Atemstoß. Die Geste des Tieres war so heimsuchend vertraut, dass es Neji aus seiner Paralyse zerrte. 

 

Seine Füße begannen, sich zu bewegen; langsam, aber stet.

 

Und wenn sein Verstand nicht zu dem Ort zurückgespurtet wäre, von dem er weggerannt war, dann wäre ihm vielleicht bewusst geworden, wie seltsam es war, dass der Hirsch, der ihn aus dem Wald heraus führte, an seiner Seite lief und nicht vorneweg.

 
 

oOo
 

 
 

Dunkelheit wogte und bewegte sich gegen seine Augenlider und zerbrach in einzelne Flecken. 

 

Seine Wimpern flatterten und er erhaschte das Glimmen von Licht. 

 

Licht…grünes Licht…

 

Grünes Licht? Was zur- FUCK!

 

Shikamaru zuckte mit einem Zischen zusammen und Bewusstsein packte ihn wie eine Faust, als ihn der Schmerz sich bewegender Knochen und zusammenziehender Haut kurz aus der Schwärze zerrte. Eine Handfläche presste sich gegen seine Stirn und drückte seinen Kopf zurück. 

 

„Ssshhh. Alles gut.“

 

Es war wirklich nicht gut.

 

Shikamaru wollte diese Tatsache sarkastisch kundtun, doch seine Kehle wollte einfach nicht kooperieren. Sie schmerzte höllisch. Energisch kämpfte er um einen stärkeren Faden von Bewusstsein und suchte die Leere in seinem Verstand nach diesem Pulsieren von grünem Licht ab. Unfähig, es zu finden, bewegte er seinen Hals. Der Schmerz riss sein Hirn ruckartig zur Besinnung. 

 

Scheiße…

 

Er schluckte hart. 

 

Hände umfassten zaghaft seinen Hals. 

 

Reflexartig reckte er seinen Kiefer nach oben, als er sich der Berührung entziehen wollte. Ein schwaches schmerzerfülltes Stöhnen drang seine malträtierte Kehle hinauf. 

 

„Ssh.“

 

„Wie schlimm?“ Die Stimme seines Vaters.

 

Panik rammte sich in sein Herz und brachte es aus dem Rhythmus. 

 

Fuck…Wo ist Neji…?

 

„Ich habe seine Rippen wieder ausgerichtet…“ er hatte keine Ahnung, wer zur Hölle das war. 

 

Sanitäter…?

 

Das schwere schwebende Gefühl eines induzierten Schlafes zerrte an seinen Sinnen. 

 

Scheiße…bleib wach…

 

„…ihm etwas gegeben, das helfen wird, um…ausruhen und tief atmen…die Quetschungen an seinem Hals sollten innerhalb der nächsten…hat ihn gesäubert und versorgt, bevor ich es getan habe…“

 

„…verschwindet in die Nacht wie ein…in unserem Dorf sowas passieren?“

 

„…beruhigen, Yoshino…“

 

„…wagen, mir zu sagen, dass ich mich beruhigen soll, Shikaku!“

 

Shikamaru zuckte aufgrund der Lautstärke seiner Mutter zusammen und fragte sich plötzlich, ob es wirklich eine so schlechte Idee wäre, zurück in das Schwarz zu gleiten. 

 

„…Shinobi, du weißt das.“

 

Und dann begann das Heben und Fallen von Stimmen in seinen Kopf hinein und wieder hinaus zu schwingen. Doch stärker als die Stimmen, die ihn umgaben, war die eine, die in seinem Kopf wirbelte; die sich sogar dann noch hob, als er spürte, wie er langsam in die Dunkelheit tauchte. 

 

‚Du zerbrichst mich…und dennoch bist du alles, was ich atmen kann…‘

 

Und er konnte einfach nicht anders, als sich zu fragen, ob sie damit gleichauf waren. Aber wenn das der Fall war; warum zur Hölle fühlte es sich dann so an, als hätte keiner von ihnen gewonnen? Und in den letzten Momenten, bevor sich sein Verstand abschaltete, wusste er bereits die Antwort – und die Tatsache, dass er immer noch atmete, sagte ihm, dass auch Neji diese Antwort kannte. 

 

Es war niemals ein Spiel…

 
 

xXx
 

 
 

Als Shikamaru Stunden später aufwachte, sagte ihm das sandige Glühen auf seinen Augenbrauen, dass der Tag bereits bis zum späten Nachmittag fortgeschritten war. Eine benommene und unzusammenhängende Art von Schmerz machte sich an seiner Seite bemerkbar; es war höllisch unangenehm, aber erträglich genug, um sich bewegen zu können. 

 

Er versuchte, sich aufzusetzen und überdachte sofort die Weisheit seiner Einschätzung. 

 

Scheiße.

 

Er verharrte einen Moment, um seinem Körper die Möglichkeit zu geben, zu seinem Hirn aufzuholen. 

 

Okay, Zeit, sich zu bewegen. 

 

Wimmernd zog er behutsam die Ellbogen unter sich und zuckte zusammen, als er seinen Körper Stück für Stück drehte, um einschätzen zu können, welchen Spielraum er in seinen Bewegungen hatte. Er fühlte sich, als wäre von einem heranrasenden Schafsbock gerammt worden und seine Rippen hätten Bekanntschaft mit dem funktionalen Ende der Hörner gemacht. 

 

Kein schlechter Vergleich…

 

Wobei es vermutlich weniger schmerzhaft wäre, auf die Hörner genommen zu werden, als das, was er jetzt zu tun gedachte; oder zumindest dann, wenn er sich auf kreative Weise in seine Kleidung und Flakjacke hinein gewunden hatte und versuchte, das Haus unbemerkt zu verlassen. 

 

Wie lästig. 

 

Vorsichtig hob der Schattenninja seine Füße vom Bett und umfasste seine verletzte Seite, bevor er sich umdrehte und an den Rand der Matratze rutschte, während er unter dichten Wimpern durch sein Zimmer blickte. Seine Augen folgten dem Spinnwebenmuster der Risse um das schmale Loch in der Wand. Die Delle, die Nejis Handkante hinterlassen hatte, war dünn aber tief und abgeplatzte Gipsflocken besprenkelten den Boden. 

 

Shikamarus Haut begann bei der Erinnerung daran zu kribbeln. 

 

Der Hyūga war wie eine Maschine auf ihn losgegangen; kaltblütig auf ein einziges Ergebnis fokussiert. Ein Ergebnis, das Shikamaru nicht ausgeschlossen hatte; und dennoch hatte sich alles in ihm darauf konzentriert, die Wut des Hyūga zu überwinden und das zu erreichen, was sie so sehr genährt hatte. 

 

So knapp…

 

Er berührte die Wunde an seinen Rippen und seine Augen zuckten angesichts des aufflammenden Schmerzes. 

 

Oder vielleicht war es auch der Schmerz hinter seinen Rippen. 

 

Gott, sie waren auf so viele Arten beinahe der Tod des anderen gewesen. Und in einer so unbedeutend kurzen Zeit war so unendlich viel aus ihrer beider Vergangenheiten hervor gegraben worden; und es sorgte für eine entsetzlich unklare Zukunft. 

 

Am besten fange ich endlich damit an, das Chaos aufzuräumen…

 

Langsam atmete Shikamaru ein und schluckte an dem Schmerz in seiner Kehle vorbei, während er seine Aufmerksamkeit auf die Tür richtete und sich endlich auf seine Füße erhob. 

 
 

oOo
 

 
 

„Schick mich.“

 

„Du bist gerade erst zurück gekommen.“

 

Neji hielt seinen Blick ein winziges Stück von einem direkten Augenkontakt fort und konzentrierte sich auf das Zentrum der Stirn der Godaime. Er fasste ihre Aussage als die unverblümte Observation auf, die sie war und bot keinerlei Erwiderung darauf an; wartete einfach nur. 

 

Er hatte seine ruhige und kontrollierte Miene effektiv wieder errichtet und auch wenn seine sauberen Hyūga Roben etwas locker über seiner hageren Gestalt hingen und sich die Schatten etwas zu scharf in seinen zusammengezogenen Zügen hielten, strahlte er dieselbe Stärke und stille Macht aus wie immer. 

 

Es war nur die Verletzung an seinem Kiefer, die Fragen aufwarf; Fragen, die Tsunade nicht stellte. 

 

Zumindest dafür war er dankbar. 

 

„Selbst wenn du dich schon wieder erholt hast, ist es dennoch eine fragwürdige Bitte.“ Tsunade beugte sich in ihrem hochlehnigen Stuhl nach vorn und der kleine Diamant auf ihrer Stirn versank in dem scharfen Runzeln ihrer Brauen. „Warum einen Jōnin schicken, um die einfache Arbeit eines Gesandten zu erledigen?“

 

„Das Vertrauen ist noch immer brüchig, Hokage-sama. Ein bekanntes Gesicht wird viel dazu beitragen, um die Verbindungen zwischen den Dörfern zu stärken.“

 

„Gegen diese Logik kann ich nicht argumentieren, aber ich könnte immer noch einen der anderen Chūnin schicken, die dich begleitet haben.“

 

„Genau aus diesem Grund ist es auch eine Bitte.“, sagte Neji leise und sein Blick traf flüchtig auf Tsunades Bernsteinaugen, die ihn ruhig hinter ihren verschränkten Fingern betrachteten. 

 

Tsunade summte, während sich ihre Brauen nachdenklich zusammenzogen. „Nun, eine schwierige und harte Bitte zu überdenken ist immer einfacher, als einen schwierigen und harten Befehl zu geben.“

 

Neji spannte sich innerlich an, neigte aber nur marginal den Kopf in einer nonverbalen Frage. 

 

„Versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen.“ Tsunades Lippen zuckten hinter ihren Fingern, aber es lag keinerlei Belustigung in ihren Augen. „Shikamaru hat Befehle befolgt, vergiss das nicht.“

 

Wenn Neji nicht gewusst hätte, dass das eine Lüge war, hätte er vermutlich darauf reagiert. Aber so wie es war, starrte er sie einfach nur schweigend an; ohne ein einziges Wort oder äußerliches Zeichen, das ihr bedeutet hätte, dass er mitbekommen hatte, was sie gesagt hatte. 

 

Tsunade hob eine Braue. „Meine Befehle. Willst du sie in Frage stellen, Hyūga?“

 

„Nein, Hokage-sama.“

 

„Natürlich tust du es.“, konterte Tsunade und hob ihr Kinn auf ihr Handgelenk. „Aber jetzt ist die Frage viel mehr, ob du stabil genug bist oder eben nicht, um von einer psychologischen Evaluation ausgenommen zu werden. Was denkst du?“

 

Die Frage rammte sich hart in seinen Stolz und dellte ihn übel genug ein, um beinahe den Stahl auf seinen Zügen einzureißen. „Wenn du es befiehlst, dann spielt es keine Rolle, was ich denke.“

 

„Du bist ein hervorragender Shinobi, Hyūga. Es ist gefährlich für Konoha, wenn hervorragende Shinobi an einem Abgrund stehen. Sieh dir nur an, was mit Sasuke passiert ist.“

 

Nejis Kinn ruckte ein Stück nach oben und sein Kiefer verkrampfte sich. „Ich bin nicht der Uchiha.“

 

„Nein, aber du bist ebenso tödlich, oder nicht?“, murmelte Tsunade mehr zu sich selbst. „Und das drängt mir die Frage auf, ob ich wirklich so ein Glücksspiel mit dir eingehen soll, wie es Shikamaru getan hat; oder ob ich nicht doch lieber die sicherste Wette eingehe und dich auf eine Labilität durchchecken lasse.“

 

Oder einchecken ließ. 

 

Einchecken in einen weiteren Käfig mit einer weiteren Gruppe von Leuten, die versuchten, seinen Verstand auseinander zu nehmen und das Muster zu finden, das ihn dazu getrieben hatte, so verzweifelt einer Freiheit nachzujagen, von der er nicht hoffen konnte, sie zu halten. Sogar auf Kosten seines Lebens. Aber auf der anderen Seite war es nicht so, dass die Black Ops irgendeine vernünftigere Wahl wären. Vielleicht zählte das Leben an einem psychologischen Abgrund auch nur dann wirklich, wenn sie einem offiziell das ANBU Zeichen in die Haut tätowiert hatten. 

 

Doch sich auf einer feinen mentalen Linie zu bewegen war nicht Nejis Ziel; auch wenn die ANBU es waren. 

 

Neji schüttelte den Kopf und das leise Schwingen seiner Strähnen strich über die lilanen Hämatome auf seinem Kiefer. „Sollte ich mich jemals an einem Abgrund befunden haben, dann bin ich über das Stadium hinaus, an dem ich darüber gestoßen werden kann.“

 

Tsunades Stirnrunzeln machte ihre Bernsteinaugen eine Nuance dunkler werden, aber der Argwohn in ihren Augen wurde durch Neugier abgemildert; und durch etwas anderes, das Neji nicht richtig einordnen konnte. 
 

„Bist du das?“, murmelte sie. „Wie kannst du dir da so sicher sein?“

 

Neji senkte den Blick und Spannung wogte durch seinen Oberkörper, als er darüber nachdachte, wie gefährlich eine ehrliche Antwort wäre. Aber im Grunde hatte er schon genug Lügen verdauen und genug Wahrheiten ungesagt hinunterschlucken müssen. Es ließ ihn müde zurück; müde darüber, das Gewicht wie Steine in seinen Eingeweiden mit sich herum tragen zu müssen. 

 

Götter, ich bin so müde…

‚Ich weiß…ich weiß, dass du das bist…‘

 

Die Erinnerung an Shikamarus leise Worte zerrte einen dieser Steine aus seinem Inneren hinauf in seine Kehle und zwang ihn dazu, scharf durch die Nase einzuatmen. 

 

Tsunade beobachtete ihn für einen weiteren Moment schweigend. 

 

„Wie kann ich mir sicher sein, dass du dich jenseits des Zustandes befindest, über diese Kante gestoßen zu werden, Hyūga?“

 

Nejis Kehle verkrampfte sich, aber statt die Wahrheit zu zertrümmern, sprach er sie aus. Er hob die Augen und seine Stimme war heiser und leise in der Stille des Raumes. 
 

„Weil er mich zurück gezogen hat.“

 
 

oOo
 

 
 

Naja, also wenn mich das letzte Nacht nicht umgebracht hat…dann vermutlich das.

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und zog den Stoff seines Rollkragenoberteils so hoch wie möglich über die schwarze und blaue Säule seiner Kehle. Und während er das tat, fragte er sich, ob er nicht etwas zu ambitioniert dabei gewesen war zu denken, dass sein Glück weiterhin anhalten würde. Er war sich ziemlich sicher, dass sich dieses ganze ‚neun Leben‘ Ding, mit dem Ino ihn immer wieder aufzog, einzig und allein auf Katzen beschränkte – und wenn er nicht die Rolle einer verängstigten von Kötern gejagten Katze einnahm, dann hatte er rein gar nichts mit diesem Tier gemeinsam, außer den grundlegenden Instinkt, nicht draufzugehen.

 

Ja klar, also warum bin ich dann nochmal hier?

 

Langsam ließ er seine Augen über den Ort wandern, an den er gegangen war. 

 

Die Residenz der Hyūga war ganz offensichtlich dazu entworfen worden, um die kalte Eleganz und Macht des Clans auszustrahlen, der sie bewohnte. Die Struktur war ebenso prominent und stolz wie jedes Mitglied; die Gestaltung war bis hin zum Zustand der kalten Wände und der fein säuberlich gekehrten Türschwelle makellos. 

 

Shikamaru verlagerte sein Gewicht auf seinen linken Fuß und versuchte, seine natürlich träge Haltung einzunehmen, ohne zu sehr seine Rippen zu belasten. „Scheiße…“

 

Wenn er auch nur einen einzigen Funken Verstand besessen hätte, dann hätte er einen unbeholfenen Halbkreis vollführt und seinen Hintern zurück in die andere Richtung getragen. Aber er war sich sowieso nicht wirklich sicher, ob er gerade mit seinem Kopf arbeitete. Es gab immer noch einige lose Enden, die er verknoten musste; und wenn nur, um Neji aus so vielen Winkeln wie möglich zu decken, wie es ihm möglich war. Er hatte bereits genug Defensiven des Hyūga niedergerissen, oder? Für nichts auf der Welt würde er zulassen, dass der Jōnin für einen Schlag von dem Clanoberhaupt bloßgelegt war. 

 

Allerdings würde es auch nicht einfach werden, diesen Schlag umzulenken oder abzufangen. 

 

Er würde den verdammten Stier direkt bei den Hörnern packen müssen. 

 

Vielleicht wäre er mit etwas mentaler Beinarbeit in der Lage, das hier auch irgendwie zu überleben. 

 

„Kann ich dir helfen?“

 

Shikamaru blinzelte sich aus seinen Gedanken zurück und sein Blick zuckte zu einem jungen Mann, der Blätter in einen ordentlichen rauchenden Haufen fegte. Der Geruch von Holzrauch begann, schwer und beruhigend zu ihm herüber zu schweben; es besänftigte seine Nerven auf dieselbe Art, von der er glaubte, dass es bei Asuma mit seinen Zigaretten der Fall war. 

 

Asuma…

 

Eine weitere Situation, der er sich würde stellen müssen; vorausgesetzt, er überlebte diese hier. 

 

Der Mann legte den Kopf schief und Shikamarus Aufmerksamkeit wurde von dem späten Nachmittagsglühen abgelenkt, das von dem Hitai-ate des Mannes schimmerte. Es verkündete seine Stellung als Zweigmitglied ebenso deutlich wie der unterwürfige Gehorsam, mit dem er sich bewegte. 

 

„Kann ich dir helfen?“, fragte er noch einmal. 

 

Shikamaru öffnete den Mund und war irgendwie geschockt von dem schweren Raspeln seiner Stimme, als sich die verletzten Sehnen in seinem Hals abmühten. „Ich wäre sehr dankbar, wenn du das könntest. Ich bin hier, um mit Hiashi-sama zu sprechen.“

 

„Hat er nach dir rufen lassen?“, fragte der Mann und richtete sich auf. Seine weißen Augen wanderten über den heilenden Riss auf Shikamarus Wange. 

 

„Jo…sowas in der Art.“

 

„Wenn du bitte kurz warten würdest. Er wird wahrscheinlich gerade beim Rat sein.“

 

„Danke.“, krächzte Shikamaru und wandte sich den schwelenden Blättern zu, während der Mann im inneren des Anwesens verschwand. 

 

Wenig überraschend musste er nicht lange warten. 

 

„Nara Shikamaru?“

 

Shikamaru spähte zu der Türschwelle, als der Mann ihm mit einem Schwung des Handgelenks bedeutete, näher zu treten. „Hiashi-sama wird mit dir sprechen.“

 

Shikamaru neigte leicht den Kopf und bewegte sich etwas zögerlich, als er sich die Sandalen von den Füßen streifte. Er folgte dem Zweigmitglied das polierte Holz einer Veranda entlang und über einen Innenhof, der von einem riesigen eleganten Baum dominiert wurde. Schließlich kamen sie zu einem Seiteneingang, der in einen leeren Raum führte. 

 

Shikamaru bemerkte sofort, dass Hiashi nicht da war. 

 

Erst, als der Mann ihn vorwärts gestikulierte, trat er in das Zimmer. Das Zweigmitglied schob die Shojitür hinter ihm zu und ließ ihn allein in dem großen Raum, der weitläufig genug war, um mehreren Gästen Platz zu bieten. Doch die Tatami Matten erschienen abgenutzt und die Fusama Paneele waren kahl; ohne irgendein Muster, einer Bemalung oder Dekoration. Die ganze Gestaltung und der Mangel an Pracht ließen also eher auf einen Trainingsraum schließen, statt auf einen Ort, der für Besprechungen gedacht war. 

 

Super. Er wird mich definitiv umbringen, wenn wir hier sprechen werden. 

 

Eine andere Tür wurde auf der anderen Seite des Raumes aufgeschoben. 

 

Shikamarus Nerven spannten sich augenblicklich an. 

 

Wie eine Majestät, die eine Audienz abhielt, trat Hiashi mit königlicher Haltung ein. Er strahlte befehlende Anmut aus und seine patriarchischen Züge wiesen dasselbe ruhige und stoische Betragen auf wie der ganze Rest seines Körpers. Er drehte sich, um die Tür mit einem sehr bedächtigen Klacken zu schließen. 

 

Shikamaru beugte leicht den Kopf. „Hiashi-sama.“

 

Hiashi ignorierte seinen Versuch von Höflichkeit; oder besser gesagt machte der Hyūga keinerlei Anstalten, sie zu erwidern. 

 

Klasse…

 

Für einen schweren Moment sah Hiashi ihn einfach nur mit einem Blick an, der so beständig war wie ein Laserstrahl. Und dann wandte er sich um, um zu dem erhöhten Bereich des Raumes zu schreiten – ein Podium, das dazu gedacht war, von dort Kämpfe zu beobachten. Es lag eine kalkulierte Manier in seinen Schritten; als würde er die Sekunden absichtlich in die Länge ziehen, um einen vollkommen unnötigen Eindruck zu hinterlassen. Einen Eindruck davon, wie Shikamaru sowohl in einer Situation als auch in einem Raum ohne Ausweg gefangen saß – außer der Hyūga gewährte ihm einen. 

 

Zumindest das war irgendwie vertraut; wenn schon sonst nichts. 

 

„Nara Shikamaru.“, sagte Hiashi letztendlich und seine tiefe unlesbare Stimme passte zu dem viel zu ruhigen Ausdruck in seinen blassen Kristallaugen. 

 

Shikamaru wandte sein Gesicht dem Ältesten zu und beobachtete, wie Hiashi ein Fusama Paneel zur Seite schob, um einen Ablageplatz zu offenbaren, der ordentlich mit Bokken bestückt war. Die Augen des Schattenninjas richteten sich sofort auf die hölzernen Klingen, die für Trainingszwecke genutzt wurden. Nach dem Blick zu urteilen, den Hiashi ihm zuwarf, fragte er sich ernsthaft, ob die Suburitō Waffe, die sich Hiashi ausgesucht hatte, nicht dazu gedacht war, an seinem Kopf ausprobiert zu werden.

 

„Ihr seid gestern bei uns zuhause vorbei gekommen.“, sagte Shikamaru und räusperte sich, während er seine Aufmerksamkeit zwischen dem Gesicht und den Händen des Hyūga aufteilte. „Ihr wolltet mit mir sprechen.“

 

Hiashi schob das Paneel wieder zurück, drehte sich gelassen und faltete seine Hände um das hölzerne Schwert, als wäre es ein provisorischer Gehstock, bevor er zaghaft mit dem Ende klopfte. „Du hast geschlafen.“

 

Shikamaru nickte und unterdrückte den Drang, sich unbehaglich auf der Stelle zu bewegen. „Ja.“

 

„Nachmittags.“

 

„Ich neige dazu, das zu tun, wenn ich die Zeit dafür habe.“

 

Hiashi starrte ihn an, als hätte er auf einmal angefangen, in fremden Zungen zu sprechen, bevor er langsam blinzelte. „Ich gehe davon aus, dass du weißt, worüber ich mit dir sprechen will?“

 

„An diesem Punkt möchte ich von gar nichts ausgehen.“

 

„Dann lass es mich direkt klarstellen. Es geht um meinen Neffen.“

 

Er wusste, dass Hiashi darauf wartete, dass er den Blick abwandte und so hielt er den Augenkontakt beständig und ohne zu blinzeln aufrecht, während er energisch gegen diese seltsame Empfindung ankämpfte, die sich anfühlte, als würde an seinen Nerven wie an Fäden gezogen werden. 

 

„Alarmiert dich das, Nara?“

 

„Warum sollte es?“

 

Hiashis Braue hob sich in einem eleganten Bogen. „In der Tat…warum sollte es?“

 

Shikamaru runzelte die Stirn und spielte einfach die Rolle des verwirrten Gesprächspartners. 

 

Hiashi faltete seine Hände neu über dem Bokken. „Du und Neji habt gemeinsam diese Mission nach Hanegakure geführt.“

 

„Das ist richtig.“

 

„Wurde er verletzt?“

 

Scheiße…

 

Shikamaru spiegelte die erhobene Braue des Hyūga. „Verletzt?“

 

„Plappere mir nicht nach, Nara. Beantworte meine Frage.“

 

„Nein, wurde er nicht.“, antwortete Shikamaru ohne zu zögern. „Er hat eine Nebenmission außerhalb der Grenzen von Hanegakure mit Hinata und Sakura übernommen.“

 

„Das hat mir auch meine Tochter erzählt.“, sagte Hiashi und sein Kinn neigte sich flüchtig zu der Shojitür, auch wenn seine Augen weiter auf den Schattenninja fixiert blieben. „Ich habe zwar noch nicht mit meinem Neffen gesprochen, aber ich kann mir vorstellen, dass er diese Geschichte bestätigen würde.“

 

Geschichte?

 

Shikamarus übersetzte dieses eine Wort wenig hilfreich in seine krasseste Bedeutung; und die war, dass seine Versuche, Hiashi irgendeinen Schwachsinn zu erzählen, auf einen riesigen Fächer trafen, der dabei war, eine ganze Menge Scheiße zurück in seine Richtung zu schleudern, wenn er nicht rasch die Taktik änderte. 

 

„Die Details stehen in den Missionsberichten, Hiashi-sama.“

 

„Ich habe kein Interesse an frisierten Reporten.“ Die Finger des Hyūga strafften sich um den Bokken herum, wie ein Löwe, der seine Klauen krümmte. „Ich bin mir sicher, dass dir bewusst ist, dass gefälschte Berichte dich in eine äußerst schändliche Position bringen können.“

 

Übersetzung: Der Mord an dir ist immer noch imminent und er könnte sogar legal sein.

 

Fuck.

 

Shikamaru begegnete dem steten Blick des Hyūga. „Ich weiß nicht, was Ihr meint.“

 

„Deine Täuschung strapaziert meine Geduld. Betrachte das als eine Warnung.“

 

„Ich weiß nicht, was Ihr erwartet, was ich Euch erzählen soll, Hiashi-sama. Ich kann Euch nicht sagen, was ich nicht weiß.“

 

Und dann offenbarte sich das Gefährlichste, was Shikamaru in Hiashis Augen hätte sehen können. Es wurde mit dem geringsten Flackern durch die kühlen Seen getragen, bevor diese Quartzaugen förmlich damit funkelten. 

 

Belustigung. 

 

Die duldsame, herablassende Art von Belustigung; verdunkelt von einem Hauch von Verachtung und Hohn. 

 

Die Art von Ausdruck, mit der ein Sieger seinen Feind bedachte, wenn er einen besseren Kampf erwartet hatte, bevor er seine Trumpfkarte hervorzog, um einen sauberen unumgänglichen Kill zu erzielen. 

 

Fuck.

 

„Dann gestatte mir, dir zu sagen, was ich weiß, Nara.“ Hiashis Stimme senkte sich um eine alarmierende Nuance. „Ich weiß, dass die Fähigkeit meines Neffen, Chakra zu formen vor der Mission nach Hanegakure stark eingeschränkt war. Ich weiß außerdem, dass seine Versuche, diese Tatsache vor mir zu verbergen, auf seine Gesellschaft mit dir zurückzuführen ist.“

 

Shikamaru hätte vermutlich geschockt ausgesehen, wenn sein Hirn nicht bereits seinen physischen Reaktionen vorausarbeiten würde. Sofort kalkulierte es, wie zur Hölle Hiashi im Besitz solch spezifischer Informationen sein konnte. Doch noch wichtiger waren die Informationen, in deren Besitz sich der Hyūga nicht befand. Es waren dieseInformationen, die essentiell waren, wenn er dieses Chaos überleben wollte. 

 

„Das ist nicht ganz richtig, Hiashi-sama.“, erwiderte Shikamaru mit lobenswerter Ruhe und drängte verzweifelt auf Zeit. 

 

„Es ist wirklich bemerkenswert, wie mühelos und flüssig du lügst, Shikamaru.“ Hiashi hielt ganz plötzlich inne; beinahe unbeabsichtigt. „Aber als Shikakus Sohn schätze ich, dass du ein Talent dafür hast.“

 

Das ließ Shikamaru die Brauen zusammenziehen, doch ihm fehlte der Kontext, um diese Worte mit etwas anderem als der jüngsten Auseinandersetzung zwischen seinem Vater und dem Hyūga in Verbindung bringen zu können. 

 

Super, hat mein alter Herr also noch etwas anderes gemacht, um dich anzupissen?

 

Es würde ihn nicht wirklich überraschen, wenn es so wäre. Sein Vater hatte schon immer einen seltsamen Umgang mit Hiashi gehabt, was er jedoch einzig und allein einem Zusammenprall von Familienwerten zugeschrieben hatte. 

 

„Was diese ausgeprägte Fähigkeit zu lügen angeht; das gleiche kann nicht von meiner Tochter behauptet werden.“, fuhr Hiashi elegant fort. „Sie hat nicht das Herz für Täuschungen und ihre Versuche darin sind gelinde gesagt beklagenswert.“

 

Shikamaru erbleichte und sein Blut wurde angesichts der Worte eiskalt. 

 

Er hoffte bei allen Göttern, die er kannte, dass die Erschöpfung, die auf seinen Zügen hing, genug sein würde, um die Veränderung seiner Blässe zu kaschieren. 

 

Offensichtlich war es das nicht. 

 

Hiashis Lippen bogen sich freudlos. „Ich bin kein Narr und ich werde mich nicht als einer vorführen lassen. Nicht von deinem Vater und schon gar nicht von dir. Ich weiß, dass mehr als nur eine der unerklärlichen Abwesenheiten meines Neffen darauf zurückzuführen sind, dass er sich bei dir zuhause aufgehalten hat.“

 

Shikamarus Verstand blätterte sich sofort durch katalogisierte Erinnerungen und rannte schlagartig die Zeitleiste bis zu dem Tag entlang, an dem Hinata Nejis Klamotten zu ihm gebracht hatte. 

 

Scheiße, er hat sie verfolgen lassen…das muss es sein…

 

Es war nicht schwer, sich das vorzustellen, wenn man Nejis wiederkehrendes Verschwinden zu dieser Zeit bedachte. Hinata hatte außerdem erwähnt, dass Hiashi von Nejis übermäßigen Missionen außerhalb des Dorfes beunruhigt gewesen war. Kein Wunder also, dass der Hyūga Lord Vorkehrungen getroffen hatte, um auch die Bewegungen seiner Tochter besser im Auge zu behalten.

 

Shikamarus verkrampfte den Kiefer. 

 

Götter, mir gehen die Möglichkeiten aus, bei der ganzen Sache auf Nummer sicher gehen zu können.

 

In der Spanne, in der er all diese Dinge eingeschätzt hatte, hatte Hiashi ihm keinerlei Raum gelassen, um darauf zu antworten. Er fuhr mit derselben tiefen, samtigen Stimme fort; aber genau wie das Gewebe, konnte sie auf zwei Arten interpretiert werden und es lag eine versteckte Kante darin, die gegen die Glätte in seinen Tönen arbeitete. 

 

„Obwohl Nejis Verhalten absolut inakzeptabel ist, gibt es wichtigere Dinge. Wurde er in Hanegakure verwundet? Denk gut nach, bevor du mich anlügst.“

 

Shikamaru senkte seinen Blick hinunter auf Hiashis Hände und sah der langsamen und extrem todbringenden Art und Weise zu, wie sich die Sehnen darin anspannten. Auf Nummer sicher zu gehen war nicht wirklich eine Option. Aber auf der anderen Seite war es nicht so, als wäre das hier irgendwie mehr ein Spiel, als es der ganze Rest gewesen war. 

 

Keine Möglichkeit mehr, hiervor noch länger wegzurennen…

 

Die Lider des Schattenninjas bebten, aber seine Stimme wurde stärker. „Was Neji in Hanegakure zugestoßen ist, ist passiert, weil ich mich verkalkuliert habe.“

 

„Er wurde verletzt.“ Keine Frage. 

 

Shikamarus Augen schlossen sich kurz. „Ja…“

 

Er hörte, wie Hiashis Roben in einer subtilen Bewegung raschelten, die den Bokken etwas näher an den Körper des Hyūga zog. „Darf ich annehmen, dass das dann bereits das zweite Mal ist, dass mein Neffe wegen deiner Misskalkulationen beinahe sein Leben verloren hätte?“

 

Die Worte zupften hart genug an einem Nerv, um ihn reißen zu lassen. 

 

Shikamarus Miene spannte sich an und seine Augen schwangen mit denen von Hiashi mit. „Wenn Ihr mich wegen irgendetwas verdächtigt, Hiashi-sama, dann wäre es am besten, wenn Ihr Euch an die Hokage wendet und eine formelle Beschwerde einreicht.“

 

Die Stille, die sich daraufhin hielt, hätte tödlich sein können; es war schwer festzustellen, denn als Hiashi antwortete, hatte sich seine Stimme zu einem seltsamen Timbre verändert, das noch etwas schwerer zu interpretieren war. 

 

„Ich frage nach der Wahrheit.“

 

Der Schattenninja schüttelte schwach den Kopf. „Ich kann Eure Fragen nicht beantworten.“

 

„Lass es mich anders formulieren. Ich bitte nicht. Und was für Lügen auch immer du und meine Tochter kreiert haben, um mich zu täuschen-“

 

„Hinata hat nichts damit zu tun.“, schnitt Shikamaru ihm das Wort ab, was ihm einen eisigen Blick einbrachte, der schon ältere und erfahrenere Männer zum Schweigen und zur Unterwerfung gezwungen hatte; aber auf der anderen Seite hatte Shikamaru gesehen, wie Nejis Augen kälter und härter gewesen waren als die, die ihn jetzt anstarrten. „Ich ziehe mich selbst dafür zur Verantwortung, was Neji in Hanegakure zugestoßen ist und genau wie Ihr sagtet; nicht zum ersten Mal. Es hatte nichts mit seiner Fähigkeit, Chakra zu formen, zu tun. Es war meine Schuld. Das ist alles, was ich Euch sagen kann. Und es ist die Wahrheit.“

 

„Ich glaube dir kein Wort.“

 

Shikamaru richtete sich auf und gab diesen Worten nicht einmal die Chance, in ihn zu sinken, während er energisch den Stich in seinen Rippen ignorierte. „Um unser Ziel zu erreichen hat Neji einen Schlag einstecken müssen, obwohl ich dafür hätte sorgen müssen, dass er nicht getroffen wird. Er wurde außerhalb von Konoha behandelt; auf meinen Befehl und aufgrund seines Zustandes.“

 

„Ich bin nicht daran interessiert, was euer Ziel war, Nara. Wir beide wissen, dass der Zustand meines Neffen auf mehr zurückzuführen ist, als einfach nur auf diese Mission oder darauf, dass du dich verkalkuliert hast.“

 

„Es lag an mir.“

 

Stille erfüllte den Raum wie ein abruptes Luftholen und presste sich nach außen gegen die Wände und nach innen gegen Shikamarus Trommelfelle. Die Pause hielt sich schwer und gefährlich; angespannt genug, um Härchen aufzustellen und über Haut zu kribbeln. 

 

Hiashis Augen waren starr auf ihn fixiert und spekulierten rücksichtslos. „Beschützt du ihn, Shikamaru?“

 

Die Lippen des Schattenninjas bogen sich in einem schwachen bitteren Schmunzeln nach oben. „Ich strategisiere und halte den Gegner hin und das von den Seitenlinien aus, Hiashi-sama. Ich mache keinen so guten Job darin, Menschen zu beschützen. Es wäre eine weitere Misskalkulation…anzunehmen, dass ich das könnte…“

 

Hiashi tat sein Ausweichen ab, als wäre es viel zu schwach, um überhaupt anerkannt zu werden. „Wovor hast du ihn beschützt?“

 

„Wenn ich irgendetwas beschützt habe, dann war es Nejis Würde. Das war’s.“

 

Hiashi neigte beinahe katzenhaft den Kopf zur Seite. „Wovor beschützt du ihn immer noch, wenn du weiterhin der Meinung bist, meine Intelligenz beleidigen zu müssen?“

 

Shikamaru zögerte, doch er schaffte es, seine Gesichtszüge beständig zu halten. „Ich bin nicht hierher gekommen, um Euch zu beleidigen, Hiashi-sama. Aber ich kann Eure Fragen nicht beantworten.“

 

„Also würdest du deine Reputation riskieren, nur um die Würde meines Neffen zu schützen?“

 

Shikamaru hätte beinahe gelächelt, schüttelte stattdessen aber den Kopf. „Meine Reputation schert mich nicht.“

 

„Ganz offensichtlich nicht…aber meine Frage steht immer noch. Warum tust du es?“

 

Es war eine Frage, die sich wie ein Haken in sein Herz grub und hart daran zog. Er musste schlucken, bevor er seine Antwort murmeln konnte. „Weil ich sein Freund bin.“

 

Hiashis Brauen schossen in einer vollkommen untypischen Lebhaftigkeit nach oben. „Sein Freund? Erwartest du von mir, dass ich diesen kindischen und etwas erbärmlichen Versuch einer Antwort akzeptieren werde?“

 

„Nein.“ Shikamaru wandte den Blick ab und sah zu, wie das bernsteinfarbene Licht warm durch die Shōji Paneele fiel. „Aber völlig egal, ob Ihr es akzeptiert oder nicht; es ist dadurch nicht weniger wahr.“

 

Ein leises Geräusch, das eine Mischung aus Intrigenspiel und Irritation sein könnte, verfing sich tief in Hiashis Kehle und löste sich mit einem abweisenden Schnauben. „Dir ist ganz klar die Umgangsweise deines Vaters mit Worten zu eigen, aber der Sohn des Jōnin Kommandanten zu sein schließt dich nicht aus dem Protokoll aus, wenn ich mich dazu entscheiden sollte, aufgrund meiner Vermutungen einzuschreiten.“

 

Shikamaru handelte, bevor Hiashi überhaupt die Chance dazu bekam. 

 

Er warf dem Hyūga einen Seitenblick zu. „Dann tut es jetzt.“

 

Hiashi blinzelte und zog überrascht das Kinn zurück. „Wie bitte?“

 

Shikamaru nutzte die Öffnung; nicht, weil er dachte, dass es taktisch klug war, das zu tun – gottverdammt, das war es nicht – sondern weil er erschöpft war. Er war der Fragen so verdammt müde, die sein Gewissen in eine Ecke trieben. Er würde zu seiner eigenen Zeit Buße tun, in der Privatsphäre seiner eigenen Umgebung; nicht hier, wo Hiashi ihn einem Kreuzverhör unterzog, gegen das der Bokken geradezu freundlich wirkte. 

 

Er hatte in seinem Inneren bereits genug Schläge einstecken müssen. 

 

Aber wenn er seinen Stolz hinunter schlucken müsste, um Neji zu beschützen; dann würde er es tun. 

 

Ein kleiner Preis nach all dem, was wir beide verloren haben…

 

Shikamaru nahm einen scharfen Atemzug, richtete den Blick auf den Boden und senkte schweigend ein Knie; innerlich zuckte er wegen des schmerzhaften Stichs an seiner Seite zusammen. 

 

„Was tust du da?“, verlangte Hiashi zu wissen und der ernste Ausdruck auf seinem Gesicht spannte sich unsicher an. 

 

Sich verneigend legte Shikamaru einen Unterarm auf sein aufgestelltes Knie und hielt seinen Blick nach unten gerichtet; seine Stimme floss in stiller Resignation durch den Raum. „Falls ich Euch mit meinen Worten oder Handlungen beleidigt haben sollte, dann entschuldige ich mich für beides. Aber solltet Ihr mich wegen sonst irgendetwas anderem verdächtigen, als euch zu beleidigen, dann werde ich alles akzeptieren, was Ihr Eurer Meinung nach unternehmen müsst.“

 

Mit den Augen starr auf den Boden gerichtet konnte er den Ausdruck auf Hiashis Gesicht nicht sehen. 

 

Er hätte vermutlich auch nicht gewusst, wie er darauf reagieren sollte, wenn er ihn gesehen hätte. 

 

Die Züge des Hyūga verzogen sich mit offener Überraschung und dann verengten sich seine blassen Augen zu einem flüchtigen Blick, der zerrissen war von äußerst menschlicher Verwirrung; einer, die tief unter der wohl erzogenen Fassade hervor drang. 

 

„Du würdest deine eigene Würde zerstören, nur um die seine zu schützen?“, murmelte Hiashi und die Verwirrung hielt sich noch immer in seinen Augen und schlich sich fast unmerklich in seine Stimme. „Außer es ist mehr als nur seine Würde, was du beschützt…?“

 

Shikamaru bot darauf keine Erwiderung an und ließ den Halbmast seiner Wimpern noch tiefer sinken; er versuchte nicht einmal, eine Antwort zu strategisieren. Es gab auch keine. Dieser Moment und seine Handlungen enthielten mehr Wahrheit als es seine Worte jemals könnten. 

 

Er spürte das Gewicht des Blickes des Hyūga wie eine Klinge über seinem Kopf. 

 

Er wartete auch auf den Schlag, der ihn treffen würde. 

 

Doch dann schwebte ein leises Seufzen durch die Stille. 

 

Und als Hiashi endlich sprach, klang seine Stimme leiser, aber auf eine andere Weise; als wäre sie weit entfernt. „Steh auf und geh nach Hause, Nara. Wir sind hier fertig.“

 
 

oOo
 

 
 

Der Sonnenuntergang verschmolz mit den blauen Schattierungen des Zwielichts; eine düstere Leinwand besprenkelt mit dem schwachen Flackern der ersten Sterne. Nejis Blick richtete sich auf das hellste Funkeln, das sich gegen das Indigo absetzte, das sich langsam in Schwarz verwandelte. 

 

Die Ruhe, die mit der Nacht einherging fühlte sich aus irgendeinem Grund hohl an.

 

Als wäre sie außer Reichweite…

 

Ebenso weit entfernt wie diese Sterne…

 

Ein sanftes Glühen von eisblauem Licht zog seine Aufmerksamkeit hinunter auf die junge Kunoichi, die fließende Drehungen auf dem Innenhof beschrieb. Sie hatte nicht ein einziges Mal inne gehalten, seit sie begonnen hatte. Und Neji hatte sie schweigend vom Rand aus beobachtet; still und stoisch wie ein Wachposten. 

 

Das ist es auch, was ich bin…oder?

 

Hinata zog scharf ihre Faust an sich, während sie ihre andere Handfläche mit einem Wimmern nach außen stieß.

 

Neji legte den Kopf schief und sah zu, wie das Chakra über ihre Hand flackerte wie ein blauweißer Handschuh; es schwoll an und verpuffte dann schwach.

 

Nah dran.

 

Ohne die Miene zu verziehen beobachtete er, wie sie sowohl den Prozess als auch den Fehler wiederholte. Frustration berührte ihre Augen, aber er konnte sich vorstellen, dass die Enttäuschung ihr Herz härter traf. 

 

Etwas weiter die Veranda hinunter glitt eine Shojitür auf. 

 

Neji drehte leicht den Kopf, bevor er sich sofort umwandte und verneigte. 

 

Hiashi kam an seine Seite, doch die Augen des Ältesten wanderten zu seiner Tochter. Neji folgte ihm und richtete seinen Fokus ebenfalls wieder auf Hinata; und wenn nur, um es vermeiden zu können, seine Aufmerksamkeit auf Hiashis Profil zu richten, das in den vertrauten strengen und düsteren Konturen verblieb. Wenn er nur etwas genauer hingesehen hätte, dann hätte er vielleicht bemerkt, dass da auch noch etwas anderes auf dem Gesicht seines Onkels zu finden war. 

 

Die Stille, die sich zwischen ihnen hielt, war nicht angenehm, aber sie war auch nicht angespannt. 

 

Ihr gemeinsamer Aufmerksamkeitspunkt verengte sich auf Hinata und es war nur der leise Klang ihrer Atmung und konzentrierten Rufe, die den stillen Innenhof erfüllten. Der Geruch von Holzrauch und gelegentlich vorbei treibende Asche wurden durch die Luft getragen; sterbende Funken auf einer kalten und schneidenden Brise. 

 

Hiashi hob den Kiefer, drehte aber nicht den Kopf. „Dein Trotz wird nicht toleriert werden, unabhängig davon, wie es dir geht; das musst du verstehen.“

 

Neji blinzelte langsam und folgte mit den Augen Hinatas Bewegungen. „Das habe ich schon immer verstanden, Hiashi-sama. Was ich nicht verstehe ist, warum du deinen Bruder nicht dazu ermutigt hast, das anzunehmen, was ANBU ihm geboten hat.“

 

Hinata stolperte einen Schritt zurück, schüttelte ihre Hände aus und begab sich direkt wieder zurück in ihr Kata, während sie mit ihren Armen anmutige und kontrollierte Kreise beschrieb. Hiashi runzelte die Stirn und beobachtete stattdessen ihre Beinarbeit. 

 

„Ist es das, worum es hier geht, Neji?“, fragte er. „Dein Vater?“

 

Neji sah weiterhin auf Hinatas Hände. „Ich habe dem Käfig, in den ich hinein geboren wurde achtzehn Jahre meines Gehorsams gegeben, Hiashi-sama…und ich weiß die Nachsicht zu schätzen, die du mir gegenüber als mein Onkel gezeigt hast.“

 

„Tust du das wirklich?“, konterte Hiashi und zog die Brauen zusammen, als Hinata schon wieder stolperte.

 

Neji drehte ein winziges Stück den Kopf und spähte durch den Fall seiner Strähnen auf die strengen Falten auf Hiashis Stirn. „Ich respektiere dich, aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich irgendetwas anderes als Verachtung für die anderen Ältesten empfinde.“

 

„Hüte deine Zunge.“, warnte Hiashi und musste dabei nicht die Stimme heben, oder das Haupt wenden. „Selbst meine Nachsicht hat ihre Grenzen.“

 

Das war mit Sicherheit keine Lüge; Neji wusste, dass die Grenzen von Nachsicht in etwa so weit gingen wie das Konzept von Mitleid innerhalb des Hyūga Clans. Und gemessen an dem, was dieser Clan seinem eigenen Fleisch und Blut antat, war Mitleid keine Tugend, sondern ein absolutes Novum – und wenn jemand besonders viel Glück hatte, dann war dieses Mitleid ein Segen. 

 

Neji richtete seinen Blick wieder auf Hinata. „Dann bitte ich um deine Nachsicht, mir eine Frage zu gestatten. Die Ältesten haben ihre Antwort bereits gegeben, auch wenn die Entscheidung bei dir liegt.“

 

Hiashis schiefes Lachen klang mehr nach einem Schnauben aufgrund seiner ungeübten Töne. „Du hast zu viel Zeit mit Shikakus Sohn verbracht, wenn du denkst, dass du Machtspiele spielen kannst, Neji.“

 

„Ich würde meine Freiheit für nichts aufs Spiel setzen.“, erwiderte Neji scharf und hielt rasch seine Stimme im Zaum, als er spürte, wie Hiashi ihm einen warnenden Seitenblick zuwarf. „Das ist kein Spiel für mich, Hiashi-sama.“

 

„Dann stell deine Frage.“

 

„Wenn ich dem Weg zu den ANBU folgen möchte, wirst du mich daran hindern?“

 

Die Brise schien zu ersterben. 

 

Neji spürte, wie er gleichzeitig aufhörte zu atmen; die Luft verschloss sich in seiner Kehle. 

 

Hinata vollführte zwei sanfte Drehungen, bis Hiashi endlich antwortete; seine Worte wurden in der kalten Nachtluft zu Nebel. 

 

„Nein, ich werde dich nicht daran hindern.“, sagte er leise, bevor er ernst hinzufügte: „aber ich werde dich auch nicht dabei unterstützen.“

 

Kopfschüttelnd spannten sich Nejis Lippen gegen ein bitteres Lächeln an. „Wäre es denn für alle Beteiligten einfacher, wenn ich den gleichen Weg wie mein Vater einschlagen würde? Wenn ich schwach wäre…“

 

„Dein Vater war nicht schwach.“ Die Geschwindigkeit von Hiashis Erwiderung war nichts im Vergleich zu der strengen Art und Weise, wie er sie aussprach. Es versah seine Worte mit einer Kante, durch die man den Eindruck gewinnen konnte, dass er sich beleidigt fühlte. 

 

Neji runzelte die Stirn und spähte zu seinem Onkel. „Nein. Er war nur aufgezehrt von seiner Verbitterung…und er hat mich zu demselben Schicksal verdammt; in der Hoffnung, dass ich stark genug wäre, um meiner Bestimmung auf eine Weise zu entkommen, auf die er es nicht getan hat…“

 

Hiashis Zorn milderte sich etwas und sein Kiefer lockerte sich leicht aus seiner steifen Verkrampfung. „Das ist nicht wahr. Dein Vater war ein Opfer, kein Missetäter.“

 

„Und was bin ich?“, wisperte Neji bitter; seine tiefe Stimme bebte mit dem plötzlichen Aufwallen von Emotionen, von denen er nicht die Kraft hatte, sie im Zaum zu halten. „Ein Testament seiner Tragödie?“

 

Hiashi wandte sich um und sah durch ernste, beständige Augen seinen Neffen an. „Nein, Neji. Du bist ein Testament dessen, was aus Hizashis Tragödie geboren werden kann.“

 

„Und was wäre das?“

 

Hiashi wandte den Blick ab und richtete ihn himmelwärts. „Hoffnung.“

 

Neji blinzelte und fragte sich ernsthaft, ob er sich gerade verhört hatte. 

 

Vorsichtig folgte er den Augen seines Onkels, bevor er seinen Blick wieder auf den älteren Hyūga richtete. 

 

Hiashis Iriden wanderten über eine weit entfernte Konstellation und etwas Trauriges ätzte sich in seine Augenwinkel; wie die Berührung einer lange verleugneten Emotion, die eigentlich nicht da sein sollte. 

 

„Ich trage noch immer die Ketten unserer Clantraditionen. So wie mein Bruder…“ Hiashi senkte den Blick und richtete denselben seltsam abgehärmten Ausdruck auf Hinata. „Aber mit jeder Generation werden diese Bindungen schwächer…du wirst deine Ketten zerbrechen, Neji. Hasse deinen Vater nicht dafür, dass er nicht in der Lage war, seine eigenen zu zerbrechen.“

 

Sprachlos konnte Neji nichts anderes tun, als seitwärts seinen Onkel anzustarren; seine eigenen blassen Seen verengten sich gegen den stechenden Schmerz, der sich in sie drängte. Hiashi hielt seine Aufmerksamkeit auf seine Tochter gerichtet und blinzelte langsam. 

 

„Es ging nie darum, Hizashi dazu zu ermutigen, das anzunehmen, was ANBU ihm angeboten hat. Er ist geblieben, weil er die Dinge für die Zweigfamilie ändern wollte.“ Hiashi spähte zu Neji hinüber und zwang seinen Neffen so, den Blick abzuwenden. „Und für dich, Neji. Du warst sein Grund, aus dem er unseren Clan ändern wollte.“

 

Ich wünschte, ich wäre der Grund gewesen, aus dem er leben wollte.

 

Neji ließ seine dichten Strähnen seinen Ausdruck der Trauer verbergen, der sich in die stolze Maske seines Gesichtes fraß und schloss langsam seine Augen. 

 

Die Wunde tief in ihm; die, die öfter aufgerissen und in die öfter geschnitten wurde, als er ertragen konnte, schien nun mit einer anderen Emotion zu schmerzen. In dem rohen Ort, der niemals wirklich verheilt war, spürte er, wie Kummer durch den Zorn blutete, der ihn für zwei lange Monate infiziert hatte.

 

Ich verspreche, dass ich dir eines Tages vergeben werde…

 

Aber nicht jetzt. Er war noch nicht bereit dazu, das loszulassen. 

 

„Ich werde nicht denselben Fehler wie mein Vater begehen.“, sagte Neji leise mit noch immer geschlossenen Augen, als würde er einen Teil von sich neu ansprechen, der kurzzeitig vom Weg abgekommen war. „Ich werde ANBU weiter verfolgen.“

 

„Und wie ich bereits sagte“, nickte Hiashi, „werde ich dich nicht daran hindern.“

 

Die Tatsache, dass du es könntest ist der Grund, aus dem ich es tue…

 

Neji biss hartnäckig den Drang zurück, seinem Gedanken eine Stimme zu verleihen und hob stattdessen die Lider, um geradeaus auf Hinata zu starren, die sich gerade an einem anderen Jutsu versuchte. Das Chakra flackerte erneut über ihre Fäuste und hielt sich in einem klecksartigen Glühen, bevor es mit einem Zischen verblasste, das sie keuchend zurückließ. Energisch biss sie die Zähne zusammen, aber ihr entschlossen gerecktes Kinn geriet leicht ins Wanken. 

 

Sie sah von ihren zitternden Fäusten auf und hinüber zu ihrem Vater. 

 

Doch Hiashi drehte ihr einfach nur den Rücken zu und lief davon. 

 

Neji beobachtete, wie die Augen der Kunoichi dem Ältesten folgten; weit und leuchtend in der Dunkelheit. 

 

Es war etwas ausgesprochen Kindliches an der Art und Weise, wie sie auf die Shojitür starrte, die Hiashi zur Seite schob; als würde sie erwarten, dass ihr Vater innehielt und sich umwandte.

 

Er tat es nicht. 

 

Die Tür schloss sich mit einem leisen Klacken hinter ihm. 

 

Hinatas Augen fielen wieder hinunter auf ihre Hände und ihre Fäuste bebten, als ihr Atem einmal kurz stockte. Doch ohne ein weiteres Geräusch drängte sie sich zurück in das Kata und durchstach die Luft mit ihren Handballen, während sie Zirkel beschrieb, die etwas zu ruckartig waren, um fokussiert zu sein. 

 

Nejis Augen verengten sich leicht. 

 

Er schritt fort von der Veranda und bewegte sich einem Wispern aus Weiß über den Innenhof, um sich seiner Cousine zu nähern. Hinata bemerkte ihn nicht; ihre Konzentration war vollkommen nach innen kanalisiert und ging nur so weit nach außen, wie ihre Arme reichten. 

 

Erst, als sie das sanfte Schwingen seiner Roben an ihrer unmittelbaren Peripherie wahrnahm, beruhigte sie ihre Bewegungen genug, um zu realisieren, dass Neji neben ihr war und das Kata in einer Geschwindigkeit spiegelte, die sie dazu zwang, langsamer zu werden und sich auf ihn zu konzentrieren. 

 

Weitäugig und zögernd sah sie ihn an. 

 

Neji schüttelte nur den Kopf und wandte ihr nicht den Blick zu. „Konzentrier dich nicht nur auf deine Fäuste, auch wenn das der Punkt ist, an dem du dein Jutsu konzentrierst. Das Chakra beginnt nicht in deinen Händen, es fließtdorthin. Komm, versuch es nochmal.“

 

Hinata blieb stehen und ihr Kiefer fiel leicht nach unten, als sie sich an Ort und Stelle aufrichtete und heftig blinzelte. „Ich…“ Sie brach ab. 

 

Neji hielt seine Augen starr geradeaus gerichtet und schob sich in die Ausgangsposition des Kata. 

 

„Nochmal.“, sagte er nur. 

 

Hinata stierte ihn an und lächelte dann zaghaft, bevor sie sich sofort daran machte, seine Haltung nachzuahmen. „Ja.“

 

Neji nickte. 

 

Sie begannen von Neuem und als Hinata ins Stocken geriet, führte Neji sie mit einer Geduld, die er niemals zuvor gezeigt hatte. 

 

Und zum ersten Mal seit dem Bruch in dem Clan, fühlte sich ihr Hyūga Blut dicker an als Wasser. 

 
 

oOo
 

 
 

Wasser; es reflektierte die helle Scheibe des Mondes in einem verzerrten Schimmern. 

 

Shikamarus Brauen zogen sich zusammen, als er das fragmentierte Lichtspiel beobachtete und in der tiefen umfassenden Umarmung der Schatten verharrte. Sie legten sich um ihn wie ein Laken; unterbrochen nur von den Strahlen aus Mondlicht, die durch die Zweige des Baumes fielen, gegen den er sich bereits seit den letzten paar Stunden lehnte und die letzten Wolken beobachtete, wie sie sich von Feuer zu Asche verwandelten. 

 

Er fühlte sich in seinem Inneren ebenso ausgebrannt. 

 

Die Spannung, die ihn aufgrund seiner Konfrontation mit Hiashi durchzogen hatte, war endlich von seinen Schultern geglitten und ließ ihn apathisch und benommen zurück. Als hätte er eine Menge Adrenalin dafür reserviert, wie die Hölle wegzurennen, nur um dann festzustellen, dass er gar nicht gejagt wurde. 

 

Seltsam, aber sogar die Erleichterung fühlte sich erschöpfend an.

 

Ich muss einfach nur schlafen.

 

Keine Medikamente, keine Gehirnerschütterung, keine induzierte Bewusstlosigkeit; einfach nur natürlicher, nicht zwanghaft hervor gerufener Schlaf. Kaum hatte sich sein Verstand auf diesen Gedanken fokussiert, da driftete er auch schon ungebeten zu Neji ab; aufgewühlt von einer Flut aus Gefühlen, von denen er nicht sicher war, was er mit ihnen anfangen sollte. 

 

Ich kann es nicht ändern…muss es einfach akzeptieren…vielleicht auch versuchen, es zu vergessen…

 

Was auf gar keinen Fall passieren würde. 

 

Trotz allem, was zwischen ihnen blutig, verletzt oder zerbrochen war; es änderte nichts daran, was sie im Chaos erschaffen hatten. Und irgendwie hatte es alles überstanden, was auch immer sie ihm und sich gegenseitig entgegengeschleudert hatten.

 

Shikamaru lächelte schwach; ein Geist von wachsendem Kummer und Traurigkeit in seinen Augen. 

 

Lästiger Hyūga…

 

Er starrte auf das glasige Wasser und beobachtete die Glühwürmchen, die bei dem Schilf schwebten. Er musste ihnen für eine gute halbe Stunde zugesehen haben, bevor er sich umwandte, um nach Haus zu gehen. Die Hände tief in die Taschen geschoben und die Augen nach unten gerichtet, schritt er das weiße Band entlang, zu dem der Bürgersteig unter dem Glühen des Mondes geworden war. 

 

Er nahm einen weiteren Umweg und schlenderte dahin, bis ein scharfes Bellen seine Aufmerksamkeit auf einen Hund zog, der mit der Nase auf dem Boden die Straße entlang tapste. Der weißbraune Vierbeiner blieb ein paar Schritte von ihm entfernt stehen und sein Kopf ruckte plötzlich nach oben; das Mondlicht schimmerte von dem Hitai-ate, das um seinen bandagierten Hals gebunden war. 

 

Ein Ninken?

 

Als er Shikamaru erblickte, huschte der Hund ein Stück zurück und legte den Kopf mit einem fragend wirkenden Ausdruck schief, bevor er leise wuffte und sich in einer Spielaufforderung auf die Vorderbeine niederließ, während seine schokofarbene Rute leicht wedelte. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn, als er die blaue Weste bemerkt, die das Tier trug.

 

Es war nicht zu übersehen, dass es sich hier um einen von Kakashis Ninken handelte. 

 

Ugh. Schweine, Vögel, Hunde…im Ernst…warum passiert so ein Mist eigentlich immer mir…?

 

Doch bevor Shikamaru darüber nachdenken konnte, mehrere Meter vor dem zurück zu weichen, was mehr als wahrscheinlich eine lästige Situation sein würde, erschien eine vertraute Silhouette auf dem Bürgersteig; hinunter geworfen von dem Gebäude neben der Straße. 

 

„Willst du wissen, wie man ein Katz und Maus Spiel gewinnt?“, rief eine tiefe Stimme. 

 

Shikamarus Augen weiteten sich. 

 

Doch ihm blieb keine Zeit, darauf zu antworten, selbst wenn er es in Betracht gezogen hätte. 

 

Ein leiser Aufschlag erscholl, als die Gestalt vor ihm auf den Boden sprang; die breitschultrige Figur verdunkelte augenblicklich den Mond, um den jungen Nara in Schatten zu tauchen. 

 

„Du bringst einen Hund ins Spiel“, sagte Asuma.

 

 __________________________

 

Oh Gott, wir kommen dem Ende von BtB immer näher, langsam werde ich wirklich richtig wehmütig...nur noch vier Kapitel...

Und ja, die eine Konfrontation hat Shikamaru überstanden, aber jetzt steht ihm gleich die nächste bevor...

Ich hoffe sehr, dass euch dieses Kapitel wieder gefallen hat und würde mich natürlich wieder sehr sehr freuen zu erfahren, was ihr von den Charakterdarstellungen und dem Inhalt haltet :) 
 

Vielen vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen! <3

 

​Achja und: Happy Birthday Neji!! <3 



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Lady_Ocean
2021-07-08T11:28:14+00:00 08.07.2021 13:28
In diesem Kapitel hat mich vor allem Shikaku beeindruckt. Seine Reaktion auf das Chaos bei seiner Heimkehr in der Nacht war einfach unglaublich. Im ersten Moment der Schock darüber, was mit seinem Haus passiert war, dann die unweigerliche Schlussfolgerung, dass sich sein Sohn in Gefahr befand. Und als er in Shikamarus Zimmer ankam, war der Täter gerade erst zur Tür raus. Dennoch muss Shikaku es vor Aufnahme seiner Verfolgung geschafft haben, das Verbandsmaterial und die Verarztung von Shikamarus Verletzungen zu bemerken - also dass sich der Flüchtige um ihn gekümmert haben musste. Dennoch muss die Wut in seinem Innern enorm gewesen sein. Dass er daher Neji nicht nur mit einer Verbannung vom Nara-Anwesen hat ziehen lassen, sondern ihm sogar den letzten Rest seiner Würde gelassen hat, indem er seine verletzten und tränenunterlaufenen Augen verdeckt hat, fand ich unglaublich. An Nejis hockender Pose hat er sicher ohnehin erkannt, wie zerbrochen Neji selbst gewesen sein musste. Aber ich denke nicht, dass es nur (oder auch) Mitleid war, was Shikaku dazu bewegt hat, Nejis Augen zu bedecken. Neji HAT Shikamaru angegriffen, schwer verletzt. Seinen Sohn. Über das verwüstete Haus hätte Shikaku vielleicht noch hinwegsehen können, aber wenn das Leben seines Sohnes bedroht ist, hört es mit dem Mitgefühl definitiv auf. Vielleicht haben Nejis Tränen in diesem Moment, als er gestellt worden ist, einfach keine Rolle gespielt. Vielleicht wollte Shikaku sie nicht sehen, weil sie für ihn unbedeutend waren. Und die Entscheidung, Neji ziehen zu lassen, war wohl auch für das ganze Dorf das Beste. Wenn er direkt versucht hätte, Rache an Neji zu nehmen, wäre der Hyuga-Clan auf den Plan gerufen worden. Wenn er sich an das Clanoberhaupt gewendet hätte, wäre das auch in Problemen zwischen den Nara und den Hyuga gemündet. Und vielleicht hätte es sogar weitere Kreise gezogen und das halbe Dorf involviert. So oder so wäre es "lästig" geworden. Und Neji hatte seine Raserei ja ganz offensichtlich gestoppt. Hatte sich danach um Shikamaru gekümmert. War von seinen eigenen Taten zerstört worden. Das war dann sicher das Zünglein an der Waage, dass Shikaku ihn auf diese Art hat ziehen lassen.
Antwort von:  _Scatach_
08.07.2021 15:26
So und auf zu meiner letzten Antwort zu deinem Kommentar :)

Ahja Shikaku...einer meiner liebsten Charaktere und auch sehr sehr undurchsichtig wie ich finde. Ja, er zeigt Neji gegenüber hier eine unglaubliche Milde. Aber davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Shikaku ist keine Person, die die Leute direkt auf heftigste Weise bestraft - so wie die Hyūga. Das heißt aber bei weitem nicht, dass er Neji einfach so verzeiht, was er mit Shikamaru gemacht hat. Mehr werde ich dazu aber hier nicht sagen ;)
Und nein, Nejis Tränen spielen für Shikaku hier tatsächlich keine Rolle, da hast du recht! Und auch, dass ansonsten der Hyūga Clan eingeschritten wäre und das Dorf involviert worden wäre...etwas, das Shikaku natürlich vermeiden will...er bleibt lieber in den Schatten, auch bei seiner 'Rache' ;)

Vielen Dank auch hier wieder für deinen lieben Kommentar! <3
Scatach
Von:  cutestrawberry
2021-07-05T15:20:06+00:00 05.07.2021 17:20
Ach, das war ein schönes Kapitel. Es ist irgendwie so friedlich und mir haben alle Szenen sehr gut gefallen, aber besonders mochte ich die Szene zwischen Hinata und Neji ❤️

Die Charakterdarstellung ist dir gut gelungen. Ich habe allen alles abgekauft. Sehr gut gemacht 👍😄

Ich freue mich sehr auf das nächste Kapitel :)
Antwort von:  _Scatach_
06.07.2021 23:03
Awww, vielen Dank, es freut mich, dass dir das Kapitel gefallen hat! <3

Schön, dass du die Szene zwischen Hinata und Neji so toll fandest, sie war für die beiden auch wirklich wichtig.

Awww, vielen Dank für dieses Kompliment, es tut so gut zu wissen, wenn die Charakterdarstellungen gelungen sind! <3

Vielen Dank für deine lieben Worte <3
Scatach
Von:  Scorbion1984
2021-07-04T20:50:05+00:00 04.07.2021 22:50
Ein Vogel im Käfig noch weiter ?
Die fand ich auch ganz interessant.
Antwort von:  _Scatach_
04.07.2021 23:35
Hey :)
Ja klar, 'Vögel müssen fliegen' geht natürlich auch weiter und wird definitiv beendet! Keine Sorge :)
Von:  Scorbion1984
2021-07-04T20:48:27+00:00 04.07.2021 22:48
Ich bin irgendwie sprachlos, das ist ein sehr emotionales Kapitel .
Beide sind total erschüttert von ihren Erkenntnissen ,obwohl sie auch anfangen dazu zu stehen. Neji will nun unbedingt Anbu werden ,aber ist das wirklich die erhoffte Freiheit für ihn .
Obwohl die Geschichte langsam zu Ende geht, freu ich mich auf das nächste Kapitel.
Was anderes, schreibst du die FF ein
Antwort von:  _Scatach_
04.07.2021 23:37
Huhu :)
Awww, vielen vielen Dank, es freut mich sehr, dass du das Kapitel so emotional fandest!! <3
Ja, das ist die große Frage, ob ANBU wirklich diese Freiheit bieten kann, nach der Neji sich sehnt.
Schön, dass du dich auf das nächste Kapitel freust :)

Und auch hier nochmal: Ja, auch bei Vmf wird es wieder weiter gehen! :)

Ganz liebe Grüße und danke für dein liebes Review! <3
Scatach


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